L 7 KA 44/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 116/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 44/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung, mit dem vertragsärztliches Honorar in Höhe von 1.038.047,36 DM zurückgefordert wurde.

Der Kläger, eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, war bis zum Jahre 1991 Träger des Dr. S-A-Krankenhauses in B (im Folgenden Krankenhaus genannt). Im Jahre 1992 wech-selte das Krankenhaus in die Trägerschaft eines freien Trägers, die in dem Krankenhaus betrie-benen zwei Polikliniken verblieben jedoch bis zum Jahre 1994 in der Trägerschaft des Klägers. Die beiden Polikliniken erbrachten unter den separaten Abrechnungsnummern Nr. 72-75016 und Nr. 72-75343 vertragsärztliche Leistungen. Bis zum ersten Quartal des Jahres 1991 erteilte die Beigeladene die Honorarbescheide für diese Polikliniken. Ab dem 2. Quartal des Jahres 1991 erfolgte die Honorargewährung durch die Beklagte, wobei aber erst ab dem dritten Quar-tal des Jahres 1991 auch die Zahlungen durch die Beklagte selbst vorgenommen wurden.

Im Verlaufe des dritten Quartals des Jahres 1991 erhielt der Kläger für die Polikliniken drei Abschlagszahlungen, deren Summe sich auf 2.954.733,0 DM belief. Am 14. Januar 1992 er-folgte durch die Beklagte an das Krankenhaus eine Zahlung von 2.309.965,02 DM. Ausweis-lich des dazu gehörigen Kontoauszuges, der ebenfalls an das Krankenhaus adressiert war, wa-ren u. a. folgende Buchungen vorgenommen: mit dem Zusatz "aus 2/91" insgesamt 1.134.070,24 DM, mit dem Zusatz "1/91 (15161005) 75016" insgesamt 1.175.745,76 DM und mit dem Buchungszusatz "von-75016-1/91" insgesamt 149,02 DM. Die drei vorgenannten Zahlbeträge, die sich auf insgesamt 2.309.965,02 DM addieren, waren in der Spalte Haben des Kontoauszuges eingetragen. Dem gegenüber war die bereits genannte Zahlung vom 14. Januar 1992 mit dem identischen Zahlbetrag in die Spalte Soll eingetragen.

Die Beklagte erteilte den Polikliniken Honorarbescheide für das Quartal III/1991, und zwar getrennt nach den jeweiligen Abrechnungsnummern 72-75016 bzw. 72-75343 sowie dort je-weils erneut getrennt nach Primärkassen und nach Ersatzkassen. Hieraus ergab sich für die Einrichtung mit der Abrechnungsnummer 72-75016 der Betrag von 1.578.786,02 DM und für die Einrichtung mit der Abrechnungsnummer 72-75343 der Betrag von 325.757,96 DM, zu-sammen insgesamt 1.904.543,98 DM. Nach Erhalt dieser Abrechnungen zahlte der Kläger am 11. März 1992 an die Beklagte insgesamt 1.050.189,19 DM zurück.

Nach einer weiteren Prüfung der Zahlungen im Jahre 1994 gelangte die Beklagte zu der Ein-schätzung, im Hinblick auf die vorgenommenen Überweisungen sei der Kläger hinsichtlich der beiden Polikliniken im Jahre 1991 überzahlt worden. Mit Bescheid vom 7. März 1994 forderte die Beklagte vom Kläger deshalb den Betrag von 1.038.047,36 DM zurück und wies den Wi-derspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 1995 mit der Begründung zurück, der Klä-ger habe im III. Quartal 1991 mehr Honorar erhalten als ihm zugestanden habe.

Das hiernach durch den Kläger angerufene Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 13. Juni 2001 die vorgenannten Bescheide aufgehoben: Weder aus den angefochtenen Bescheiden noch aus den von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen lasse sich eine nachvoll-ziehbare und überprüfbare Darstellung sachlich oder rechtlich nicht gerechtfertigter Honorar-zahlungen für ärztliche Leistungen in den Quartalen II/91 und IV/91 entnehmen. Es lasse sich den Rechnungszusammenstellungen nicht abschließend entnehmen, in welcher Höhe Honorar-ansprüche entstanden seien. Die Überzahlung lasse sich auch nicht dem dritten Quartal 1991 zuordnen. Aus rechtsstaatlichen Gründen müssten Rückforderungsbescheide aber eindeutig nachvollziehbar sein. Dies fehle im vorliegenden Fall, weshalb die Rückforderungsbescheide aufzuheben seien.

Gegen dieses ihr am 6. Juli 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juli 2001 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, es liege eine Überzahlung für das Quartal III/1991 vor. Diese ergebe sich aus einem Vergleich der Abschlagszahlungen einerseits und der Honorarbescheide andererseits. Die nach den beiden Polikliniken sowie jeweils nach Primärkassen und nach Er-satzkassen getrennten Rechnungszusammenstellungen seien als Honorarbescheide zu werten. Bei den Abschlagszahlungen müsse berücksichtigt werden, dass die Zahlung vom 14. Januar 1992 nicht nur auf die Quartale I und II aus 1991, sondern darüber hinaus auch auf das Quartal III/1991 bezogen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2001 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen,

hilfsweise,

der Beklagten Gelegenheit zu geben, zu den vom Gericht gegebenen mündlichen Hin-weisen zur Rechtslage sowie zu der Frage, ob im Wege der Widerklage eine Leistungs-klage über den streitigen Betrag erhoben werden soll, sich innerhalb einer Frist von ei-nem Monat zu äußern.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, die Rechnungszusammenstellungen für das Quartal III/1991 seien nicht als Honorarbescheide zu qualifizieren. Eine Überzahlung für das Quartal III/1991 sei weiterhin durch die Beklagte nicht nachvollziehbar belegt worden.

Die Beigeladene stellt keine Anträge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift zum Termin zur Er-örterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatter vom 19. Mai 2006 sowie die Verwaltungs-akten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung die streitbefangenen Bescheide der Beklagten aufgehoben, denn diese sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Ein Rückforderungs-anspruch steht der Beklagten gegen den Kläger nicht zu.

1. Regelungsgegenstand der angefochtenen Bescheide ist allein die Rückforderung des Betra-ges von 1.038.047,36 DM für das III. Quartal 1991. Zwar hat der Ausgangsbescheid noch kei-ne ausdrückliche Festlegung auf ein bestimmtes Abrechnungsquartal vorgenommen, dies hat jedoch der Widerspruchsbescheid, der dem angefochtenen Bescheid die endgültige Gestalt verliehen hat, präzisiert. Denn ausweislich des Widerspruchsbescheides erstreckte sich die Rückforderung ausschließlich auf zu viel gezahltes Honorar für das III. Quartal 1991. Dieser Bescheidinhalt, der nach dem objektiven Erklärungswert des Bescheides eindeutig ist, ent-spricht im Übrigen auch der subjektiven Willensrichtung der Beklagten. Diese hat noch in dem vorgenannten Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 19. Mai 2006 ausdrücklich erklärt, es gehe um Überzahlungen im III. Quartal 1991. Allein hierauf erstreckt sich der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchbescheides; sofern im Hinblick auf andere Abrech-nungsquartale Überzahlungen eingetreten sein sollten, ist dies nicht Regelungsgegenstand der angefochtenen Verwaltungsakte gewesen und war auch weder vom Sozialgericht noch vom Senat zu prüfen.

2. Die Voraussetzungen des hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes. Buch (SGB X) sind nicht erfüllt. Nach § 50 Abs. 2 SGB X sind Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Zwar haben diese Voraussetzungen ursprünglich vorgelegen. Denn die Beklagte hat gegenüber dem Kläger für das III. Quartal 1991 ursprünglich Leistungen in Höhe von 1.050.189,19 DM zu Unrecht erbracht. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der hier maßgeblichen, durch die Honorarbescheide festgeschriebenen Honorarsumme von insgesamt 1.904.543,98 DM mit den im Quartal III/1991 erfolgten Abschlagzahlungen. In diesem Quartal erfolgten insgesamt 3 Ab-schlagszahlungen, die Gesamtsumme der hierdurch geleisteten Zahlungen belief sich auf 2.954.733,00 DM und überstieg damit den tatsächlichen Honoraranspruch des Klägers für das III. Quartal 1991 um exakt 1.050.189,19 DM. Insoweit wurde die überhöhte Leistung auch ohne Verwaltungsakt erbracht, denn im Hinblick auf die erfolgten Abschlagzahlungen hatte die Beklagte keine Verwaltungsakte erlassen.

Jedoch ist der ursprünglich nach § 50 Abs. 2 SGB X bestehende Rückforderungsanspruch der Beklagten durch Erfüllung erloschen. Denn der Kläger hat den Differenzbetrag von 1.050.189,19 DM mit Überweisungsträger vom 11. März 1992 an die Beklagte (und nicht etwa an die Beigeladene) überwiesen. Der Eingang dieses Zahlbetrages erfolgte bei der Beklagten am 13. März 1992 und bewirkte die vollständige Tilgung der Rückzahlungsverpflichtung des Klägers für das Quartal III/1991.

Sonstige Überzahlungen sind entgegen der Auffassung der Beklagten für das Quartal III/1991 nicht erfolgt. Dies folgt bereits aus dem von der Beklagten selbst erstellten Kontoauszug an den Kläger für das Quartal IV/1991, denn dort ist exakt der vorgenannte Überzahlungsbetrag von 1.050.189,19 DM als Übertrag vermerkt, so dass auch die Beklagte zu diesen Zeitpunkt davon ausging, dass sich die Überzahlung für das vorgenannte Quartal III/1991 auf diesen Zahlbetrag beschränkte. Soweit die Beklagte nunmehr geltend macht, die am 14. Januar 1992 an den Kläger veranlasste Zahlung in Höhe von 1.175.894,76 DM sei als Zahlung für das Quartal III/1991 zu bewerten, kann dem nicht gefolgt werden. In dem Kontoauszug für das Quartal I/1992 ist eine Zahlung an den Kläger vom 14. Januar 1992 in Höhe von 2.309.965,02 DM ausgewiesen. Ausweislich der im Tatbestand genannten Vermerke auf dem Kontoauszug konnte nach objektivem Erklärungswert diese Zahlung aber insgesamt nur so verstanden wer-den, dass sie auf Honoraransprüche für das Quartal II/1991 in Höhe von 1.134.070,24 DM und für das Quartal I/1991 in Höhe von 1.175.745,76 DM sowie eine weitere Zahlung in Höhe von 149,02 DM ebenfalls für das Quartal I/1991 bezogen war. Der Kontoauszug lässt hingegen an keiner Stelle objektive Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Leistungsanteile in Höhe von 1.175.894,76 DM, die in dem Gesamtbetrag von 2.309.965,02 DM aus Sicht der Beklagten enthalten waren, für das Quartal III/1991 bestimmt gewesen sind. Selbst wenn – was vor-liegend auch nicht feststellbar ist – die Beklagte subjektiv der Ansicht gewesen sein sollte, die-ser Teilbetrag sei für das Quartal III/1991 bestimmt gewesen, kommt dem keine maßgebliche Bedeutung im Rechtssinne zu. Denn maßgeblich ist nicht der subjektive Wille des Leistenden, sondern der objektive Erklärungswert seiner Leistung. Ein objektiver, typisierend betrachten-der Leistungsempfänger konnte auch anhand des Kontoauszuges für das Quartal I/1992 nicht annehmen, darin sei ein Teilbetrag für das Quartal III/1991 enthalten.

3. Der Senat sah auch keine Veranlassung, die von der Beklagten hilfsweise beantragte Frist zur Gelegenheit einer Äußerung einzuräumen. Soweit die Beklagte eine Äußerungsfrist dahin-gehend beantragt, zu den von Gericht gegebenen mündlichen Hinweisen zur Rechtslage weiter vorzutragen, sah der Senat schon deswegen keine Veranlassung, diesem Begehren nachzu-kommen, weil die Beklagte bereits im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom Bericht-erstatter am 19. Mai 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es allein um Über-zahlungen für das Quartal III/1991 gehe und dass insoweit geklärt werden müsse, ob die Zah-lung vom Januar 1992 auf das Quartal III/1991 bezogen sei. Es ist nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden, was sie noch vortragen möchte, um eine Über-zahlung für das Quartal III/1991 zu belegen.

Soweit die Beklagte eine Erklärungsfrist begehrt hat, um darüber zu entscheiden, ob sie im Wege der Widerklage eine Leistungsklage über den streitigen Betrag erheben solle, sah der Senat ebenfalls keine Veranlassung für die Einräumung einer Erklärungsfrist. Auch hier ist für den Senat nicht erkennbar, welches schützenswerte Begehren die Beklagte verfolgt. Bereits in ihrem Schriftsatz vom 25. Juli 2006 in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hatte die Beklagte eine hilfsweise zu erhebende Widerklage für den Fall angekündigt, dass die Berufung wegen der fehlenden Befugnis der Beklagten zur Erteilung eines Rückforderungsbescheides zurückgewiesen werden sollte. Der Senat hat jedoch die Berufung nicht wegen einer fehlenden Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes zurückgewiesen, sondern allein deshalb, weil eine Überzahlung für das hier allein streitbefangene Quartal III/1991 nicht festgestellt werden konn-te. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, welchem prozessualen Ziel die hilfsweise Er-hebung einer Widerklage hätte noch dienen können. Soweit die Beklagte möglicherweise beab-sichtigt haben sollte, gegebenenfalls eine Widerklage im Hinblick auf eine Überzahlung eines anderen Abrechnungsquartals zu erheben, hätte sie hierzu im Verlaufe des Prozesses bis hin zur mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit gehabt. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht erkennen lassen, ob für ein anderes Abrechnungsquartal eine Überzahlung konkret feststellbar ist und dass insoweit eine Widerklage ernstlich in Betracht kommen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
Saved