L 8 VS 4806/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VS 508/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 VS 4806/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. September 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1967 geborene Kläger begehrt die Anerkennung der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung und deren Ausgleich nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der Kläger war in der Zeit vom 01.09.1984 bis 26.8.1986 bei der Bundeswehr in S. als Zivilarbeiter beschäftigt. Vom 01.10.1986 bis 30.09.1998 war er als Zeitsoldat Angehöriger der Bundeswehr. In dieser Zeit war er vom 01.10.1986 bis 01.03.1988 in S. a.k.M. und vom 01.03.1988 bis 30.09.1998 in P. stationiert. In der Zeit vom 01.10.1986 bis 01.07.1991 war der Kläger in der Instandsetzung und vom 01.07.1991 bis 30.08.1998 als Fahrlehrer eingesetzt. Im September 1989 erkrankte der Kläger an einem Embryonalkarzinom des linken Hodens und im Oktober 1996 an einem malignen Keimzelltumor des rechten Hodens. Außerdem erlitt der Kläger am 06.07.1993 auf dem Weg von der Dienststelle zu seinem Heimatort einen Motorradunfall, bei dem er sich Verletzungen am linken Ober- und Unterschenkel zuzog.

Am 01.10.2001 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt Freiburg (VA) die Anerkennung seiner Hodenkrebserkrankungen als Wehrdienstbeschädigung. Er machte zur Begründung geltend, während seiner Dienstzeit sei er ständig Dämpfen und Abgasen ausgesetzt gewesen. Das VA leitete den Antrag zur Vorabentscheidung an die Wehrbereichsverwaltung V Stuttgart weiter.

Die Wehrbereichsverwaltung V zog vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen R. zahlreiche Krankenunterlagen und Befundberichte, vom Kreiswehrersatzamt R. die Personalakte des Klägers, arbeitsmedizinisch epidemiologische Untersuchungsberichte sowie Berichte des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung zur Asbeststaubgefährdung und anderen Stoffen bei. Außerdem holte die Wehrbereichsverwaltung V eine Stellungnahme des Leiters des Kraftfahrausbildungszentrums P. Hauptmann B. vom 07.03.2002 zur Tätigkeit des Klägers und den arbeitstechnischen Bedingungen ein. Auf Nachfrage der Wehrbereichsverwaltung V führte der Kläger aus, er sei während seiner Tätigkeit bei der Instandsetzung Asbest und Benzolen sowie darüber hinaus während seiner gesamten Tätigkeitszeit als Zeitsoldat Abgasen durch Kontakte über die Atemwege und die Haut (Hände) ausgesetzt gewesen. Schutzmaßnahmen seien mit Ausnahme beim Abschleifen von Lacken nicht vorgesehen gewesen. Die Be- und Entlüftung sei in der Regel durch das Hallentor erfolgt.

Die Wehrbereichsverwaltung V holte außerdem das truppenärztliche Versorgungsgutachten des Stabsarztes D. vom 28.05.2002 und die zusammenfassende versorgungsmedizinische gutachtliche Stellungnahme des Oberarztes Dr. J., Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr, vom 23.08.2002 ein. Dr. J. gelangte in seiner gutachtlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, hinsichtlich des Wegeunfalles des Klägers am 06.07.1994 liege eine Wehrdienstbeschädigung mit den Folgen "Ausgedehnte Narben nach Weichteilverletzungen des linken Ober- und Unterschenkels" im Sinne der Entstehung vor. Nach Art, Ausprägung und Verlauf der Gesundheitsstörung habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im ausgleichberechtigten Grad nicht vorgelegen. Hinsichtlich der (vorliegend streitgegenständlichen) Hodenkrebserkrankung des Klägers gelangte er zu dem Ergebnis, dass eine Anerkennung als Wehrdienstbeschädigungsfolge ("Verlust des linken Hodens, Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors") weder im Sinne eines Rechtsanspruches noch gemäß den Kriterien der Kannversorgung vorgeschlagen werden könne.

Mit Bescheid vom 27.09.2002 stellte die Wehrbereichsverwaltung Süd "Ausgedehnte Narben nach Weichteilverletzung des linken Ober- und Unterschenkels" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG, ohne Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG fest. Die weiterhin vorliegende Gesundheitsstörung "Verlust des linken Hodens und Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors" sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs könne nicht festgestellt werden. Die Voraussetzungen für eine "Kannversorgung" seien nicht erfüllt. Eine Anerkennung sei daher nicht möglich. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14.10.2002 Widerspruch. Dieses Widerspruchsverfahren wurde im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ruhend gestellt.

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Erstanerkennungsbescheid des VA vom 06.12.2002 wurden beim Kläger als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung "Ausgedehnte Narben nach Weichteilverletzungen des linken Ober- und Unterschenkels" mit Anspruch auf Heilbehandlung nach dem BVG ab 01.10.2001 festgestellt. Durch diese Wehrdienstbeschädigungsfolgen werde eine MdE im rentenberechtigenden Grad nicht erreicht. Die daneben geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Embryonalzellkarzinom linker Hoden, Hodenmischtumor rechter Hoden" seien nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG. Diese könnten daher nicht als Wehrdienstbeschädigungsfolgen anerkannt werden.

Hiergegen legte der Kläger am 03.01.2003 Widerspruch ein. Er machte geltend, sein Krebsleiden sei Folge einer Wehrdienstbeschädigung. Nach derzeitigem medizinischem Verständnis sei nachgewiesen, dass Asbest, Benzol, Abgase und Lösungsmittel krebserregend seien. Die Annahme, dass die von ihm angeschuldigten Substanzen nicht diese Tumorarten hervorrufen könnten, sei falsch. Weiter sei zu bedenken, dass seine Erkrankungen während seiner Dienstzeit aufgetreten seien, also im direkten zeitlichen Zusammenhang mit den krebserregenden Stoffen.

Mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 25.02.2003 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die anerkannten Gesundheitsstörungen seien zutreffend mit einer MdE von unter 25 v.H. bewertet worden. Hinsichtlich der Hodenkrebserkrankung könne kein Zusammenhang zum Wehrdienst hergestellt werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.03.2003 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage mit dem Ziel, "den Verlust des linken Hodens, Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors" als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihm Versorgung nach einer MdE von mindestens 25 vH zu gewähren. Er führte zur Begründung aus, eine tiefere wissenschaftliche Auseinandersetzung habe bisher nicht stattgefunden. Es sei ihm nicht zu verdenken, dass er bereits aufgrund der Herkunft der gutachtlichen Ausführungen, wenn man sie einmal als solche bezeichnen wolle, hinsichtlich des Ergebnisses erheblichen Bedenken habe. Die bisherigen Überlegungen des Beklagten berücksichtigten nicht, dass z. B. bereits seit Jahrzehnten der Zusammenhang zwischen Ruß und Hodenkrebs nachgewiesen sei.

Das SG holte von Amts wegen das urologische Gutachten von Prof. Dr. P. / H., H.-B.-Kliniken, vom 24.03.2004 ein. Die Sachverständigen gelangten in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, der Verlust des linken Hodens und Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors stehe mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung, einem während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfalles oder mit den im Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen. In der Literatur seien als Risikofaktoren für die Entstehung eines Hodentumors Maldescensus testis, weisse Rasse und unilateraler Hodentumor nachgewiesen. Wahrscheinliche Risikofaktoren für die Entstehung eines Hodentumors seien urogenitale Abnormalitäten sowie atrophische Mumpsorchitis. Exogene Faktoren wie Giftstoffe, insbesondere Asbest, Benzol und Abgase würden derzeit als nicht ursächlich zur Entstehung von Hodenkarzinomen gelten.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.09.2004 wies das SG, gestützt auf das eingeholte Gutachten, die Klage ab.

Gegen den am 22.09.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.10.2004 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung Einwendungen gegen das vom SG eingeholte Gutachten erhoben und sich auf einen Bericht der Ärztezeitung vom 11.05.2005, dass bei bestimmten Berufsgruppen Hodenkrebs gehäuft vorkomme, berufen. Eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass bei einzelnen Berufsgruppen doch ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs statistisch festzustellen sei, wäre notwendig gewesen. Es müsse auch hinterfragt werden, ob die Ausführungen im Gutachten auf der Höhe der Zeit seien, exogene Faktoren würden dort schließlich kategorisch verneint. Die Frage des ursächlichen Zusammenhangs sei damit keinesfalls auch nur annähernd verlässlich abgeklärt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. September 2004 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2003 zu verurteilen, bei ihm die Befunde Verlust des linken Hodens, Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihm hieraus Versorgung nach einer MdE von mindestens 25 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das urologische Gutachten des Prof. Dr. S.-S., Universitätsklinikum F., vom 05.05.2006 eingeholt. Der Sachverständige gelangt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, bei sorgfältiger Sichtung der vorhandenen Literatur könne ein Zusammenhang zwischen den beiden Hodentumorerkrankungen und der Wehrdiensttätigkeit des Klägers nicht gesehen werden, da bei Berücksichtigung der vorhandenen wissenschaftlich medizinischen Literatur mehr gegen als für den ursächlichen Zusammenhang der Tumorerkrankung und der Wehrdiensttätigkeit spreche. Aus der gesamten Literatur gebe es keine Hinweise für eine Tumorinduktion von Hodentumoren nach Asbestexposition. Zum jetzigen Zeitpunkt zeige sich für Benzene (Benzol) ebenfalls kein Hinweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen längerer Exposition von aromatischem Kohlenwasserstoff (Benzol) und der Häufigkeit von Hodentumoren. Umstritten sei die Rolle der Feinstäube (Ruß). Für den Moment lasse sich ein Zusammenhang zu Hodentumoren nicht aufzeigen. Zusammenfassend müsse gesagt werden, dass die Ätiologie von Hodentumorerkrankungen weitestgehend ungeklärt sei. Zahlreiche Risikofaktoren deuteten auf hormonelle Fehlregulationen als Ursache der Karzinogenese hin. Augenblicklich fehle ein direkter Beweis für den Einfluss von Umweltchemikalien auf dem Hormonstoffwechsel und die Häufigkeit von Hodentumoren.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten, ein Band Akten des Beklagten und zwei Band Akten der Wehrbereichsverwaltung V verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht der im vorliegenden Rechtsstreit allein geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Verlustes des linken Hodens, Teilverlust des rechten Hodens nach operativer Behandlung eines beidseitigen Hodentumors als Wehrdienstbeschädigung und auf Gewährung einer Versorgung nach einer MdE von mindestens 25 v.H. nicht zu.

Nach § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist.

Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben dem Schädigungstatbestand - das schädigende Ereignis, die hierbei erlittene gesundheitliche Schädigung und die verbliebene Gesundheitsstörung gehören, müssen grundsätzlich erwiesen sein (vgl. BSGE 60, 58, 59 mwN). Der Nachweis von Tatsachen setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit voraus (BSGE 45, 285, 287). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn das Gericht sie in so hohem Grade für wahrscheinlich hält, dass alle Umstände des Falles nach vernünftigem Abwägen des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSGE aaO). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, d.h. bei Tatsachen, die den Anspruch begründen sollen, zu Lasten des Klägers (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 6, 70, 72).

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. auch BSG SozR 3100 § 1 Nr. 29 zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG; und Nr. 4.12 der Verwaltungsvorschrift zu § 81 SVG); der ursächliche Zusammenhang, für dessen Vorliegen der Beschädigte die Beweislast trägt, ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Es kann nämlich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die vom Kläger geltend gemachten Hodentumorerkrankungen durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden sind. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der im erstinstanzlichen und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten urologischen Gutachten. In diesen Gutachten gelangen die Sachverständigen zu der übereinstimmenden Bewertung, dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Hodentumorerkrankungen und der Wehrdiensttätigkeit des Klägers nicht besteht. Die Sachverständigen gehen dabei im Wesentlichen übereinstimmend davon aus, dass es in der Literatur insbesondere hinsichtlich der vom Kläger angeschuldigten Stoffe Asbest, Benzol und Kfz-Abgase keine Hinweise für eine Tumorinduktion von Hodentumoren bzw. für einen Zusammenhang zu Hodentumoren gibt. Vielmehr ist die Ätiologie von Hodentumorerkrankungen weitestgehend ungeklärt. Zahlreiche Risikofaktoren deuteten auf hormonelle Fehlregulationen als Ursache der Karzinogenese hin. Es fehlt ein direkter Beweis für den Einfluss von Umweltchemikalien auf den Hormonstoffwechsel und die Häufigkeit von Hodentumoren. Danach ist die Ansicht der Sachverständigen nachvollziehbar und schlüssig, dass im Falle des Klägers der Verlust des linken Hodens sowie der Teilverlust des rechten Hodens nach Operation bei Hodenkarzinomen rechts und links mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstverrichtung, einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfalles oder mit dem im Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen steht. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Der davon abweichenden Ansicht des Klägers kann nicht gefolgt werden.

Auch die Voraussetzungen einer Kannversorgung gemäß § 81 Abs. 6 SVG liegen beim Kläger nicht vor. Nach § 81 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 85 Abs. 3 SVG kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht.

Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" 2004 (AHP) Nr. 142 Absatz 4, Seite 266 f., die als antizipierte Sachverständigengutachten (in der Regel) im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung von den Gerichten anzuwenden sind (BSGE 72, 285, 286; BSG Urt. vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R; BSG Urt. vom 15.07.2004 B 9 SB 46/03 B) ist vorliegend eine Kannversorgung (nur) in Betracht zu ziehen, a) bei Personen, die durch dienstliche Verhältnisse in vermehrtem Maße der Einwirkung von für den entsprechenden Tumor bekannten karzinogenen Substanzen ausgesetzt waren, wobei aber die Exposition nicht so massiv war, dass man die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs annehmen könnte, andererseits aber auch nicht so gering war, dass man dieser Exposition im Verhältnis zu der Menge im täglichen Leben aufgenommener, gleichartig wirkender karzinogener Substanzen keine wesentliche Bedeutung zumessen könnte; b) bei Personen mit chronischen Entzündungen, die mit schädigenden Einwirkungen in ursächlichem Zusammenhang stehen, sofern die chronische Entzündung über mindestens 5 Jahre bestanden und der Krebs sich in dem Gebiet der chronischen Entzündung entwickelt hat. Besteht lediglich ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der Verschlimmerung zwischen einer Schädigung und einer chronischen Entzündung, muss der auf die Schädigung zurückzuführende Anteil den Verlauf der Entzündung wesentlich, also mindestens annähernd gleichwertig, mitbestimmt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Nach dem Ergebnis der im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingeholten überzeugenden Gutachten kann beim Kläger nicht davon ausgegangen werden, er sei durch dienstliche Verhältnisse in vermehrtem Maße der Einwirkung von für Hodentumoren bekannten karzinogenen Substanzen ausgesetzt gewesen. Weiter ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger an chronischen Entzündungen an den Hoden gelitten hat, die nach den dargestellten Voraussetzungen eine Kannversorgung ermöglichen könnten.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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