L 5 KR 5397/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2964/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5397/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 26. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend, ihm ab sofort Leistungen der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich zu gewähren.

Der 1956 geborene Kläger ist wegen der Folgen einer bakteriellen Meningitis (ohne Erregernachweis) schwerst pflegebedürftig. Er wird seit der Entlassung aus stationärer Behandlung am 25. Oktober 2005 zu Hause 24 Stunden kontrolliert, maschinell über ein Tracheostoma beatmet. Es liegen in dem Zusammenhang ärztliche Verordnungen zur Gewährung der umfänglichen Behandlungssicherungspflege des Facharztes für Allgemeinmedizin B. (Bl. 27 Verwaltungsakte -VA-) vor. Die medizinisch notwendige Rund-um-die-Uhr-Betreuung wird durch einen Fachpflegedienst (M. Hilfsdienst) mit Unterstützung durch die Ehefrau des Klägers durchgeführt.

Der Kläger erhält von der Pflegekasse der Beklagten, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin Leistungen (Pflegesachleistungen) der Pflegestufe III. Diese Leistungsgewährung beruht auf der Feststellung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 12. Januar 2006, wonach auf die Verrichtungen der Grundpflege 246 Minuten und auf die hauswirtschaftliche Versorgung 60 Minuten pro Tag entfallen (Dr. S. - Bl. 20 VA).

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass die Kosten der Behandlungspflege an sich von ihr - der Beklagten - getragen würden. Da die 24-Stunden-Pflege auch grundpflegerische Leistungen und hauswirtschaftliche Versorgung beinhalte (wofür er einen Zuschuss aus der Pflegeversicherung erhalte), werde dieser Teil als so genannter Eigenanteil in Abzug gebracht. Über die Höhe der Eigenbeteiligung werde er noch informiert (Bl. 7 VA).

Gegen dieses Schreiben wurde Widerspruch erhoben, der nicht begründet wurde. Nachdem eine Widerspruchsentscheidung zunächst nicht ergangen ist, erhob der Kläger am 3. August 2006 Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht (SG) Ulm (S 1 KR 2961/06).

Mit Bescheid vom 30. Januar 2006 (Bl. 22 VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger Behandlungssicherungspflege pro Kalendertag für (gerundet) 19 Stunden bei einem Stundensatz von 30,25 EUR inklusive Mehrwertsteuer, Fahrgeld und anderen Nebenkosten durch den M. Hilfsdienst, damit täglich 574,75 EUR. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Kläger im Übrigen aus der sozialen Pflegeversicherung für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 1.432,00 EUR (mit Hinweis auf Bescheid vom 13. Dezember 2005 - s. Anlage zu Bl. 16 VA-) erhalte. Die übersteigenden Kosten seien durch den Kläger zu erbringen.

Auch hiergegen hat der Kläger Widerspruch erhoben und diesen (trotz mehrfacher Erinnerung) nicht begründet. Nachdem auch über diesen Widerspruch zunächst nicht entschieden worden war, wurde auch hiergegen am 3. August 2006 Untätigkeitsklage erhoben, u. a. mit der Begründung, der Widerspruch habe nicht begründet werden müssen (Aktenzeichen S 1 KR 2962/06).

In der Zwischenzeit ist im Übrigen über den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2006 entschieden worden. Hiergegen hat der Kläger am 13. Oktober 2006 ebenfalls Klage vor dem SG erhoben (Az.: S 1 KR 3988/06).

Am 4. August 2006 hat der Kläger daneben beim SG im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, ihm Leistungen der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich ab sofort zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, im stehe für täglich 24 Stunden Behandlungspflege zu, die ärztlich verordnet sei. Er sei aufgrund seiner finanziellen Situation auch unter Berücksichtigung der Einkünfte seiner berufstätigen Ehefrau (als Lehrerin) nicht in der Lage, die von ihm auf restliche 3.200,00 EUR bezifferten monatlichen Kosten der 24-stündigen Behandlungspflege zu tragen. Er selbst beziehe eine monatliche Rente in Höhe von 753,93 EUR und seine Ehefrau verdiene als Sonderschullehrerin monatlich (netto) 2.932,42 EUR. Der Kläger sei also nicht in der Lage, die entstehenden Kosten bis zur Entscheidung in der Hauptsache selbst zu tragen, da ansonsten kein Geld mehr zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten zur Verfügung stehen würde. Auch würden Wohnkosten nicht mehr beglichen werden können. Der Kläger hat in dem Zusammenhang die Verordnungen häuslicher Krankenpflege vom 25. Oktober 2005 (vom 25. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005) und 16. Dezember 2005 (vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006), den Rentenbescheid vom 8. Februar 2006, die seine Ehefrau betreffende Besoldungsmitteilung für Dezember 2005, Rechnungen des M. Hilfsdienstes für November und Dezember 2005, Januar 2006 und das Attest des Dr. Si. vom 14. Juli 2006 vorgelegt, wonach aufgrund des Gesundheitszustandes des Klägers aus medizinischer Sicht eine 24-Stunden-Überwachung durch eine medizinisch geeignete Fachkraft zwingend erforderlich sei.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat in dem Zusammenhang auch den Rahmenvertrag nach § 132 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege vorgelegt und darauf verwiesen, dass es der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entspräche, auf die dem Kläger zustehenden Leistungen der Behandlungssicherungspflege die Leistungen, die er aus der Pflegeversicherung erhalte, anzurechnen. Der Kläger habe die ihm zweifellos zustehenden Leistungen aus der Kranken- und aus der Pflegeversicherung vollständig ausgeschöpft.

Mit Beschluss vom 26. September 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlange grundsätzlich die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) seien glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Bei summarischer Prüfung sei die Entscheidung der Beklagten nicht fehlerhaft, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund auch nicht glaubhaft gemacht. Die Beklagte habe nämlich bei der mit dem Widerspruch angegriffenen Entscheidung vom 30. Januar 2006, dem Kläger über die Leistungen der Pflegeversicherung hinaus für täglich weitere 19 Stunden (gerundet) die Kosten der Behandlungssicherungspflege in der berechneten Höhe zu übernehmen, eine mit der Rechtsprechung des BSG in Einklang stehende Entscheidung getroffen.

Der Kläger hat gegen den seinem Bevollmächtigten am 28. September 2006 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss am 13. Oktober 2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (Beschluss vom 26. Oktober 2006).

Zur Begründung seiner Beschwerde macht der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer geltend, von der Beklagten würden lediglich 19 Stunden Behandlungspflege täglich kostenmäßig übernommen werden. Daneben erhalte er 1.432,00 EUR von der Pflegekasse aufgrund der anerkannten Pflegestufe III. Unter Berücksichtigung eines Stundensatzes von 30,25 EUR ergebe sich somit, dass 47 Stunden im Monat über die Pflegeversicherung (1.432,00 EUR) abgedeckt und abgerechnet werden könnten, dies entspräche im Durchschnitt etwa anderthalb Stunden täglich. Insoweit würden 3 ½ Stunden verbleiben, welche der Kläger schlussendlich selbst zu tragen habe. Festzuhalten bleibe, dass jedoch dem Kläger 24 Stunden Behandlungspflege verordnet worden seien. Im weiteren sei zur Eilbedürftigkeit mitzuteilen, dass bis zum 23. Oktober 2006 für nicht gedeckte Behandlungspflege Kosten in Höhe von 31.357,50 EUR bereits aufgelaufen seien. Der M. Hilfsdienst habe mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 diesen Betrag bei der Ehefrau des Klägers letztmalig angemahnt und gerichtliche Konsequenzen angedroht sowie im weiteren angedroht, den Pflegevertrag zu kündigen. Abschließend sei auch darauf hinzuweisen, dass die Ehefrau des Klägers berufstätig sei, sodass ihr eine weitere Tätigkeit im Rahmen der Behandlungspflege nicht zuzumuten sei. Zu dem mangele es ihr an der aktiven und passiven Pflegebereitschaft bezüglich der Erbringung von Behandlungspflege. Im Übrigen werde auch dem Gutachten des MDK ausdrücklich widersprochen, die dortige Festlegung von Grund- und Behandlungspflege sei nicht zutreffend. Es bleibe im Wesentlichen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, im Rahmen eines umfangreichen Gutachtens genau festzustellen, in welchem Umfang Zeiten der Behandlungspflege und Zeiten der Grundpflege anfielen. Schließlich führt der Klägerbevollmächtigte aus, dass das Urteil vom BSG vom 10. November 2005 (B 3 KR 38/04 R) zur Frage der Behandlungspflege hier nicht einschlägig sei. Das dortige Urteil kürze den Leistungsanspruch des dortigen Klägers lediglich aus dem Grunde, da Anteile der Grundpflege in Abzug gebracht würden, welche seine Mutter erbringe. Insoweit dürfte unstreitig feststehen, dass Krankenbeobachtungszeiten voll umfänglich von der Beklagten zu übernehmen seien. Im dortigen Fall sei es so, dass die Mutter des dortigen Klägers diesen in einem Umfang von 10,5 Stunden pflege. Wesentliches Kriterium sei aber die Tatsache, dass die Mutter des Klägers eine examinierte Krankenschwester sei. Insofern verfüge diese über besondere Fähigkeiten und Kenntnisse, welche sie bei der Pflege einbringen könnte. Daher sei es der Mutter des dortigen Klägers ohne Weiteres möglich, nicht nur Grundpflege, sondern auch qualifizierte Behandlungspflege zu erbringen. Als examinierte Krankenschwester sei sie nämlich ausgebildet und entsprechend geschult um auch in Notfallsituationen angemessen reagieren zu können. Im hier zu entscheidenden Fall, sei jedoch die Ehefrau des Klägers von Beruf Lehrerin. Sie könne somit nicht Behandlungspflegezeiten leisten.

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 26. September 2006 aufzuheben sowie die Beklagte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm ab sofort Leistungen der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich zu gewähren.

Die Beklagte, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, dass dem Kläger zweifelsfrei und unstrittig Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V zustehe. Daher werde ihm auch rückwirkend täglich für 19 Stunden (gerundet) Behandlungssicherungspflege in Höhe von 574,75 EUR täglich gewährt. Daneben erhalte der Kläger aus der sozialen Pflegeversicherung für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 1.432,00 EUR entsprechend der Pflegestufe III seit dem 25. Oktober 2005. Da die Sicherstellung der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung allein Aufgabe der Pflegekasse bleibe, sei die Krankenkasse auch in solchen Fällen nicht verpflichtet, Kosten für 24 Stunden Behandlungssicherungspflege zu übernehmen. Von einem weiteren Bedarf an Grundpflege sei der Beklagten nichts bekannt. Dies wäre aufgrund der rechtlichen Gegebenheit auch nicht im Sinne der Versicherten. Im Übrigen werde vom Kläger auch zugestanden, dass Leistungen über die Pflegeversicherung abgerechnet werden könnten. Die Problematik im vorliegenden Fall bestehe darin, dass bekanntlich der Leistungsumfang nach § 36 SGB XI ff. begrenzt sei. Das bedeute, dass die Krankenversicherung gerade wegen dieser Gesetzessystematik nicht als Ausfallbürge herangezogen werden könne und dürfe. Vielmehr verbleibe in solchen Fällen nur der Sozialhilfeträger. Daher würden die Ausführungen des Klägers in der Begründung des Beschwerdeverfahrens hier ins Leere gehen. Es sei auch nicht entscheidend, wie die Rechnungen des M. Hilfsdienstes ausgestellt seien. Allein entscheidend seien die ergangenen Bescheide der jeweiligen Kostenträger (Krankenversicherung/Pflegeversicherung) in der jeweiligen Höhe. Die bezifferten Kosten für die "nicht gedeckte Behandlungspflege" könnten im Übrigen nicht als Grund einer Eilbedürftigkeit angeführt werden, da diese Kosten aufgrund der ergangenen Bescheide absehbar gewesen seien und ggf. von der Rechtsvertretung oder der Ehefrau des Klägers versäumt worden sei, den Sozialhilfeträger zu informieren. Bereits in Gesprächen während der Überleitungspflege vom Krankenhaus in einen ambulanten Bereich und mit Informationsschreiben vom 17. Oktober 2005 sei seitens der Beklagten auf entstehende Eigenbeteiligungsbeträge mehrmals hingewiesen worden. Im Übrigen erhalte der Kläger bereits seit dem 25. Oktober 2005 Leistungen. Erst ca. 9 Monate später - mit Schreiben vom 3. August 2006 - habe der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG gestellt. Die Beklagte vertritt im Übrigen stets den Grundsatz "ambulant vor stationär" und respektiere auch den Wunsch des Versicherten bzw. der Ehefrau des Klägers. An dieser Stelle sei allerdings der Hinweis erlaubt, dass ein vollstationärer Aufenthalt in einem Pflegeheim, insbesondere aufgrund der Deckelung der Pflegeleistungen nach § 43 SGB XI ff., höchstwahrscheinlich zu höheren Eigenbeteiligungen führen würde, wenn die Unterbringung in einer Spezialeinrichtung erfolge. Bei einer Unterbringung bei einer "normalen" stationären Pflegeeinrichtung dürften die aufzuwendenden Eigenanteile aber nicht höher sein als bei einer ambulanten Versorgung. Über die Aussage "zu dem mangele es an der aktiven und passiven Pflegebereitschaft bezüglich der Erbringung von Behandlungspflege durch die Ehefrau des Beschwerdeführers" sei die Beklagte verwundert. Denn gerade dies könne keinen Grund darstellen, dass die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung die vollen Kosten übernehmen solle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten des SG (S 1 KR 2964/06 ER, S 1 KR 2961/06, S 1 KR 2962/06 und S 1 KR 3988/06) sowie die Senatsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers, Antragstellers und Beschwerdeführers ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (so genannter Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre (so genannter Anordnungsgrund).

1. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ist auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes festzustellen, dass die Entscheidung der Beklagten insbesondere auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht zu beanstanden sein dürfte, vielmehr die Beklagte zu Recht Behandlungssicherungspflege nur in einem Umfang von 19 Stunden (gerundet) täglich übernommen hat.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (so genannte Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V kann die Satzung bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann gem. Satz 3 dabei dauernd den Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 2 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 2 und 3 sind gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 SGB V nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches nicht zulässig.

Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form von Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung. Zur Behandlungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischer Weise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen s. BSG-Urteil vom 10. November 2005 - B 3 KR 38/04 R - in SozR 4 - 2500 § 37 Nr. 6 mit Hinweis auf BSGE 82, 27 = SozR 3 - 3300 § 14 Nr. 2; BSGE 83, 254 = SozR 3 - 2500 § 37 Nr. 1; BSGE 90, 143 = SozR 3 - 2500 § 37 Nr. 5; BSG SozR 3 - 3300 § 14 Nr. 3 und 11). Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, wie z. B. Injektionen, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkung und Nebenwirkung von Medikamenten (s. BSG SozR 4 - 2500 § 37 Nr. 6 mit Hinweis auf Gerlach in Hauck/Haines, SGB V, § 37 Rdnr. 22).

Nach dem MDK-Gutachten vom 12. Januar 2006 entfallen bei Pflegestufe 3 auf die Grundpflege ein Zeitaufwand von 246 Minuten pro Tag (siehe § 15 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI)) und daneben ein Zeitaufwand für die Hauswirtschaft in Höhe von 60 Minuten pro Tag. Der Kläger benötigt kontinuierlich Sauerstoff sowie Druckbeatmung. Kontinuierlich ist die Sauerstoffsättigung zu überprüfen. Ferner sind Puls, Blutdruck, Atmung, Sauerstoffsättigung zu überwachen, ebenso das Beatmungsgerät, das Erkennen und Beheben von Störungen und die Funktionssicherung der Geräte. Des Weiteren kommt es aufgrund fehlendem Würge- und Hustenreflex sowie fehlendem spontanem Spucken zur Pseudohypersalivation. Der Kläger muss regelmäßig, stündlich über das Tracheostoma sowie auch über Mund und Nase abgesaugt werden. Nach den Ausführungen im MDK-Gutachten ist aufgrund der 24 Stunden kontinuierlich notwendigen maschinellen Beatmung und der Notwendigkeit des professionellen Managements der bestehenden Probleme die 24 Stunden Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch einen Fachpflegedienst medizinisch notwendig.

Das heißt also, dass auch grundsätzlich ein Leistungsanspruch des Klägers auf Behandlungspflege in Form einer 24 Stunden Rund-um-die-Uhr-Betreuung besteht. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ist allerdings ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person die erforderliche Pflege erbringen kann (§ 37 Abs. 3 SGB V) und zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger hier noch Sachleistungen der Pflegekasse wegen Schwerstpflegebedürftigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 und § 36 SGB XI erhält, die der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung dienen.

Soweit es um das Zusammentreffen von Krankenbeobachtung und Grundpflege nach dem SGB XI geht, ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3 - 2500 § 37 Nr. 6; BSGE 83, 254 = SozR 3 - 2500 § 37 Nr. 1) davon auszugehen, dass während der Erbringung der Leistungen der Grundpflege die Behandlungspflege grundsätzlich in den Hintergrund tritt, sodass insoweit die Leistungspflicht der Pflegekasse besteht. Nach Abzug des gesamten für die Grundpflege festgestellten Zeitbedarfs von 246 Minuten sowie des Zeitaufwandes für hauswirtschaftliche Tätigkeit von 60 Minuten verbleibt ein Rest von rund 19 Stunden. Bezüglich dieses Umfanges übernimmt die Beklagte auch die Kosten der Pflege.

Der Klägerbevollmächtigte verkennt offensichtlich in seiner Argumentation, dass es in diesem Verfahren hier gerade nicht um die Zeiten geht, die in dem Verfahren vor dem BSG im Streit standen. Dort ging es nämlich um die Frage, ob und inwieweit von den nach Abzug der Grundpflege verbleibenden 20 Stunden Behandlungspflege von der Mutter des dortigen Klägers (einer examinierten Krankenschwester) übernommen werden können (siehe § 37 Abs. 3 SGB V) und hinsichtlich welches Restumfanges dann noch (dort 9,5 Stunden) die Krankenkasse einzustehen habe. Das heißt also, wie im Verfahren hier hat das BSG im dort entschiedenen Fall auch zunächst die Zeiten der Grundpflege als Leistung der Pflegeversicherung von der insgesamt grundsätzlich notwendigen 24-Stunden-Behandlungspflege abgezogen und dann lediglich im weiteren geprüft, ob und inwieweit die dortige Mutter des Klägers als examinierte Krankenschwester in der Lage ist, die noch verbleibende Behandlungspflege auszuüben, denn insoweit besteht gem. § 37 Abs. 3 SGB V dann kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Übernahme der Kosten einer Behandlungspflege. Im Gegensatz dazu wird aber der Ehefrau des Klägers überhaupt nicht von Seiten der Beklagten aufgegeben einen Teil der hier nach Abzug der von der Pflegeversicherung (ausschließlich) zu erbringenden Grundpflege (siehe auch § 37 Abs. 2 Satz 4 SGB V) verbleibenden 19 Stunden der Behandlungspflege zu übernehmen. Vielmehr ist hier die Beklagte bereit diese in vollem Umfang zu tragen. Um dies nochmals für den Klägerbevollmächtigten und die Ehefrau des Klägers klarzustellen: im vom BSG entschiedenen Fall wurden nicht etwa die dortigen vier Stunden Grundpflege von der von der Krankenkasse zu tragenden Behandlungspflege abgezogen, weil es sich bei der dortigen Mutter des Klägers um eine examinierte Krankenschwester handelte, sondern weil nach der Rechtsprechung des BSG während der Erbringung der Leistungen der Grundpflege die Behandlungspflege grundsätzlich (unabhängig von der Qualifikation der Mutter des dortigen Klägers bzw. der Ehefrau des Klägers hier) in den Hintergrund tritt, sodass insoweit nur die Leistungspflicht der Pflegekasse besteht. Das heißt weiter, der Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung ist allein durch die Leistungen der Pflegeversicherung abzudecken und, so weit diese nicht ausreichen, ist entweder das eigene Vermögen einzusetzen oder aber gegebenenfalls beim Sozialhilfeträger ein Antrag auf entsprechende Sozialhilfeleistungen zu stellen (in diesem Sinne BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr. 1 - Rdnrn. 20,25 in Juris -). Die Krankenkasse aber hat gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 SGB V die Kosten der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung nicht zu tragen (auch nicht im von der Pflegeversicherung nicht abgedeckten Bereich), sie darf sie auch gar nicht tragen.

Damit fehlt es bereits am Anordnungsanspruch.

2. Im Hinblick darauf kann hier dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund im übrigen gegeben ist. Auch hieran dürfte es allerdings nach Einschätzung des Senates fehlen, wenn es der Kläger bzw. seine Ehefrau und der Klägerbevollmächtigte spätestens nach dem Bescheid vom 30. Januar 2006 und damit der konkreten Kenntnis über die Höhe des Eigenanteiles unterlassen haben, sich unverzüglich - sofern kein eigenes Vermögen vorhanden ist - mit dem Sozialhilfeträger in Verbindung zu setzen bzw. gegebenenfalls unverzüglich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sich darum zu bemühen für eine (zumindest vorläufige) finanzielle Absicherung zu sorgen. Wenn in einer solchen Situation die Klägerseite es stattdessen dabei bewenden lässt, gegen den Bescheid vom 30. Januar 2006 Widerspruch einzulegen, diesen trotz mehrmaliger Erinnerung nicht zu begründen, es gleichzeitig unterlässt zumindest die Beklagte darüber zu informieren, dass man nicht beabsichtige diesen zu begründen, und um umgehende Entscheidung bitte, und mit einem Eilantrag sechs Monate zuwartet, begründet dies ganz erhebliche Zweifel an der Eilbedürftigkeit.

Aus diesen Gründen ist daher die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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