L 6 U 3333/06 KO-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 152/99 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3333/06 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Klageverfahren S 6 U 1887/95 und dem anschließenden Berufungsverfahren L 6 U 4737/98 stritten die Beteiligten um die Gewährung von Verletztenrente wegen gesundheitlicher Folgen des Wegeunfalls vom 14.07.1989. Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das Sozialgericht Stuttgart (SG) von Prof. Dr. C., Extraordinarius für Neurootologie in B. K., das Gutachten vom 12.11.1997 ein. Dieser bejahte darin ein posttraumatisches cervico-encephales Syndrom nach Kopf-Hals-Schleudertrauma mit Entwicklung eines langfristig protrahierten posttraumatischen Schadens, das seit Juni 1993 mindestens eine MdE um 55 v. H. bedinge. Mit Urteil vom 11.11.1998 verurteilte das SG die damalige Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger ab 01.06.1991 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren. Hierbei folgte es Prof. Dr. C. darin, dass ein posttraumatisches cervico-encephales Syndrom als Unfallfolge zu entschädigen sei, wich jedoch bei der Festsetzung der Höhe der MdE von dem Sachverständigen mit der Begründung ab, die von diesem geschätzten MdE-Werte lägen außerhalb des Bewertungsrasters, das im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebend sei.

Gegen dieses Urteil legten beide Beteiligten Berufung ein. Nach langwierigen Ermittlungen änderte der erkennende Senat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 11.11.1998 ab und wies die Klage in vollem Umfang ab. Die Berufung des Klägers wies er zurück (Urteil vom 28.04.2005). In den Entscheidungsgründen legte er u. a. dar, dem Gutachten von Prof. Dr. C. könne nicht gefolgt werden, weil die von diesem Sachverständigen vertretenen Auffassungen nicht der anerkannten medizinischen Lehrmeinung entsprächen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg (Beschluss des Bundessozialgerichts vom 17.08.2005 - B 2 U 175/05 B).

Bereits am 08.01.1999 hatte der Kläger bei dem SG beantragt, die Kosten für das nach § 109 SGG von Prof. Dr. C. eingeholte Gutachten auf die Staatskasse zu übernehmen. Unter dem 21.01.1999 teilte das SG dem Kläger mit, die Entscheidung über seinen Kostenantrag werde bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgestellt. Weil das erstinstanzliche Urteil inzwischen mit der Berufung angefochten worden sei, würde sonst der Bezirksrevisor bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im Unterliegensfalle einen entsprechenden Kostenbeschluss sofort mit der Beschwerde anfechten und zugleich Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit durch das Berufungsgericht stellen.

Am 13.04.2006 beantragte der Kläger erneut bei dem SG, die Kosten des Gutachtens von Prof. Dr. C. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das SG habe nämlich auf S. 6 seines Urteils vom 11.11.1998 ausgeführt: "Bei Würdigung aller Umstände gibt das Gericht hierbei dem von Prof. Dr. C. erarbeiteten Gutachtensergebnis den Vorzug".

Mit Beschluss vom 25.04.2006 lehnte das SG den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, nach der langjährigen einschlägigen Kostenrechtsprechung des LSG Baden-Württemberg sei für eine Kostenübernahme erforderlich, dass das Gutachten entscheidend zu einem materiell günstigen Ausgang des Streitverfahrens im Sinne des Klägers geführt haben müsse. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall, wie sich aus dem rechtskräftig gewordenen Urteil der Berufungsinstanz ergebe.

Gegen den am 09.05.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 09.06.2006 Beschwerde bei dem SG eingelegt, das ihr nicht abgeholfen, sondern sie dem LSG zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Kläger trägt vor, für die Kostenübernahme müsse es ausreichen, dass das Gutachten von Prof. Dr. C. zu einem für ihn günstigen Urteil der 1. Instanz geführt habe, die das Gutachten eingeholt habe. Andernfalls ergebe sich nämlich die folgende, logisch nicht nachvollziehbare Konsequenz. Hätte er seinen Antrag auf Kostenübernahme gleich nach Abschluss der ersten Instanz gestellt, so könne es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass das SG in diesem Fall zu seinen Gunsten hätte entscheiden müssen. Es könne nicht sein, dass die Entscheidung davon abhänge, zu welchem Zeitpunkt der Antrag gestellt worden sei.

Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II.

Die nach den § 172, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des auf seinen Antrag gem. § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. C. und der damit verbundenen Auslagen.

Gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Hiernach steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Antragsteller endgültig auferlegt. Das vom SG ausgeübte Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll nachprüfbar, weil die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergangen ist.

Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens können dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat und damit die Sachaufklärung objektiv gefordert hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, Randziff. 16 a zu § 109). Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Kostenübernahme außerdem in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das gem. § 109 SGG eingeholte Gutachten zu einem Prozesserfolg des Klägers geführt hat. Schließt sich an das erstinstanzliche Verfahren ein Berufungsverfahren an, so kann die Frage, ob die Aufklärung des rechtserheblichen Sachverhalts durch das Gutachten objektiv gefördert worden ist und ob es zur Meinungsbildung des Gerichts wesentlich beigetragen hat, grundsätzlich erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens - hier durch das Urteil des Senats vom 28.04.2005, das nach Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch den Beschluss des BSG vom 17.08.2005 Rechtskraft erlangt hat - beantwortet werden. Denn erst nach der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits kann die Bedeutung eines Gutachtens abschließend beurteilt werden, weil erst dann die Wertigkeit der im Gutachten geschilderten Befunde und Diagnosen sowie der medizinischen Beurteilungen und Schlussfolgerungen im Vergleich zu anderen Erkenntnisquellen bewertet werden kann (Beschluss des Senats vom 05.07.2004 - L 7 U 2409/03 KO-B).

In seinem Urteil vom 28.04.2005 ist der Senat dem Gutachten Prof. Dr. C. nicht gefolgt, weil die darin vertretene Auffassung nicht der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entspricht. Das Gutachten hat deshalb keinen wesentlichen Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung geleistet.

Der Vortrag des Klägers, hätte er seinen Antrag auf Kostenübernahme gleich nach Abschluss der ersten Instanz gestellt, so hätte dieser Erfolg gehabt und es könne nicht sein, dass die Frage der Kostenübernahme davon abhänge, zu welchem Zeitpunkt der entsprechende Antrag gestellt werde, ist nicht stichhaltig. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger seinen Antrag bereits kurz nach Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils, nämlich am 08.01.1999 gestellt hat. Das SG hat ihn jedoch im Schreiben vom 21.01.1999 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Bezirksrevisor bei dem LSG Baden-Württemberg gegen einen nach Berufungseinlegung ergehenden Beschluss, mit dem Kosten eines Gutachtens gem. § 109 SGG auf die Staatskasse übernommen würden, "üblichem Geschäftsgang zufolge" mit der Beschwerde anfechten und zugleich Antrag auf Aussetzung bzw. Ruhen des Beschwerdeverfahrens stellen würde. Der Kläger hat daraufhin stillschweigend sein Einverständnis damit zu erkennen gegeben, dass das SG seine Entscheidung über den Kostenantrag bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens zurückstellte. Er hat mithin selbst eine Bedingung dafür gesetzt, dass das SG erst nach Rechtskraft des Urteils des Senats vom 28.04.2005 über seinen Kostenantrag entschieden hat. Hätte er trotz des Hinweises des SG vom 21.01.1999 damals auf einer alsbaldigen Entscheidung bestanden, so wäre das Ergebnis für ihn kein anderes gewesen, weil der Bezirksrevisor ausgehend von der damaligen Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg, der Staatskasse stehe ein Beschwerderecht gegen Kostenübernahmeentscheidungen gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zu, mit Sicherheit von seinem Beschwerderecht Gebrauch gemacht hätte, um den Ausgang des Berufungsverfahrens berücksichtigen zu können. Die Behauptung des Klägers, der Erfolg seines Kostenantrags hänge davon ab, zu welchem Zeitpunkt er gestellt worden sei, ist deshalb unrichtig.

Ohne Bedeutung ist im vorliegenden Fall, dass das LSG Baden-Württemberg seine jahrzehntelang vertretene Auffassung, der Staatskasse stehe ein Beschwerderecht gegen Kostenübernahmeentscheidungen nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zu, mit seinen Beschlüssen vom 16.05.2006 - L 9 R 4263/04 KO-B und vom 16.08.2006 - L 1 U 3854/06 KO-B inzwischen aufgegeben hat. Dadurch wird in der Zukunft die Frage, ob ein vom SG gem. § 109 SGG eingeholtes Gutachten zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts wesentlich beigetragen hat, auch im Falle eines sich anschließenden Berufungsverfahrens in der Regel wohl nur unter Berücksichtigung des Ergebnisses des erstinstanzlichen Verfahrens entschieden werden. Diese Nebenwirkung der neuen Rechtsprechung des LSG rechtfertigt es jedoch nicht, den Kläger so zu stellen, als sei schon im Januar 1999 das Beschwerderecht der Staatskasse nicht mehr anerkannt gewesen und als sei lediglich aufgrund des Ergebnisses des erstinstanzlichen Verfahrens über den Kostenantrag zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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