L 11 R 5389/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 RA 2233/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5389/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Oktober 2004 sowie die Bescheide vom 28. August 2000 und vom 09. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2003 abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Regelaltersrente aus der Versicherung von Frau D. R. mit der Maßgabe zu gewähren, dass sowohl für die Kindererziehungszeiten als auch für die festgestellten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung Entgeltpunkte von 0,0833 pro Kalendermonat zugeordnet und bis zum 30. Juni 1998 75 vom Hundert, vom 01. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 85 vom Hundert und vom 01. Juli 1999 bis zum 30. Juni 2000 90 vom Hundert berücksichtigt werden.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Höhe der Altersrente der am 16.03.2001 verstorbenen Mutter der Klägerin, D. R. - Versicherte - (R.), streitig.

Die am 03.02.1923 im ehemaligen Oberschlesien geborene R., die im Besitz des Vertriebenenausweises A war, hatte am 17.02.1950 ihre Tochter A. (Klägerin) und am 19.11.1951 ihren Sohn G. geboren. Ihren formlosen Rentenantrag vom August 1994 begründete sie mit eigenen Ausbildungszeiten, Kindererziehungszeiten (KEZ) und Berücksichtigungszeiten, ihrem Vertriebenenstatus und Zeiten der Pflege ihrer Mutter vor 1992. Sie gab u.a. an, die beiden Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr erzogen zu haben.

Mit Bescheid vom 21.06.1995 bewilligte die Beklagte R. Regelaltersrente ab 01.08.1994 mit einem Zahlbetrag von zunächst 228,82 DM. Hierbei berücksichtigte die Beklagte 24 Monate Pflichtbeiträge für die Zeit vom 01.11.1939 bis 31.10.1941, 24 Monate Vertreibung/Flucht in der Zeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946 und 24 Monate Pflichtbeiträge wegen Kindererziehung vom 01.03.1950 bis zum 28.02.1951 sowie vom 01.12.1951 bis 30.11.1952, letztere mit 0,0625 Entgeltpunkten (EP) je Monat. Außerdem speicherte sie eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 01.02.1950 bis zum 30.11.1961.

Während des nachfolgenden Widerspruchsverfahrens, in dem es um weitere Versicherungs- und Ausbildungszeiten ging, beantragte R. die Feststellung von KEZ für den am 23.02.1939 geborenen Stiefsohn N. R., den sie von September 1948 bis Februar 1949 erzogen habe.

Mit Rentenbescheid vom 02.04.1996 stellte die Beklagte die bisherige Regelaltersrente ab 01.08.1994 neu fest unter zusätzlicher Anerkennung der Zeit vom 01.11.1941 bis 31.12.1944 als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeit. Des weiteren speicherte sie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 01.09.1948 bis zum 28.02.1949 für N. R ... Den Widerspruch von R. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.1996 zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden war. Die dagegen zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage - S 8 RA 1593/96 -, mit welcher R. die Rente bereits ab 01.02.1988 anstrebte sowie eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von weiteren Beitragszeiten bzw. Anrechnungszeiten und Berücksichtigungszeiten für N. R. bereits vor dem 01.09.1948 begehrte, blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 08.04.1998; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ( LSG ) vom 22.10.1998 - L 10 RA 1607/98 -).

Am 31.12.1999 beantragte R. eine Überprüfung der Feststellungen im Rentenbescheid vom 02.04.1996 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit der Begründung, bei Inkrafttreten der Neufassung des § 71 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei der Rentenbescheid durch das beim LSG anhängige Verfahren nicht bindend geworden. Es sei daher zu fragen, warum damals keine Neufeststellung unter Berücksichtigung der höheren Werte für die Kinderberücksichtigungszeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung vorgenommen worden sei.

Mit Bescheid vom 28.08.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Überprüfung des Bescheides vom 02.04.1996 ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12.03.1996 - 1 BvR 609/90 und 1 BvR 692/90 - trete bei Renten mit angerechneten KEZ, die am 27.06.1996, dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG, noch nicht bindend bewilligt gewesen seien, der § 307 d SGB VI rückwirkend ab 01.01.1986 in Kraft. Die erhöhten Leistungen wären rückwirkend ab Rentenbeginn zu erbringen. Es sei zutreffend, dass der Rentenbescheid durch das beim LSG anhängige Verfahren am 27.06.1996 noch nicht bindend gewesen sei. Die Rente sei dennoch von der Neuberechnung für Bezugszeiten vor dem 01.07.1998 auszunehmen, da bei R. zwar KEZ angerechnet seien, diese aber nicht mit sonstigen Beitragszeiten zusammenträfen und sich somit Auswirkungen auf deren Bewertung nicht ergäben. Der Wirkungsbereich der Entscheidung des BVerfG vom 12.03.1996 erfasse derartige Fälle nicht.

Nachdem R. dagegen Widerspruch eingelegt hatte, verstarb sie am 16.03.2001. Die Klägerin führte als Rechtsnachfolgerin (Alleinerbin von R. nach dem Alleinerbschein des Nachlassgerichts Reutlingen vom 23.04.2001) das Verfahren fort. Es wurde geltend gemacht, die im Versicherungskonto von R. gespeicherten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung seien bei der Neufeststellung der Regelaltersrente am 02.04.1996 lediglich mit 0,0625 EP je Monat bewertet worden. Im Zuge der höheren Bewertung von KEZ sei eine Anhebung bei den Kinderberücksichtigungszeiten auf 0,0833 EP pro Monat erfolgt, woraus sich fast immer ein höherer Gesamtleistungswert ergebe. Eine derartige Höherbewertung sei im vorliegenden Fall jedoch bisher unterblieben. Ferner erfülle R. auch die Voraussetzungen für eine Neufeststellung auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 309 SGB VI. Wenigstens in diesem Rahmen müssten die Kinderberücksichtigungszeiten dann eine Höherbewertung erfahren. Eine entsprechende Probe-Berechnung werde erbeten.

Hierauf übersandte die Beklagte die gewünschte Probeberechnung vom 15.11.2001 mit einem errechneten monatlichen Zahlbetrag für die Zeit ab Januar 2001 von 433,70 DM und von 469,37 DM für die Zeit ab 17.03.2001.

Mit Schreiben vom Dezember 2001 beantragte die Klägerin die Überprüfung aller Altersrentenbescheide gemäß § 44 SGB VI und die Neuberechnung bzw. Neufeststellung der Rente hinsichtlich folgender Sachverhalte: Anwendung des Prinzips der Netto-Rentenanpassung im Jahr 2000 (Anpassung sei nur als Inflationsausgleich erfolgt), Durchführung der Gesamtleistungsbewertung mit additiver Bewertung der KEZ und der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für das erste bzw. zweite Kind (analoge Anwendung wie im Zusammentreffen mit anderen Beitragszeiten) und Gewährung von drei Pflichtbeitragsjahren für Kindererziehung je Kind (wie für Geburten ab 1992 für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes).

Mit Rentenbescheid vom 09.04.2002 stellte die Beklagte die Regelaltersrente für R. für die Zeit vom 01.07.1998 bis 31.03.2001 neu fest. Für die Zeit ab 01.07.1998 würden sich die persönlichen EP verändern, weil zusätzliche persönliche EP für KEZ zu berücksichtigen seien. Die der bisherigen Berechnung zugrunde liegenden persönlichen EP für KEZ seien durch pauschale persönliche EP für KEZ zu ersetzen. Die pauschalierten persönlichen EP für KEZ ergäben sich, indem die Anzahl an Monaten für KEZ unter Berücksichtigung des Verhältnisses, in dem die errechneten persönlichen EP zu der Summe aller EP stünden, mit dem Wert 0,0833 vervielfältigt werde. Ein Nachzahlungsbetrag ergab sich hierbei nicht.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, der Bescheid sei weiterhin fehlerhaft, denn beispielsweise sei der Rentenbeginn falsch angegeben und auf das Vorbringen in der Widerspruchsbegründung überhaupt nicht eingegangen worden.

Mit Schreiben vom 23.04.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die ab 01.07.2000 vorgenommene Rentenanpassung sei nach geltendem Recht rechtmäßig erfolgt. Die Bundesregierung habe aufgrund der ihr in den §§ 69 und 255 b SGB VI erteilten Ermächtigung im Wege einer Rechtsverordnung (hier: Rentenanpassungsverordnung 2000 - vom 31.05.2000); aufgrund der einschlägigen Daten des Statistischen Bundesamtes in W. eine Veränderung des Preisindex für das Jahr 1999 gegenüber dem des Jahres 1998 in Höhe von 0,6 % festgestellt und sowohl den aktuellen Rentenwert (West) als auch den aktuellen Rentenwert (Ost) dementsprechend fortgeschrieben.

Mit weiterem Schreiben vom 16.08.2002 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Bewertung der KEZ in der Rentenberechnung. Das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 12.03.1996 die bisherige Bewertung von KEZ, die mit anderen Zeiten zusammentreffen, für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30.06.1998 eine neue verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. Mit dem Rentenreformgesetz 1999 (RRG) sei eine verfassungsgemäße Neuregelung eingeführt worden. In die Neuregelung seien dabei nicht nur neue Rentenansprüche einbezogen worden, sondern nach § 307 d SGB VI auch alle Bestandsrenten mit KEZ am 30.06.1998. Eine Neubewertung der KEZ in der für R. gezahlten Regelaltersrente sei in der Weise erfolgt, dass die bisher für KEZ berücksichtigten EP gegen pauschale EP von 0,0833 je Kalendermonat KEZ ausgetauscht worden seien. Der Austausch der EP für KEZ sei in einem maschinellen Verfahren erfolgt. § 307 d SGB VI habe danach zwei Zeitpunkte des Inkrafttretens vorgesehen: Für Berechtigte, denen eine Rente mit angerechneten KEZ am 27.06.1996 (Tag der Bekanntgabe des Beschlusses des BVerfG vom 12.03.1996) bereits bindend bewilligt gewesen sei (dies seien die Rentenbescheide mit einem Datum vor dem 20.05.1996), sei § 307 d SGB VI am 01.07.1998 in Kraft getreten. Die erhöhte Leistung aufgrund der Neubewertung der KEZ sei demgemäß ab 01.07.1998 zu erbringen. Hierüber sei der Berechtigte zusammen mit der Anpassungsmitteilung vom Postrentendienst unterrichtet worden. Für Berechtigte, denen eine Rente mit angerechneten KEZ am 27.06.1996 noch nicht bindend bewilligt gewesen sei (dies seien die Rentenbescheide mit einem Datum nach dem 19.05.1996), sei § 307 d SGB VI rückwirkend ab 01.01.1986 in Kraft getreten. Die erhöhte Leistung aufgrund der Neubewertung der KEZ sei demgemäß ab Rentenbeginn zu erbringen. Zu beachten sei dabei, dass der Wirkungsbereich der Beschlüsse des BVerfG vom 12.03.1996 von vornherein nur Renten erfasse, in denen KEZ mit sonstigen Beitragszeiten zusammenträfen. Denn nur insoweit hätten sich die bis zum 30.06.1998 geltenden Regelungen zur "lückenfüllenden Abgeltung" von KEZ als verfassungswidrig erwiesen. Renten, in denen KEZ, so wie hier, nicht mit sonstigen Beitragszeiten zusammengetroffen seien, so dass sie auch in der Vergangenheit eine additive Abgeltung mit 75 % eines Durchschnittsverdienstes erfahren hätten, würden von § 307 d SGB VI immer erst für Bezugszeiten ab 01.07.1998 erfasst.

Dagegen wandte die Klägerin ein, da die Rentenbescheide am Stichtag (27.06.1996) wegen des Sozialgerichtsverfahrens noch nicht bindend gewesen seien, müsse § 307 d SGB VI rückwirkend ab 01.08.1994 (Rentenbeginn) angewendet werden. Dies hätte zu einer Neufeststellung der Regelaltersrente mit 0,0833 EP je Monat KEZ oder den pauschalen persönlichen EP für KEZ (2,7589) führen müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 09.04.2002 abgeholfen worden war. Zur Begründung wurde im wesentlichen der bereits erläuterte Standpunkt der Beklagten zur höheren Bewertung der KEZ wiederholt und darauf hingewiesen, dass verfahrenstechnisch bedingt die Neubewertung der KEZ nochmals im Rentenbescheid vom 09.04.2002 dargestellt worden sei.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum SG, mit der sie ihr Begehren auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente für R. weiterverfolgte. Sie machte im wesentlichen geltend, nach der Arbeitsanweisung der Beklagten zu § 71 Abs. 3 SGB VI werde die additive Bewertung der KEZ ab 01.07.1998 auf die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung übertragen. Die Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung gehe sogleich mit dem vollen Wert der KEZ - also mit 0,0833 je Kalendermonat - in die Bestimmung des maßgebenden Gesamtleistungswerts ein. Wie im bisherigen Recht wirkten sich die EP für eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung allein im Rahmen dieser Gesamtleistungsbewertung aus. Eine eigenständige Bewertung, die zu einem Monatsbetrag einer Rente führen könnte, sei mit § 71 Abs. 3 SGB VI nach wie vor nicht verbunden. Die Regelaltersrente von R. sei weder zum Zeitpunkt der Beschlüsse des BVerfG noch bei Inkrafttreten von Artikel 33 Abs. 12 Rentenreformgesetz (RRG) 1999 bestandskräftig geworden, da das Urteil des LSG in dem Berufungsverfahren L 10 RA 1607/98 erst am 22.10.1998 ergangen sei. Da im Versicherungsverlauf zeitweilig die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für das Kind A. (d.h. für die Klägerin) mit den KEZ und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für das Kind G. überlagernd zusammentreffen würden, wäre die Regelaltersrente rückwirkend neu festzustellen gewesen. Die Beklagte habe zwar am 09.04.2002 eine Neufeststellung der Regelaltersrente vorgenommen, diese Rentenberechnung sei jedoch wiederum mit 0,0625 EP je Monat mit KEZ und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung erfolgt sowie ohne eine additive Bewertung solcher Zeiten. Im übrigen werde auf die Regelung des § 56 Abs. 1 SGB VI verwiesen, wonach Kindererziehende für nach dem 31.12.1991 geborene Kinder bis zu 36 Monate als KEZ angerechnet bekämen. Dieses Gesetz in Verbindung mit § 249 Abs. 1 SGB VI benachteilige Kindererziehende wie R. zusätzlich und verstoße mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen das Grundgesetz und das Europäische Gemeinschaftsrecht, weil es jenen Müttern und Vätern nur je zwölf Monate als KEZ zugestanden habe. Somit scheide vorliegend auch eine additive Bewertung der KEZ selbst aus. Wären für die beiden Kinder je 36 Monate mit KEZ zu berücksichtigen, ergäben sich nämlich Pflichtbeiträge für Kindererziehung vom 01.03.1950 bis 28.02.1953 (für A.) und vom 01.12.1951 bis 30.11.1954 (für G.). Ferner lägen ihr Rentenbescheide von anderen Versicherten der Beklagten mit KEZ und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vor. Hieraus ergebe sich, dass derartige Zeiten rückwirkend von der Beklagten mit 0,0833 persönlichen EP im Monat additiv bewertet worden seien.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Gemäß der Regelung des § 307 d SGB VI sei ein Austausch der in der Bestandsrente für Zeiten der KEZ berücksichtigten persönlichen EP gegen pauschale persönliche EP für KEZ erfolgt. Die in diesem Zusammenhang nicht anzuwendende Vorschrift des § 71 Abs. 3 SGB VI sei durch das RRG 1999 neu gefasst worden. Danach würden für die Gesamtleistungsbewertung jedem Kalendermonat an Berücksichtigungszeit die EP zugeordnet, die sich ergeben würden, wenn diese Kalendermonate KEZ wären. Die Neuregelung des § 71 Abs. 3 SGB VI sei am 01.07.1998 in Kraft getreten. Sie gelte für alle Renten mit einen Beginn ab dem 01.07.1998 sowie für Renten mit einem Rentenbeginn vor dem 01.07.1998, die aufgrund einer Antragstellung nach dem 30.09.1998 neu festzustellen seien. Es handle sich hierbei um eine Rechtsänderung, die von der Rechtsfolge des § 307 d SGB VI über den Austausch pauschaler persönlicher EP für KEZ nicht erfasst werde. Mit § 307 d SGB VI habe erreicht werden sollen, dass sich die bisher berücksichtigten KEZ in ihrem Wert erhöhten. Deshalb erfolge hier auch keine Neufeststellung der EP im Sinne von § 300 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VI nach dem SGB VI in der Fassung des RRG 1999. Es sei allein die Pauschalregelung des § 307 d SGB VI anzuwenden.

Auf Anfrage des SG führte die Beklagte aus, da die gemäß § 307 d SGB VI bessere Bewertung von KEZ ab 01.07.1998 bereits in der bisherigen Rentenberechnung der Versicherten enthalten gewesen sei, hätten sich allein aus diesem Grund im Bescheid vom 09.04.2002 keine höheren Zahlbeträge ergeben. Der am 21.06.1995 erstmalig erteilte Rentenbescheid sei zwar zum Stichtag 27.06.1996 noch nicht bindend gewesen, so dass § 307 d SGB VI grundsätzlich Anwendung finde. Die in der Rente der verstorbenen Versicherten enthaltenen KEZ träfen jedoch nicht mit anderen Beitragszeiten zusammen. Ein Anspruch auf Neufeststellung der Rente für die Zeit ab Rentenbeginn vom 01.08.1994 bis 30.06.1998 bestehe daher nicht. Die mit Bescheid vom 09.04.2002 durchgeführte Neufeststellung der Rente sei somit nicht erforderlich bzw. falsch gewesen, da auch nach § 309 SGB VI kein Anspruch auf Neufeststellung bzw. Neuberechnung bestehe. Eine Aufhebung bzw. Rücknahme des Bescheides nach den §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei jedoch nicht möglich, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (die Neufeststellung habe keine Änderung der Rentenhöhe ergeben).

Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2004, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 29.10.2004 und der Beklagten zugestellt am 05.11.2004, verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.08.2000 sowie des Bescheides vom 09.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2003, die Regelaltersrente aus der Versicherung von Frau D. R. bereits ab 01.01.1995 mit der Maßgabe zu gewähren, dass sowohl für die festgestellten Kindererziehungszeiten als auch für die festgestellten Berücksichtigungszeiten Entgeltpunkte von 0,0833 pro Kalendermonat zugeordnet werden. Im übrigen wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, § 307 d SGB VI enthalte mit Wirkung vom 01.07.1998 eine Regelung über EP für KEZ bei Bestandsrenten. Hierbei handle es sich um eine Sonderregelung zu der durch Art. 1 Nr. 34 RRG 1999 geänderten Bestimmung in § 70 Abs. 2 SGB VI und zu deren Ergänzung durch § 256 d SGB VI. Nach dem davor geltenden Recht seien KEZ, sofern diese zeitlich nicht mit Beiträgen belegt gewesen seien, pro Kalendermonat 0,00625 EP zugeordnet worden. Beim Vorhandensein von Beiträgen, die diesen Wert nicht erreicht hätten, seien sie bis zu diesem Wert aufgestockt worden. Das neue Recht ordne KEZ einen höheren Wert, nämlich für jeden Kalendermonat 0,0833 EP zu und sehe beim Zusammentreffen bei KEZ mit sonstigen Beitragszeiten eine additive Berücksichtigung der KEZ vor (§ 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der durch Gesetz vom 16.12.1997 geltenden Fassung). § 307 d Satz 1 SGB VI sei rückwirkend zum 01.01.1986 nur für Personen in Kraft getreten deren Rente am 27.06.1996 noch nicht bindend bewilligt gewesen sei. Diese Regelung gehe auf die am 27.06.1996 verkündete Entscheidung des BVerfG vom 12.03.1996 zurück. Da im Falle von R. zum Stichtag noch keine bindende Rentenbewilligung vorgelegen habe, finde § 307 d SGB VI Anwendung. Dem Beschluss des BVerfG könne nicht entnommen werden, dass lediglich beim Zusammentreffen von KEZ mit sonstigen Beitragszeiten ein Austausch der EP zu erfolgen habe. Dieses habe lediglich dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine verfassungsgemäße Regelung zu erlassen. Die im Anschluss an diese Entscheidung erfolgte Neuregelung des § 70 Abs. 2 sowie des § 307 d SGB VI bestimme jedoch nicht, dass lediglich KEZ, welche mit sonstigen Beitragszeiten zusammentreffen, nunmehr 0,0833 EP zugeordnet erhielten. Hiergegen spreche insbesondere der Wortlaut des § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Einen Anhaltspunkt für die von der Beklagten vertretene restriktive Anwendung der Vorschriften nur auf Fälle des Zusammentreffens von KEZ mit Beitragszeiten biete der Gesetzeswortlaut nicht. § 71 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.07.1998 gültigen Fassung binde die Bewertung der Berücksichtigungszeiten an die Bewertung der KEZ. Sie würden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung berücksichtigt, in dem ihnen für jeden Kalendermonat der Wert zugeordnet werde, der sich ergeben würde, wenn diese Kalendermonate Erziehungszeiten wären. Deshalb sei für die festgestellten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ein Wert von 0,0833 je Kalendermonat zugrundezulegen. Gemäß § 44 Abs. 4 SGB X könne die Klägerin rückwirkend ab 01.01.1995 die Differenz beanspruchen, die sich aus dem Anspruch auf Regelaltersrente abzüglich der bereits erhaltenen Leistungen ergebe. Soweit sich die Klägerin dagegen wende, dass in den angefochtenen Bescheiden von der Beklagten lediglich 12 Kalendermonate für die beiden (leiblichen) Kinder der R. als KEZ berücksichtigt worden seien, sei die Klage jedoch unbegründet. Der Umfang der KEZ gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI entspreche dem vor dem 01.01.1992 geltenden Recht. Die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teile das Gericht nicht.

Hiergegen haben die Klägerin am 29.11.2004 und die Beklagte am 02.12.2004 Berufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung des SG, soweit dieses die Berücksichtigung von lediglich 12 Kalendermonaten für die beiden leiblichen Kinder der R. für zutreffend erachtet hat, und hält an ihrem bisherigen Vorbringen bezüglich der Ungleichbehandlung von KEZ in Abhängigkeit allein vom Geburtsdatum eines Kindes fest. Die streitige Vorschrift (36 Monate KEZ je Kind) sei ab 01.01.1992 mit dem SGB VI in Kraft getreten und die Regelaltersrente für R. sei erst danach bewilligt worden. Der deutsche Gesetzgeber und die Beklagte habe mit Einführung bzw. Umsetzung der angefochtenen Regelungen nicht nur gegen Art. 3 und 14 des Grundgesetzes (GG), sondern gleichfalls gegen analoge Bestimmungen in der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen.

Die Klägerin beantragt, - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Oktober 2004 sowie die Bescheide vom 28. August 2000 und vom 09. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Regelaltersrente aus der Versicherung von Frau D. R. unter Berücksichtigung von je 36 Monaten Kindererziehungszeiten für die beiden leiblichen Kinder zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Oktober 2004 insoweit aufzuheben, als die Beklagte verurteilt wurde, unter Abänderung des Bescheides vom 28. August 2000 sowie des Bescheides vom 09. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2003, die Regelaltersrente aus der Versicherung von Frau D. R. bereits ab 01. Januar 1995 mit der Maßgabe zu gewähren, dass sowohl für die festgestellten Kindererziehungszeiten als auch für die festgestellten Berücksichtigungszeiten Entgeltpunkte von 0,0833 pro Kalendermonat zugeordnet werden und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, für Berechtigte, denen eine Rente mit angerechneten KEZ am 27.06.1996, dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG vom 12.03.1996, noch nicht bindend bewilligt gewesen sei, sei § 307 d SGB VI rückwirkend ab 01.01.1986 in Kraft getreten. Obwohl die Rente der R. nicht bindend bewilligt gewesen sei, sei sie von der Neuberechnung von Bezugszeiten vor dem 01.07.1998 auszunehmen, da in der Rente zwar KEZ angerechnet seien, diese aber nicht mit sonstigen Beitragszeiten zusammen träfen. Der Wirkungsbereich der Entscheidung des BVerfG erfasse nach Auffassung der Beklagten derartige Renten nicht. Denn in Renten mit angerechneten KEZ, die nicht mit Beitragszeiten zusammenträfen, sei die sog. Solo-KEZ bereits "additiv" berücksichtigt, es fehle allein die bessere Bewertung der KEZ, die für alle Renten für Bezugszeiten ab 01.07.1998 wirksam werden solle. Würde § 307 d Satz 5 SGB VI in diesen Fällen bereits für Rentenbezugszeiten vor dem 01.07.1998 angewendet, wären Rentenüberzahlungen die Folge. Es müssten beispielsweise für 12 Kalendermonate sog. Solo-Kindererziehungszeit 0,75 persönliche EP gegen 0,7497 pauschale persönliche EP (12 x 0,0833 = 0,9996 x 75./. 100) ausgetauscht werden. § 307 d regele Auswirkungen auf den Rentenbestand. Für den sog. Zugangsrentner sei die Vorschrift des § 70 Abs. 2 SGB VI maßgebend. § 307 d SGB VI habe nicht die in § 71 Abs. 3 SGB VI für Zugangsrenten ab 01.07.1998 geregelte Bewertung der Kinderberücksichtigungszeit übernommen, denn diese Neuregelung setze eine vollständige Rentenberechnung voraus und nicht mehr nur einen Austausch von EP. Das SG "vermische" die Anwendung des § 307 d SGB VI mit den Vorschriften des § 71 Abs. 3 SGB VI und lasse auch bei dem Hinweis auf die Vorschrift des § 70 Abs. 2 SGB VI die stufenweise eingeführte Erhöhung der Bewertung der KEZ in § 256 d SGB VI außer Betracht. Die mit Bescheid vom 09.04.2002 durchgeführte Neuberechnung sei, soweit es um die Berücksichtigung der KEZ und die nicht erhöhte Berücksichtigung der Kinderberücksichtigungszeiten gehe, zutreffend. Allerdings sei der Zugangsfaktor zu niedrig anerkannt worden. Der Rentenbeginn habe eine Erhöhung des Zugangsfaktors von 1,0 um 77 Kalendermonate (01.03.1988 - 31.07.1994) x 0,005 auf 1,385 bewirkt (statt bisher 1,380). Der erhöhte Zugangsfaktor habe sich auch bei dem Austausch der persönlichen EP für KEZ ausgewirkt. Die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 249 Abs. 1 SGB VI würden nicht geteilt. Die Verfassungsbeschwerde zur Problematik der KEZ (1 BvR 1596/01) sei vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden (Entscheidung vom 25.10.2004).

Die Klägerin hat noch vorgetragen, R. habe aus der Einführung der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung einen rentenrechtlichen Nutzen nur im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung ziehen können. Denn deren zwei Kinder seien vor dem 01.01.1992 geboren und bei der Rentenberechnung deshalb nur mit 24 (anstatt 72) Pflichtbeitragsmonaten wegen Kindererziehung zu berücksichtigen. Eine Bewertung des Schwangerschafts- und Wochenurlaubs habe die Beklagte für beide Kinder abgelehnt. Ebenso wenig habe R. von dem neuen Recht Gebrauch machen können, eine gemeinsame Erklärung mit dem Kindesvater abzugeben. Bei Inkrafttreten der Vorschrift (01.01.1992) habe sie bereits eine große Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Kindesvaters bezogen. Auch die Versagung der Möglichkeit, ab 1992 allein eine Erklärung zur "Aufteilung" der Kindererziehungs- und -Berücksichtigungszeiten auf Kindesvater und Kindesmutter mit positiven Auswirkungen auf die Höhe der (eigenen) großen Witwenrente und der Altersrente abgeben zu können, nur weil der Kindesvater vor dem 01.01.1986 verstorben gewesen sei, habe R. in ihren Grundrechten verletzt. Für derart gravierende Ungleichbehandlungen fehle es an rechtfertigenden Gründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig und insbesondere statthaft, da der geltend gemachte Anspruch laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung der Beklagten ist auch teilweise begründet, soweit sie verpflichtet wurde, bereits ab 01.01.1995 ohne Beachtung der Stufenregelung in § 307 d Satz 5 SGB VI Regelaltersrente aus der Versicherung der R. unter Berücksichtigung von 0,0833 EP pro Kalendermonat für KEZ und Kinderberücksichtigungszeiten zu gewähren (I.). Dagegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet (II.).

Streitgegenstand ist - wie den Anträgen der anwaltlich vertretenen Klägerin im SG- und Berufungsverfahren zu entnehmen ist, eine rückwirkende höhere Bewertung der KEZ und (im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung) der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bei der der Versicherten R. geleisteten Regelaltersrente (I.), außerdem die Anerkennung weiterer KEZ für die vor dem 01.01.1992 geborenen (leiblichen) Kinder der R. (II.). Die Klägerin hat den Gerichtsbescheid des SG nur bezüglich des letzteren Punktes angefochten. Ihr darüber hinausgehendes Begehren im Berufungsverfahren (insbesondere im Schriftsatz vom 03.04.2006) ist bereits aus diesem Grund unzulässig.

I.

Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente als Produkt aus der Summe der EP (= Rangwert), dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Streit besteht hier allein wegen des Rangwertes.

Gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) besteht ein Anspruch auf Rücknahme eines bindenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit sich im Einzelfall erweist, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Letzteres kommt hier bezüglich der EP für KEZ nur für die Zeit vor dem 01.07.1998 in Betracht, denn für die nachfolgende Zeit hat R. Rentenleistungen unter Berücksichtigung höherer EP für KEZ bereits erhalten. Hinsichtlich der EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ließ die Beklagte dagegen die EP unverändert. Nur klarstellend wurden insoweit im Tenor neben den Kinderberücksichtigungszeiten auch die KEZ aufgenommen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 1996 (BVerfGE 94, 241) war der Gesetzgeber aufgefordert, die Bewertung der KEZ für die Zukunft in verfassungskonformer Weise neu zu regeln (bessere Bewertung in Höhe des Durchschnittseinkommens und zusätzliche Berücksichtigung zu bereits vorhandenen Beitragszeiten - "additive Bewertung" -). Dies ist mit § 70 Abs. 2 SGB VI in der Fassung des Art. 1 Nr. 34 RRG 1999 und § 256 d SGB VI für Zugangsrenten ab 01.07.1998 (vgl. Art. 33 Abs. 1 RRG 1999) geschehen. Nach dem früheren Recht wurden KEZ, sofern diese nicht mit Beiträgen belegt waren, ein fiktiver Wert von 0,00625 EP zugeordnet. Die KEZ wirkten sich bei Personen, die während der KEZ durch eigene Beiträge Vorsorge für das Alter getroffen hatten, nur bei Lücken im Versicherungsverlauf oder freiwilligen oder Pflichtbeitragen rentensteigernd aus. Das neue Recht ordnet KEZ einen höheren Wert, nämlich für jeden Kalendermonat 0,0833 EP zu und sieht eine additive Berücksichtigung von KEZ vor: beim Zusammentreffen von KEZ und sonstigen Beitragszeiten werden die EP für KEZ ermittelt, in dem die EP für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens jedoch bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte an EP nach Anlage 2 b zum SGB VI. Die neuen EP für KEZ werden nach dem gleichzeitig (durch Artikel 1 Nr. 95 RRG 1999) eingefügten § 256 d SGB VI für Rentenzahlungen bis 01.07.2000 stufenweise berücksichtigt. Mit § 307 d SGB VI (aufgehoben ab 01.08.2004 durch Art. 1 Nr. 72 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.07.2004 - BGBl. I S. 1791) wurde die Neuregelung, d.h. die additive Abgeltung der KEZ und letztlich 100 % anstatt 75 % des Durchschnittsverdienstes auf den Rentenbestand am 30.06.1998 ausgedehnt. Nach § 300 SGB VI ist neues Recht grundsätzlich nur für die Zukunft anzuwenden, bereits festgestellte Renten werden von einer Neuregelung nicht betroffen. Um Bestandsrenten in die Neuregelung einzubeziehen, war eine Sonderregelung erforderlich. In pauschalierender Weise waren danach die bisherigen persönlichen EP für KEZ gegen pauschale persönliche EP für KEZ auszutauschen. Dieser Austausch erfolgte in einem maschinellen Verfahren bei den Rentenversicherungsträgern, ohne dass eine erneute Berechnung der Rente vorgenommen werden musste. Hierdurch erfolgte auch keine Neuberechnung der beitragsfreien Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung. Diese wurden weiterhin im Rahmen der bisherigen Rentenberechnung bewertet (vgl. Kreikebohm SGB VI, 2. Auflage, § 307 d Rdnr. 5).

Von welchem Zeitpunkt an der Austausch der bisherigen persönlichen EP für KEZ nach § 307 d SGB VI vorzunehmen ist, regelt Art. 33 Abs. 3 und Abs. 12 RRG 1999. Danach tritt § 307 d SGB VI für Bestandsrentner grundsätzlich am 01.07.1998 in Kraft. Ausnahmsweise rückwirkend zum 01.01.1986 tritt diese Norm in Kraft, wenn dem Rentenberechtigten am 27.06.1996 die Rente noch nicht bindend bewilligt war. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass auch in diesen Fällen vor dem 01.07.1998 durch die additive Bewertung von KEZ und zeitgleichen Beitragszeiten erhöhte Rentenleistungen auch für Zeiträume vor dem 01.07.1998 erbracht werden (BT-Drucks. 13/8011 Seite 81).

Vorliegend war die der R. bewilligte Rente zum Stichtag noch nicht bindend festgestellt, so dass § 307 d SGB VI Anwendung findet. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die Rente in all diesen Fällen vom Rentenbeginn an erhöht. Eine Erhöhung von Rentenbeginn an ergab sich nur, wenn bisher KEZ ganz oder teilweise von anderen Beitragszeiten verdrängt wurden. Nur in diesen Fällen ergaben sich durch den Austausch der bisherigen EP für KEZ gegen die pauschalen EP für KEZ mehr EP als bisher. Waren bisher - wie bei R. - die KEZ nicht von anderen Beitragszeiten verdrängt, ergeben sich für Bezugszeiten vor dem 01.07.1998 wegen der in § 307 d Satz 5 SGB VI geregelten stufenweisen Zahlung der erhöhten KEZ keine höheren EP für KEZ. In diesen Fällen erhielten die Rentner keinen besonderen Bescheid ihres Rentenversicherungsträgers; die Information über den Austausch der EP erfolgte im Rahmen der Rentenanpassung zum 01.07.1998.

Wie das SG vermag auch der Senat nicht der Auffassung der Beklagten zu folgen, dass von der Neuregelung nicht diejenigen Rentner erfasst werden, deren Rentenbescheid am 27.06.1996 zwar nicht bindend war, aber KEZ enthielt, die nicht mit sonstigen Beitragszeiten zusammentrafen, da der Wirkungsbereich der Entscheidung des BVerfG vom 12.03.1996 nicht derartige Renten erfasse (so allerdings auch Polster in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 307 d SGB VI Rdnr. 6). Zu Recht weist das SG insoweit darauf hin, dass sich für diese restriktive Anwendung des § 307 d SGB VI weder aus dem Gesetzeswortlaut der §§ 70 Abs. 2 und 307 d SGB VI noch aus der Entscheidung des BVerfG Anhaltspunkte ergeben. Dies bedeutet, dass den bei R. festgestellten KEZ der höhere Wert nach neuem Recht, nämlich für jeden Kalendermonat 0,0833 EP zuzuordnen sind.

Nicht zu folgen vermag der Senat jedoch der vom SG angenommenen Rückwirkung der höheren pauschalen Bewertung der KEZ ab 01.01.1995. Eine solche wäre lediglich bei einer additiven Berücksichtigung von vorhandenen Bezugszeiten zu beachten. Denn (aus fiskalischen Gründen) sieht § 307 d Satz 5 SGB VI wie § 256 d SGB VI keine sofortige uneingeschränkte Anwendung der Austauschregelung vor. Wie bei den Neurentnern erfolgt auch bei den Bestandsrentnern die Erhöhung des Wertes für die KEZ von bisher 75 % auf jetzt 100 % des Durchschnittsverdienstes nicht sofort in vollem Umfang, sondern in Stufen während einer Übergangsphase vom 01.07.1998 bis 30.06.2000. Von den pauschalen EP werden für die Zeit vom 01.07.1998 bis 30.06.1999 85 %, vom 01.07.1999 bis 30.06.2000 90 % und ab 01.07.2000 die vollen 100 % den übrigen EP zugeschlagen. Bis 30.06.1998 werden weiterhin die pauschalen Entgeltpunkte nach Satz 1 und 2 nur zu 75 % für die Leistung berücksichtigt, d.h. es bleibt bei der Bewertung 0,0625 = 75 % von 0,0833. Eine ungekürzte Berücksichtigung erfolgt mithin erst ab 01.07.2000. Nicht betroffen ist hiervon die additive Berücksichtigung von vorhandenen Beitragszeiten, was bei R. aber nicht der Fall ist. Für eine additive Bewertung der KEZ und der Kinderberücksichtigungszeiten für das erste bzw. zweite Kind analog wie beim Zusammentreffen mit anderen Beitragszeiten ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum. Vorliegend hat die Beklagte - wie sich den Rentenberechnungen entnehmen lässt - den Austausch der EP für KEZ bei der Rente von R. entsprechend dieser Abstufung vorgenommen. Dies ist nicht zu beanstanden.

Was die Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung angeht, ist vorliegend im Rahmen des Rücknahmeantrages gemäß § 44 SGB X zu beachten, dass nach § 71 Abs. 3 SGB VI für die Gesamtleistungsbewertung jedem Kalendermonat an Berücksichtigungszeit die EP zugeordnet werden, die sich ergeben würden, wenn diese Kalendermonate KEZ wären. Daraus folgt, dass die Zuordnung der EP der bei den KEZ entspricht und somit ebenfalls nur abgestuft - wie oben dargestellt - erfolgen kann. Die Berücksichtigungszeiten können daher erst ab 01.07.2000 mit dem generalisierenden Durchschnittswert (1 EP pro Kalenderjahr - 0,0833 EP x 12 = 0,9996 EP) bewertet werden. Die Übergangsregelung ist nicht zu beanstanden, denn der parlamentarische Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung von KEZ einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R -). Soweit die Beklagte mithin eine Anpassung der Bewertung der Kinderberücksichtigungszeiten an die der KEZ in den angefochtenen Bescheiden bisher unterlassen hat, sind diese rechtswidrig.

II.

Das Begehren der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, einen höheren Wert des Rechts auf Altersruhegeld unter Anrechnung einer Vorleistung von 3 Jahren statt von einem Jahr an KEZ gemäß § 56 SGB VI ohne Einschränkung des § 249 Abs. 1 SGB VI festzustellen und entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen, ist nicht begründet. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen, weshalb der Senat auf die Entscheidung des SG Bezug nimmt und auf deren erneute Darstellung verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch nach Auffassung des Senats § 249 SGB VI weder im Vergleich mit § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI noch für sich betrachtet verfassungswidrig ist. Dies hat das BVerfG mit Nichtannahmebeschluss vom 29.03.1996 - 1 BvR 1238/95 - unter weitgehender Bezugnahme auf die Entscheidungen des BVerfG vom 07.07.1992 (BVerfGE 87, 1 f.) bestätigt (dazu auch: Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01). Mit der Anerkennung von KEZ als rentenbegründendem und rentensteigerndem Tatbestand im Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetz vom 11.07.1985 (HEZG) hat der Gesetzgeber einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan. Eine gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung der Tatbestände der Kindererziehung in der Zeit vor und nach Inkrafttreten des SGB VI am 01.01.1992 liegt nicht vor. Zwar ist der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in dem durch Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung liegt, in weiterem Umfang als bisher auszugleichen. Dem ist der Gesetzgeber mit der zeitlichen Ausdehnung ab dem Stichtag 01.01.1992 nachgekommen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Form wie die Berücksichtigung von KEZ bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen. In der derzeitigen Lage der Rentenversicherung hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Auch Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, gebietet keine längere Anerkennung von KEZ für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder (BVerfGE 87, Seite 35; Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.04.2001 - L 3 RJ 133/00, des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.09.2002 - L 6 RJ 166/02 -, vom 16.12.2002 - L 2 RJ 217/02 - und vom 04.10.2004 - L 6 RA 55/04 -, des Bayerischen LSG vom 24.02.1999 - L 13 RA 54/97 - und des SG Karlsruhe vom 18.03.2003 - S 6 RA 2844/02 -).

Ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention oder das Recht der Europäischen Gemeinschaft ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Befugnis der Staaten, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten, den Grundsätzen der nationalen Verfassungen unterliegt.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid im tenorierten Umfang abzuändern und die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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