Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 4687/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4054/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.07.2006 (S 17 AS 4687/06 ER) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch im Streit, ob dem Antragsteller (Ast.) trotz einer von der Antragsgegnerin (Ag.) behaupteten Ablehnung eines Arbeitsangebots ungekürzte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen.
Der Ast. bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen der Ag. nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 25.4.2006 senkte die Ag. die Leistungen für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 31.7.2006 um 104 EUR von 794,06 EUR auf 690,06 EUR ab, weil der Ast. sich nicht um einen ihm benannten offenen Arbeitsplatz beworben habe, wobei die Ag. auf die Regelungen in § 31 SGB II verwies.
Der Ast. beantragte deswegen und wegen der Höhe der Leistungen dem Grunde nach am 27.6.2006 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Stuttgart (SG); am gleichen Tage ging beim SG auch die Vertretungsanzeige der Bevollmächtigten des Ast. beim SG ein. Unter anderem trug der Ast. vor, er habe sich entgegen der Behauptung der Ag. bei dem in Frage stehenden Arbeitgeber beworben. Bis zum 27.6.2006 ist indes bei der Ag. kein Widerspruch des Ast. oder seiner Bevollmächtigten gegen den Absenkungsbescheid vom 25.4.2006 eingegangen.
Das SG gewährte mit Beschluss vom 18.7.2006 einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Gewährung höherer SGB II-Leistungen dem Grunde nach, weil bei dem Ast. die Kosten einer Kaltmiete in Höhe von 319,50 EUR monatlich zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der Absenkung der Leistungen um 104 EUR in dem Zeitraum von 1.5.2006 bis zum 31.7.2006 versagte das SG einstweiligen Rechtsschutz mit der Begründung, der betreffende Bescheid sei bestandskräftig geworden. Der Beschluss des SG wurde den Bevollmächtigten des Ast. am 21.7.2006 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Ast. haben am 8.8.2006 beim SG Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, soweit der Ast. hierdurch beschwert ist. Mit Beschluss vom 14.08.2006 (S 17 AS 5921/06 ER-B) hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Vorliegend kommt, weil nach § 39 Nr. 1 SGB II eine aufschiebende Wirkung auch eines rechtzeitig eingelegten Widerspruchs nicht vorgelegen hätte, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw., sofern bereits eine Absenkung durchgeführt wurde, die Aufhebung der Vollziehung in Betracht.
Voraussetzung hierfür wären ein Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Vorliegend ist weder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. die Anordnung der vorläufigen Rückabwicklung des Vollzugs veranlasst, weil ein fristgerechter Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 25.4.2006 nicht vorliegt und daher von der Bestandskraft des Absenkungsbescheids auszugehen ist. Sofern der Ast. zunächst behauptete, er habe Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt, hat er bei einer Vorsprache im SG eingeräumt, hiermit seine Äußerung zu der Anhörung der Ag. vor Erlass des Absenkungsbescheides gemeint zu haben (vgl. die Niederschrift auf Bl. 25 der SG-Akte).
Unerheblich ist für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der Meinungsstreit über die Frage, ob § 44 SGB X in Verfahren nach dem SGB II anwendbar ist (vgl. die im Beschluss des SG zitierten Meinungen). Denn insofern ändert auch ein Antrag nach § 44 SGB X nichts an der zunächst zugrunde legenden Bestandskraft des Absenkungsbescheides, die erst nicht mehr vorliegt, wenn die Behörde selbst oder ein Gericht im Verfahren nach § 44 SGB X eine Aufhebung dieses Bescheides ausspricht.
Dieses Ergebnis ist auch mit den verfassungsrechtlichen Garantien des Ast. auf die Gewährung des Existenzminimums und auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar. Zum einen handelt es sich um einen Eingriff für einen beschränkten Zeitraum in der Vergangenheit und nur eine Verringerung, nicht jedoch die Streichung der Leistungen, weshalb auch ein Anordnungsgrund zweifelhaft ist. Denn der Ast. trägt nicht vor, welche schweren und gegebenenfalls nicht wiedergutzumachenden Nachteile ihm drohen, wenn der Vollzug der umstrittenen Leistungsabsenkung nicht rückgängig gemacht wird. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache erscheint daher zumutbar. Zum anderen hätte es der Ast. selbst in der Hand gehabt, durch einen fristgerecht eingelegten Widerspruch die Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheides zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch im Streit, ob dem Antragsteller (Ast.) trotz einer von der Antragsgegnerin (Ag.) behaupteten Ablehnung eines Arbeitsangebots ungekürzte Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen.
Der Ast. bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen der Ag. nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 25.4.2006 senkte die Ag. die Leistungen für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 31.7.2006 um 104 EUR von 794,06 EUR auf 690,06 EUR ab, weil der Ast. sich nicht um einen ihm benannten offenen Arbeitsplatz beworben habe, wobei die Ag. auf die Regelungen in § 31 SGB II verwies.
Der Ast. beantragte deswegen und wegen der Höhe der Leistungen dem Grunde nach am 27.6.2006 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Stuttgart (SG); am gleichen Tage ging beim SG auch die Vertretungsanzeige der Bevollmächtigten des Ast. beim SG ein. Unter anderem trug der Ast. vor, er habe sich entgegen der Behauptung der Ag. bei dem in Frage stehenden Arbeitgeber beworben. Bis zum 27.6.2006 ist indes bei der Ag. kein Widerspruch des Ast. oder seiner Bevollmächtigten gegen den Absenkungsbescheid vom 25.4.2006 eingegangen.
Das SG gewährte mit Beschluss vom 18.7.2006 einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Gewährung höherer SGB II-Leistungen dem Grunde nach, weil bei dem Ast. die Kosten einer Kaltmiete in Höhe von 319,50 EUR monatlich zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der Absenkung der Leistungen um 104 EUR in dem Zeitraum von 1.5.2006 bis zum 31.7.2006 versagte das SG einstweiligen Rechtsschutz mit der Begründung, der betreffende Bescheid sei bestandskräftig geworden. Der Beschluss des SG wurde den Bevollmächtigten des Ast. am 21.7.2006 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Ast. haben am 8.8.2006 beim SG Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, soweit der Ast. hierdurch beschwert ist. Mit Beschluss vom 14.08.2006 (S 17 AS 5921/06 ER-B) hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Vorliegend kommt, weil nach § 39 Nr. 1 SGB II eine aufschiebende Wirkung auch eines rechtzeitig eingelegten Widerspruchs nicht vorgelegen hätte, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw., sofern bereits eine Absenkung durchgeführt wurde, die Aufhebung der Vollziehung in Betracht.
Voraussetzung hierfür wären ein Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile). Anordnungsanspruch und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Vorliegend ist weder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. die Anordnung der vorläufigen Rückabwicklung des Vollzugs veranlasst, weil ein fristgerechter Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 25.4.2006 nicht vorliegt und daher von der Bestandskraft des Absenkungsbescheids auszugehen ist. Sofern der Ast. zunächst behauptete, er habe Widerspruch gegen diesen Bescheid eingelegt, hat er bei einer Vorsprache im SG eingeräumt, hiermit seine Äußerung zu der Anhörung der Ag. vor Erlass des Absenkungsbescheides gemeint zu haben (vgl. die Niederschrift auf Bl. 25 der SG-Akte).
Unerheblich ist für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der Meinungsstreit über die Frage, ob § 44 SGB X in Verfahren nach dem SGB II anwendbar ist (vgl. die im Beschluss des SG zitierten Meinungen). Denn insofern ändert auch ein Antrag nach § 44 SGB X nichts an der zunächst zugrunde legenden Bestandskraft des Absenkungsbescheides, die erst nicht mehr vorliegt, wenn die Behörde selbst oder ein Gericht im Verfahren nach § 44 SGB X eine Aufhebung dieses Bescheides ausspricht.
Dieses Ergebnis ist auch mit den verfassungsrechtlichen Garantien des Ast. auf die Gewährung des Existenzminimums und auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar. Zum einen handelt es sich um einen Eingriff für einen beschränkten Zeitraum in der Vergangenheit und nur eine Verringerung, nicht jedoch die Streichung der Leistungen, weshalb auch ein Anordnungsgrund zweifelhaft ist. Denn der Ast. trägt nicht vor, welche schweren und gegebenenfalls nicht wiedergutzumachenden Nachteile ihm drohen, wenn der Vollzug der umstrittenen Leistungsabsenkung nicht rückgängig gemacht wird. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache erscheint daher zumutbar. Zum anderen hätte es der Ast. selbst in der Hand gehabt, durch einen fristgerecht eingelegten Widerspruch die Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheides zu verhindern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved