S 16 (18) U 15/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (18) U 15/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 87/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung und die Bewilligung von Rente wegen der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1301, 1303 und 1304 der Anlage zur BKV sowie die Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 BKV.

Der 1959 geborene Kläger wurde in der Zeit von 1974 bis 1976 zum Maler und Lackierer ausgebildet. Seitdem arbeitet er - mit Unterbrechungen - in diesem Beruf. Unter dem 27.07.2002 ersuchte der Arzt für Urologie A die Beklagte um Prüfung, ob beim Kläger, der an einem Blasenkarzinom erkrankt sei, eine Berufskrankheit vorliege. Die Beklagte zog daraufhin medizinische Unterlagen bei und holte zur Klärung der arbeitsplatzbedingten Belastung des Klägers Arbeitsauskünfte ein. Sodann schaltete die Beklagte ihre technische Sachverständigenstelle ein, die unter Berücksichtigung einer Befragung des Klägers zu dem Ergebnis kam, dieser habe vor allem malertypische Arbeiten verrichtet. Sehr geringfügigen Einwirkungen von Aminen könne er bis 1985 ausgesetzt gewesen sein. Danach seien solche Auswirkungen ausgeschlossen gewesen. Ferner holte die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme von T ein, der ausführte, nach den Feststellungen seitens der technischen Sachverständigenstelle der Beklagten habe eine Exposition gegenüber lösungsmittelhaltigen Arbeitsstoffen vorgelegen, desgleichen gegenüber üblicherweise verwendeten Lacken, Farben und Abbeizern. Nicht dagegen habe eine Exposition gegenüber Azofarbstoffen bestanden. Aus der üblichen Verwendung von Carbinoleum zum Streichen von Jägerzäunen sei bei Verwendung von Handschuhen die haftungsbegründene Kausalität im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV nicht herzuleiten (Stellungnahme vom 11.05.2003). Auf dieser medizinischen Grundlage lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufsksrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ab (Bescheid vom 27.05.2003). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2003). Mit seiner unter dem 02.09.2003 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zugleich ersuchte er die Beklagte um Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1304 (der Kläger habe auch Nitroarbeiten verrichtet) sowie um Gewährung von Übergangsleistungen. Die Beklagte schaltete daraufhin erneut ihre technische Sachverständigenstelle ein. Unter dem 17.09.2003 äußerte Diplom-Chemiker S, die vom Kläger geschilderten Nitroarbeiten stünden in keinerlei Zusammenhang zu den Nitroverbindungen des Benzols oder seiner Derivate, wie sie für die Berufskrankheit nach Nr. 1304 gefordert würden. Mit derartigen Stoffen habe der Kläger bei seinen Arbeiten auch keinen Kontakt gehabt. Die Beklagte lehnte daraufhin die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1304 ab und verneinte auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsleistungen mit der Begründung, bei weiterer Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Maler und Lackierer sei weder ein beruflicher Kontakt zu aromatischen Aminen noch zu Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder seine Abkömmlinge gegeben (Bescheide vom 25.09.2003). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es fehle eine unabhängige technische Expertise, darüber hinaus habe er Anspruch auf Übergangsleistungen, unabhängig davon, ob die Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit nach Nr. 1301, 1303 oder 1304 bestehe. Die Beklagte schaltete daraufhin erneut ihre technische Sachverständigenstelle ein. Diplom-Chemiker S äußerte unter dem 02.12.2003, Malerprodukte enthielten vielfach Testbenzine als Lösemittel. Derartige Kohlenwasserstoffgemische hätten in den 70er Jahren bis 1981 noch 0,1 % Benzol enthalten, danach habe der Benzolgehalt deutlich niedriger gelegen. Nach 1989 sei eine Grenzwertüberschreitung selbst bei Spritzarbeiten ausgeschlossen gewesen. Davor hätte sie in sehr seltenen Fällen (weniger als 1 % der Arbeitszeit) auftreten können, wenn in kleinen, schlecht belüfteten Räumen gespritzt worden sei. Spritzarbeiten habe der Kläger jedoch lediglich in einer Maschinenfabrik ausgeführt so seine Schilderung - wo sie in einer größeren Halle verrichtet worden seien. In Lösemittelgemischen mit Kohlenwasserstoffen seien auch Toluol und Xylole enthalten gewesen. Im Falle des Klägers könne allerdings nur von seltenen Grenzwertüberschreitungen die Rede sein. Styrol sei nur in einer Produktgruppe enthalten gewesen, deren Anwendung vom Kläger jedoch nicht geschildert worden sei. Der Dämpfstoff Polystyrol habe nur in geringsten Spuren das Monomer enthalten, so dass dessen Verarbeitung nicht mit einer Styrol-Exposition verbunden gewesen sei. Lediglich bei kurzen Heißschnitten sei sekundenweise eine merkliche Styrolfreisetzung erfolgt.Andere Lösemittel wie Ester, Ketone, Alkohle und Glykoläther, die üblicherweise in Maler- und Bodenlegerprodukten enthalten seien, enthielten nie aromatische Kohlenwasserstoffe, so dass lediglich eine Expostion im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV gegeben sei. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte auch die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV sowie die Gewährung von Übergangsleistungen ab (Bescheid vom 03.12.2003). Diese Entscheidungen der Beklagten wurden durch Widerspruchsbescheide vom 17.02.2004 bestätigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 22.03.2004 erhobenen Klage. Das Gericht hat die Klageverfahren des Klägers verbunden. Der Kläger meint, es könne nicht hingenommen werden, dass die Beklagte die arbeitstechnischen Voraussetzungen bestreite. Benzol sei im Übrigen krebserregend. Dass die Schadstoffe die Harnwege erreichen, sei auch dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1303 zu entnehmen. Dabei genüge die wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingungen auch im Sinne des Synkanzerogenese, weil hier sowohl aromatische Armine als auch Benzolbelastungen auf den Kläger eingewirkt hätten. Wirkten verschiedene Kanzerogene ein, fände eine wechselseitige Verstärkung im Sinne des Hochschaukelns der Auswirkungen statt, nach aller onkologischer Erfahrung.

In der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2006 ist für den Kläger niemand aufgetreten. Ausweislich des Empfangsbekenntnisse ist die Terminsmitteilung dem Klägerbevollmächtigten am 27.09.2006 zugegangen.

Schriftsätzlich begehrt der Kläger,

die Beklagte zu verrurteilen, bei ihm eine berufliche Harnblasenkrebserkrankung insbesondere im Sinne der BK 1301 anzuerkennen und zu entschädigen, insbeson dere in Form der Verletztenrente, bei ihm darüber hinaus eine Berufskrankheit im Sinne der 1304, 1303 anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere in Form der Verletztenrente sowie Übergangsleistungen aus dem Gesichtspunkt der Berufskrankheiten 1301, 1304, 1303 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Weder kann der Kläger die Feststellung von Berufskrankheit nach den Nr. 1301, 1303, 1304 beanspruchen, noch kann er die Gewährung von Übergangsleistungen verlangen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Blasenkrebserkrankung des Klägers durch Einwirkungen aromatischer Amine (mit-)verursacht worden ist. Erkrankungen durch Benzol, seiner Homologe oder Styrol oder Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Humologe oder ihrer Abkömmlinge liegen nicht vor. Ebenso wenig besteht für den Kläger bei Fortsetzung seiner Tätigkeit als Maler und Lackierer die Gefahr, dass eine dieser Berufskrankheiten entsteht. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d. h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der streitigen Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen - wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat - die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Lediglich für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht reicht grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - au&7777;. Geht man von diesen Grundsätzen aus, fehlt es bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheiten. Aufgrund der vorliegenden Auskünfte, der Schilderung des Klägers und der Stellungnahmen seitens der technischen Sachverständigenstelle der Beklagten hat der Kläger während seines Berufslebens die für einen Maler und Lackierer typischen Tätigkeiten ausgeübt, in Form von Oberflächenbehandlungen von Bauten und Bauteilen, Tapezier-, Klebe- und Spannarbeiten, Versiegelung von Bodenflächen und Fugen. Im Industrieanstrich hatte er alte Farbschichten abzubrennen oder mit einem Abbeizer zu entfernen. Außerdem hatte er - so seine Schilderung - in den 80er Jahren etwa einmal pro Monat in der wärmeren Jahreszeit Zäune mit Carbolineum zu streichen. Dagegen kann nach den Feststellungen der technischen Sachverständigenstelle der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte Kontakt zu Azofarbstoffen hatte. Lediglich in sehr seltenen Fällen könnte ein solcher Kontakt bis in die Mitte der 80er Jahre bestanden haben. Damit lässt sich ein beruflicher Zusammenhang der Blasenkrebserkrankung des Klägers nicht herstellen. Darauf hat T hingewiesen, der im Übrigen ausgeführt hat, dass aus der Verwendung von Carbolineum zum Streichen von Jägerzäunen bei Verwendung von Handschuhen die haftungsbegründene Kausalität im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV nicht angenommen werden kann. Diese Auffassung ist plausbel: Aus dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1301 ist zu entnehmen, dass im Sinne dieser Erkrankung schädigenden Berufsstoffe vorwiegend durch die Haut aufgenommen werden. Damit scheidet zwar eine Aufnahme durch die Atemwege nicht aus, kann aber vernachlässigt werden, da das Streichen der Jägerzäune im Freien erfolgte. War der Kläger aber keinen schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV ausgesetzt, ist bei Fortsetzung seiner Tätigkeit auch keine Gefährdung seiner Gesundheit zu erwarten.

Darüber hinaus liegen auch Berufskrankheiten nach den Nr. 1303 und 1304 der Anlage zur BKV nicht vor. Der Kläger leidet an Blasenkrebs. Diese Erkrankung wird nur von der Nr. 1301 der Anlage zur BKV erfasst. Nicht erfasst wird die Erkrankung durch die Nr. 1303 der Anlage zur BKV. Die typischen Erkrankungen dieser Berufskrankheit sind Leukämien und Lymphome. Beim Benzol in Verbindung mit Mattigkeit, Unwohlsein und Schädigungen des Nervensystems, zusätzlich bei den Benzolhomologen Toluol, Xylole und Styrol. Während diese Stoffe nicht Kanzerogen sind, ist Benzol als Verursacher von Krebsen des blutbildenden Systems bekannt. Zwar können nach mehrjährigen Einwirkungen bestimmte Aminoverbindungen des Benzols Schleimhautveränderungen der Harnwege, Blasenpapillone und Blasenkrebs verursachen. In diesem Fall handelt es sich jedoch um Erkrankungen nach der Nr. 1301 der Anlage zur BKV. Dies lässt sich Punkt IV des Merkblattes zur Berufskrankheit nach Nr. 1304 der Anlage zur BKV entnehmen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Fortführung seiner Tätigkeit als Maler und Lackierer einer Gefährdung im Sinne des § 3 BKV ausgesetzt gewesen wäre. Ein Anspruch auf Übergangsleistungen scheidet deshalb ebenfalls aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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