L 12 RA 95/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 699/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 95/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung der von ihm getragenen Beitragsanteile zur deutschen Rentenversicherung.

Der 1955 in D geborene Kläger lebte von September 1981 bis Ende März 1999 in Deutschland, wo er ab März 1984 – mit einer Unterbrechung von April 1994 bis Mai 1995 wegen Arbeitslosigkeit bzw. Weiterbildung – bis zu seiner Auswanderung versicherungs-pflichtig beschäftigt war.

Seit April 1999 lebt der Kläger in Kanada, dessen Staatsangehörigkeit er seit dem 17. Dezember 2002 besitzt.

Seinen am 12. Mai 2003 bei ihr eingegangenen Antrag auf Beitragserstattung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2003 ab, da "aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit" die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Den unter Hinweis auf den Erwerb der kanadischen Staatsangehörigkeit eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2003 zurück, da der Kläger als Staatsangehöriger Kanadas nach dem deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommen aufgrund seiner deutschen Beitragsleistung zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt sei.

Seine am 30. Januar 2004 erhobene Klage, zu deren Begründung der Kläger angeführt hat, dass das Recht zur freiwilligen Versicherung nur Deutschen im In- und Ausland sowie Ausländern, die ihren Wohnsitz oder nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten, zustehen könne und die Anwendung dieses Rechts auf Personen, die wie er als kanadischer Staatsbürger ihren ständigen Wohnsitz in Kanada hätten, den Grundprinzipien der Demokratie, von Gleichheit und Gerechtigkeit sowie den Grundprinzipien der Menschenrechte widerspreche, hat das Sozialgericht durch Urteil vom 8. Juni 2004 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass nach § 210 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VI) Beiträge auf Antrag Versicherten, die nicht versicherungspflichtig seien und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hätten, oder Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hätten, erstattet würden. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da der Kläger nach § 7 Abs. 1 SGB VI i.V.m. Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14. November 1985 das Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung habe.

Gegen das am 1. Juli 2004 an ihn abgesandte Urteil richtet sich die am 6. September 2004 beim Sozialgericht eingegangene Berufung, zu deren Begründung der Kläger abermals anführt, dass nach dem deutsch-kanadischem Abkommen und nach dem deutschen Sozialrecht kein Gesetz existiere, das kanadischen Staatsbürgern, die ihren ständigen Wohnsitz in Kanada hätten, das Recht auf die Erstattung ihrer Beiträge verweigere. Es sei undemokratisch, dass die kanadischen freiwilligen Beitragszahler nicht das Recht hätten, darüber mitzubestimmen, wie ihr Geld ausgegeben oder auf sämtliche Mitglieder der deutschen Rentenversicherung verteilt werde. Ihm werde als kanadischem Staatsbürger jegliches Recht vorenthalten, Einfluss auf seine bereits geleisteten Rentenbeitragszahlungen zu nehmen.

Der Kläger beantragt (nach seinem schriftlichen Vorbringen),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juni 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die von ihm getragenen Beitragsanteile zur deutschen Rentenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Beide Beteiligte haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligte erklärt haben, dass sie damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 2 SGG) Berufung des Klägers, über die anstelle des nicht mehr bestehenden Landessozialgerichts Berlin das in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 SGG durch den Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg vom 26. April 2004 errichtete Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden hat, auf das das Verfahren gemäß Artikel 28 des Staatsvertrages am 1. Juli 2005 in dem Stand, indem es sich an diesem Tag befunden hat, übergegangen ist, ist unbegründet.

Der Kläger kann von der – seit dem 1. Oktober 2005 unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung Bund" fortgeführten (§ 1 Satz 1 des als Artikel 82 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung [RVOrgG] vom 9. Dezember 2004 [BGBl. I S. 3242] verkündeten Gesetzes zur Errichtung der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) – Beklagten die Erstattung der von ihm getragenen Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht verlangen.

Nach § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI – der einzigen hier ansatzweise in Betracht kommenden Grundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch – werden Beiträge auf Antrag Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Der Kläger ist zwar derzeit nicht (in der deutschen Rentenversicherung) versicherungspflichtig. Er hat aber das Recht zur freiwilligen Versicherung aufgrund der Nr. 3 Buchstabe c des Schlussprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14. November 1985 (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 27. August 2002), das nach Artikel 25 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit vom 14. November 1985 Bestandteil jenes Abkommens ist. Die angeführte Bestimmung des Schlussprotokolls sieht ausdrücklich vor, dass kanadische Staatsangehörige, die sich gewöhnlich außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt sind, wenn sie zu dieser für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge wirksam entrichtet haben. Dies trifft für den Kläger zu, der allein aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigungen (ohne Zeiten des Bezugs von Sozialleistungen – Krankheit oder Arbeitslosigkeit –) 168 Monate mit Pflichtbeiträgen und damit auch die allgemeine Wartezeit für eine spätere Rentenleistung erfüllt hat, die dann – aufgrund des zwischen Deutschland und Kanada abgeschlossenen Abkommens – auch nach Kanada zu zahlen wäre. Da dem Kläger weiterhin seine aufgrund der entrichteten Beiträge erworbenen Anwartschaften und Rechte zustehen, ist nicht erkennbar, welche Rechte verletzt sein könnten.

Eine Verpflichtung des Klägers, freiwillige Beiträge zu entrichten, besteht nicht. Die Berechtigung dazu beeinträchtigt ihn nicht.

Dass der Kläger aufgrund dessen, dass er freiwillig die kanadische Staatsangehörigkeit erworben und dadurch die deutsche verloren hat, nicht mehr in Deutschland wahlberechtigt ist, ist ohne Belang, zumal die Beitragspflicht nicht vom Wahlrecht abhängt. Demgemäß hat der Kläger während seiner Beschäftigungen in Deutschland Beiträge auch nicht aufgrund seiner damaligen deutschen Staatsangehörigkeit, sondern aufgrund dessen, dass er die Beschäftigung in Deutschland ausgeübt hat, entrichtet. Auch insoweit ist die Staatsangehörigkeit unerheblich.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung keinen Erfolg haben.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved