Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2228/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1618/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. März 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1948 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 30. September 1986 als promovierter Völkerkundler mit einer Arbeitszeit von 27 Wochenstunden bei dem A.-Institut im Archivbereich tätig. Er meldete sich am 1. Oktober 1986 arbeitslos und bezog für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zum 29. September 1987 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 11. November 1987 bis zum 31. Oktober 1989 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Völkerkunde der Universität K ... Er meldete sich anschließend arbeitslos und bezog - unterbrochen durch einen Auslandsaufenthalt in der Zeit vom 14. Mai 1990 bis zum 29. Juni 1990 - für die Zeit vom 1. November 1989 bis zum 30. September 1990 erneut Arbeitslosengeld. Vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1995 war der Kläger als wissenschaftlicher Angestellter im völkerkundlichen Institut der Universität T. beschäftigt. Am 2. Oktober 1995 meldete er sich arbeitslos und bezog bis zum 29. Juli 1997 wiederum Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 20. August 1997 teilte das Arbeitsamt R. ihm mit, dass er ab dem 31. Juli 1997 keine Alhi erhalten werde, weil er bis zum 22. September 1998 anzurechnendes Vermögen habe. Danach erhielt er zunächst vom 23. September 1998 - unterbrochen durch Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 28. April 1999 bis zum 7. Mai 1999 - bis zum 22. September 1999 Alhi. Sein Antrag vom 19. August 1999 auf Weitergewährung von Ahli wurde mit Bescheid vom 15. September 1999 abgelehnt, weil aufgrund seines Vermögens Bedürftigkeit bis zum 23. August 2000 nicht vorliege.
Auf seinen erneuten Antrag vom 3. November 2000, in dem er angab, noch über Sparguthaben in Höhe von insgesamt 5.191,96 DM sowie über Wertpapiere zu verfügen, wurde ein Anlagevermögen im Wert von 22.000,51 EUR als Alterssicherung anerkannt. Der Kläger erhielt vom 24. August 2000 bis zum 22. September 2001 - unterbrochen in der Zeit vom 15. Februar 2001 bis zum 1. März 2001, in der der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war - Alhi. Sein Antrag vom 6. August 2001 auf Weitergewährung von Alhi ab dem 23. September 2001, in dem er angab, über Sparguthaben in Höhe von nur noch 1.500,-DM/EUR sowie die bereits bekannten Wertpapiere zu verfügen, wurde mit Bescheid vom 17. Oktober 2001 wegen der Berücksichtigung von verwertbarem Vermögen für die Dauer von vier Wochen abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 17. Oktober 2001 wurde die Weitergewährung von Alhi ab dem 29. September 2001 vollständig versagt, weil der Kläger sich geweigert habe, ärztliche Befundberichte vorzulegen. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2002 in Abänderung des Bescheids vom 17. Oktober 2001 festgestellt, dass das Vermögen des Klägers im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht anzurechnen sei, da dieses Vermögen zur Alterssicherung diene; im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 15. April 2002 wurde dem Kläger für die Zeit vom 23. September 2001 bis zum 24. Oktober 2001 sowie ab dem 2. November 2001 bis zum 31. Dezember 2001 Alhi gewährt, nachdem er weitere medizinische Unterlagen vorgelegt hatte. Aufgrund des Bescheids vom 1. Januar 2002 bezog er vom 1. Januar 2002 bis zum 22. September 2002 weiterhin Alhi. Zuletzt erhielt der Kläger auf Antrag vom 23. September 2002 mit Bewilligungsbescheid vom 30. September 2002 ab 23. September 2002 Alhi.
Am 15. Juli 2002 teilte der Kläger mit, dass er zusammen mit seinen drei Brüdern ein Haus geerbt habe. Der Erblasser war am 28. Mai 2002 gestorben. Der Erbschein wurde am 15. Januar 2003 ausgestellt. Unter dem 28. März 2003 gab der Kläger im Erhebungsbogen zur Verkehrswertermittlung bei Haus- und Grundbesitz an, dass es sich bei der Immobilie um ein im Jahre 1908 erbautes Haus mit drei Wohnungen handele. Das Grundstück sei 724 qm groß. An der Immobilie bestehe ein Vorausvermächtnis und ein langjähriges Mietverhältnis einer älteren Person. Die Erbmasse umfasse weiterhin Bankguthaben in Höhe von 15.148,- EUR sowie Wertpapiere. Als Nachlassverbindlichkeiten seien hiervon die Beerdigungskosten in Höhe von 5.910,- EUR abzusetzen.
Das Arbeitsamt T. (AA) hob mit Bescheid vom 20. Mai 2003 die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab dem 1. März 2003 auf und begründete dies damit, dass der Kläger über ein verwertbares Barvermögen in Höhe von 15.645,29 EUR verfüge. Der Kläger legte am 20. Juni 2003 Widerspruch ein, mit dem er vortrug, dass der genannte Betrag für ihn nicht nachvollziehbar sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2003 zurückgewiesen.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 4. August 2003 zum Sozialgericht Reutlingen erhobenen Klage weiterverfolgt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nachdem die Stadt A. auf Anfrage des AA am 30. September 2003 mitgeteilt hatte, dass sich auf der Grundlage der Kaufpreissammlung für das geerbte Objekt ein (Mittel-)Wert in Höhe von ca. 410.000, EUR ergebe, führte die Beklagte im Klageverfahren aus, dass zwar die Angaben des Klägers über das von ihm geerbte Barvermögen wohl falsch interpretiert worden seien. Hiervon unabhängig sei der Kläger Eigentümer einer ständig von ihm bewohnten Wohnung sowie Miteigentümer von zwei weiteren Wohnungen. Der Verkehrswert des Gebäudes, in dem sich die Wohnungen befänden, belaufe sich auf ca. 410.000 EUR. Im Ergebnis bleibe es daher bei der getroffenen Entscheidung. Mit dem dem Kläger am 16. März 2004 zugestellten Gerichtsbescheid vom 11. März 2004 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 15. April 2004 schriftlich beim Sozialgericht Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, es müsse das die Erbschaft betreffende Zivilverfahren abgewartet werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. März 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Leistungsakte des AA (Stammnummer ), die Klageakte des SG (S 5 AL 2228/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1618/04) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rücknahme der Bewilligung von Alhi ab dem 1. März 2003 ist rechtmäßig.
Der angegriffene Bescheid ist nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 42 Satz 2 SGB X rechtswidrig und aufzuheben. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung ist hier vor Erlass der Rücknahmeentscheidung zwar nicht erfolgt. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch durch das Widerspruchsverfahren i.S. des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahmeentscheidung ist hier mit Blick auf den von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheid vom 30. September 2002 § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Die Vorschrift des § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 14. März 1996 - 7 RAr 84/94 - DBlR 4314a, SGB X/§ 45). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Vorschrift) kann sich nach Abs. 2 Satz 3 der Vorschrift der Begünstigte nicht berufen, soweit u.a. (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der zurückgenommene Bescheid vom 30. September 2002 war von Anfang an rechtswidrig, weil dem Kläger schon bei Erlass des Bewilligungsbescheids keine Alhi mehr zustand (1.) und sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen kann (2.).
1. Dem Kläger stand spätestens seit September 2002 keine Alhi mehr zu. Nach § 190 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis Ende 2004 geltenden Fassung hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten erloschen ist. Weitere Voraussetzung ist die Bedürftigkeit. Diese lag beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht vor. Dieser war nach dem am 28. Mai 2002 eingetretenen Erbfall jedenfalls seit September nicht mehr bedürftig im gesetzlichen Sinne.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Der Arbeitslose ist auch nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und dasjenige seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Mit dieser Vorschrift bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nehmen kann. Unter welchen Voraussetzungen mit Rücksicht auf ein Vermögen die Gewährung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, konkretisierte die mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) aufgehobene Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) 2002 vom 13. Dezember 2001, (BGBl. I S. 3734) in der Fassung durch Artikel 11 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607). Gemäß § 1 Abs. 1 der AlhiV in dieser Fassung ist zu berücksichtigen das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (Partner), soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 ist Freibetrag ein Betrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen.
Es kann offen bleiben, ob zugunsten des Klägers, der in der Zeit von Oktober 2002 bis Dezember 2002 Alhi bezogen hat, die Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum vom 23. September 2002 bis zum 22. September 2003 zu beachten ist. Nach § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 gelten § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 vorgelegen haben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der AlhiV vom 13. Dezember 2001 (BGBl I 3737) in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung - Alhi 2002 a.F. - betrug dieser Freibetrag 520,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners, höchstens jeweils 33.800,00 EUR. Legt man diese Regelung zugunsten des Klägers, dem zwar schon in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 keine Ahli mehr zugestanden haben dürfte, der diese jedoch aufgrund der insoweit nicht zurückgenommenen und damit bindenden Entscheidung vom 30. September 2002 erhalten hat, zugrunde, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum ein Freibetrag in Höhe von 28.600,- EUR. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Vermögen des Klägers zu Beginn des Bewilligungszeitraums am 23. September 2002 diesen Betrag nicht in einer die Bedürftigkeit ausschließenden Weise überschritten hat. Der Kläger hat nach seinen Angaben gemeinsam mit seinen drei Geschwistern zu gleichen Teilen Barvermögen, Wertpapiere und zwei Eigentumswohnungen geerbt. Auch die Miteigentumsanteile an den Eigentumswohnungen in ungeteilter Erbengemeinschaft stellen grundsätzlich Vermögen im Sinne des § 193 Abs. 1 SGB III dar. Ein solcher Miteigentumsanteil ist auch grundsätzlich verwertbares Vermögen i.S.d. § 1 AlhiV dar. Der Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder von den weiteren Miterben die Auseinandersetzung verlangen (vgl. § 2042 Abs. 1 BGB). Gemäß dem über § 2042 Abs. 2 BGB anwendbaren § 753 Abs. 1 BGB erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft bei Grundstücken (und diesen gleichzusetzenden grundstücksgleichen Rechten wie dem hier in Rede stehenden Wohnungseigentum) durch Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses. Damit ist die Verwertung der Miteigentumsanteile unabhängig vom Willen der anderen Miteigentümer grundsätzlich möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.06.1991 - 5 C 33.87 -, BVerwGE 88, 303 ff.). Der Kläger ist nach seinen Angaben zudem Eigentümer einer weiteren, nicht dauernd von ihm bewohnten Eigentumswohnung, die er in seinem Antrag auf Leistungsgewährung nicht angegeben hatte. Dieses Vermögen ist abzüglich des Freibetrages bei der Prüfung seiner Bedürftigkeit anzurechnen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr.1 bis 5 AlhiV 2002, unter denen Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sind hier nicht erfüllt. Auch § 1 Abs. 6 AlhiV 2002 greift nicht zugunsten des Klägers. Lediglich eine der im Eigentum der Erbgemeinschaft des Klägers und seiner Geschwister stehenden Eigentumswohnungen ist vermietet. Dass bei einer Veräußerung dieser Eigentumswohnungen sowie der in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung, zum jetzigen Zeitpunkt nur ein in keiner Weise mehr angemessener Preis erzielt werden könnte, ist jedenfalls nicht offensichtlich. Gemäß § 1 Abs. 4 AlhiV 2002 n.F. ist das Vermögen ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Nach der Auskunft der Stadt A. wäre von einem mittleren Verkehrswert der gesamten Immobilie in Höhe von 410.000,- EUR auszugehen. In einer Rechnung der Gerichtskasse Aachen wurde ein auf die Erbmasse bezogener Gegenstandswert in Höhe von 310.000,- EUR zugrunde gelegt. Den aktuellen Wert der zur Erbmasse gehörenden Wertpapiere hat der Kläger trotz Ankündigung entsprechender Ermittlungsbemühungen gegenüber der Beklagten weder angegeben noch belegt. Der Kläger selbst hat damit von der Vorlage der genannten Gebührenrechnung abgesehen, den Wert seines Erbteils und der bereits in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung weder verlässlich beziffert noch nachgewiesen. Er hat aber auch im Übrigen keine Angaben gemacht, die weitere Ermittlungen ermöglicht hätten. Er hat lediglich vage Angaben dazu gemacht, dass ein Rechtsstreit über die Auslegung des von ihm ebenfalls nicht vorgelegten Testaments anhängig sei. In welcher Weise und in welchem Umfang die Auslegungsfrage sich auf den Umfang seines Erbteils auswirken könnte, ergibt sich hieraus nicht. Wo und unter welchem Aktenzeichen der Rechtsstreit anhängig und wann und mit welchem Ergebnis dieser ggf. inzwischen beendet wurde, ist ebenfalls nicht bekannt. Auf gerichtliche Verfügungen mit Anfragen nach dem Stand des zivilgerichtlichen Verfahren hat der Kläger nach dem sein Bevollmächtigter das Mandat niedergelegt hat, nicht reagiert. Zuvor hatte sein Bevollmächtigter mitgeteilt, dass er bereits mehrfach ergebnislos versucht habe, vom Kläger eine Mitteilung zum Sachstand im Zivilverfahren zu erhalten. Der Kläger hat weder einen Grundbuchauszug noch den ihm erteilten Erbschein vorgelegt. Dass der Erbschein wieder einzogen wurde, hat er nicht vorgetragen. Aufgrund seiner Angaben spricht daher alles dafür, dass er jedenfalls Miterbe zu einem Viertel geworden ist und er spätestens seit dem 23. September 2002 über seine Eigentumswohnung als Eigentümer und seinen Erbteil als Miterbe verfügen konnte. Allerdings ist weder die Erbteilsquote, der Wert des Erbteils noch der Wert seines sonstigen Vermögens einschließlich der Eigentumswohnung verlässlich feststellbar.
Da mangels Angaben des Klägers, der eine eingeschriebene Ladung mit Anordnung des persönlichen Erscheinens zu einem Erörterungstermin nicht abgeholt hat und trotz ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten hinsichtlich der genauen Höhe seines verfügbaren Vermögens zum maßgeblichen Zeitraum bestehen, stellt sich die Frage der Beweislast. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr. 27). Da im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids auf der Grundlage des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III im Streit steht, trifft zwar grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1, S. 11). Zu beachten ist jedoch, dass eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung dann gerechtfertigt sein kann, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Arbeitslosen vorliegt (BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R -). Die Unaufklärbarkeit seiner Vermögenssituation im maßgeblichen Zeitraum ist der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind, insoweit ist daher von einer Beweislastumkehr auszugehen.
2. Der Kläger kann sich auf Vertrauensschutz nicht berufen. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte, wie oben dargelegt, unter anderem dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45).
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger nach diesem Maßstab auf der Grundlage seines Bildungsstandes und der Erfahrungen aus seinem langjährigen Leistungsbezug ohne Weiteres erkannt hat oder doch erkennen musste, dass ihm jedenfalls seit dem 23. September 2002 keine Alhi mehr zustehen konnte und der ihn begünstigende Bescheid vom 30. September 2002 insgesamt rechtswidrig war.
§ 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für den Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 8), so dass es unschädlich, dass das AA sich im Rücknahmebescheid vom 20. Mai 2003 nur auf § 48 SGB X bezogen hat (vgl. BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 9; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr. 42). Es besteht aufgrund der gebundenen Rechtsfolge auch kein Raum für die Berücksichtigung eines Verschuldens des Arbeitsamts (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 18/01 B - abgedruckt in Juris). Dass die Beklagte den insgesamt rechtswidrigen Bescheid vom 30. September 2002 entgegen dieser Bestimmung erst ab dem 1. März 2003 zurückgenommen hat, verletzt den Kläger offensichtlich nicht in seinen Rechten.
Der Bescheid wurde dem Kläger innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids ist ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1948 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 30. September 1986 als promovierter Völkerkundler mit einer Arbeitszeit von 27 Wochenstunden bei dem A.-Institut im Archivbereich tätig. Er meldete sich am 1. Oktober 1986 arbeitslos und bezog für die Zeit vom 1. Oktober 1986 bis zum 29. September 1987 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 11. November 1987 bis zum 31. Oktober 1989 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Völkerkunde der Universität K ... Er meldete sich anschließend arbeitslos und bezog - unterbrochen durch einen Auslandsaufenthalt in der Zeit vom 14. Mai 1990 bis zum 29. Juni 1990 - für die Zeit vom 1. November 1989 bis zum 30. September 1990 erneut Arbeitslosengeld. Vom 1. Oktober 1990 bis zum 30. September 1995 war der Kläger als wissenschaftlicher Angestellter im völkerkundlichen Institut der Universität T. beschäftigt. Am 2. Oktober 1995 meldete er sich arbeitslos und bezog bis zum 29. Juli 1997 wiederum Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 20. August 1997 teilte das Arbeitsamt R. ihm mit, dass er ab dem 31. Juli 1997 keine Alhi erhalten werde, weil er bis zum 22. September 1998 anzurechnendes Vermögen habe. Danach erhielt er zunächst vom 23. September 1998 - unterbrochen durch Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 28. April 1999 bis zum 7. Mai 1999 - bis zum 22. September 1999 Alhi. Sein Antrag vom 19. August 1999 auf Weitergewährung von Ahli wurde mit Bescheid vom 15. September 1999 abgelehnt, weil aufgrund seines Vermögens Bedürftigkeit bis zum 23. August 2000 nicht vorliege.
Auf seinen erneuten Antrag vom 3. November 2000, in dem er angab, noch über Sparguthaben in Höhe von insgesamt 5.191,96 DM sowie über Wertpapiere zu verfügen, wurde ein Anlagevermögen im Wert von 22.000,51 EUR als Alterssicherung anerkannt. Der Kläger erhielt vom 24. August 2000 bis zum 22. September 2001 - unterbrochen in der Zeit vom 15. Februar 2001 bis zum 1. März 2001, in der der Kläger arbeitsunfähig erkrankt war - Alhi. Sein Antrag vom 6. August 2001 auf Weitergewährung von Alhi ab dem 23. September 2001, in dem er angab, über Sparguthaben in Höhe von nur noch 1.500,-DM/EUR sowie die bereits bekannten Wertpapiere zu verfügen, wurde mit Bescheid vom 17. Oktober 2001 wegen der Berücksichtigung von verwertbarem Vermögen für die Dauer von vier Wochen abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 17. Oktober 2001 wurde die Weitergewährung von Alhi ab dem 29. September 2001 vollständig versagt, weil der Kläger sich geweigert habe, ärztliche Befundberichte vorzulegen. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2002 in Abänderung des Bescheids vom 17. Oktober 2001 festgestellt, dass das Vermögen des Klägers im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht anzurechnen sei, da dieses Vermögen zur Alterssicherung diene; im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 15. April 2002 wurde dem Kläger für die Zeit vom 23. September 2001 bis zum 24. Oktober 2001 sowie ab dem 2. November 2001 bis zum 31. Dezember 2001 Alhi gewährt, nachdem er weitere medizinische Unterlagen vorgelegt hatte. Aufgrund des Bescheids vom 1. Januar 2002 bezog er vom 1. Januar 2002 bis zum 22. September 2002 weiterhin Alhi. Zuletzt erhielt der Kläger auf Antrag vom 23. September 2002 mit Bewilligungsbescheid vom 30. September 2002 ab 23. September 2002 Alhi.
Am 15. Juli 2002 teilte der Kläger mit, dass er zusammen mit seinen drei Brüdern ein Haus geerbt habe. Der Erblasser war am 28. Mai 2002 gestorben. Der Erbschein wurde am 15. Januar 2003 ausgestellt. Unter dem 28. März 2003 gab der Kläger im Erhebungsbogen zur Verkehrswertermittlung bei Haus- und Grundbesitz an, dass es sich bei der Immobilie um ein im Jahre 1908 erbautes Haus mit drei Wohnungen handele. Das Grundstück sei 724 qm groß. An der Immobilie bestehe ein Vorausvermächtnis und ein langjähriges Mietverhältnis einer älteren Person. Die Erbmasse umfasse weiterhin Bankguthaben in Höhe von 15.148,- EUR sowie Wertpapiere. Als Nachlassverbindlichkeiten seien hiervon die Beerdigungskosten in Höhe von 5.910,- EUR abzusetzen.
Das Arbeitsamt T. (AA) hob mit Bescheid vom 20. Mai 2003 die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab dem 1. März 2003 auf und begründete dies damit, dass der Kläger über ein verwertbares Barvermögen in Höhe von 15.645,29 EUR verfüge. Der Kläger legte am 20. Juni 2003 Widerspruch ein, mit dem er vortrug, dass der genannte Betrag für ihn nicht nachvollziehbar sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2003 zurückgewiesen.
Der Kläger hat sein Begehren mit der am 4. August 2003 zum Sozialgericht Reutlingen erhobenen Klage weiterverfolgt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nachdem die Stadt A. auf Anfrage des AA am 30. September 2003 mitgeteilt hatte, dass sich auf der Grundlage der Kaufpreissammlung für das geerbte Objekt ein (Mittel-)Wert in Höhe von ca. 410.000, EUR ergebe, führte die Beklagte im Klageverfahren aus, dass zwar die Angaben des Klägers über das von ihm geerbte Barvermögen wohl falsch interpretiert worden seien. Hiervon unabhängig sei der Kläger Eigentümer einer ständig von ihm bewohnten Wohnung sowie Miteigentümer von zwei weiteren Wohnungen. Der Verkehrswert des Gebäudes, in dem sich die Wohnungen befänden, belaufe sich auf ca. 410.000 EUR. Im Ergebnis bleibe es daher bei der getroffenen Entscheidung. Mit dem dem Kläger am 16. März 2004 zugestellten Gerichtsbescheid vom 11. März 2004 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 15. April 2004 schriftlich beim Sozialgericht Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, es müsse das die Erbschaft betreffende Zivilverfahren abgewartet werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. März 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Bescheide für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Leistungsakte des AA (Stammnummer ), die Klageakte des SG (S 5 AL 2228/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1618/04) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rücknahme der Bewilligung von Alhi ab dem 1. März 2003 ist rechtmäßig.
Der angegriffene Bescheid ist nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 42 Satz 2 SGB X rechtswidrig und aufzuheben. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine solche Anhörung ist hier vor Erlass der Rücknahmeentscheidung zwar nicht erfolgt. Dieser Anhörungsmangel ist jedoch durch das Widerspruchsverfahren i.S. des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt.
Verfahrensrechtliche Grundlage der Rücknahmeentscheidung ist hier mit Blick auf den von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheid vom 30. September 2002 § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Die Vorschrift des § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 14. März 1996 - 7 RAr 84/94 - DBlR 4314a, SGB X/§ 45). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Vorschrift) kann sich nach Abs. 2 Satz 3 der Vorschrift der Begünstigte nicht berufen, soweit u.a. (Nr. 3) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der zurückgenommene Bescheid vom 30. September 2002 war von Anfang an rechtswidrig, weil dem Kläger schon bei Erlass des Bewilligungsbescheids keine Alhi mehr zustand (1.) und sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen kann (2.).
1. Dem Kläger stand spätestens seit September 2002 keine Alhi mehr zu. Nach § 190 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis Ende 2004 geltenden Fassung hat Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten erloschen ist. Weitere Voraussetzung ist die Bedürftigkeit. Diese lag beim Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht vor. Dieser war nach dem am 28. Mai 2002 eingetretenen Erbfall jedenfalls seit September nicht mehr bedürftig im gesetzlichen Sinne.
Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Der Arbeitslose ist auch nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und dasjenige seines nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Mit dieser Vorschrift bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nehmen kann. Unter welchen Voraussetzungen mit Rücksicht auf ein Vermögen die Gewährung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, konkretisierte die mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) aufgehobene Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV) 2002 vom 13. Dezember 2001, (BGBl. I S. 3734) in der Fassung durch Artikel 11 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607). Gemäß § 1 Abs. 1 der AlhiV in dieser Fassung ist zu berücksichtigen das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (Partner), soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 ist Freibetrag ein Betrag in Höhe von 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners; dieser darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 13.000,00 EUR nicht übersteigen.
Es kann offen bleiben, ob zugunsten des Klägers, der in der Zeit von Oktober 2002 bis Dezember 2002 Alhi bezogen hat, die Übergangsregelung des § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum vom 23. September 2002 bis zum 22. September 2003 zu beachten ist. Nach § 4 Abs. 2 AlhiV 2002 gelten § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung für die Dauer der laufenden Bewilligung weiter, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 vorgelegen haben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der AlhiV vom 13. Dezember 2001 (BGBl I 3737) in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung - Alhi 2002 a.F. - betrug dieser Freibetrag 520,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners, höchstens jeweils 33.800,00 EUR. Legt man diese Regelung zugunsten des Klägers, dem zwar schon in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 keine Ahli mehr zugestanden haben dürfte, der diese jedoch aufgrund der insoweit nicht zurückgenommenen und damit bindenden Entscheidung vom 30. September 2002 erhalten hat, zugrunde, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum ein Freibetrag in Höhe von 28.600,- EUR. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Vermögen des Klägers zu Beginn des Bewilligungszeitraums am 23. September 2002 diesen Betrag nicht in einer die Bedürftigkeit ausschließenden Weise überschritten hat. Der Kläger hat nach seinen Angaben gemeinsam mit seinen drei Geschwistern zu gleichen Teilen Barvermögen, Wertpapiere und zwei Eigentumswohnungen geerbt. Auch die Miteigentumsanteile an den Eigentumswohnungen in ungeteilter Erbengemeinschaft stellen grundsätzlich Vermögen im Sinne des § 193 Abs. 1 SGB III dar. Ein solcher Miteigentumsanteil ist auch grundsätzlich verwertbares Vermögen i.S.d. § 1 AlhiV dar. Der Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder von den weiteren Miterben die Auseinandersetzung verlangen (vgl. § 2042 Abs. 1 BGB). Gemäß dem über § 2042 Abs. 2 BGB anwendbaren § 753 Abs. 1 BGB erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft bei Grundstücken (und diesen gleichzusetzenden grundstücksgleichen Rechten wie dem hier in Rede stehenden Wohnungseigentum) durch Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses. Damit ist die Verwertung der Miteigentumsanteile unabhängig vom Willen der anderen Miteigentümer grundsätzlich möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.06.1991 - 5 C 33.87 -, BVerwGE 88, 303 ff.). Der Kläger ist nach seinen Angaben zudem Eigentümer einer weiteren, nicht dauernd von ihm bewohnten Eigentumswohnung, die er in seinem Antrag auf Leistungsgewährung nicht angegeben hatte. Dieses Vermögen ist abzüglich des Freibetrages bei der Prüfung seiner Bedürftigkeit anzurechnen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr.1 bis 5 AlhiV 2002, unter denen Vermögen nicht zu berücksichtigen ist, sind hier nicht erfüllt. Auch § 1 Abs. 6 AlhiV 2002 greift nicht zugunsten des Klägers. Lediglich eine der im Eigentum der Erbgemeinschaft des Klägers und seiner Geschwister stehenden Eigentumswohnungen ist vermietet. Dass bei einer Veräußerung dieser Eigentumswohnungen sowie der in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung, zum jetzigen Zeitpunkt nur ein in keiner Weise mehr angemessener Preis erzielt werden könnte, ist jedenfalls nicht offensichtlich. Gemäß § 1 Abs. 4 AlhiV 2002 n.F. ist das Vermögen ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Nach der Auskunft der Stadt A. wäre von einem mittleren Verkehrswert der gesamten Immobilie in Höhe von 410.000,- EUR auszugehen. In einer Rechnung der Gerichtskasse Aachen wurde ein auf die Erbmasse bezogener Gegenstandswert in Höhe von 310.000,- EUR zugrunde gelegt. Den aktuellen Wert der zur Erbmasse gehörenden Wertpapiere hat der Kläger trotz Ankündigung entsprechender Ermittlungsbemühungen gegenüber der Beklagten weder angegeben noch belegt. Der Kläger selbst hat damit von der Vorlage der genannten Gebührenrechnung abgesehen, den Wert seines Erbteils und der bereits in seinem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung weder verlässlich beziffert noch nachgewiesen. Er hat aber auch im Übrigen keine Angaben gemacht, die weitere Ermittlungen ermöglicht hätten. Er hat lediglich vage Angaben dazu gemacht, dass ein Rechtsstreit über die Auslegung des von ihm ebenfalls nicht vorgelegten Testaments anhängig sei. In welcher Weise und in welchem Umfang die Auslegungsfrage sich auf den Umfang seines Erbteils auswirken könnte, ergibt sich hieraus nicht. Wo und unter welchem Aktenzeichen der Rechtsstreit anhängig und wann und mit welchem Ergebnis dieser ggf. inzwischen beendet wurde, ist ebenfalls nicht bekannt. Auf gerichtliche Verfügungen mit Anfragen nach dem Stand des zivilgerichtlichen Verfahren hat der Kläger nach dem sein Bevollmächtigter das Mandat niedergelegt hat, nicht reagiert. Zuvor hatte sein Bevollmächtigter mitgeteilt, dass er bereits mehrfach ergebnislos versucht habe, vom Kläger eine Mitteilung zum Sachstand im Zivilverfahren zu erhalten. Der Kläger hat weder einen Grundbuchauszug noch den ihm erteilten Erbschein vorgelegt. Dass der Erbschein wieder einzogen wurde, hat er nicht vorgetragen. Aufgrund seiner Angaben spricht daher alles dafür, dass er jedenfalls Miterbe zu einem Viertel geworden ist und er spätestens seit dem 23. September 2002 über seine Eigentumswohnung als Eigentümer und seinen Erbteil als Miterbe verfügen konnte. Allerdings ist weder die Erbteilsquote, der Wert des Erbteils noch der Wert seines sonstigen Vermögens einschließlich der Eigentumswohnung verlässlich feststellbar.
Da mangels Angaben des Klägers, der eine eingeschriebene Ladung mit Anordnung des persönlichen Erscheinens zu einem Erörterungstermin nicht abgeholt hat und trotz ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten hinsichtlich der genauen Höhe seines verfügbaren Vermögens zum maßgeblichen Zeitraum bestehen, stellt sich die Frage der Beweislast. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. BSGE 6, 70, 73; 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr. 27). Da im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids auf der Grundlage des § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III im Streit steht, trifft zwar grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides (vgl. BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1, S. 11). Zu beachten ist jedoch, dass eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung dann gerechtfertigt sein kann, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Arbeitslosen vorliegt (BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R -). Die Unaufklärbarkeit seiner Vermögenssituation im maßgeblichen Zeitraum ist der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind, insoweit ist daher von einer Beweislastumkehr auszugehen.
2. Der Kläger kann sich auf Vertrauensschutz nicht berufen. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte, wie oben dargelegt, unter anderem dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45).
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger nach diesem Maßstab auf der Grundlage seines Bildungsstandes und der Erfahrungen aus seinem langjährigen Leistungsbezug ohne Weiteres erkannt hat oder doch erkennen musste, dass ihm jedenfalls seit dem 23. September 2002 keine Alhi mehr zustehen konnte und der ihn begünstigende Bescheid vom 30. September 2002 insgesamt rechtswidrig war.
§ 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für den Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 8), so dass es unschädlich, dass das AA sich im Rücknahmebescheid vom 20. Mai 2003 nur auf § 48 SGB X bezogen hat (vgl. BSG SozR 3-4100 § 152 Nr. 9; BSG SozR 3-4100 § 45 Nr. 42). Es besteht aufgrund der gebundenen Rechtsfolge auch kein Raum für die Berücksichtigung eines Verschuldens des Arbeitsamts (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 18/01 B - abgedruckt in Juris). Dass die Beklagte den insgesamt rechtswidrigen Bescheid vom 30. September 2002 entgegen dieser Bestimmung erst ab dem 1. März 2003 zurückgenommen hat, verletzt den Kläger offensichtlich nicht in seinen Rechten.
Der Bescheid wurde dem Kläger innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids ist ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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