L 3 U 27/98

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
25 U 77/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 27/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der am XX.XXXXXXX 1939 geborene Kläger ist gelernter Stahlbauschlosser und hat in diesem Beruf – unterbrochen durch eine von Oktober 1962 bis August 1968 andauernde Tätigkeit als Heizungsmonteur – von September 1953 bis 7. Mai 1993, zuletzt seit Januar 1973 bei der Firma W. & F., gearbeitet. Nach seinen eigenen Angaben leidet er seit 1979 unter Rückenschmerzen. Nachdem er aus einem medizinischen Rehabilitationsverfahren in der Reha-Klinik D. im Oktober 1993 als weiter arbeitsunfähig für seine letzte Tätigkeit entlassen worden war, beantragte er am 20. Juni 1994 bei der Beklagten die Anerkennung seiner Wirbelsäulenschäden als Berufskrankheit.

Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie Unterlagen des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg, von welcher der Kläger seit 1. April 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht, bei. Nachdem ihr Technischer Aufsichtsdienst (TAD) nach Rücksprache mit dem Kläger und unter Zugrundelegung seiner Angaben zu den Belastungen während der einzelnen Tätigkeiten in dem Bericht vom 21. August 1995 zu dem Ergebnis gelangt war, der Kläger sei von 1953 bis 1993 wirbelsäulenbelastend tätig gewesen, ließ die Beklagte ihn durch den Chirurgen Dr. H. untersuchen und begutachten. Dieser gelangte in dem Gutachten vom 24. Oktober 1995 unter Berücksichtigung eines röntgenologischen Zusatzgutachtens von Dr. G. zu dem Ergebnis, bei dem Kläger liege ein degeneratives Verschleißleiden der Wirbelsäule mit bevorzugter Lokalisation im Lendenwirbelsäulensegment L 5/S1 vor. Da die übrigen Segmente einen im Wesentlichen altersentsprechenden Befund mit geringgradigen Verschleißreaktionen zeigten und nicht zu erkennen sei, dass die Berufstätigkeit mit einem Bewegungsablauf verbunden gewesen sei, der ausschließlich das Segment L5/S1 geschädigt haben könnte, sei aus medizinischer Sicht die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ausgeschlossen. Gegen den Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der klinischen Beschwerdesymptomatik spreche außerdem, dass mit Aufgabe der beruflichen die Wirbelsäule belastenden Tätigkeit die Schmerzsymptomatik im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule nicht nachgelassen habe. Nachdem sich der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 16. Januar 1996 dieser Beurteilung angeschlossen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 1996 und Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1997 die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht weitere Unterlagen der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser beigezogen. Der Chirurg M. hat in seinem auf Veranlassung des Gerichts erstellten Gutachten vom 16. Februar 1998 nach Untersuchung des Klägers zunächst darauf verwiesen, dass die Berufsgruppen der Schlosser und Heizungsinstallateure nach allen vorliegenden Erkenntnissen nur grenzwertig wirbelsäulenbelastend tätig seien. Beim Kläger fänden sich eine Skoliose der Wirbelsäule, Reste einer Scheuermann’schen Erkrankung im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule, ein fortgeschrittener Verschleiß der Bandscheiben der Halswirbelsäule sowie ein Verschleißschadensbild der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule mit besonderer Betonung des Segments L5/S1. Das Verschleißschadensbild der beruflich nicht belasteten Halswirbelsäule zeige einen stärkeren Ausprägungsgrad als dasjenige der Lendenwirbelsäule. Während im Bereich der Lendenwirbelsäule die Segmente L2/3 und L3/4 noch Auswirkungen der durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung aufwiesen, zeige das Segment L4/5 normale Verhältnisse ohne degenerative Veränderungen und ohne Zwischenwirbelraumverschmälerung. Demgegenüber finde sich im Segment L5/S1 ein erheblicher Aufbrauch der Bandscheibe. Ein derartiger Segmentsprung wie im vorliegenden Fall lasse sich durch äußere Einwirkungen nicht erklären. Darüber hinaus spreche gegen einen beruflichen Zusammenhang, dass die unbelastete Halswirbelsäule zumindest ein gleich starkes Verschleißleiden wie die Lendenwirbelsäule aufweise.

Im Termin am 8. Juni 1998 hat das Sozialgericht den Orthopäden Dr. N. als weiteren Sachverständigen gehört. Dieser hat angegeben, dass entgegen den Ausführungen des Chirurgen M. beim Kläger eine tieflumbale Skoliose nicht vorliege. Das Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen und die Tatsache, dass sich solche in gleicher Intensität auch im Bereich der unbelasteten Halswirbelsäule fänden, machten es unwahrscheinlich, dass die Veränderungen an der unteren Lendenwirbelsäule belastungsbedingt entstanden seien.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. Juni 1998 abgewiesen. Bei einer beruflichen Verursachung des Wirbelsäulenleidens wären Veränderungen in allen Bewegungssegmenten zu erwarten, und zwar von unten nach oben abnehmend. Ein solches Schädigungsbild liege hier nicht vor. Darüber hinaus fänden sich auch in der Halswirbelsäule entsprechende Veränderungen, die nicht beruflich verursacht worden seien. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes lasse sich nicht wahrscheinlich machen, dass die Veränderungen an der unteren Lendenwirbelsäule belastungsbedingt entstanden seien.

Gegen das am 19. Juni 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 1998 Berufung eingelegt. Mit dieser macht er geltend, die Sachverständigen seien zu Unrecht davon ausgegangen, ein lediglich monosegmentaler Schaden sei nicht vereinbar mit einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Diese Auffassung sei nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht haltbar.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung zu gewähren, hilfsweise eine ergänzende Stellungnahme unter Berücksichtigung des Gutachtens und der Ausführungen von Dr. W1 im Termin am 11. August 2006 von Herrn Dr. B. nach § 106 SGG, weiter hilfsweise nach § 109 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Juni 1998 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage durch das Urteil vom 8. Juni 1998 zu Recht abgewiesen.

Das Landessozialgericht hat Befundberichte der Ärzte für Allgemeinmedizin Dr. S. (15. Juli 1999) und P. (16. Januar 2000) eingeholt.

Im Termin am 27. März 2002 ist die Chirurgin Dr. G1 als medizinische Sachverständige gehört worden, die den im Kläger am 5. Februar 2002 untersucht und das schriftliche Gutachten vom gleichen Tag eingereicht hat. In diesem Gutachten führt die Sachverständige als Diagnosen eine skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule und Beckenschiefstand bei Beinverkürzung links, Residuen einer Scheuermann’schen Erkrankung der oberen Lendenwirbelsäule, eine Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule mit Betonung des Segmentes L 5/S 1, fortgeschrittene degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule ab C 2/3 mit besonderer Betonung der Segmente C 6/C 7 sowie ein Impingementsyndrom des rechten Schultergelenkes auf. Sie weist darauf hin, dass die Belastungsvoraussetzungen für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV bei dem Kläger nicht vorlägen. Weiter führt sie aus, dass unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule überhaupt der Nachweis einer tatsächlichen Bandscheibenschädigung in den unteren Segmenten in Form einer Höhenminderung der betroffenen Bandscheiben sei. Darüber hinaus müssten sich Zeichen der spezifischen Belastung entsprechend dem Belastungsmuster von oben nach unten zunehmend in den übrigen Segmenten der Lendenwirbelsäule nachweisen lassen. Diese Zeichen bestünden in röntgenologisch nachweisbaren Verdichtungen an den Deck- und Tragplatten der Wirbelkörper (Osteochondrosen) und in Randkantenausziehungen an den Wirbelkörpern (Spondylosen). In den unteren Lendenwirbelsäulensegmenten seien beide Verdichtungsanzeichen, in den oberen Abschnitten unter Einschluss der unteren Brustwirbelsäulensegmente seien Spondylosen zu erwarten. Die Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule des Klägers vom 18. Mai 1993 zeige eine Höhenminderung des Bandscheibenraumes im Segment L 5/S 1 mit einer diskreten Osteochondrose und ohne Spondylosen. Der darüberliegende Bandscheibenraum L 4/5 sei normal weit und ohne Spondylose oder Osteochondrose. Der Bandscheibenraum L 3/4 sei leicht höhengemindert, eine stärkere Höhenminderung finde sich in dem darüberliegenden Segment L 2/3, hier wieder mit Osteochondrose und ganz geringen Spondylosen. In den Deck- und Bodenplatten des 12. Brustwirbels und der Lendenwirbel L 1 bis L 3 seien muldenförmige Vertiefungen mit leichtem Sklerosierungssaum im Sinne von Scheuermann’schen Residuen zu erkennen. Auf den Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule aus 1995 sei eine erhebliche Zunahme der Veränderungen im Segment L 5/S 1 zu erkennen mit jetzt fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylosen. Der Bandscheibenraum L 4/5 stelle sich weiterhin normal dar. Nach der Logik der von oben nach unten zunehmenden Belastung seien die stärksten Veränderungen in den unteren Segmenten zu erwarten und in den darüber liegenden Abschnitten eher die Anpassungsphänomene wie Spondylosen und je nach Ausprägung der Belastungen auch Osteochondrosen. Im Falle des Klägers stelle sich ein völlig anderes Muster dar. Die Bandscheibenschädigung im untersten Segment sei sehr deutlich ausgeprägt, im darüber liegenden Segment L 4/5 finde sich durchgängig ein Normalbefund, im Segment L 3/4 finde sich eine geringe Höhenminderung und im darüber liegenden Abschnitt L 2/3 seien die Veränderungen wiederum stärker ausgeprägt als im darunter liegenden Segment. Es fehlten in den oberen Segmenten die zu erwartenden Anpassungsphänomene durch Druckflächenvergrößerung (Spondylosen) und es finde sich eine ungleichmäßige Verteilung der Osteochondrosen als Zeichen der Druckbelastung. Das vorhandene Schadensbild und das Verteilungsmuster entsprächen nicht der Verteilung der einwirkenden Kräfte und könnten daher nicht als belastungskonform angesehen werden. Bei Fehlen eines belastungskonformen Schadensbildes könne aus gutachterlicher Sicht die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht empfohlen werden. Die Diskussion um den Ursachenanteil der in den Vorgutachten herausgearbeiteten konkurrierenden Faktoren erübrige sich. Eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV liege nicht vor.

Nachdem anschließend von klägerischer Seite die Studie "Belastungskonformität berufsbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" von Seidler u. a. aus dem Jahre 2001 eingereicht worden war, nach welcher weder ein monosegmentales Schadensbild noch das Fehlen der sogenannten Belastungskonformität ( im Sinne eines abnehmenden Ausmaßes der Schädigungen in Richtung der oberen Lendenwirbelsäule ) das Vorliegen einer Berufskrankheit ausschließt, ist auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das arbeitsmedizinische Gutachten vom 3. Dezember 2003 von Dr. B. nebst nervenärztlichem Zusatzgutachten von Dr. K. vom 18. August 2003 und orthopädischem Zusatzgutachten von Dr. S1 vom 11. August 2003 eingeholt und eine Magnetresonanztomographie der gesamten Wirbelsäule am 5. August 2003 durchgeführt worden.

Der Orthopäde Dr. S1 weist nach Untersuchung am 5. August 2003 darauf hin, dass die am 23. September 1993 durchgeführte Kernspintomographie keinen Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall, aber minimale Protusionen bei L 3/4 und L 4/5 sowie eine deutliche Protusion bei L 5/S1 ergeben habe. Nach den am 5. August 2003 gefertigten Röntgenaufnahmen fänden sich eine deutlich vermehrte Sklerosierung der beteiligten Wirbelkörper des Segmentes L 5/S1 mit deutlicher Verschmälerung des Wirbelkörperzwischenraumes sowie im Bereich des Segments L 2/3 eine beginnende ventrale Abstützungsreaktion. Im Ergebnis wird in dem Gutachten unter anderem ausgeführt, es lägen beim Kläger eine rechtskonkave thorakale Skoliose, ein chronisch rezidivierendes Lendenwirbelsäulensyndrom mit degenerativen Veränderungen des lumbosacralen Übergangs mit gelegentlicher Wurzelreizung L 5/S1 rechts, fortgeschrittene degenerative Veränderungen des cervico-thorakalen Überganges sowie Residuen einer Scheuermann’schen Erkrankung der oberen Lendenwirbelsäule vor. Die nativradiologische Untersuchung zeige eine hochgradige degenerative Veränderung des Segments L 5/S1 sowie eine mittelgradige degenerative Veränderung des Segments L 3/4, die dazwischen liegenden Segmente seien unauffällig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 v.H.

In dem Bericht über die Magnetresonanztomographie vom 5. August 2003 führt der Radiologe Dr. R. unter anderem aus, es finde sich eine fortgeschrittene Osteochondrose L 5/S1 mit nahezu vollständig aufgebrauchter Bandscheibe, ein flacher relativ frischer Bandscheibenvorfall L 4/5, eine Osteochondrose L 1/2 und L 2/3, eine Chondrose L 3/4 und Zeichen eines Morbus Scheuermann in den Segmenten Th 11/12 bis L 3/4. Die degenerativen Veränderungen in der Lendenwirbelsäule beschränkten sich im Wesentlichen auf das Segment L 5/S1, während die Segmente L 1/2 und L 2/3 nur geringe bis mäßig ausgeprägte Veränderungen zeigten. Die Degenerationszeichen an der Halswirbelsäule seien stärker ausgeprägt als an der Lendenwirbelsäule.

Der Nervenarzt Dr. K. kommt nach seiner Untersuchung am 5. August 2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger an degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule mit pseudoradikulären Schmerzen am rechten Arm, sowie der Lendenwirbelsäule mit Zeichen einer älteren Wurzelkompression der lumbalen Wurzeln L 2-4, rechts mehr als links, und der S1-Wurzel rechts und dadurch bedingt an einer Anpassungsstörung bei chronischen Schmerzen leide. Aufgrund des chronischen Schmerzerlebens bestehe eine MdE von 10 v.H.

In seinem Hauptgutachten kommt Privatdozent Dr. B. zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit einer MdE von 10 v.H. vorliege, weil - die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, - eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliege, - keine Hinweise für außerberuflich bedingte prädiskotische Deformitäten bestünden, - die gefährdende Tätigkeit im Mai 1993 aus gesundheitlichen Gründen habe aufgegeben werden müssen.

Entgegen der Auffassung von Dr. H. liege nicht lediglich eine monosegmentale Erkrankung vor. Zwar sei das Segment L 5/S1 am stärksten geschädigt. Jedoch hätten sich bei der jetzigen Untersuchung auch im Segment L 4/5 eine Chondrose mit Höhenminderung der Bandscheibe sowie eine Chondrose in den Segmenten L 3/4, L 2/3 und L 1/2 gefunden. Auch die Tatsache, dass beim Kläger die Halswirbelsäule stärker oder genauso geschädigt sei wie die Lendenwirbelsäule, spreche nicht gegen einen beruflichen Zusammenhang. Neuere Studien würden Anhaltspunkte dafür liefern, dass durch starke berufliche Wirbelsäulenbelastungen durch Heben und Tragen schwerer Lasten auch das Risiko erhöht werde, an degenerativen Veränderungen der Hals- und/oder Brustwirbelsäule zu erkranken.

Die abgelaufene Scheuermann’sche Erkrankung spreche ebenfalls nicht gegen eine Berufskrankheit. Zum einen liege bei dem Kläger nicht das Vollbild einer solchen Erkrankung vor. Zum anderen sei der Zusammenhang zwischen einem Morbus Scheuermann und der Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht gesichert. Bei dem Kläger liege auch keine relevante Lumbalskoliose vor, die als prädiskotische Deformität angesehen werden könnte. Entgegen der Auffassung von Dr. G1 spreche das Fehlen so genannter belastungsadaptiver Reaktionen nicht gegen eine Berufskrankheit. Es gebe keine epidemiologische Studie, der zu entnehmen sei, dass das erhöhte berufliche Risiko für die Entwicklung eines lumbalen Bandscheibenvorfalls gebunden sei an das Vorliegen so genannter belastungsadaptiver Veränderungen. Dr. G1 sei zuzustimmen, dass es beim Heben schwerer Lasten zu einer Druckbelastung auf die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule komme, die von oben nach unten zu nehmend sei. Im Gegensatz zur Annahme von Dr. G1 treffe dies auf die Ausprägung der degenerativen Veränderungen bei dem Kläger nach den Ergebnissen der jetzigen Begutachtung zu. In der Magnetresonanztomographie hätten sich die ausgeprägtesten degenerativen Veränderungen im Segment L 5/S1, geringere in dem darüber liegenden Segment L 4/5 und noch geringere in den wiederum darüber liegenden Segmenten gefunden.

Die Beklagte ist der Beurteilung von Dr. B. durch Einreichung der gutachterlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. L. vom 19. Februar 2004 entgegengetreten, nach welcher neben dem Bandscheibenschaden, der auch bei einem Anteil der Normalbevölkerung bestehen könne, Anhaltspunkte zur Differenzierung vorhanden sein müssten. Dazu gehöre ein adäquates Verteilungsmuster der Schäden an der Lendenwirbelsäule, die als Reaktion auf eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit entstünden und als Abgrenzungskriterium zu üblichen Alterungs- und Degenerationsprozessen entscheidend seien. Belastungstypische Schäden seien anzunehmen, wenn sie auch in den Bereichen der Wirbelsäule angetroffen würden, die einer besonderen Belastung ausgesetzt seien. Sie müssten also als Reaktionen auf eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit beurteilt werden können. Sie seien grundsätzlich nur dann auf eine berufliche Belastung zurückzuführen, wenn insbesondere die beiden unteren Segmente der Lendenwirbelsäule betroffen und die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule über das altersübliche Maß hin-ausgingen und von oben nach unten zunehmend ausgeprägt seien. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor.

Darüber hinaus hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres TAD vom 13. Februar 2004 eingereicht, in welcher die berufliche Wirbelsäulenbelastung des Klägers anhand des Mainz-Dortmund-Dosismodells (MDD) ermittelt wurde. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu seinen beruflichen Tätigkeiten, wie er sie gegenüber dem TAD bereits im August 1995 gemacht hatte, kommt diese Berechnung zu dem Ergebnis, dass in den Beschäftigungsverhältnissen, für die die Zuständigkeit der Beklagten gegeben ist, eine Lebensbelastungsdosis von 14,6 X 106 Nh vorgelegen habe und damit der Grenzwert nach dem MDD von 25 X 106 Nh bei weitem nicht erreicht sei.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. August 2004 hat Dr. B. unter anderem ausgeführt, dass er eine telefonische Befragung des Klägers am 10. August 2004 zu Einzelheiten der beruflichen Belastung durchgeführt habe. Unter Berücksichtigung der dabei erhaltenen Auskünfte und unter Herabsetzung der MDD-Richtwerte um 20 % ergebe sich eine Gesamtbelastung des Klägers von 36,7 X 106 Nh. Darüber hinaus ist Dr. B. in dieser Stellungnahme auf die Äußerungen von Dr. L. eingegangen und im Ergebnis bei seiner Auffassung geblieben, wonach aus medizinischer Sicht eine Berufskrankheit zu bejahen sei.

In seiner von der Beklagten eingereichten Stellungnahme vom 26. November 2004 hat der TAD kritisiert, dass Dr. B. eine telefonische Befragung des Klägers durchgeführt habe, obwohl dieser am 18. August 1995 persönlich befragt worden sei. Im Übrigen sei die von Dr. B. vorgenommene Beurteilung der Belastung nicht nachvollziehbar, weil sie nicht die Realität bei der Ausführung verschiedener praktischer Tätigkeiten berücksichtige.

Das Gericht hat zusätzlich Berechnungen der beruflichen Belastung nach dem MDD in den Betrieben, für die die Beklagte nicht zuständig ist, durch die Technischen Aufsichtsdienste der See-Berufsgenossenschaft, der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft sowie der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft angefordert. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass in den Zeiträumen 1. September 1953 bis 14. Oktober 1962 und 20. August 1968 bis 19. Januar 1973 keine die von der Beklagten ermittelte Gesamtbelastungsdosis erhöhenden Belastungen vorgelegen haben.

In der mündlichen Verhandlung am 11. August 2006 ist als weiterer Sachverständiger der Orthopäde Dr. W1 gehört worden, der den Kläger am 25. Juli 2006 untersucht und das Gutachten vom 31. Juli 2006 eingereicht hat. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule eine fortgeschrittene Spondylose und Spondylarthrose mit Bandscheibenzermürbung des Segmentes L 5/S1 vorliege. Bei Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Jahre 1993 sei der Kläger 54 Jahre alt gewesen. Es habe sich auf den nativradiologischen Aufnahmen damals eine nicht ausgeprägte Höhenminderung des Segments L 5/S1 und eine geringe Höhenminderung in den Segmenten L 2/3 und L 3/4 gefunden. Das Segment L 4/5 sei überhaupt nicht höhengemindert gewesen. Eine eindeutige Betonung der unteren drei Bewegungssegmente, die als wichtiges Kriterium eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung sprechen könne, habe nicht vorgelegen. Der zumindest gleichermaßen bestehende degenerative Befall der Halswirbelsäule spreche durchaus gegen einen Ursachenzusammenhang, wie auch die Tatsache, dass beim Kläger eine biomechanisch ungünstig eingreifende rechtskonvexe Thorakalskoliose sowie Zeichen einer durchgemachten Scheuermann’schen Erkrankung bestünden. In der Gesamtbeurteilung sei davon auszugehen, dass es sich bei den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht um eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV handele. Anlässlich seiner Erläuterungen im Termin am 11. August 2006 hat der Sachverständige auf Frage des Gerichts darauf hingewiesen, dass sich nach den 1993 gefertigten Röntgenbildern – die für die Beurteilung der Höhenminderung einer Bandscheibe aussagekräftiger seien als eine im Liegen durchgeführte Kernspintomographie – auch im am stärksten geschädigten Segment L 5/S1 eine nur geringe Höhenminderung von nicht einmal der Hälfte gefunden habe und deshalb von einem altersentsprechenden Befund auszugehen sei. Allerdings hätten die Veränderungen im Laufe der Zeit zugenommen, was durch die Ergebnisse der Untersuchungen 2003 und 2006 deutlich werde. Hinsichtlich der erhobenen Befunde stehe er im Einklang mit Dr. S1, der ebenfalls im Segment L 4/5 die geringsten Schäden festgestellt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 11. August 2006 aufgeführten Akten und Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers ( §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG ) ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 8. Juni 1998 die Klage abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Senats ist der Bescheid der Beklagten vom 7. März 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 rechtmäßig, da die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers in Form seiner Wirbelsäulenbeschwerden nicht Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind.

Auf diesen Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, da ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 im Streit ist (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz).

Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere bei Vorliegen einer MdE um wenigstens 20 v.H. Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die in der Anlage zur BKV aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Voraussetzung ist danach, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist ( sogenannte haftungsbegründende Kausalität ) und den Gesundheitsschaden verursacht hat ( sogenannte haftungsausfüllende Kausalität ). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette ( versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden ) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, ohne dass eine völlige Gewissheit zu fordern ist, genügt für den – doppelten – Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings ist die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht ausreichend. Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten.

Der Kläger gehört aufgrund seiner Beschäftigungen als Stahlbauschlosser und Heizungsmonteur, zuletzt seit Januar 1973 bei der Firma W. & F., zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis. Bei ihm liegen mit den Veränderungen der Lendenwirbelsäule auch Erkrankungen vor, die von der Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfasst werden. Allerdings ist schon fraglich, ob bei dem Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegen. Zwar ist der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 21. August 1995 unter Zugrundelegung der vom Kläger selbst gemachten Angaben zu den einzelnen Arbeiten von einer durchgehend von 1953 bis 1993 andauernden wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit ausgegangen, jedoch ist er in der unter dem 13. Februar 2004 vorgenommenen, die gleichen Angaben des Klägers berücksichtigenden Berechnung der Belastung nach dem MDD, das nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18. März 2003 (B 2 U 13/02 R) und 19. August 2003 (B 2 U 1/02 R) als geeignetes Verfahren für die Beurteilung der beruflichen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV angesehen wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Zeiträume von Oktober 1962 bis August 1968 und Januar 1973 bis Mai 1993 lediglich von einer den Grenzwert des MDD von 25 X 106 Nh bei weitem nicht erreichenden Lebensbelastungsdosis von 14,6 X 106 Nh ausgegangen werden kann. Da nach den Berechnungen der Seeberufsgenossenschaft, der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft sowie der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft während der zwischen August 1968 und Januar 1973 ausgeübten Tätigkeiten jeweils keine Tagesbelastungsdosis von 5500 Nh erreicht wurde, können diese Tätigkeiten die tatsächliche Lebensbelastungsdosis nicht weiter erhöhen mit der Folge, dass danach die arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt sind. Soweit Dr. B. in seiner Berechnung der Lebensbelastungsdosis zu einem Ergebnis von 36,7 X 106 Nh gelangt ist und die arbeitstechnischen Voraussetzungen damit als erfüllt ansieht, beruht dieser Umstand zum einen darauf, dass er bei seiner Berechnung telefonisch beim Kläger erfragte Angaben berücksichtigt, die nicht unerheblich von den gegenüber dem TAD gemachten abweichen und zum Teil – worauf der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 26. November 2004 zu Recht hinweist – nicht der Realität der Arbeitswelt entsprechen. Wenn Dr. B. zum Beispiel aufgrund der Angaben des Klägers, es seien Heizkörper mit einem Gewicht von 50 bis 200 kg zu transportieren gewesen, in seine Berechnung einen Mittelwert der genannten Gewichte von 125 kg einfließen lässt, widerspricht er seinen Ausführungen in dem ursprünglichen Gutachten vom 3. Dezember 2003, nach welchen die entsprechenden Gewichte immer zu zweit getragen wurden. Darüber hinaus berücksichtigt er nicht, dass der Kläger die jeweils zur Baustelle transportierten Materialien auch verarbeiten musste, die Verarbeitung erheblich länger andauert als der Transport und bei ihr erheblich geringere Belastungen als beim Transport auftreten. Der Ansatz von 220 Arbeitsschichten pro Jahr für Transportarbeiten erscheint deshalb aus technischer Sicht nicht realistisch. Zum anderen hat Dr. B. seiner Ermittlung der Lebensbelastungsdosis nicht die MDD-Richtwerte zu Grunde gelegt, sondern diese unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht, wonach es sich bei den Werten für die Druckkraft, die Beurteilungsdosis sowie die Gesamtdosis nicht um Grenzwerte, sondern lediglich um Orientierungswerte handelt, jeweils um 20 % herabgesetzt. Lediglich unter Herabsetzung des Wertes für die Druckkraft von 3200 N auf 2560 N und für die Beurteilungsdosis von 5500 N auf 4400 N gelangt er zu der ermittelten Lebensbelastungsdosis von 36,7 X 106 Nh, die die von ihm von 25 X 106 Nh auf 20 X 106 Nh herabgesetzte Gesamtdosis überschreitet. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der medizinische Sachverständige die MDD-Richtwerte bei seiner Berechnung auf einen willkürlichen Wert herabsetzt. Im Übrigen ist es zur Überzeugung des Senats zwar durchaus möglich, dass die bisher geltenden MDD-Richtwerte zu hoch sind. Allerdings werden sie bei einer jeweiligen Herabsetzung auf 80 % der bisherigen Werte für Druckkraft, Tagesbelastungsdosis und Gesamtdosis insgesamt um weit mehr als 20 % gemindert. Logisch könnte allenfalls erscheinen, den Wert für die zu berücksichtigende Druckkraft entsprechend herabzusetzen, was sich dann hinsichtlich der anderen Werte proportional auswirken würde. Letztlich kann die Frage nach der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen aber dahingestellt bleiben. Zur Überzeugung des Senats fehlt es nämlich auch bei deren Unterstellung nach dem Gesamtergebnis der durchgeführten Ermittlungen an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des wesentlich ( teil- ) ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Exposition und den beim Kläger aufgetretenen Erkrankungen der Lendenwirbelsäule und damit an der sogenannten haftungsausfüllenden Kausalität. Entgegen den Ausführungen Dr. B.s in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2003 reicht für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht aus, dass im konkreten Einzelfall die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt, keine Hinweise für außerberuflich bedingte prädiskotische Deformitäten bestehen und die gefährdende Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde. Vielmehr ist es für jeden Einzelfall darüber hinaus erforderlich, den Ursachenzusammenhang zwischen der beruflich bedingten Belastung und der Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit positiv festzustellen. Das Schadensbild der streitigen Berufskrankheit entspricht nämlich den Volkskrankheiten durch chronisch-degenerative Veränderungen der Bandscheiben. Es gibt kein hiervon eindeutig abgrenzbares belastungstypisches Krankheitsbild, sondern allenfalls ein belastungskonformes Wirbelsäulen-Schadensbild der Berufskrankheit. Dies wird unter anderem in der von klägerischer Seite eingereichten Studie von Seidler u.a. aus dem Jahre 2001 verkannt, nach welcher weder ein monosegmentales Schadensbild noch das Fehlen der sogenannten Belastungskonformität im Sinne eines abnehmenden Ausmaßes der Schädigungen in Richtung der oberen Lendenwirbelsäule das Vorliegen einer Berufskrankheit ausschließt. Wenn dem so wäre, gäbe es praktisch kein Abgrenzungskriterium für beruflich verursachte Lendenwirbelsäulenschäden von solchen, die auf chronisch-degenerativen Veränderungen beruhen, mit der Folge, dass niemals die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges mit einer belastenden Tätigkeit positiv festgestellt werden könnte. Dementsprechend weisen die von Dr. B. in seinem Gutachten bzw. seiner ergänzenden Stellungnahme mehrfach in Bezug genommenen Konsensempfehlungen ( Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Teil I), veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff ), die zur Überzeugung des Senats den aktuellen Stand der Wissenschaft zu dieser Frage wiedergeben, auch darauf hin, dass für die Anerkennung von entsprechenden Schäden als Berufskrankheit das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes Voraussetzung ist. Dieses wird beschrieben durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien a. Lebensalter beim Auftreten der Schädigung b. Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter c. Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule d. Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person e. Entwicklung einer Begleitspondylose (Randzackenbildung an den Wirbelkörpern). Danach sind Grundvoraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit zum einen eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und zum anderen eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss. Die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab. Erst bei Erfüllung dieser Grundvoraussetzungen ist abzuwägen, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist. Diese Abwägung hat unter folgenden Kriterien zu erfolgen: a. eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der Lendenwirbelsäule spricht für einen Ursachenzusammenhang, b. ein Befall der Hals- und/oder Brustwirbelsäule kann je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen, c. eine Aussparung der beiden unteren Lendenwirbelsäulensegmente spricht gegen eine berufliche Verursachung, d. eine Begleitspondylose muss über das Altersmaß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen, um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, e. bei monosegmentaler Höhenminderung im Röntgenbild ohne Begleitspondylose sprechen Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomo- graphischen Begleitbefunden eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist (vgl. zum ganzen Konsensempfehlungen, aaO, S. 216 f).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich zur Überzeugung des Senats ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der – dem Ausmaß nach unterstellten – beruflichen Belastung des Klägers und den bei ihm vorliegenden Wirbelsäulenschäden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Insoweit hat der medizinische Sachverständige Dr. W1 zu Recht ausgeführt, dass der Beurteilung der unmittelbar nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit erhobene Befund von 1993 zu Grunde zu legen ist. Diese Auffassung steht im Einklang mit den Konsensempfehlungen (aaO, S. 214). Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger 54 Jahre alt. Unter Berücksichtigung dieses Alters ist es schon fraglich, ob der 1993 erhobene röntgenologisch erhobene Befund seiner Ausprägung nach altersuntypisch war. Der Sachverständige Dr. W1 hat dies auf ausdrückliches Befragen durch das Gericht verneint und zur Begründung darauf hingewiesen, dass sich auf den nativradiologischen Aufnahmen von 1993 eine nicht ausgeprägte Höhenminderung des Segments L 5/S1, eine geringe Höhenminderung in den Segmenten L 2/3 und L 3/4 und keine Höhenminderung in dem Segment L 4/5 fänden. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen Dr. H. s, der in seinem Gutachten vom Oktober 1995 den erhobenen Befund als im Wesentlichen altersentsprechend bezeichnet hat und keinen vorauseilenden Verschleiß der Lendenwirbelsäulensegmente gegenüber den anderen Wirbelsäulenabschnitten feststellen konnte. Soweit Dr. B. in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2003 ausführt, das Ausmaß der Degeneration im Bereich der Lendenwirbelsäule sei als altersvorauseilend einzuschätzen, lässt sich diesem Gutachten eine Begründung für diese Einschätzung nicht entnehmen. Erst in der ergänzenden Stellungnahme vom 18. August 2004 weist dieser Sachverständige in anderem Zusammenhang darauf hin, dass nach den Konsensempfehlungen die Höhenminderung der Bandscheibe um mehr als ein Drittel, wie sie beim Kläger im Segment L 5/S1 vorliege, als altersuntypischer Befund anzusehen sei. Diese Beurteilung stützt sich ersichtlich auf den anlässlich der Begutachtungen im Jahre 2003 erhobenen Befund und berücksichtigt nicht, dass das Schadensbild bei Aufgabe der belastenden Tätigkeit erheblich geringer ausgeprägt war und sich erst unabhängig von einer beruflichen Belastung anschließend eine Verschlechterung eingestellt hat. Allerdings verkennt das Gericht nicht, dass die tätig gewordenen Sachverständigen das Ausmaß der von ihnen festgestellten Höhenminderung jeweils lediglich subjektiv beschrieben haben. Begriffe wie "ausgeprägte Verschmälerung" (Dr. H.), "erheblicher Aufbrauch" (M.), "deutliche Verschmälerung" (Dr. G1 und Dr. S1), "leicht höhengemindert, geringgradig höhengemindert, hochgradig höhengemindert" (Dr. R.) oder auch "nicht ausgeprägte Höhenminderung" (Dr. W1 im Gutachten vom 31. Juli 2006) lassen eine objektive Feststellung der tatsächlich bestehenden Höhenminderung der jeweils beschriebenen Bandscheibe nicht zu. Selbst die von Dr. W1 im Termin am 11. August 2006 verwendete Formulierung "geringe Höhenminderung von nicht mal zur Hälfte" lässt nicht konkret erkennen, ob die in den Konsensempfehlungen geforderte Höhenminderung um ein Drittel vorliegt. Der Begriff "nicht mal zur Hälfte" kann sowohl ein Drittel oder mehr als auch ein Viertel oder weniger umfassen. Trotz der danach bestehenden Ungewissheit bezüglich des genauen Ausmaßes der zu den jeweiligen Untersuchungszeitpunkten vorliegenden Höhenminderung der Bandscheibe insbesondere des Segments L 5/S1 und damit bezüglich der Frage, ob ein altersentsprechendes Schadensbild oder eine altersuntypische Schädigung vorliegt, bedurfte es insoweit keiner weiteren Ermittlungen des Gerichts.

Unabhängig von dieser Frage fehlt es nämlich an dem für die Annahme der Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges und damit die Anerkennung als Berufskrankheit erforderlichen belastungskonformen Schadensbild. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund des Gesamtergebnisses der durchgeführten Ermittlungen fest. Mit Ausnahme von Dr. B. haben alle während des Verfahrens gehörten Sachverständigen einschließlich der von Dr. B. herangezogenen Zusatzgutachter Befunde beschrieben, die sich nicht mit dem bei entsprechender beruflicher Belastung zu erwartenden Schadensbild in Einklang bringen lassen. So vermochte keiner der Sachverständigen bei dem Kläger eine Begleitspondylose als Positivkriterium für die Annahme eines Ursachenzusammenhanges festzustellen. Der Orthopäde Dr. S1 weist trotz der nach 1993 eindeutig eingetreten Verschlechterung der Schädigungen in seinem Gutachten vom 11. August 2003 ausdrücklich darauf hin, dass sich im Bereich der Wirbelsäule keine Spondylose zeigt. Erstmals Dr. W1 hat 2006 eine Spondylose des Segments L 5/S1 festgestellt, die wegen ihres Auftretens erst weit nach der bandscheibenbedingten Erkrankung nicht mehr als Begleitspondylose definiert werden kann. Darüber hinaus stellen alle Sachverständigen übereinstimmend an der Halswirbelsäule des Klägers ein zumindest gleich starkes Verschleißleiden wie an der Lendenwirbelsäule fest. Der Radiologe Dr. R. führt in seinem Zusatzgutachten vom 15. August 2003 darüber hinausgehend ausdrücklich und nachvollziehbar aus, dass in Zusammenfassung aller Veränderungen die Degenerationszeichen an der Halswirbelsäule stärker ausgeprägt sind als in der Lendenwirbelsäule. Nicht zu beanstanden ist, dass die Sachverständigen Dr. N., M. und Dr. G1 diesen Umstand als gegen den Ursachenzusammenhang zwischen den Lendenwirbelsäulenveränderungen und der beruflichen Belastung sprechendes Argument angesehen haben. Soweit Dr. B. dieser Einschätzung widerspricht und darauf verweist, dass durch schweres Heben und Tragen auch die Halswirbelsäule belastet und geschädigt werden könne, handelt es sich nicht um gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese Auffassung steht unter anderem im Widerspruch zu den von Dr. B. selbst in Bezug genommenen Konsensempfehlungen, nach welchen ein Befall der Halswirbelsäule, insbesondere wenn er stärker ausgeprägt ist als die Veränderungen der Lendenwirbelsäule und auch noch – wie im Falle des Klägers – mit einer klinischen Erkrankung einhergeht, je nach Fallkonstellation durchaus gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Dies gilt gleichermaßen für den Fall eines monosegmentalen Schadensbildes, auf welches insbesondere Dr. H., aber auch Dr. N. abgestellt hat. Zu Recht haben beide darauf hingewiesen, dass nach den 1993 erhobenen Befunden eine eindeutige bandscheibenbedingte Erkrankung lediglich in dem Segment L 5/S1 festzustellen war. Zutreffend hat Dr. N. unter Hinweis auf die nicht einheitliche Auffassung in der Literatur dargelegt, dass ein derartiges Verteilungsmuster aus biomechanischen Gründen nicht als belastungskonform angesehen werden kann. Damit steht er im Einklang zu den Ausführungen in den Konsensempfehlungen, nach welchen bei einer monosegmentalen Chondrose im Röntgenbild ohne Begleitspondylose nach Überschreiten des 45. Lebensjahres Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomographischen Begleitbefunden in anderen Segmenten eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit sprechen. Letztlich haben bis auf Dr. B. alle Sachverständigen übereinstimmend festgestellt, dass das Segment L 4/5 beim Kläger praktisch nicht von den degenerativen Veränderungen betroffen ist und deshalb keine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten, sondern vielmehr eine Aussparung eines der beiden unteren Segmente der Lendenwirbelsäule vorliegt. Allein Dr. B. beschreibt auf Seite 37 f seines Gutachtens vom 3. Dezember 2003 das Vorliegen gleichmäßig von unten nach oben abnehmender degenerativer Veränderungen. Woraus er dieses ableitet, wird allerdings nicht ersichtlich. In dem auf seine Veranlassung von Dr. S1 erstellten Zusatzgutachten weist dieser Orthopäde ausdrücklich darauf hin, dass eine hochgradige degenerative Veränderung des Segments L 5/S1 sowie eine mittelgradige degenerative Veränderung die Segments L 3/4 vorliegen, das dazwischen liegende Segment aber unauffällig ist. Auch das Ergebnis der Magnetresonanztomographie vom 5. August 2003, auf die Dr. B. seine Einschätzung ausdrücklich stützt, wird von dem Radiologen Dr. R. in dem Zusatzgutachten vom 15. August 2003 dahingehend bewertet, dass sich deutliche degenerative Veränderungen in der Lendenwirbelsäule weitgehend auf das Segment L 5/S1 beschränken, während die Segmente L 1/2 und L 2/3 nur geringe bis mäßig ausgeprägte Veränderungen zeigen. Bei einem belastungskonformen Schadensbild zu erwartende Veränderungen, die geringer sind als im Segment L 5/S1, aber stärker ausgeprägt als im Segment L 2/3, in den Segmenten L 3/4 und insbesondere L 4/5 werden von Dr. R. in keiner Weise erwähnt. Diese Beurteilung steht im Einklang mit derjenigen von M. und Dr. G1, die in ihren Gutachten mehrfach darauf hingewiesen haben, dass das Segment L 4/5 sowohl 1993 als auch 1995 einen Normalbefund aufweist und auch im Segment L 3/4 geringere Veränderungen vorliegen als im Segment L 2/3. Zutreffend hat deshalb Dr. W1 in seinem Gutachten und auch im Termin am 11. August 2006 dargelegt, dass das Segment L 4/5 bei Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Jahr 1993 noch keine und nach der zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des gesamten Wirbelsäulenleidens im Jahr 2006 auch nur geringe degenerative Veränderungen aufweist. Ebenfalls zu Recht hat er dabei darauf verwiesen, dass seine Befunderhebung und -beurteilung insbesondere in Bezug auf das Segment L 4/5 völlig im Einklang steht mit derjenigen von Dr. S1 im Jahr 2003, und zusätzlich beide bestätigt werden durch das Ergebnis der Magnetresonanztomographie vom 5. August 2003. Unter Berücksichtigung dieser eindeutigen und völlig übereinstimmenden Befunderhebungen vermag die Einschätzung von Dr. B., wonach ein gleichmäßig von unten nach oben abnehmendes Schadensbild vorliegen soll, in keiner Weise zu überzeugen.

Nach alledem ist keines der in den Konsensempfehlungen aufgeführten, für einen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der beruflichen Belastung sprechenden Kriterien gegeben, während andererseits mit dem zumindest 1993 noch vorliegenden monosegmentalen Befall, insbesondere aber dem durchgehend festgestellten Normalbefund im Segment L 4/5 gewichtige gegen einen solchen Zusammenhang sprechende Argumente erfüllt sind. Bei einer Gesamtabwägung kann deshalb der ursächliche Zusammenhang der Lendenwirbelsäulenerkrankung mit der vorangegangenen beruflichen Belastung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Der Senat hatte keine Veranlassung, dem Hilfsantrag des Klägers entsprechend eine weitere Stellungnahme nach § 106 oder § 109 SGG von Dr. B. einzuholen. Zur Überzeugung des Senats war der der Entscheidung zu Grunde zu legende Sachverhalt vollständig aufgeklärt. Weder ist ersichtlich noch wurde vom Kläger auch nur ansatzweise vorgetragen, welche weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse durch die Einholung noch einer Stellungnahme hätten gewonnen werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG noch die des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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