L 25 B 843/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 4264/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 843/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2006 wird zurückgewiesen, soweit damit der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Juli 2006 - S 102 AS 4264/06 ER - gegen die auf den Leistungszeitraum 01. Mai 2006 bis 31. August 2006 bezogenen Aufhebungs- und Änderungsbescheide vom 17. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2006 anzuordnen, abgelehnt wird und soweit damit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, für den Zeitraum ab 01. Mai 2006 bis 31. August 2006 aus dem Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2006 noch ausstehende Leistungen nachzuzahlen, abgelehnt wird. Die Beschwerde wird ferner zurückgewiesen, soweit mit dem Beschluss vom 15. August 2006, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt wurde. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren PKH zu gewähren, wird abgelehnt. Die Beschwerde wird verworfen, soweit bezüglich der Aufhebungs- und Änderungsbescheide vom 17. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2006 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 12. Juli 2006 wegen des Leistungszeitraums vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2006 begehrt wird. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Im Streit ist ein Anspruch des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 31. August 2006.

Der am 1946 geborene Kläger bezog von dem Antragsgegner seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierzu sind in den Jahren 2004, 2005 und 2006 Bewilligungsbescheide des Antragsgegners ergangen. Insbesondere hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 16. Februar 2006 dem Antragsteller Leistungen vom 01. März 2006 bis 31. August 2006 in Höhe von monatlich 847 Euro bewilligt. Durch "Änderungs"-Bescheid vom 17. Mai 2006 hat der Antragsgegner für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 die Höhe der monatlichen Leistungen auf 594,74 Euro festgesetzt, die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen wurden insoweit aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Änderung sei dadurch eingetreten, dass eine Person in die Haushaltsgemeinschaft ab Januar 2005 aufgenommen worden sei. Mit weiterem "Änderungs"-Bescheid vom 17. Mai 2006 wurde für die Zeit vom 01. Juni 2005 bis 30. November 2005 die Höhe der monatlichen Leistungen auf 590,77 Euro festgesetzt, erneut mit der Begründung der Aufnahme einer Person in die Haushaltsgemeinschaft unter Aufhebung der "in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen". Durch weiteren "Änderungs"-Bescheid vom 17. Mai 2006 wurden die monatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01. Dezember 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 592,02 Euro festgesetzt wegen Aufnahme einer Person in die Haushaltsgemeinschaft. Mit weiteren "Änderungs"-Bescheiden vom 17. Mai 2006 wurden dem Antragsteller monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuerkannt, und zwar für die Zeit vom 01. März 2006 bis 31. März 2006 in Höhe von 595,99 Euro, vom 01. April 2006 bis 30. April 2006 in Höhe von 660,25 Euro, für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis 31. Mai 2006 in Höhe von 601,49 Euro und für die Zeit vom 01. Juni 2006 bis 31. August 2006 in Höhe von "0 Euro". Die "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen" wurden insoweit aufgehoben. Durch die Aufnahme einer Person in die Haushaltsgemeinschaft ab Januar 2005 sei eine Änderung eingetreten. Durch gesonderten Bescheid vom 17. Mai 2006 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 01. Juni 2006 "ganz versagt". Zur Begründung wurde ausgeführt, er habe die erforderlichen Angaben nicht gemacht bzw. habe sich geweigert, die erforderliche Prüfung durch den Prüfdienst durchführen zu lassen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen. Dadurch sei er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.

Der Antragsteller hat Widerspruch eingelegt gegen die Bescheide vom 17. Mai 2006 betreffend die Bewilligungszeiträume 01.01.2005 bis 31. Mai 2005, 01. Juni 2005 bis 30. November 2005, 01. Dezember 2005 bis 28. Februar 2006, 1. März 2006 bis 31. August 2006 sowie gegen den Versagungsbescheid/Entziehungsbescheid vom 17. Mai 2006. Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Juni 2006 hat der Antragsgegner "den Widerspruch" des Antragstellers "wegen Versagung von Leistungen ab 01. Juni 2006" als unbegründet zurückgewiesen. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 09. Juni 2006 hat die Antragsgegnerin die Widersprüche des Antragstellers gegen die Bescheide vom 17. Mai 2006 "wegen Verringerung von Leistungen" als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der am 12. Juli 2006 beim SG Berlin eingegangenen Klage zum Geschäftszeichen S 102 AS 4264/04 hat der Antragsteller beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2006 zu ändern und den Antragsgegner zu verurteilen, in ungekürzter Form "die Leistungen des ALG II" ab 01. Januar 2005 zu gewähren.

Mit Antrag vom 15. Mai 2006 hatte der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Berlin sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die zustehenden Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe ab 01. Mai 2006 zu zahlen.

Zur Begründung hat der Antragsteller vorgetragen, Eile sei geboten, da er zurzeit über keinerlei Mittel verfüge, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er sei vom JobCenter aufgefordert worden, am 15. Mai 2006 um 08.30 Uhr vorzusprechen. Als er zum vereinbarten Termin dort gewesen sei, habe ein Mitarbeiter mit ihm zu seiner Wohnung fahren sollen zwecks Überprüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere zu der Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft bestehen könnte. Dies habe er abgelehnt, da er der Meinung sei, über die Maßnahme vorher informiert werden zu müssen.

Er lebe in keiner eheähnlichen Lebensgemeinschaft und könne daher auch keine Angaben über ein ihm nicht bekanntes Einkommen machen. Dem Prüfdienst habe er den Zutritt zu seiner Wohnung nicht verweigert. Hingegen fühle er sich in seinen Persönlichkeitsrechten zutiefst verletzt. Das JobCenter hätte sich angemessen schriftlich bei ihm anmelden müssen, dann wäre ihm auch der Einlass in seine Wohnung nicht verwehrt geblieben.

Als sinngemäßen Antrag des Antragstellers hat das SG zugrunde gelegt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage S 102 AS 4264/06 gegen die auf den Leistungszeitraum 1. Mai 2006 bis 31. August 2006 bezogenen Aufhebungs- und Änderungsbescheide vom 16. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2006 anzuordnen und für den Zeitraum ab 1. Mai 2006 entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2006 noch ausstehende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nachzuzahlen.

Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich vorgetragen, der Antragsteller lebe in eheähnlicher Lebensgemeinschaft, verweigere hierzu jedoch jede Auskunft. Er habe in der Vergangenheit die Tatsache, eine Lebensgefährtin zu haben, die auch Mietzahlungen für ihn leiste, nicht mitgeteilt. Derzeit sei nicht feststellbar, ob und in welchem Umfang Einkommen zu berücksichtigen sei oder Bedürftigkeit vorliege. Da der Antragsteller keine Angaben zum Einkommen seiner Lebensgefährtin gemacht habe und auch dem Prüfdienst den Zugang zu seiner Wohnung verweigere, müsse davon ausgegangen werden, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege und der Antragsteller nicht bedürftig sei.

Mit Beschluss vom 15. August 2006 hat das SG Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden keine ernstlichen Zweifel. Ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 16. Februar 2006 beruhe auf unrichtigen Angaben des Antragstellers. Er habe erklärt, allein stehend zu sein und nicht mit einem Partner in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen zu leben. Hingegen lägen gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Februar 2006 eine eheähnliche Gemeinschaft vorgelegen habe. Die Bescheide seien jedenfalls aufgrund der §§ 40 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 330 SGB III, 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB II Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen den ihm am 18. August 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. September 2006 beim SG Berlin eingegangene Beschwerde. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe nicht. Er habe mit einer Frau in der Mietwohnung jeweils einen getrennten Raum zur Verfügung. Jeder führe sein unabhängiges Leben ohne gemeinsame Haushaltsführung. Sie stehe nicht für seine Verbindlichkeiten ein.

Der Senat geht davon aus, der Ast. wolle beantragen,

unter Aufhebung des Beschlusses vom 15. August 2006 1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Juli 2006 - S 102 AS 4264/06 gegen die auf den Leistungszeitraum 01. Mai 2006 bis 31. August 2006 bezogenen Änderungsbescheide vom 17. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Juni 2006 - anzuordnen.

2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 16. Februar 2006 für die Zeit ab 01. Mai 2006 bis 31. August 2006 noch ausstehende Leistungen nachzuzahlen:

3. Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu gewähren.

4. Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.

5. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 12. Juli 2006 - S 102 AS 4264/06 auch hinsichtlich des Leistungszeitraums ab 01. Januar 2005 bis 30. April 2006 anzuordnen.

Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Leistungsakten des Antragsgegners und den der Gerichtsakten, die dem Senat bei seiner Beschlussfassung vorgelegen haben.

II.

Die zulässige Beschwerde zu 1 und 2 ist unbegründet. Das SG hat in Begründung und im Ergebnis zutreffender Weise die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (§ 153 Abs. 2 SGG analog). Entsprechend war dem Antragsteller auch Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zu versagen. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Ergänzend und wegen des erstmals in der Beschwerdeinstanz angebrachten Antrags zu 5 gilt:

Für die Zeit vom 01.Januar 2005 bis 30.April 2006 fehlt es bereits an einer erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die eine Beschwerde statthaft sein könnte. Das SG hat über diesen Zeitraum nicht entschieden. Dessen ungeachtet wäre ein Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren auch dann nicht gegeben, wenn eine Entscheidung zu diesem Zeitraum ergangen wäre. Denn der Antragsteller strebt im Ergebnis eine gerichtliche Entscheidung im Wege einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel seiner Befreiung von einer Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Antragsgegner an. Für einen solchen Anspruch fehlt die erforderliche Eilbedürftigkeit. Insbesondere liegt für Vollziehungsmaßnahmen der Antragsgegnerin nichts vor.

Dies gilt im Übrigen ebenso für den Anspruch für den Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis 31. August 2006, für den der Antragsteller einen Zahlungsanspruch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verfolgt. Aus seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. September 2006 folgt, dass er von Zuwendungen seiner Tochter und Freunden gelebt hat. Damit ist auch insoweit dem Antragsteller zumutbar, hinsichtlich dieses Anspruchs zu dem zurückliegenden Zeitraum die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Aus den vorgenannten Gründen ist auch ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das Beschwerdeverfahren begründet (Anträge zu 3 und 4).

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine Erfolgsaussicht besteht jedoch nicht. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsdarstellung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 73 a Rz. 7 a m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier wie dargelegt nicht erfüllt.

Die Kostentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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