L 5 B 833/06 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 635/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 833/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 15.09.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Beitragspflicht in Höhe von 34,71 EUR monatlich zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 27.045,93 EUR.

Der 1940 geborene, bei der Antragsgegnerin kranken- und pflegeversicherte Antragsteller erhielt zum 01.11.2005 von der A. Lebensversicherungs-AG eine Kapitallebensversicherung in Höhe von 27.045,93 EUR ausbezahlt. Mit Bescheid vom 14.06.2006 stellte die Antragsgegnerin die Beitragspflichtigkeit dieser Zahlung ab 01.12.2005 in Höhe von 30,88 EUR zur Krankenversicherung sowie in Höhe von 3,83 EUR zur Pflegeversicherung (Summe: 34,71 EUR) fest. Parallel zum dagegen erhobenen Widerspruch vom 04.07.2006 hat der Antragsteller am 31.07.2006 beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid anzuordnen. Es verstoße gegen das Verfassungsrecht, eine Lebensversicherung, welche rein privat finanziert worden sei, zur Beitragspflicht heranzuziehen. Diese quasi "räuberische Maßnahme" verletze sein Eigentumsrecht. Zudem würde bei einer Vollstreckung des Beitragsbescheides seine Liquidität unzulässigerweise in erheblichem Maße beeinträchtigt.

Mit Beschluss vom 15.09.2006 hat das Sozialgericht Würzburg den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung sei es verfassungsrechtlich nicht bedenklich, ausbezahlte Kapitallebensversicherungen der Beitragspflicht zugrunde zu legen. Es fehle somit an einer Erfolgsaussicht des Widerspruchsverfahrens und infolge davon an einem Anordnungsanspruch. Auch sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, dass die Liquidität des Klägers erheblich herabgesetzt werde und eine existenzielle Notlage entstehe, seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt mit der Begründung, er habe während seines Erwerbslebens stets den Beitrag aus der Beitragsbemessungsgrenze zur Krankenversicherung geleistet, so dass die Antragsgegnerin maximal von seinem Arbeitslohn profitiert habe. Die streitauslösende Lebensversicherung sei somit einer reinen privaten Kapitallebensversicherung ohne Bezug zum Arbeitsleben gleichzustellen. Zudem verstoße die Beitragspflicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit, den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Eigentumsrecht und gegen die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung. Die der Beitragspflicht zugrunde liegende Norm verletze den Vertrauensgrundsatz, weil sie ohne Übergangsvorschriften und ohne Härtefallregelung ergangen sei.

Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung der Beschwerde beantragt, weil die angegriffene Entscheidung zutreffend sei. Zu verweisen sei auf einen Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 21.07.2005.

Mittlerweile ist das Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg anhängig (S 15 KR 701/06).

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet.

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86b SGG auf Antrag vorläufigen Rechtsschutz gewähren. Bei gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in Anfechtungssachen - wie vorliegend gegen den streitigen Beitragsbescheid vom 14.06.2006 - kann die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise angeordnet werden, § 86b Abs.1 Nr.2 SGG. Die entsprechende Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts und erfordert eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange bei Gewährung oder Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist anzunehmen, falls sich ohne Weiteres und in jeder vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg verspricht (BT-Drs.14/5943 unter Bezug auf Bundesverfassungsgericht NJW 1974, 1294).

Bei der gegebenen Interessensabwägung ist nicht statisch, sondern dynamisch vorzugehen. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs werden umso größer, je geringere Folgen die Verwaltungsmaßnahme nach sich ziehen kann oder je leichter sie rückgängig gemacht werden könnte. Erweisen sich die Rechtsfolgen als besonders schwerwiegend, muss an die Anforderung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs regelmäßig ein geringerer Maßstab angelegt werden.

Im Rahmen der für das Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ergibt sich kein Anlass, dem Begehren des Antragstellers stattzugeben, wie das Sozialgericht Würzburg in dem angegriffenen Beschluss vom 15.09.2006 zutreffend entschieden hat. Es ist für den Senat bereits nicht erkennbar, dass die Beitragsmehrbelastung des Antragstellers von 34,71 EUR monatlich diesen in einer erheblichen Weise belastet, welche nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger stets Erwerbseinkommen über der Entgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen, zudem hat er zum 01.11.2005 eine Kapitalleistung von 27.045,93 EUR erhalten. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich , dass die monatliche Liquidität des Antragstellers wie von ihm behauptet, aber durch nichts näher erläutert oder belegt, in relevantem Umfang beeinträchtigt sein könnte. Wie das Sozialgericht zutreffend in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, ist nicht zu befürchten, dass die Antragsgegnerin als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung nach Abschluss der Hauptsache außer Stande sein wird, im Falle des vollen Obsiegens des Antragstellers die Beiträge zurückzuzahlen und zu verzinsen. Ein Anordnungsgrund zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist somit weder schlüssig vorgetragen, noch glaubhaft gemacht, noch sonst ersichtlich.

Der Beitragsbescheid der Antragsgegnerin, welcher nicht zuletzt in Bezug auf den Schriftwechsel der Beteiligten (Schreiben der Antragsgegnerin vom 31.01.2006 - Antwort vom 20.03.2006) wohl auch rückwirkend ohne Eingriff in Rechte des Antragstellers ergehen durfte, ist von §§ 226 Abs.1 Satz 1 Nr.3, 229 und § 237 SGB V i.V.m. § 248 Satz 1 SGB V gedeckt. Diese Regelungen sind im Falle des Antragstellers einschlägig und verfassungskonform. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen im Beitragsrecht der Krankenversicherung der Rentner nur Einnahmen unberücksichtigt bleiben, die nicht unmittelbar auf ein früheres Beschäftigungsverhältnis zurückzuführen sind wie Einnahmen aufgrund betriebsfremder privater Eigenvorsorge oder Einnahmen aus ererbten Vermögen. Bei der streitauslösenden Kapitallebensversicherung handelte es sich aber um eine Gruppenversicherung im Zusammenhang mit dem früheren Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers. Mit dieser auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Form der Lebensversicherung waren auch Steuervorteile verbunden, weil zusätzlich zum Lohn gezahlte Direktversicherungsbeiträge lediglich pauschal besteuert worden sind gemäß § 40b EStG. Damit ist ein enger Bezug zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Antragstellers vorhanden.

Zudem war der Gesetzgeber zur streitigen Regelung durch das Bestreben veranlasst, die jüngere Versichertengeneration zu entlasten. Im Jahre 2002 standen in der Krankenversicherung der Rentner 27.851.819 tsd EUR Beitragseinnahmen Leistungsausgaben in Höhe von 63.417.299 tsd EUR gegenüber, im Jahre 2003 bestand das Verhältnis in Höhe von 29.901.708 tsd EUR zu 66.110.714 tsd EUR (vgl. BSG, Urteil vom 24.08.2005 - B 12 KR 29/04 R). Vertrauensschutzgrundsätze sind nicht verletzt, insbesondere weil bereits in der Vergangenheit die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Fortbestand einer günstigen Rechtslage infolge mehrfacher Gesetzesänderungen nicht vertrauen konnten (vgl. BSG a.a.O.). Im Übrigen besteht im Falle des Antragstellers lediglich eine sog. unechte Rückwirkung, weil die Auszahlung an ihn nach dem Stichtag 01.07.2004 (Stichtag der Änderung § 229 SGB V durch das KV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 - BGBl.I S.2190) erfolgt ist.

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt deshalb in vollem Umfange ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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