L 7 B 290/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 144/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 290/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 29. März 2006 aufgehoben und der Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist (im Beschwerdeverfahren nur noch) streitig, ob dem Beschwerdegegner (Bg) als Darlehen ein Anspruch auf 1.575 EUR für eine Mietkaution zusteht.

Der Bg bezieht von der Beschwerdeführerin (Bf) Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im November 2005 teilte der Bg der Bf mit, dass ihm und seiner Freundin eine Hausmeistertätigkeit mit zugehöriger Drei-Zimmer-Wohnung angeboten worden sei. Die Miete der Wohnung werde 525 EUR betragen (zuzüglich 117 EUR Betriebskostenvorauszahlung und 36 EUR Tiefgaragenstellplatz). Die Kaution betrage drei Monatsmieten. Als Vergütung für die Hausmeistertätigkeit seien für ihn und die Partnerin 255 EUR pro Monat vorgesehen. Nachdem die Bf dem Bg erläutert hatte, dass die Miete unangemessen hoch sei, wurden am 21.12.2005 Entwürfe eines Miet- und eines Anstellungsvertrages vorgelegt, wonach die Grundmiete nur 380 EUR pro Monat und die Vergütung für die Hausmeistertätigkeit lediglich 180 EUR pro Monat betragen sollte. Daraufhin bestätigte die Bf am 28.12.2006 die Angemessenheit der Mietkosten und gewährte dem Bg ein Darlehen für die Mietkaution in Höhe von 1.140 EUR. Mit Schreiben vom 08.02.2006 legte der Bg dann jedoch Kopien eines am Vortag unterzeichneten Miet- und eines Anstellungsvertrags zum 01.04.2006 mit den im November genannten Konditionen vor (Miete: 525 EUR pro Monat, Vergütung 255 EUR pro Monat).

Daraufhin hob die Bf mit Bescheiden vom 21.02.2006 ihre Zusagen vom 28.12.2005 auf und lehnte die Übernahme der Kaution und der Umzugskosten ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2006 zurückgewiesen.

Mit seiner am 16.03.2006 zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung machte der Bg geltend, die von der Bf akzeptierte Kompromisslösung (Senkung der Miete bei gleichzeitiger entsprechender Absenkung der Arbeitsvergütung) sei an der Firmenleitung gescheitert. Der Abschluss der Verträge sei nur zu den Konditionen der Firma möglich gewesen. Die Entscheidung der Bf stelle einseitig nur auf die neue Miete ab und berücksichtige weder die Aufnahme einer Tätigkeit noch die Verringerung der staatlichen Belastung.

Das SG hat die Bf mit Beschluss vom 29.03.2006 verpflichtet, vorläufig die Mietkaution in Höhe von 1.575 EUR als Darlehen zu gewähren sowie die notwendigen Umzugskosten zu übernehmen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, § 22 Abs. 2 SGB II sehe vor, dass vor Abschluss eines neuen Mietvertrages die Zusicherung des Leistungsträgers eingeholt werden solle. Dieser sei zur Zustimmung nur verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Diese Voraussetzung habe die Bf zu Recht verneint. Sie orientiere sich im Einklang mit der Rechtsprechung hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße an den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus. Es ergebe sich eine angemessene Nettomiete von 426,75 EUR. Die im Mietvertrag vom 07.02.2006 vereinbarte Nettomiete liege um nahezu 100 EUR darüber. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Anmietung der Wohnung an die Vergabe der Hausmeistertätigkeit gekoppelt sei. Auch wenn die Übernahme dieses sog. Minijobs durch den Bg und seine Partnerin der Zielsetzung des SGB II entspreche, könne dies nicht dazu führen, dass die Bf deswegen eine weit über der Angemessenheitsgrenze liegende Miete zu übernehmen habe.

Die besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhalts ließen es aber ermessensfehlerhaft erscheinen, dem Bg und seiner Partnerin auch die Gewährung eines Darlehens für die Mietkaution sowie die Übernahme der Umzugskosten zu versagen. Zwar bestehe in aller Regel kein Anspruch darauf, dass der Leistungsträger einen Beitrag zur Anmietung einer zu teuren Wohnung leiste. Es sei aber zu bedenken, dass die Anmietung der Hausmeisterwohnung zu einer, wenn auch bescheidenen, Selbsthilfe des Bg und seiner Partnerin in Form des Minijobs beitrage. Der ihnen aus dem zu erzielenden Verdienst verbleibende Freibetrag von jeweils 131 EUR pro Monat setze sie in die Lage, die Lücke zwischen der angemessenen und der tatsächlichen Miete aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Auf der anderen Seite werde die Bf durch die Übernahme der Mietkaution als Darlehen nicht übermäßig belastet, zumal die Kaution nach ordnungsgemäßem Abschluss des Mietverhältnisses zurückfließe. Die Umzugskosten wären in derselben Höhe entstanden, wenn die Wohnung zu den im Dezember besprochenen Konditionen hätte angemietet werden können.

Die Bf hat gegen den ihr am 29.03.2006 zugestellten Beschluss am 13.04.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 18.04.2006).

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, gemäß § 22 Abs. 3 SGB II könnten Wohnraumbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Sie habe dem Bg die Übernahme der Kosten nicht zugesichert. Soweit sie vom SG zur Übernahme der Mietkaution als Darlehen und zur Gewährung der Umzugskosten verpflichtet worden sei, liege eine Verletzung materiellen Rechts vor. Es handele sich um keine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung. Nachdem die tatbestandsmäßige Voraussetzung der vorherigen Zusicherung der Kosten nicht vorliegen würden, sei die Übernahme der Kosten gemäß § 22 Abs. 3 SGB II nicht möglich. Es werde eine Verbindung zwischen dem erzielten Verdienst des Bg sowie seiner Partnerin und der Gewährung der Mietkaution und der Umzugskosten hergestellt. Es handele sich um sachfremde Kriterien. Dies gelte auch für das Argument des SG, dass sie durch die Übernahme der Mietkaution als Darlehen nicht übermäßig belastet werde und die Umzugskosten in derselben Höhe entstanden wären, wenn die Wohnung zu den im Dezember 2005 besprochenen Konditionen hätte angemietet werden können.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 29. März 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einsteili-gen Anordnung abzulehnen.

Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Den Antrag auf Erstattung der Umzugskosten hat er zurückgenom-men.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, sie ist sachlich auch begründet, weil die vom Bg begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf sowohl die Not-wendigkeit einer vorläufigen Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den Anordnungsan-spruch) glaubhaft zu machen.

Zu Unrecht hat das SG die Bf verpflichtet, dem Bg ein Darlehen für die Mietkaution zu gewähren; denn der Bf hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass nach § 22 Abs. 2 SGB II vor Abschluss eines neuen Mietvertrages die Zusicherung des Leistungsträgers eingeholt werden soll und das diese nur zur Zustimmung verpflichtet ist, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Diese Voraussetzung hat die Bf zu Recht verneint, weil die im Mietvertrag vom 07.02.2006 vereinbarte Nettomiete um nahezu 100 EUR über der angemessenen Miete liegt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Anmietung der Wohnung an die Vergabe der Hausmeistertätigkeit gekoppelt ist. Allein deshalb kann die Bf nicht dazu verpflichtet werden, eine weit über der Angemessenheitsgrenze liegende Miete zu übernehmen.

Auch die Tatsache, dass der Bg und seine Partnerin in die Lage versetzt wurden, die Lücke zwischen der angemessenen und der tatsächlichen Miete zu bestreiten, kann daran nichts ändern; denn eine derartige Auslegung widerspricht der Regelung des § 22 Abs. 2 SGB II, dass eine Mietkaution grundsätzlich nur übernommen werden kann, wenn die Kosten für die neue Wohnung angemessen sind und der Leistungsträger seine vorherige Zusicherung erteilt hat. Dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch sind, wird vom Bg auch nicht bestritten. Zwar hatte die Bf eine Zusicherung erteilt, diese bezog sich aber nur auf die angemessene Miete, nicht aber auf eine um etwa 100 EUR höhere Miete.

Ob die Mietkaution jemals zurückfließt - wovon das SG ausgeht - kann nicht mit Sicherheit gesagt werden; denn es ist nicht ungewöhnlich, dass Vermieter eine Mietkaution ganz oder teilweise, z.B. wegen erforderlicher Schönheitsreparaturen, ganz oder zum Teil einbehalten.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zusicherung für die angemietete Wohnung auch nachträglich hätte erteilt werden können (so Lang in: Eicher/Spellbrink, Komm. zum SGB II, § 22 RdNr 66), steht der Verpflichtung der Bf zur Übernahme der Mietkaution entgegen, dass die Erteilung der Zusicherung jedenfalls dann im Ermessen des Leistungsträgers steht, wenn die Gründe für den Umzug nicht so erheblich sind, dass von der Erforderlichkeit ausgegangen werden kann (Schmidt in: Oestreicher, SGB XII/II, § 22 RdNr 69a). Das SG hätte die Bf daher nur dazu verpflichten können, über den Antrag des Bg unter Beachtung seiner Auffassung erneut zu entscheiden. Ob die Bf ermessensfehlerhaft gehandelt hat, kann im Rahmen eines Eilverfahrens bei einer summarischen Überprüfung nicht gesagt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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