Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 7 AS 577/06 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 509/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Unstatthaftigkeit der Vollziehung einer einstweiligen Anordnung und Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren, wenn die Vollstreckung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO eingeleitet worden ist.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des So-zialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 aufgehoben. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anord-nung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Schles-wig die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Regelleistungen für die Zeit vom 7. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 ohne Anrechnung des Einkommens ihres Vaters zu gewähren. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 21. Juli 2006 bzw. ihren Bevollmächtig-ten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat am 4. August 2006 Beschwerde erhoben und den Beschluss nicht umgesetzt, obwohl das Sozialgericht Schleswig mit Be-schluss vom 15. August 2006 die Vollstreckbarkeit des Be-schlusses nicht ausgesetzt hatte. Die Antragstellerin ihrer-seits hat die Vollstreckung aus dem Beschluss nicht beantragt.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist aufzuheben, denn er ist nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe vollzogen bzw. die Vollziehung ist nicht einmal eingeleitet worden. Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivil-prozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialge-richtsgesetz (SGG) auf eine einstweilige Anordnung entspre-chend anwendbar ist. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls – hier der einstweiligen Anordnung – un-statthaft, wenn seit dem Tage, an dem Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist der Antragstellerin persönlich am 21. Juli 2006 und ihren Prozessbevollmächtigten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragstellerin hätte somit spätestens am 28. August 2006 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht erfolgt. Nicht darauf abzustellen ist, wann der Vollstreckungsgläubiger feststellt, dass der Vollstreckungsschuldner tatsächlich den Beschluss nicht befolgen will. Zwar wird teilweise die Auffas-sung vertreten, dass im Falle einer Vollstreckung gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft der Erwartung Rechnung ge-tragen werden müsse, diese werde, da sie nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden ist, dem Aus-spruch des Sozialgerichts nachkommen (vergl. zu § 123 Abs. 3 VwGO: OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. Dezember 1987 – 6 B 90/87 -). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn eine solche Be-trachtungsweise übersieht, dass damit die Frist nicht mehr einheitlich und präzise bestimmt werden kann und dass § 929 Abs. 2 ZPO im Wortlaut eindeutig ist (so auch Hessischer Ver-waltungsgerichtshof, Beschl. v. 7. September 2004 – 10 TG 1498/04 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 13. März 2003 – 4 C 03.640).
§ 929 Abs. 2 ZPO ist auch bei der Vollstreckung gegen öffent-lich-rechtliche Körperschaften im Rahmen des sozialgerichtli-chen Verfahrens anzuwenden. Die Regelung des § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, die auf diese Vorschrift verweist, ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat damit bestimmt, dass auch Vollstreckungen einstweiliger Anordnungen innerhalb der Monatsfrist eingelei-tet werden müssen (so auch die zuvor zitierte Rechtsprechung; ebenso: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 46; Kopp/Schenke, Kommen-tar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rdnr. 40; Schl.-Holst. Landessozialgericht, Beschl. v. 29. November 2004 – L 1 B 146/04 KR ER). Folge dieser Regelung ist, dass die Vollziehung der einstweiligen Anordnung unstatthaft ist und diese ihren Regelungsgehalt verloren hat. Demzufolge ist die Anordnung nach Fristablauf aufzuheben (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123, Rdnr. 40; Hartmann in: Baumbach/Lautenbach/Albers/Hartmann Zi-vilprozessordnung, 65. Aufl. 2007, § 929 Rdnr. 8).
Zwar bleibt es einem Antragsteller grundsätzlich unbenommen, eine erneute einstweilige Anordnung zu erwirken. Für einen solchen Antrag ist jedoch nicht das erkennende Gericht, son-dern das Eingangsgericht zuständig.
Bei der Kostenentscheidung berücksichtigt der Senat den Um-stand, dass dieser Beschluss keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Sozialgerichts beinhaltet und nach Ablauf des 30. September 2006 die Beschwerde der An-tragsgegnerin ohne Fristablauf nach § 929 Abs. 2 ZPO unzuläs-sig geworden wäre. Außerdem ist der Antragstellerin hier nicht anzulasten, dass sie die Vollstreckung nicht rechtzeitig ein-geleitet hat, denn sie konnte davon ausgehen, dass die An-trags¬gegnerin der Entscheidung des Sozialgerichts nachkommen und Zahlungen leisten werde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Arndt Timme Dr. Namgalies Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Richter am Landes- sozialgericht Richter am Landes- sozialgericht
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2006 hat das Sozialgericht Schles-wig die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Regelleistungen für die Zeit vom 7. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 ohne Anrechnung des Einkommens ihres Vaters zu gewähren. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 21. Juli 2006 bzw. ihren Bevollmächtig-ten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat am 4. August 2006 Beschwerde erhoben und den Beschluss nicht umgesetzt, obwohl das Sozialgericht Schleswig mit Be-schluss vom 15. August 2006 die Vollstreckbarkeit des Be-schlusses nicht ausgesetzt hatte. Die Antragstellerin ihrer-seits hat die Vollstreckung aus dem Beschluss nicht beantragt.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist aufzuheben, denn er ist nicht innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe vollzogen bzw. die Vollziehung ist nicht einmal eingeleitet worden. Dies folgt aus § 929 Abs. 2 Zivil-prozessordnung (ZPO), der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialge-richtsgesetz (SGG) auf eine einstweilige Anordnung entspre-chend anwendbar ist. Nach § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung eines Arrestbefehls – hier der einstweiligen Anordnung – un-statthaft, wenn seit dem Tage, an dem Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Juli 2006 ist der Antragstellerin persönlich am 21. Juli 2006 und ihren Prozessbevollmächtigten am 28. Juli 2006 zugestellt worden. Die Antragstellerin hätte somit spätestens am 28. August 2006 die Vollstreckung einleiten müssen. Das ist nicht erfolgt. Nicht darauf abzustellen ist, wann der Vollstreckungsgläubiger feststellt, dass der Vollstreckungsschuldner tatsächlich den Beschluss nicht befolgen will. Zwar wird teilweise die Auffas-sung vertreten, dass im Falle einer Vollstreckung gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft der Erwartung Rechnung ge-tragen werden müsse, diese werde, da sie nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden ist, dem Aus-spruch des Sozialgerichts nachkommen (vergl. zu § 123 Abs. 3 VwGO: OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. Dezember 1987 – 6 B 90/87 -). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn eine solche Be-trachtungsweise übersieht, dass damit die Frist nicht mehr einheitlich und präzise bestimmt werden kann und dass § 929 Abs. 2 ZPO im Wortlaut eindeutig ist (so auch Hessischer Ver-waltungsgerichtshof, Beschl. v. 7. September 2004 – 10 TG 1498/04 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 13. März 2003 – 4 C 03.640).
§ 929 Abs. 2 ZPO ist auch bei der Vollstreckung gegen öffent-lich-rechtliche Körperschaften im Rahmen des sozialgerichtli-chen Verfahrens anzuwenden. Die Regelung des § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, die auf diese Vorschrift verweist, ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat damit bestimmt, dass auch Vollstreckungen einstweiliger Anordnungen innerhalb der Monatsfrist eingelei-tet werden müssen (so auch die zuvor zitierte Rechtsprechung; ebenso: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rdnr. 46; Kopp/Schenke, Kommen-tar zur VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rdnr. 40; Schl.-Holst. Landessozialgericht, Beschl. v. 29. November 2004 – L 1 B 146/04 KR ER). Folge dieser Regelung ist, dass die Vollziehung der einstweiligen Anordnung unstatthaft ist und diese ihren Regelungsgehalt verloren hat. Demzufolge ist die Anordnung nach Fristablauf aufzuheben (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123, Rdnr. 40; Hartmann in: Baumbach/Lautenbach/Albers/Hartmann Zi-vilprozessordnung, 65. Aufl. 2007, § 929 Rdnr. 8).
Zwar bleibt es einem Antragsteller grundsätzlich unbenommen, eine erneute einstweilige Anordnung zu erwirken. Für einen solchen Antrag ist jedoch nicht das erkennende Gericht, son-dern das Eingangsgericht zuständig.
Bei der Kostenentscheidung berücksichtigt der Senat den Um-stand, dass dieser Beschluss keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Sozialgerichts beinhaltet und nach Ablauf des 30. September 2006 die Beschwerde der An-tragsgegnerin ohne Fristablauf nach § 929 Abs. 2 ZPO unzuläs-sig geworden wäre. Außerdem ist der Antragstellerin hier nicht anzulasten, dass sie die Vollstreckung nicht rechtzeitig ein-geleitet hat, denn sie konnte davon ausgehen, dass die An-trags¬gegnerin der Entscheidung des Sozialgerichts nachkommen und Zahlungen leisten werde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Arndt Timme Dr. Namgalies Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Richter am Landes- sozialgericht Richter am Landes- sozialgericht
Rechtskraft
Aus
Login
SHS
Saved