Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (27) SO 195/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 4/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 verurteilt, der Klägerin für die Inanspruchnahme von Haushaltshilfe monatlich einen Betrag in Höhe von 115,18 Euro zu zahlen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Leistungen zur Finanzierung einer Haushaltshilfe.
Die am 04.06.1944 geborene Klägerin ist Mutter von 3 Kindern und seit 1981 geschieden. Sie bewohnt alleine eine in der 1. Etage eines Mehrfamilienhauses gelegene etwa 57 qm große 2-Zimmer-Eigentumswohnung. Ohne formalen Schulabschluss war sie nach dem Besuch der Sonderschule neben der Kindererziehung nur vorübergehend in verschiedenen Berufen tätig.
Auf medizinischem Gebiet liegen verschiedene Gesundheitsstörungen vor. Im Vordergrund steht dabei ein Zustand nach traumatischer Trümmerfraktur des rechten Handgelenkes (1980), die in leichter Fehlstellung im Sinne einer Ulnardeviation verheilt ist, was zu einer endgradigen Funktionsbeeinträchtigungen führte. Ferner besteht ein Tennisarm rechts ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung, eine Periathropathia humero scapularis rechts ohne wesentliche Funktionsstörung, eine Polyarthrose der kleinen Fingergelenke ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung, ein Zustand nach zweimaliger Schlüsselbeinfraktur rechts sowie Zustände nach Mittelfußfraktur und Fraktur des rechten kleinen Fingers. Daneben liegt ein Zustand nach Hysterektomie, eine Blasenschwäche sowie ein Zustand nach operativer Entfernung gutartiger Geschwülste der Brüste vor. Vom Versorgungsamt wurde ihr aufgrund der Gesundheitsstörungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 ohne Merkzeichen zuerkannt.
In der Vergangenheit erhielt die Klägerin seit Jahren Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt von dem Beklagten nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). In diesem Rahmen geährte der Beklagte seit 1986 auch laufend Leistungen für die Finanzierung einer privat beschafften Haushaltshilfe. In einem Bescheid vom 30.07.1986 bewilligte er die Leistung mit folgendem Wortlaut: "Auf Ihren Antrag vom 03.06.1986 wird Ihnen ein Mehrbedarf für eine Haushaltshilfe von monatlich 255,00 DM bis auf Widerruf anerkannt." Bei der Bemessung der Leistungshöhe wurde eine wöchentlicher Hilfebedarf von 3,25 Stunden zugrundegelegt. Dieser Hilfebedarf für das Fenster- und Flurputzen, Wechseln der Bettwäsche sowie das Einkaufen wurde zuletzt im Rahmen einer Überprüfung am 16.01.1998 durch die Stadtärztin Frau Böttcher bestätigt. Die Leistungen, die von dem Beklagten für selbstbeschaffte Haushaltshilfen auf Stundenbasies pauschal bemessen werden, beliefen sich danach bis zum 31.12.2004 laufend weiter auf 255,00 DM bzw. 115,18 Euro monatlich. Dann wurden die Zahlungen eingestellt.
Am 02.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Daraufhin wurden ihr von der Beigeladenen erstmalig mit Bescheid vom 22.12.2004 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2005 und danach mit Folgebescheiden weiter entsprechende Leistungen ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die selbstbeschaffte Haushaltshilfe gewährt. Gegen den Bescheid vom 22.12.2004 legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob die Klägerin Klage gegen die Beigeladene, die beim Sozialgericht Duisburg unter dem Az: S 7 (32) AS 73/05 anhängig ist. In diesem Verfahren begehrt die Klägerin ebenfalls Leistungen zur Deckung der Aufwendungen für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe. Dieses Klageverfahren wurde im Einvernehmen der Beteiligten im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ruhend gestellt.
Am 17.01.2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, die Weitergewährung von Leistungen für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe über den 31.12.2004 hinaus. Zur Begründung machte sie geltend, die Leistungen seien seit 1986 gezahlt worden. Seitdem habe sich ihr Gesundheitszustand nicht verbessert. Nur weil die "Harz IV-Leistungen" leicht höher ausfielen, sei nicht verständlich, dass die Haushaltshilfe nunmehr selbst finanziert werden müsse. Darin liege auch eine Benachteiligung gegenüber gesunden "Harz-IV-Beziehern". Mit Bescheid vom 02.05.2005 lehnte der Beklagte eine weitere Beteiligung an den Aufwendungen für die selbstbeschaffte Haushaltshilfe mit der Begründung ab, die Klägerin beziehe Leistungen nach dem SGB II, so dass wegen § 21 des zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII nicht in Betracht komme. Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei stadtärztlicherseits festgestellt, dass sie Putzarbeiten nicht verrichten könne. Vor diesem Hintergrund seien ihr die Leistungen im Jahre 1986 bis auf Widerruf zuerkannt worden. Ein solcher Widerruf sei bis heute nicht erfolgt. Nachdem die Beklagte die Klägerin erfolglos aufgefordert hatte, aktuelle medizinische Befunde vorzulegen, damit geprüft werden könne, ob ein Leistungsanspruch möglicherweise im Rahmen der Hilfen zur Pflege in Betracht komme, wies er mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 den Widerspruch zurück. Ergänzend zu den Ausführungen in dem Ausgangsbescheid wies er zur Begründung darauf hin, dass auch keine Anhaltspunkte für einen Leistungsanspruch im Rahmen der Hilfen zur Pflege bestünden. Das Argument der Klägerin, die in der Vergangenheit ausgesprochene Bewilligung sei zwischenzeitlich nicht widerrufen worden, greife nicht durch, weil es sich bei der Sozialhilfe nicht um eine rentengleiche Dauerleistung handele, sondern quasi täglich neu überprüft werden müsse, ob ein Leistungsanspruch bestehe oder nicht.
Am 28.07.2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Nach ihrer Auffassung muss ein Leistungsanspruch entweder gegenüber der Beigeladenen oder gegenüber dem Beklagten bestehen. Für einen Anspruch gegen den Beigeladenen spreche, dass nach der gesetzlichen Systematik dessen Zuständigkeit für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abschließend und umfassend sei. Das SGB II sehe die hier fraglichen Leistungen zwar seinem Wortlaut nach nicht vor, die Vorschriften seien aber verfassungskonform durch eine analoge Anwendung der Öffnungsklausel des § 28 Abs 1 S 2 SGB XII zu erweitern. Als Anspruchsgrundlage gegenüber dem Beklagten komme die Vorschrift des § 70 Abs 1 S 1 SGB XII in Betracht. Im Hinblick auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen - LSG NW - (Az: L 20 B 9/05 SO ER) sei davon auszugehen, dass ein Leistungsanspruch nach dieser Vorschrift auch dann bestehe, wenn nur Teilleistungen im Haushalt erforderlich seien und es sich um Berechtigte handele, die parallel dazu Leistungen nach dem SGB II erhielten. Der Bedarf der Klägerin könne jedenfalls nicht deshalb verneint werden, weil sich die gesetzlichen Regelungen geändert hätten.
Obwohl die Klägerin seit Januar 2005 weder von dem Beklagten noch von der Beigeladenen Leistungen zur Deckung der Aufwendungen für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe erhielt, nahm sie entsprechende Leistungen von ihren Bekannten, einer Frau Babel und einem Herrn Bliemel, in Anspruch. Die beiden Personen haben sich nach ihren Angaben bereit erklärt, Zahlungsansprüche gegenüber der Klägerin bis zum Abschluss dieses Verfahrens zurückzustellen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 zu verurteilen, ihr Leistungen in Höhe von 115,18 Euro monatlich für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe ab dem 17.01.2005 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung gibt es keine Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ihm gegenüber. Die Voraussetzungen des § 70 SGB XII seien nicht erfüllt, weil die Hilfeleistung nicht nur vorübergehend sei und durch sie eine stationäre Unterbringung der Klägerin nicht vermieden werde. Die Voraussetzungen des § 73 SGB XII lägen ebenfalls nicht vor, weil mit Leistungen aufgrund dieser Vorschrift nur Bedarfslagen abgedeckt werden könnten, die nicht Bestandteil des Regelbedarfs (§ 28 SGB XII) seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) seien Leistungen der Haushaltshilfe aber der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des § 28 SGB XII zuzurechnen. Auch nach Kenntnisnahme von dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung im Klageverfahren bleibt er bei seiner Auffassung, dass auch Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht in Betracht kommen, weil die Klägerin keinerlei personenbezogener Hilfe bedürfe. Die Leistungen seien auch nicht so umfangreich, als dass sie nicht von Freunden oder Bekannten geleistet werden könnten.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie vertritt jedoch die Auffassung, ebenfalls nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, da es im SGB II keine Regelung gebe, auf die sich die Klägerin für ihren Leistungsanspruch stützen könne. In Betracht komme jedoch die Bewilligung einer Leistung zur Weiterführung des Haushaltes, also nach dem neunten Kapitel des SGB XII und damit eine Leistungsverpflichtung des Beklagten.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Befundbericht bei dem behandelnden Chirurgen der Klägerin Dr. Senuysal eingeholt. Ferner sind die Verwaltungsvorgänge des Versorgungsamtes Essen zum Verfahren beigezogen worden. Schließlich hat das Gericht zur Frage der Pflegbedürftigkeit der Klägerin nach dem SGB XII ein Gutachten bei dem sachverständigen Neurologen und Psychiater Dr. R. vom 19.06.2006 eingeholt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 02.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 ist rechtswidrig und die Klägerin deswegen beschwert im Sinne von § 54 Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich dies jedoch nicht bereits aus der Bindungswirkung des Bescheides vom 30.07.1986, mit dem der Beklagte einen monatlichen Mehrbedarf für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe in Höhe von 255,00 DM "bis auf Widerruf" anerkannte. Auf die Bindungswirkung dieses Bescheides kann sich die Klägerin schon deswegen nicht berufen, weil die Vorschriften des BSHG, auf deren Grundlage der vorgenannte Bescheid erlassen wurde, mit dem 01.01.2005 außer Kraft getreten sind und der Entscheidung damit für die Zukunft die gesetzliche Grundlage entzogen wurde. Dem Beklagten ist außerdem insoweit zuzustimmen, als nach der Systematik des BSHG der tatsächliche Bedarf grundsätzlich laufend zu überprüfen war und die Entscheidung über die Leistung in der Regel monatlich durch Neubescheidung oder Auszahlung der Leistung neu konkretisiert wurde. Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung in dem Bescheid vom 30.07.1986 nicht als Dauerverwaltungsakt qualifiziert werden der materielle Bindungswirkung nach § 77 SGG auch über den 31.12.2004 hinaus entfaltet.
Der Klägerin steht aber dennoch entgegen der Auffassung des Beklagten Anspruch auf Beteiligung des Beklagten an den Kosten für die Heranziehung einer Haushaltshilfe zu. Grundlage für diesen Anspruch sind im vorliegenden Fall die Vorschriften der §§ 61 Abs 1 und 65 Abs 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßigen wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen, nicht nur dann Hilfe zur Pflege, wenn sie die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit im Sinne des elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) erfüllen, sondern auch dann, wenn sie voraussichtlich für weniger als 6 Monate pflegebedürftig sind oder einen Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufen I oder II im Sinne des SGB XI haben (§ 61 Abs 1 S 2 SGB XII). Damit wird der enge Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI für den Bereich des SGB XII ausgeweitet auf Fälle einfacher Pflegebedürftigkeit (sog Pflegestufe 0) (vgl. H. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17, Auflage 2006 § 61 Ziff 28 ff).
Bei der Klägerin besteht ein wöchentlicher Hilfebedarf ausschließlich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung in einem Umfang von 3,25 Stunden. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Rother vom 19.06.2006, der nach ausführlicher ambulanter Untersuchung und Befragung der Klägerin in ihrem häuslichen Bereich eine in sich schlüssige und für das Gericht nachvollziehbare Beurteilung der häuslichen Pflegesituation der Klägerin unter Berücksichtigung der konkreten von der Klägerin vorgetragenen Krankheitsbeschwerden abgegeben hat. Inhalt und Umfang des festgestellten Pflegebedarfes decken sich im Übrigen auch mit der Beurteilung der Stadtärztin Frau B. in ihrem letzten Gutachten für den Beklagten vom 16.01.1998 (vgl. Bl. 1012 der Verwaltungsvorgänge). Inhalt und Umfang der konkreten Pflegebedürftigkeit der Klägerin sind zwischen den Beteiligten im Wesentlichen auch unstreitig, so dass die Kammer keine Bedenken hat, die Leistungsbeurteilung des Dr. R. bei der Beurteilung des vorliegenden Falles in vollem Umfang zugrunde zu legen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege durch den Beklagten sind damit erfüllt. Dem steht nicht entgegen dass in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) keinerlei regelmäßige Hilfestellungen erforderlich sind. Das Fehlen eines messbaren grundpflegerischen Bedarfs schließt die Bewilligung von Leistungen nach § 61 Abs 1 SGB XII nach dessen Wortlaut nicht aus. Auch die Regelung des § 61 Abs 5 SGB XII lässt nicht erkennen, dass die Pflegebedürftigkeit im Sinne der Nr 4 kumultiv auch einen (Mindest-) Bedarf an Grundpflege nach den vorausgehenden Nummern verlangt. Dies lässt sich auch nicht aus § 61 Abs 2 S 2 SGB XII folgern. Der darin enthaltene Verweis auf Regelungen der Pflegeversicherung bezieht sich ausdrücklich auf die Pflegeleistungen nach S 1 und damit auf die entsprechenden Leistungen der Pflegeversicherung. Angesprochen ist mithin der durch § 61 Abs 1 S 1 SGB XII umschriebene Personenkreis der Pflegebedürftigen mindestens der Pflegestufe I (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts - LSG -Berlin-Brandenburg vom 30.03.2006, Az: L 15 B 45/06 SO ER mwN). Das Argument dafür, als Merkmal der Pflegestufe 0 einen zumindest minimalen grundpflegerischen Bedarf zu fordern, liegt darin, eine handhabbare Abgrenzung zwischen der Hilfe zur Pflege und der hauswirtschaftlichen Hilfe zum Lebensunterhalt zu schaffen (vgl. Krahmer: LPK-SGB XII, 7. Auflage 2005 § 61 Rndz. 6; Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 22.01.2002, Az: 6 K 2368/99 Rndz. 21 - zitiert nach Juris - m.w.N). Unabhängig von der Frage, ob die (reine) hauswirtschaftliche Versorgung überhaupt der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zuzurechnen ist (vgl. insoweit ablehnenden Beschluss des LSG NW vom 16.09.2005, Az: L 20 B 9/05 SO ER), ist an diesem Differenzierungskriterium jedoch nicht festzuhalten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg aaO sowie Beschluss des LSG Hessen vom 04.07.2006, Az: L 9 SO 24/06 ER). Denn nach der ausdrücklichen Regelung des § 61 Abs 5 Nr 4 SGB XII (früher: § 68 Abs 5 Nr 4 BSHG) gehören nunmehr "im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen" zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des Abs 1. Sie sind damit nach der gesetzlichen Definition Leistungen der Hilfe zur Pflege, ohne dass es um Verrichtungen an, sondern lediglich für die Person geht. Diese Bestimmung umschreibt damit nicht nur die möglichen Leistungen der Hilfe zur Pflege, sondern auch den Kreis der Pflegebedürftigen. Angesprochen ist dabei der gesamte Personenkreis des Abs 1 mit einem regelmäßig durch Abs 5 bezeichneten unterschiedlichen Grad der Pflegebedürftigkeit. Erfasst wird somit auch eine allein im Sinne des Nr. 4 bestehende Pflegebedürftigkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg aaO).
Selbst wenn man die vorgehend dargestellte Auffassung der Kammer nicht teilen sollte, weil man für den Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs 1 SGB XII dem Grunde nach einen zumindest messbaren minimalen grundpflegerischen Bedarf voraussetzt, wäre die Klage der Klägerin erfolgreich, weil sie sich dann alternativ auf die Vorschrift des § 70 SGB XII stützen kann. Leistungen nach dieser Vorschrift sind ebenso wie die Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Klägerin nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie bereits von der Beigeladenen Leistungen zur Sicherung zum Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des SGB II erhält. Denn von dem Leistungsausschluss des § 21 SGB XII sind nur die Leistungen nach dem Dritten Kapitel und nicht die nach dem Siebten oder Neunten Kapitel des SGB XII erfasst. Nach der Rechtsprechung des 20. Senats des LSG NW (aaO), der sich die Kammer insoweit anschließt, kommt eine Anwendung der Regelung des § 70 Abs 1 SGB XII auch in Betracht, wen es sich - wie hier - um Kosten handelt, die für die Erledigung einzelner Haushaltstätigkeiten und nicht die Weiterführung des Haushaltes insgesamt anfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei den Tätigkeiten um solche handelt, die in ihrer Gesamtheit für die Haushaltsführung wesentlich sind. Hiervon geht die Kammer in vorliegenden Fall insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der Hilfe beim Wechsel der Bettwäsche aus. Auch die übrigen von dem Sachverständigen Dr. Rother und der Stadtärztin Frau Böttcher für erforderlich gehaltenen Verrichtungen decken sich mit den in dem zitierten Beschluss des LSG NW genannten Verrichtungen. Einer Leistungsberechtigung nach § 70 Abs 1 SGB XII steht auch nicht entgegen, dass die Leistungen nach dem Gesetzeswortlaut in der Regel nur vorübergehend erbracht werden sollen. Denn nach § 70 Abs 1 S 3 SGB XII gilt S 2 nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgehoben werden kann. Da im vorliegenden Fall eine geordnete Haushaltsführung auf Dauer nur mit den beschriebenen Hilfen möglich und die Klägerin alleinstehend ist, wäre ein Verbleiben in ihrer Wohnung auf Dauer ohne die dargestellten Hilfen durchaus als fraglich anzusehen.
Auf Grundlage dieser Erwägungen sind die Voraussetzungen für die finanzielle Beteiligung des Beklagten an den Aufwendungen der Klägerin für die Beschaffung von Haushaltshilfeleistungen zu bejahen.
Auch vom Umfang der konkret geltend gemachten Leistungen her war der Klage stattzugeben. Da die Klägerin ihren Antrag ausdrücklich auf den Zeitraum ab dem 17.01.2005 beschränkt hat, kommt es auf die Frage, ob der Beklagte verpflichtet sein könnte, auch Leistungen vor Antragstellung zu erbringen, nicht an. Was die Höhe des geltend gemachten Anspruches angeht, hat der Beklagte unabhängig davon, welche der beiden vorstehend angesprochenen Anspruchsgrundlagen durchgreifen, die angemessenen Aufwedungen zu erstatten (vgl. § 65 Abs 1 S 1 und § 70 Abs 3 SGB XII). Die entsprechenden Beihilfen können nach Maßgabe der genannten Vorschriften auch in Form eines angemessenen monatlichen Pauschalbetrages anstelle des Aufwendungsersatzes geleistet werden, um dem Pflegebedürftigen den komplizierten Einzelnachweis von Aufwendungen der Pflegeperson zu ersparen (vgl. H. Schellhorn aaO § 65 Rndz 8 mwN). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte ausweislich seiner Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung auch Gebrauch gemacht. Die Höhe dieses Pauschalsatzes entspricht dem geltend gemachten Leistungsanspruch. Im Hinblick auf die ausführliche Befragung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer auch keine Zweifel daran, dass er Klägerin für die Abgeltung der Hilfeleistungen des Herrn Bliemel und der Frau Babel tatsächlich Aufwendungen entstehen und es sich nicht nur um unentgeltlich zu erbringende reine Gefälligkeiten besonders nahe stehender Personen handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Leistungen zur Finanzierung einer Haushaltshilfe.
Die am 04.06.1944 geborene Klägerin ist Mutter von 3 Kindern und seit 1981 geschieden. Sie bewohnt alleine eine in der 1. Etage eines Mehrfamilienhauses gelegene etwa 57 qm große 2-Zimmer-Eigentumswohnung. Ohne formalen Schulabschluss war sie nach dem Besuch der Sonderschule neben der Kindererziehung nur vorübergehend in verschiedenen Berufen tätig.
Auf medizinischem Gebiet liegen verschiedene Gesundheitsstörungen vor. Im Vordergrund steht dabei ein Zustand nach traumatischer Trümmerfraktur des rechten Handgelenkes (1980), die in leichter Fehlstellung im Sinne einer Ulnardeviation verheilt ist, was zu einer endgradigen Funktionsbeeinträchtigungen führte. Ferner besteht ein Tennisarm rechts ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung, eine Periathropathia humero scapularis rechts ohne wesentliche Funktionsstörung, eine Polyarthrose der kleinen Fingergelenke ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung, ein Zustand nach zweimaliger Schlüsselbeinfraktur rechts sowie Zustände nach Mittelfußfraktur und Fraktur des rechten kleinen Fingers. Daneben liegt ein Zustand nach Hysterektomie, eine Blasenschwäche sowie ein Zustand nach operativer Entfernung gutartiger Geschwülste der Brüste vor. Vom Versorgungsamt wurde ihr aufgrund der Gesundheitsstörungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 ohne Merkzeichen zuerkannt.
In der Vergangenheit erhielt die Klägerin seit Jahren Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt von dem Beklagten nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). In diesem Rahmen geährte der Beklagte seit 1986 auch laufend Leistungen für die Finanzierung einer privat beschafften Haushaltshilfe. In einem Bescheid vom 30.07.1986 bewilligte er die Leistung mit folgendem Wortlaut: "Auf Ihren Antrag vom 03.06.1986 wird Ihnen ein Mehrbedarf für eine Haushaltshilfe von monatlich 255,00 DM bis auf Widerruf anerkannt." Bei der Bemessung der Leistungshöhe wurde eine wöchentlicher Hilfebedarf von 3,25 Stunden zugrundegelegt. Dieser Hilfebedarf für das Fenster- und Flurputzen, Wechseln der Bettwäsche sowie das Einkaufen wurde zuletzt im Rahmen einer Überprüfung am 16.01.1998 durch die Stadtärztin Frau Böttcher bestätigt. Die Leistungen, die von dem Beklagten für selbstbeschaffte Haushaltshilfen auf Stundenbasies pauschal bemessen werden, beliefen sich danach bis zum 31.12.2004 laufend weiter auf 255,00 DM bzw. 115,18 Euro monatlich. Dann wurden die Zahlungen eingestellt.
Am 02.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Daraufhin wurden ihr von der Beigeladenen erstmalig mit Bescheid vom 22.12.2004 für den Zeitraum von Januar bis Juni 2005 und danach mit Folgebescheiden weiter entsprechende Leistungen ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die selbstbeschaffte Haushaltshilfe gewährt. Gegen den Bescheid vom 22.12.2004 legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2005 zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob die Klägerin Klage gegen die Beigeladene, die beim Sozialgericht Duisburg unter dem Az: S 7 (32) AS 73/05 anhängig ist. In diesem Verfahren begehrt die Klägerin ebenfalls Leistungen zur Deckung der Aufwendungen für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe. Dieses Klageverfahren wurde im Einvernehmen der Beteiligten im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ruhend gestellt.
Am 17.01.2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, die Weitergewährung von Leistungen für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe über den 31.12.2004 hinaus. Zur Begründung machte sie geltend, die Leistungen seien seit 1986 gezahlt worden. Seitdem habe sich ihr Gesundheitszustand nicht verbessert. Nur weil die "Harz IV-Leistungen" leicht höher ausfielen, sei nicht verständlich, dass die Haushaltshilfe nunmehr selbst finanziert werden müsse. Darin liege auch eine Benachteiligung gegenüber gesunden "Harz-IV-Beziehern". Mit Bescheid vom 02.05.2005 lehnte der Beklagte eine weitere Beteiligung an den Aufwendungen für die selbstbeschaffte Haushaltshilfe mit der Begründung ab, die Klägerin beziehe Leistungen nach dem SGB II, so dass wegen § 21 des zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) ein Leistungsanspruch nach dem SGB XII nicht in Betracht komme. Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei stadtärztlicherseits festgestellt, dass sie Putzarbeiten nicht verrichten könne. Vor diesem Hintergrund seien ihr die Leistungen im Jahre 1986 bis auf Widerruf zuerkannt worden. Ein solcher Widerruf sei bis heute nicht erfolgt. Nachdem die Beklagte die Klägerin erfolglos aufgefordert hatte, aktuelle medizinische Befunde vorzulegen, damit geprüft werden könne, ob ein Leistungsanspruch möglicherweise im Rahmen der Hilfen zur Pflege in Betracht komme, wies er mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2005 den Widerspruch zurück. Ergänzend zu den Ausführungen in dem Ausgangsbescheid wies er zur Begründung darauf hin, dass auch keine Anhaltspunkte für einen Leistungsanspruch im Rahmen der Hilfen zur Pflege bestünden. Das Argument der Klägerin, die in der Vergangenheit ausgesprochene Bewilligung sei zwischenzeitlich nicht widerrufen worden, greife nicht durch, weil es sich bei der Sozialhilfe nicht um eine rentengleiche Dauerleistung handele, sondern quasi täglich neu überprüft werden müsse, ob ein Leistungsanspruch bestehe oder nicht.
Am 28.07.2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Nach ihrer Auffassung muss ein Leistungsanspruch entweder gegenüber der Beigeladenen oder gegenüber dem Beklagten bestehen. Für einen Anspruch gegen den Beigeladenen spreche, dass nach der gesetzlichen Systematik dessen Zuständigkeit für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes abschließend und umfassend sei. Das SGB II sehe die hier fraglichen Leistungen zwar seinem Wortlaut nach nicht vor, die Vorschriften seien aber verfassungskonform durch eine analoge Anwendung der Öffnungsklausel des § 28 Abs 1 S 2 SGB XII zu erweitern. Als Anspruchsgrundlage gegenüber dem Beklagten komme die Vorschrift des § 70 Abs 1 S 1 SGB XII in Betracht. Im Hinblick auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen - LSG NW - (Az: L 20 B 9/05 SO ER) sei davon auszugehen, dass ein Leistungsanspruch nach dieser Vorschrift auch dann bestehe, wenn nur Teilleistungen im Haushalt erforderlich seien und es sich um Berechtigte handele, die parallel dazu Leistungen nach dem SGB II erhielten. Der Bedarf der Klägerin könne jedenfalls nicht deshalb verneint werden, weil sich die gesetzlichen Regelungen geändert hätten.
Obwohl die Klägerin seit Januar 2005 weder von dem Beklagten noch von der Beigeladenen Leistungen zur Deckung der Aufwendungen für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe erhielt, nahm sie entsprechende Leistungen von ihren Bekannten, einer Frau Babel und einem Herrn Bliemel, in Anspruch. Die beiden Personen haben sich nach ihren Angaben bereit erklärt, Zahlungsansprüche gegenüber der Klägerin bis zum Abschluss dieses Verfahrens zurückzustellen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 zu verurteilen, ihr Leistungen in Höhe von 115,18 Euro monatlich für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe ab dem 17.01.2005 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung gibt es keine Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ihm gegenüber. Die Voraussetzungen des § 70 SGB XII seien nicht erfüllt, weil die Hilfeleistung nicht nur vorübergehend sei und durch sie eine stationäre Unterbringung der Klägerin nicht vermieden werde. Die Voraussetzungen des § 73 SGB XII lägen ebenfalls nicht vor, weil mit Leistungen aufgrund dieser Vorschrift nur Bedarfslagen abgedeckt werden könnten, die nicht Bestandteil des Regelbedarfs (§ 28 SGB XII) seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) seien Leistungen der Haushaltshilfe aber der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne des § 28 SGB XII zuzurechnen. Auch nach Kenntnisnahme von dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung im Klageverfahren bleibt er bei seiner Auffassung, dass auch Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht in Betracht kommen, weil die Klägerin keinerlei personenbezogener Hilfe bedürfe. Die Leistungen seien auch nicht so umfangreich, als dass sie nicht von Freunden oder Bekannten geleistet werden könnten.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie vertritt jedoch die Auffassung, ebenfalls nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, da es im SGB II keine Regelung gebe, auf die sich die Klägerin für ihren Leistungsanspruch stützen könne. In Betracht komme jedoch die Bewilligung einer Leistung zur Weiterführung des Haushaltes, also nach dem neunten Kapitel des SGB XII und damit eine Leistungsverpflichtung des Beklagten.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Befundbericht bei dem behandelnden Chirurgen der Klägerin Dr. Senuysal eingeholt. Ferner sind die Verwaltungsvorgänge des Versorgungsamtes Essen zum Verfahren beigezogen worden. Schließlich hat das Gericht zur Frage der Pflegbedürftigkeit der Klägerin nach dem SGB XII ein Gutachten bei dem sachverständigen Neurologen und Psychiater Dr. R. vom 19.06.2006 eingeholt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 02.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 ist rechtswidrig und die Klägerin deswegen beschwert im Sinne von § 54 Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich dies jedoch nicht bereits aus der Bindungswirkung des Bescheides vom 30.07.1986, mit dem der Beklagte einen monatlichen Mehrbedarf für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe in Höhe von 255,00 DM "bis auf Widerruf" anerkannte. Auf die Bindungswirkung dieses Bescheides kann sich die Klägerin schon deswegen nicht berufen, weil die Vorschriften des BSHG, auf deren Grundlage der vorgenannte Bescheid erlassen wurde, mit dem 01.01.2005 außer Kraft getreten sind und der Entscheidung damit für die Zukunft die gesetzliche Grundlage entzogen wurde. Dem Beklagten ist außerdem insoweit zuzustimmen, als nach der Systematik des BSHG der tatsächliche Bedarf grundsätzlich laufend zu überprüfen war und die Entscheidung über die Leistung in der Regel monatlich durch Neubescheidung oder Auszahlung der Leistung neu konkretisiert wurde. Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung in dem Bescheid vom 30.07.1986 nicht als Dauerverwaltungsakt qualifiziert werden der materielle Bindungswirkung nach § 77 SGG auch über den 31.12.2004 hinaus entfaltet.
Der Klägerin steht aber dennoch entgegen der Auffassung des Beklagten Anspruch auf Beteiligung des Beklagten an den Kosten für die Heranziehung einer Haushaltshilfe zu. Grundlage für diesen Anspruch sind im vorliegenden Fall die Vorschriften der §§ 61 Abs 1 und 65 Abs 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßigen wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen, nicht nur dann Hilfe zur Pflege, wenn sie die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit im Sinne des elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) erfüllen, sondern auch dann, wenn sie voraussichtlich für weniger als 6 Monate pflegebedürftig sind oder einen Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufen I oder II im Sinne des SGB XI haben (§ 61 Abs 1 S 2 SGB XII). Damit wird der enge Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI für den Bereich des SGB XII ausgeweitet auf Fälle einfacher Pflegebedürftigkeit (sog Pflegestufe 0) (vgl. H. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17, Auflage 2006 § 61 Ziff 28 ff).
Bei der Klägerin besteht ein wöchentlicher Hilfebedarf ausschließlich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung in einem Umfang von 3,25 Stunden. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Rother vom 19.06.2006, der nach ausführlicher ambulanter Untersuchung und Befragung der Klägerin in ihrem häuslichen Bereich eine in sich schlüssige und für das Gericht nachvollziehbare Beurteilung der häuslichen Pflegesituation der Klägerin unter Berücksichtigung der konkreten von der Klägerin vorgetragenen Krankheitsbeschwerden abgegeben hat. Inhalt und Umfang des festgestellten Pflegebedarfes decken sich im Übrigen auch mit der Beurteilung der Stadtärztin Frau B. in ihrem letzten Gutachten für den Beklagten vom 16.01.1998 (vgl. Bl. 1012 der Verwaltungsvorgänge). Inhalt und Umfang der konkreten Pflegebedürftigkeit der Klägerin sind zwischen den Beteiligten im Wesentlichen auch unstreitig, so dass die Kammer keine Bedenken hat, die Leistungsbeurteilung des Dr. R. bei der Beurteilung des vorliegenden Falles in vollem Umfang zugrunde zu legen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege durch den Beklagten sind damit erfüllt. Dem steht nicht entgegen dass in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) keinerlei regelmäßige Hilfestellungen erforderlich sind. Das Fehlen eines messbaren grundpflegerischen Bedarfs schließt die Bewilligung von Leistungen nach § 61 Abs 1 SGB XII nach dessen Wortlaut nicht aus. Auch die Regelung des § 61 Abs 5 SGB XII lässt nicht erkennen, dass die Pflegebedürftigkeit im Sinne der Nr 4 kumultiv auch einen (Mindest-) Bedarf an Grundpflege nach den vorausgehenden Nummern verlangt. Dies lässt sich auch nicht aus § 61 Abs 2 S 2 SGB XII folgern. Der darin enthaltene Verweis auf Regelungen der Pflegeversicherung bezieht sich ausdrücklich auf die Pflegeleistungen nach S 1 und damit auf die entsprechenden Leistungen der Pflegeversicherung. Angesprochen ist mithin der durch § 61 Abs 1 S 1 SGB XII umschriebene Personenkreis der Pflegebedürftigen mindestens der Pflegestufe I (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts - LSG -Berlin-Brandenburg vom 30.03.2006, Az: L 15 B 45/06 SO ER mwN). Das Argument dafür, als Merkmal der Pflegestufe 0 einen zumindest minimalen grundpflegerischen Bedarf zu fordern, liegt darin, eine handhabbare Abgrenzung zwischen der Hilfe zur Pflege und der hauswirtschaftlichen Hilfe zum Lebensunterhalt zu schaffen (vgl. Krahmer: LPK-SGB XII, 7. Auflage 2005 § 61 Rndz. 6; Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 22.01.2002, Az: 6 K 2368/99 Rndz. 21 - zitiert nach Juris - m.w.N). Unabhängig von der Frage, ob die (reine) hauswirtschaftliche Versorgung überhaupt der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt zuzurechnen ist (vgl. insoweit ablehnenden Beschluss des LSG NW vom 16.09.2005, Az: L 20 B 9/05 SO ER), ist an diesem Differenzierungskriterium jedoch nicht festzuhalten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg aaO sowie Beschluss des LSG Hessen vom 04.07.2006, Az: L 9 SO 24/06 ER). Denn nach der ausdrücklichen Regelung des § 61 Abs 5 Nr 4 SGB XII (früher: § 68 Abs 5 Nr 4 BSHG) gehören nunmehr "im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen" zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des Abs 1. Sie sind damit nach der gesetzlichen Definition Leistungen der Hilfe zur Pflege, ohne dass es um Verrichtungen an, sondern lediglich für die Person geht. Diese Bestimmung umschreibt damit nicht nur die möglichen Leistungen der Hilfe zur Pflege, sondern auch den Kreis der Pflegebedürftigen. Angesprochen ist dabei der gesamte Personenkreis des Abs 1 mit einem regelmäßig durch Abs 5 bezeichneten unterschiedlichen Grad der Pflegebedürftigkeit. Erfasst wird somit auch eine allein im Sinne des Nr. 4 bestehende Pflegebedürftigkeit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg aaO).
Selbst wenn man die vorgehend dargestellte Auffassung der Kammer nicht teilen sollte, weil man für den Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs 1 SGB XII dem Grunde nach einen zumindest messbaren minimalen grundpflegerischen Bedarf voraussetzt, wäre die Klage der Klägerin erfolgreich, weil sie sich dann alternativ auf die Vorschrift des § 70 SGB XII stützen kann. Leistungen nach dieser Vorschrift sind ebenso wie die Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Klägerin nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie bereits von der Beigeladenen Leistungen zur Sicherung zum Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des SGB II erhält. Denn von dem Leistungsausschluss des § 21 SGB XII sind nur die Leistungen nach dem Dritten Kapitel und nicht die nach dem Siebten oder Neunten Kapitel des SGB XII erfasst. Nach der Rechtsprechung des 20. Senats des LSG NW (aaO), der sich die Kammer insoweit anschließt, kommt eine Anwendung der Regelung des § 70 Abs 1 SGB XII auch in Betracht, wen es sich - wie hier - um Kosten handelt, die für die Erledigung einzelner Haushaltstätigkeiten und nicht die Weiterführung des Haushaltes insgesamt anfallen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei den Tätigkeiten um solche handelt, die in ihrer Gesamtheit für die Haushaltsführung wesentlich sind. Hiervon geht die Kammer in vorliegenden Fall insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit der Hilfe beim Wechsel der Bettwäsche aus. Auch die übrigen von dem Sachverständigen Dr. Rother und der Stadtärztin Frau Böttcher für erforderlich gehaltenen Verrichtungen decken sich mit den in dem zitierten Beschluss des LSG NW genannten Verrichtungen. Einer Leistungsberechtigung nach § 70 Abs 1 SGB XII steht auch nicht entgegen, dass die Leistungen nach dem Gesetzeswortlaut in der Regel nur vorübergehend erbracht werden sollen. Denn nach § 70 Abs 1 S 3 SGB XII gilt S 2 nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgehoben werden kann. Da im vorliegenden Fall eine geordnete Haushaltsführung auf Dauer nur mit den beschriebenen Hilfen möglich und die Klägerin alleinstehend ist, wäre ein Verbleiben in ihrer Wohnung auf Dauer ohne die dargestellten Hilfen durchaus als fraglich anzusehen.
Auf Grundlage dieser Erwägungen sind die Voraussetzungen für die finanzielle Beteiligung des Beklagten an den Aufwendungen der Klägerin für die Beschaffung von Haushaltshilfeleistungen zu bejahen.
Auch vom Umfang der konkret geltend gemachten Leistungen her war der Klage stattzugeben. Da die Klägerin ihren Antrag ausdrücklich auf den Zeitraum ab dem 17.01.2005 beschränkt hat, kommt es auf die Frage, ob der Beklagte verpflichtet sein könnte, auch Leistungen vor Antragstellung zu erbringen, nicht an. Was die Höhe des geltend gemachten Anspruches angeht, hat der Beklagte unabhängig davon, welche der beiden vorstehend angesprochenen Anspruchsgrundlagen durchgreifen, die angemessenen Aufwedungen zu erstatten (vgl. § 65 Abs 1 S 1 und § 70 Abs 3 SGB XII). Die entsprechenden Beihilfen können nach Maßgabe der genannten Vorschriften auch in Form eines angemessenen monatlichen Pauschalbetrages anstelle des Aufwendungsersatzes geleistet werden, um dem Pflegebedürftigen den komplizierten Einzelnachweis von Aufwendungen der Pflegeperson zu ersparen (vgl. H. Schellhorn aaO § 65 Rndz 8 mwN). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte ausweislich seiner Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung auch Gebrauch gemacht. Die Höhe dieses Pauschalsatzes entspricht dem geltend gemachten Leistungsanspruch. Im Hinblick auf die ausführliche Befragung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Kammer auch keine Zweifel daran, dass er Klägerin für die Abgeltung der Hilfeleistungen des Herrn Bliemel und der Frau Babel tatsächlich Aufwendungen entstehen und es sich nicht nur um unentgeltlich zu erbringende reine Gefälligkeiten besonders nahe stehender Personen handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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