Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 41 (27) R 293/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 138/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.04.2006 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Beitragszeiten für die Tätigkeit des Klägers im Ghetto Schaulen auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen sind.
Der am 00.00.1926 in U in Litauen geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und anerkannt als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes. Er lebt heute in Israel und ist im Besitz der israelischen Staatsangehörigkeit.
Am 05.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Dabei gab er an, von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen beim Torfschneiden und bei der Baustelle O.T. von morgens bis abends gearbeitet und dafür Lebensmittel erhalten zu haben. In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung des ZRBG gab er an, er habe außerhalb des Ghettos beim Torfschneiden und innerhalb des Ghettos bei der Baustelle O.T. gearbeitet. Dabei sei er auf dem Weg aus dem Ghetto und auch während der Arbeit von deutschen Soldaten bewacht worden. Er habe täglich acht bis neun Stunden gearbeitet und dafür keinen Barlohn erhalten. Die Arbeit sei mit Lebensmitteln entlohnt worden und er habe auch Kleider für die Arbeit bekommen. Der Kläger reichte weiterhin eine Erklärung des Zeugen C A S ein, der angab, der Kläger habe von August 1941 bis 1943 beim Torfschneiden gearbeitet. Er habe für seine Arbeit Lebensmittel erhalten.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten betreffend den Kläger bei. Dort ist eine Erklärung des Klägers aus dem Jahre 1963 enthalten, wonach er im Ghetto Schaulen schwerste Zwangsarbeit beim Torfstechen und bei Bauarbeiten von September 1941 bis Juli 1944 verrichten musste. Auch habe er Arbeiten am Flugplatz trotz seiner Jugend verrichten müssen. Diese Arbeit habe er bei elender Ernährung verrichtet; er sei oft misshandelt worden und habe auch oft hohes Fieber und Erkältungen gehabt. Im Jahre 1941 seien ihm von einem SS-Mann fünf Zähne ausgeschlagen worden. Der Zeuge T H erklärte 1963, der Kläger habe schwere Zwangsarbeit verrichten müssen und habe trotz hohen Fiebers schwere Arbeiten beim Torfstechen leisten müssen. Auch der Zeuge N M gab 1963 an, der Kläger habe schwere Zwangsarbeiten verrichten müssen. In seiner ärztlichen Bescheinigung vom 14.01.1963 gab Dr. C1, der Chefarzt des Ghettos und der Leiter der Ambulanz an, der Kläger habe als ganz junger Mann härteste Arbeiten verrichtet und sei wiederholt ins Torflager abkommandiert worden. Er sei während der Arbeit einige Male geschlagen worden, da er dem Arbeitspensum physisch nicht gewachsen gewesen sei. Er sei sehr stark abgemagert durch die Hungerkost, unter der die gesamte Ghettobevölkerung unsäglich zu leiden gehabt habe.
Mit Bescheid vom 26.01.2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Regelaltersrente an den Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sei nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger sei nach seinen eigenen Angaben während der Arbeit bewacht worden, so dass davon auszugehen sei, dass es sich um Zwangsarbeit gehandelt habe. Auch eine entgeltliche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht, da die Entlohnung durch Lebensmittel keine angemessene Bezahlung im Sinne des ZRBG darstelle.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er sei von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen freiwillig als Arbeiter in einer Holzfabrik beschäftigt gewesen. Soweit im Rahmen des Entschädigungsverfahrens von Zwangsarbeit die Rede sei, könne dies einem Anspruch nicht entgegenstehen, da von den Ghettoinsassen alles als Zwang empfunden worden sei. In seiner Erklärung vom 10.03.2005 gab der Kläger an, er habe nur kurze Zeit beim Torfschneiden gearbeitet und habe zunächst bewacht im Wald Wagen mit Torf befüllt, dann sei ihm aber mit Hilfe des Judenrates eine Arbeit in der Holzfabrik gegeben worden. Dafür habe er Essen sowie zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, Heizmaterial und Arbeitskleidung erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2005 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Beschäftigung gegen Entgelt sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Die vom Kläger angegebene Entlohnung durch Lebensmittel sei nicht als angemessenes Entgelt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.06.2005 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er sei von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen als Arbeiter in der Holzfabrik beschäftigt gewesen. Er habe einen Lohn in Form von Sachbezügen (Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, freie Unterkunft und Heizmaterial) erhalten. Angaben im Entschädigungsverfahren, nach denen Zwangsarbeit vorgelegen habe, seien nicht anspruchsvemichtend, da alle Ghettoinsassen den Aufenthalt und die Tätigkeit als Zwang empfunden hätten. Weiterhin sei ein historisches Gutachten über die Region Litauen abzuwarten bzw. einzuholen. In seiner persönlichen Erklärung vom 30.11.2005 gab der Kläger an, er sei jung gewesen und zur Zwangsarbeit habe man ihn nicht genommen. Aber sie hätten gehungert und als er vom Judenrat die Arbeit beim Torfstechen erhalten habe, sei er zufrieden gewesen. Er habe keine Erinnerung daran, wie lange er beim Torfstechen gearbeitet habe, es sei aber eine sehr kurze Zeit gewesen. Diese Arbeit habe ihn vor dem Hungertod gerettet. Außerhalb des Ghettos sei diese Arbeit immer bewacht gewesen. Dann habe er eine Arbeit in der Holzfabrik bekommen. Für seine Arbeit in der Holzfabrik und beim Torfstechen habe er jeden Tag ein Mittagessen sowie zusätzliche Lebensmittel direkt oder als Lebensmittelcoupons erhalten, genau erinnere er sich aber nicht mehr. Immer habe er über seine Arbeit beim Torfstechen und in der Baufabrik berichtet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von August 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf die Gründe in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen und erklärt, eine Beschäftigung in der Holzfabrik sei nicht glaubhaft, da zu Beginn des Rentenverfahrens nur von Arbeiten beim Torfstechen bzw. bei der Baustelle 0.T. die Rede gewesen sei und dies der Zeuge S auch bestätigt habe.
Mit Urteil vom 26.04.2006 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Kläger verfüge nicht über auf die Wartezeit anrechenbare Pflichtbeitragszeiten. Nach der Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger von August 1941 bis September 1943 Tätigkeiten ausgeübt habe, die vom ZRBG erfasst würden. Dabei sei nach Ansicht der Kammer schon die im Klageverfahren behauptete Tätigkeit als Arbeiter in der Holzfabrik im Ghetto Schaulen nicht glaubhaft gemacht. Diese Angaben stünden im Widerspruch zu den Erklärungen aus dem Rentenverfahren und dem damaligen Entschädigungsverfahren. Dort habe der Kläger eine Tätigkeit in der Holzfabrik gänzlich unerwähnt gelassen. Zudem habe die Kammer begründete Zweifel, dass der Kläger eine Beschäftigung ausgeübt habe, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen sei. Aufgrund der zeitnahen Angaben des Klägers und der Zeugen spreche viel dafür, dass es sich um Arbeiten gehandelt habe, die dem Typus der Zwangsarbeit entsprachen. So habe der Kläger im Rahmen des Entschädigungsverfahrens angegeben, er habe "trotz seiner Jugend" schwere Zwangsarbeit "leisten müssen" und sei oft misshandelt worden, dies sogar trotz hohen Fiebers. Auch Dr. C1 gab in seiner Erklärung an, der Kläger sei einige Male während der Arbeit geschlagen worden, weil er dem Arbeitspensum nicht gewachsen gewesen sei. Diese Wortwahl, wie auch die Tatsache einer Bewachung lege es nahe, dass die Arbeit nicht freiwillig verrichtet wurde. Unabhängig von der Widersprüchlichkeit dieser Angaben des Klägers sei nicht glaubhaft, dass die von ihm geltend gemachten Tätigkeiten vom ZRBG erfasst werden. Denn die Gewährung freier Verpflegung begründe kein versicherungspflichtiges Entgelt, weil die Gewährung freien Unterhalts nach der Rechtsprechung keine Rentenversicherungspflicht begründe.
Gegen das am 18.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, mittlerweile liege ein Gutachten zum Ghetto Schaulen bzw. zur Region Ostland vor. Aus diesem ergebe sich, dass eine Entlohnung für jüdische Arbeiter im Ghetto vorgesehen gewesen sei. Der Stadt- bzw. Gebietskommissar habe zunächst einen Tagessatz von 1,50 RM für Juden vorgesehen und im Dezember 1941 habe der Wehrmachtsbefehlshaber Ostland eine Kannbestimmung erlassen, die eine Zahlung von 80 % des Tariflohns erlaubt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.04.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von August 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Entschädigungsakte des Klägers beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Entschädigungsakte des Klägers, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.11.2006 verhandeln und entscheiden. Auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit (vgl. §§ 110, 126, Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist der Bevollmächtigte des Klägers in der Terminsmitteilung hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig; jedoch ist sie unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG verletzt. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente abgelehnt. Insoweit bezieht sich der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 SGG).
Auch der Senat hat Zweifel an der Aufnahme einer Tätigkeit des Klägers in einer Holzfabrik, die erstmalig im Klageverfahren Erwähnung findet. Dies insbesondere, weil sich aus dem den Beteiligten bekannten Gutachten von Dr. Joachim Tauber "Die Ghettos in Litauen, Kaunas, Vilnius und Siauliai" für das Sozialgericht Hamburg -S 6 RJ 730/04- für Schaulen zwar die Existenz der auch vom Kläger zuerst genannten Arbeitsstätten ergibt, so wird der Flughafen erwähnt, ebenso die Torfarbeiten und ein Eisenbahnbau, eine Holzfabrik wird aber nicht genannt. Nach diesem Gutachten ist überdies davon auszugehen, dass es sich bei den Arbeiten auf bzw. für den Flughafen um ein Arbeitslager gehandelt hat. Im Übrigen sind für Schaulen eigentlich nur "Arbeitskolonnen" berichtet, die angefordert und abgestellt wurden.
Des Weiteren stellt nach Auffassung des Senates die insbesondere im Entschädigungsverfahren gegebene Darstellung der Umstände der Arbeitstätigkeit eine Tätigkeit unter obrigkeitlichem Zwang dar; es handelt sich mithin um unversicherte Zwangsarbeit. Dort berichten sowohl der Kläger als auch seine Zeugen über typische Merkmale einer Zwangsarbeit wie Bewachung, Schläge und verpflichtende Arbeiten trotz Schwäche und Fieber.
Der Kläger kann daher aus Sicht des Senates keine freiwillige Arbeitsaufnahme glaubhaft machen. Nur eine solche kann aber im Rahmen der gesetzlichen beitragspflichtigen Rentenversicherung Berücksichtigung finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente. Dabei ist insbesondere umstritten, ob Beitragszeiten für die Tätigkeit des Klägers im Ghetto Schaulen auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen sind.
Der am 00.00.1926 in U in Litauen geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und anerkannt als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes. Er lebt heute in Israel und ist im Besitz der israelischen Staatsangehörigkeit.
Am 05.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Dabei gab er an, von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen beim Torfschneiden und bei der Baustelle O.T. von morgens bis abends gearbeitet und dafür Lebensmittel erhalten zu haben. In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten unter Berücksichtigung des ZRBG gab er an, er habe außerhalb des Ghettos beim Torfschneiden und innerhalb des Ghettos bei der Baustelle O.T. gearbeitet. Dabei sei er auf dem Weg aus dem Ghetto und auch während der Arbeit von deutschen Soldaten bewacht worden. Er habe täglich acht bis neun Stunden gearbeitet und dafür keinen Barlohn erhalten. Die Arbeit sei mit Lebensmitteln entlohnt worden und er habe auch Kleider für die Arbeit bekommen. Der Kläger reichte weiterhin eine Erklärung des Zeugen C A S ein, der angab, der Kläger habe von August 1941 bis 1943 beim Torfschneiden gearbeitet. Er habe für seine Arbeit Lebensmittel erhalten.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten betreffend den Kläger bei. Dort ist eine Erklärung des Klägers aus dem Jahre 1963 enthalten, wonach er im Ghetto Schaulen schwerste Zwangsarbeit beim Torfstechen und bei Bauarbeiten von September 1941 bis Juli 1944 verrichten musste. Auch habe er Arbeiten am Flugplatz trotz seiner Jugend verrichten müssen. Diese Arbeit habe er bei elender Ernährung verrichtet; er sei oft misshandelt worden und habe auch oft hohes Fieber und Erkältungen gehabt. Im Jahre 1941 seien ihm von einem SS-Mann fünf Zähne ausgeschlagen worden. Der Zeuge T H erklärte 1963, der Kläger habe schwere Zwangsarbeit verrichten müssen und habe trotz hohen Fiebers schwere Arbeiten beim Torfstechen leisten müssen. Auch der Zeuge N M gab 1963 an, der Kläger habe schwere Zwangsarbeiten verrichten müssen. In seiner ärztlichen Bescheinigung vom 14.01.1963 gab Dr. C1, der Chefarzt des Ghettos und der Leiter der Ambulanz an, der Kläger habe als ganz junger Mann härteste Arbeiten verrichtet und sei wiederholt ins Torflager abkommandiert worden. Er sei während der Arbeit einige Male geschlagen worden, da er dem Arbeitspensum physisch nicht gewachsen gewesen sei. Er sei sehr stark abgemagert durch die Hungerkost, unter der die gesamte Ghettobevölkerung unsäglich zu leiden gehabt habe.
Mit Bescheid vom 26.01.2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Regelaltersrente an den Kläger ab. Zur Begründung führte sie aus, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sei nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger sei nach seinen eigenen Angaben während der Arbeit bewacht worden, so dass davon auszugehen sei, dass es sich um Zwangsarbeit gehandelt habe. Auch eine entgeltliche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht, da die Entlohnung durch Lebensmittel keine angemessene Bezahlung im Sinne des ZRBG darstelle.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, er sei von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen freiwillig als Arbeiter in einer Holzfabrik beschäftigt gewesen. Soweit im Rahmen des Entschädigungsverfahrens von Zwangsarbeit die Rede sei, könne dies einem Anspruch nicht entgegenstehen, da von den Ghettoinsassen alles als Zwang empfunden worden sei. In seiner Erklärung vom 10.03.2005 gab der Kläger an, er habe nur kurze Zeit beim Torfschneiden gearbeitet und habe zunächst bewacht im Wald Wagen mit Torf befüllt, dann sei ihm aber mit Hilfe des Judenrates eine Arbeit in der Holzfabrik gegeben worden. Dafür habe er Essen sowie zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, Heizmaterial und Arbeitskleidung erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2005 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Beschäftigung gegen Entgelt sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Die vom Kläger angegebene Entlohnung durch Lebensmittel sei nicht als angemessenes Entgelt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen.
Hiergegen hat der Kläger am 13.06.2005 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er sei von August 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen als Arbeiter in der Holzfabrik beschäftigt gewesen. Er habe einen Lohn in Form von Sachbezügen (Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, freie Unterkunft und Heizmaterial) erhalten. Angaben im Entschädigungsverfahren, nach denen Zwangsarbeit vorgelegen habe, seien nicht anspruchsvemichtend, da alle Ghettoinsassen den Aufenthalt und die Tätigkeit als Zwang empfunden hätten. Weiterhin sei ein historisches Gutachten über die Region Litauen abzuwarten bzw. einzuholen. In seiner persönlichen Erklärung vom 30.11.2005 gab der Kläger an, er sei jung gewesen und zur Zwangsarbeit habe man ihn nicht genommen. Aber sie hätten gehungert und als er vom Judenrat die Arbeit beim Torfstechen erhalten habe, sei er zufrieden gewesen. Er habe keine Erinnerung daran, wie lange er beim Torfstechen gearbeitet habe, es sei aber eine sehr kurze Zeit gewesen. Diese Arbeit habe ihn vor dem Hungertod gerettet. Außerhalb des Ghettos sei diese Arbeit immer bewacht gewesen. Dann habe er eine Arbeit in der Holzfabrik bekommen. Für seine Arbeit in der Holzfabrik und beim Torfstechen habe er jeden Tag ein Mittagessen sowie zusätzliche Lebensmittel direkt oder als Lebensmittelcoupons erhalten, genau erinnere er sich aber nicht mehr. Immer habe er über seine Arbeit beim Torfstechen und in der Baufabrik berichtet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von August 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf die Gründe in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen und erklärt, eine Beschäftigung in der Holzfabrik sei nicht glaubhaft, da zu Beginn des Rentenverfahrens nur von Arbeiten beim Torfstechen bzw. bei der Baustelle 0.T. die Rede gewesen sei und dies der Zeuge S auch bestätigt habe.
Mit Urteil vom 26.04.2006 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Kläger verfüge nicht über auf die Wartezeit anrechenbare Pflichtbeitragszeiten. Nach der Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger von August 1941 bis September 1943 Tätigkeiten ausgeübt habe, die vom ZRBG erfasst würden. Dabei sei nach Ansicht der Kammer schon die im Klageverfahren behauptete Tätigkeit als Arbeiter in der Holzfabrik im Ghetto Schaulen nicht glaubhaft gemacht. Diese Angaben stünden im Widerspruch zu den Erklärungen aus dem Rentenverfahren und dem damaligen Entschädigungsverfahren. Dort habe der Kläger eine Tätigkeit in der Holzfabrik gänzlich unerwähnt gelassen. Zudem habe die Kammer begründete Zweifel, dass der Kläger eine Beschäftigung ausgeübt habe, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen sei. Aufgrund der zeitnahen Angaben des Klägers und der Zeugen spreche viel dafür, dass es sich um Arbeiten gehandelt habe, die dem Typus der Zwangsarbeit entsprachen. So habe der Kläger im Rahmen des Entschädigungsverfahrens angegeben, er habe "trotz seiner Jugend" schwere Zwangsarbeit "leisten müssen" und sei oft misshandelt worden, dies sogar trotz hohen Fiebers. Auch Dr. C1 gab in seiner Erklärung an, der Kläger sei einige Male während der Arbeit geschlagen worden, weil er dem Arbeitspensum nicht gewachsen gewesen sei. Diese Wortwahl, wie auch die Tatsache einer Bewachung lege es nahe, dass die Arbeit nicht freiwillig verrichtet wurde. Unabhängig von der Widersprüchlichkeit dieser Angaben des Klägers sei nicht glaubhaft, dass die von ihm geltend gemachten Tätigkeiten vom ZRBG erfasst werden. Denn die Gewährung freier Verpflegung begründe kein versicherungspflichtiges Entgelt, weil die Gewährung freien Unterhalts nach der Rechtsprechung keine Rentenversicherungspflicht begründe.
Gegen das am 18.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am gleichen Tag Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, mittlerweile liege ein Gutachten zum Ghetto Schaulen bzw. zur Region Ostland vor. Aus diesem ergebe sich, dass eine Entlohnung für jüdische Arbeiter im Ghetto vorgesehen gewesen sei. Der Stadt- bzw. Gebietskommissar habe zunächst einen Tagessatz von 1,50 RM für Juden vorgesehen und im Dezember 1941 habe der Wehrmachtsbefehlshaber Ostland eine Kannbestimmung erlassen, die eine Zahlung von 80 % des Tariflohns erlaubt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.04.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von August 1941 bis September 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Entschädigungsakte des Klägers beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Entschädigungsakte des Klägers, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.11.2006 verhandeln und entscheiden. Auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit (vgl. §§ 110, 126, Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist der Bevollmächtigte des Klägers in der Terminsmitteilung hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig; jedoch ist sie unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 26.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2005 nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG verletzt. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente abgelehnt. Insoweit bezieht sich der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 SGG).
Auch der Senat hat Zweifel an der Aufnahme einer Tätigkeit des Klägers in einer Holzfabrik, die erstmalig im Klageverfahren Erwähnung findet. Dies insbesondere, weil sich aus dem den Beteiligten bekannten Gutachten von Dr. Joachim Tauber "Die Ghettos in Litauen, Kaunas, Vilnius und Siauliai" für das Sozialgericht Hamburg -S 6 RJ 730/04- für Schaulen zwar die Existenz der auch vom Kläger zuerst genannten Arbeitsstätten ergibt, so wird der Flughafen erwähnt, ebenso die Torfarbeiten und ein Eisenbahnbau, eine Holzfabrik wird aber nicht genannt. Nach diesem Gutachten ist überdies davon auszugehen, dass es sich bei den Arbeiten auf bzw. für den Flughafen um ein Arbeitslager gehandelt hat. Im Übrigen sind für Schaulen eigentlich nur "Arbeitskolonnen" berichtet, die angefordert und abgestellt wurden.
Des Weiteren stellt nach Auffassung des Senates die insbesondere im Entschädigungsverfahren gegebene Darstellung der Umstände der Arbeitstätigkeit eine Tätigkeit unter obrigkeitlichem Zwang dar; es handelt sich mithin um unversicherte Zwangsarbeit. Dort berichten sowohl der Kläger als auch seine Zeugen über typische Merkmale einer Zwangsarbeit wie Bewachung, Schläge und verpflichtende Arbeiten trotz Schwäche und Fieber.
Der Kläger kann daher aus Sicht des Senates keine freiwillige Arbeitsaufnahme glaubhaft machen. Nur eine solche kann aber im Rahmen der gesetzlichen beitragspflichtigen Rentenversicherung Berücksichtigung finden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen.
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