L 14 R 4162/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 505/02 WG
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4162/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 30/07 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Wirksamkeit einer Klagerücknahme im Klageverfahren über die Gewährung einer vorzeitigen Altersrente.

Die im Jahre 1939 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin lebt seit 1980 in Deutschland. Sie ist hier als Asylberechtigte anerkannt. Mit Bescheid vom 26.09.1985 hatte die Beklagte die Anerkennung der in der Sowjetunion zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten der Klägerin im Rahmen der deutschen Rentenversicherung abgelehnt, da die Klägerin nicht zum berechtigtem Personenkreis nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gehöre.

Den am 08.07.1999 gestellten Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. auf Altersrente für Frauen (§§ 38, 39 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19.08.1999 ebenfalls abgelehnt, da die erforderliche Wartezeit von 15 Jahren nicht erfüllt sei. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese Berücksichtigung der in der Sowjetunion verbrachten Versicherungszeiten begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2000 - bei gleichzeitiger Überprüfung des Bescheides vom 26.09.1985 - zurück. Die Klägerin gehöre nicht zum Personenkreis der Vertriebenen im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), desgleichen seien nicht die Voraussetzungen des § 17a FRG in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 gegeben, da die Klägerin nicht Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sei. Auch die Zugehörigkeit zum Judentum oder zum deutschen Sprach- und Kulturkreis sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) machte die Klägerin geltend, einer Verfolgten im Sinne des § 1 BEG "gleichwertig" zu sein, so dass Zeiten nach dem FRG zur Anrechnung kämen. In der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2002 erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin nach Erörterung des Sach- und Streitstandes, er nehme im Einvernehmen mit der Klägerin die Klage zurück, es werde nunmehr bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt.

Die Klägerin focht mit einem am 25.03.2002 eingegangenen Schreiben diese Klagerücknahme mit der Begründung an, sie sei zur Rücknahme gezwungen worden; als Schwerhörige habe sie nicht gut verstanden; es habe im Gerichtssaal eine Verschwörung stattgefunden. Sie begehrte die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens.

Ihren in der Folgezeit gegen den zuständigen Richter gestellten Befangenheitsantrag wies der 5. Senat des BayLSG mit Beschluss vom 29.03.2004 zurück. In der Begründung des Beschlusses heißt es u.a., bei dem Vorbringen zur Begründung der Befangenheit handle es sich nicht um konkret fassbare, objektive Tatsachen, sondern um rein subjektive und daher rechtlich nicht überprüfbare, unbeachtliche Befindlichkeiten der Klägerin ... Diese könne nicht durch eigenes Handeln - wie durch völlig absurde und haltlose Beleidigungen - den Befangenheitssachverhalt selbst schaffen und das Ausscheiden eines ihr missliebigen Richters aus dem Prozess erzwingen ... Sowohl die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2002 als auch die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters sprächen entschieden dagegen, dass die Klägerin zur Klagerücknahme gezwungen worden sei ... Der - dem Rechtsmissbrauch bereits sehr nahe kommende - Befangenheitsantrag sei daher als in jeder Hinsicht unbegründet zurückzuweisen.

In der erneut anberaumten mündlichen Verhandlung beantragte die in Abwesenheit ihres Bevollmächtigten ihre Interessen selbst vertretende Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der beantragten Altersrente.

Das SG stellte mit Urteil vom 18.06.2004 fest, dass das Klageverfahren S 13 RA 259/00.WG durch die Klagerücknahme im Termin vom 22.03.2002 erledigt sei. Es legte ausführlich dar, dass die Klägerin in dem genannten Termin mit ihrem laut schriftlicher Vollmacht vom 02.03.2000 bevollmächtigten Anwalt vertreten gewesen sei und dieser auf Grund der Erörterung der Sach- und Rechtslage die eindeutige, den gesamten Streitgegenstand erfassende Erklärung abgegeben habe, dass die Klage im Einvernehmen mit der Klägerin zurückgezogen werde. Die Erklärung sei in die Niederschrift aufgenommen und genehmigt worden. Es handle sich dabei um eine Prozesshandlung, die nachträglich weder widerrufen noch wegen Willensmängeln angefochten werden könne. Ob insoweit im Ausnahmefall einer widerrechtlichen Erzwingung der Klagerücknahme durch Drohung etwas anderes zu gelten habe, könne dahingestellt bleiben. Ein irgendwie gearteter Zwang oder eine Drohung sei nicht ausgeübt worden. Zur Klagerücknahme habe geführt, dass die Voraussetzungen des § 1 FRG und auch die der §§ 20 WGSVG, 17a FRG, die ebenfalls zur Anwendbarkeit der Vorschriften des Fremdrentengesetzes hätten führen können, offensichtlich nicht vorlagen. Die Klägerin sei nicht als Vertriebene anerkannt, sie sei nicht heimatlose Ausländerin im Sinne des Gesetzes vom 25.04.1951; bezüglich der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis im Zeitpunkt des Verlassens der ehemaligen Sowjetunion habe die Klägerin selbst in einem früheren Schreiben an die Beklagte geäußert: "Sie wissen doch, dass ich in meinem Herkunftsgebiet dem deutschen Sprach- und Kulturkreis nicht angehört habe". Alle anderen wirren Behauptungen über Folter, Verschwörung und dergleichen seien unsinnig; ein weiteres Eingehen darauf ebenso wie auf beleidigende Äußerungen von Seiten der Klägerin werde nicht für erforderlich gehalten.

Im Übrigen seien auch weder Nichtigkeits- noch Restitutionsgründe im Sinne der Wiederaufnahme eines Verfahrens gegeben.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses Urteil. Sie führt im Wesentlichen aus, die frühere Erklärung über die mangelnde Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis im Herkunftsgebiet habe unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, die zu der Erklärung geführt hätten, ausgelegt werden müssen.

Unter erneuter Darlegung ihrer damaligen Lebensumstände und der politischen Situation in der früheren Sowjetunion beantragte die Klägerin hilfsweise außergerichtlich eine Überprüfung der Zugehörigkeit der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch die Beklagte.

Diese verwies zunächst darauf, dass im vorliegenden Berufungsverfahren nach Klagerücknahme kein Raum für die Abhandlung materiell-rechtlicher Fragen sei. Mit Überprüfungsbescheid vom 11.07.2005 lehnte die Beklagte schließlich eine Rücknahme der Bescheide vom 19.08.1999 und 26.09.1985 ab. Sie verneinte eine Zugehörigkeit der Klägerin zum Personenkreis des § 17a FRG als Voraussetzung für die Berücksichtigung von Zeiten der Beschäftigung in der ehemaligen Sowjetunion nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.06.2004 sowie der Bescheide vom 19.08.1999 und 26.09.1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2000 zu verurteilen, ihre in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten in der deutschen Sozialversicherung als Versicherungszeiten anzurechnen und die gesetzlichen Leistungen aufgrund der gestellten Anträge zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 27.11.2006 hat der Senat auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen und die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs.4 SGG angehört.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die beigezogenen Beklagtenakten sowie die Akten S 13 RA 259/00.WG des Sozialgerichts München und L 5 AR 31/04 RA des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet. Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten darüber durch Beschluss gemäß § 153 Abs.4 SGG entscheiden.

Zu Recht hat das Erstgericht festgestellt, dass das Verfahren S 13 RA 259/00.WG durch Klagerücknahme seine Erledigung gefunden hat. Die entsprechende Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2002 ist rechtswirksam. Sie kann als Prozesshandlung nicht nachträglich widerrufen oder wegen Willensmängeln angefochten werden, wie das Erstgericht bereits ausführlich und zutreffend dargelegt hat.

Darüberhinaus liegt auch nach den Feststellungen des Senats der von der Klägerin behauptete Sachverhalt einer Erzwingung der Klagerücknahme durch Anwendung von Drohung und Zwang seitens des Gerichts oder gar in Folge einer Verschwörung gegen sie nicht vor. Es wird insoweit auf die Ausführungen des 5. Senats des Bayer. Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 29.03.2004 Bezug genommen, denen der jetzt zuständige Senat im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung bei Berücksichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22.03.2002 und der dienstlichen Stellungnahme des wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Kammervorsitzenden vom 01.03.2004 vollständig zustimmt. Das Vorbringen der Klägerin ist auch nicht entfernt glaubhaft, teilweise absurd und im Übrigen als subjektive Schutzbehauptung zu werten.

Da auch die Voraussetzungen der §§ 179, 180 SGG für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben sind, hatte die Berufung keinerlei Aussicht auf Erfolg.

Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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