Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3102/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4687/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Klägerin, die in einem Pflegeheim voll stationär gepflegt wird, mit einem Pflegerollstuhl zu versorgen hat.
Die 1917 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an den Folgen mehrerer Schlaganfälle mit Hemiparese, Schluckstörung und fortschreitender dementieller Entwicklung, lebt seit Juli 2001 im Altenpflegeheim St. A., K., und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Stufe III (Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 23.07.2002). Für die Klägerin ist eine Betreuerin bestellt (Betreuerausweis des Amtsgerichts K. vom 03.09.2003).
Am 12.04.2005 verordnete die behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. der Klägerin einen Pflegerollstuhl (Multifunktionsrollstuhl). Auf Rückfrage der Beklagten verneinte Dr. G. die Sitzfähigkeit und die Fähigkeit der Klägerin, ihre Mobilisation selbst zu bestimmen.
Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für das beantragte Hilfsmittel mit der Begründung ab, eine Bewilligung setze voraus, dass der Patient in der Lage sei, seine Mobilität und die hieraus entstehenden Grundbedürfnisse zu artikulieren und aus einer gewissen Selbstständigkeit heraus zu bewerkstelligen. Nach den Ermittlungen sei dies bei der Klägerin nicht der Fall. Die Versorgung diene ausschließlich der Unterstützung der Pflege seitens der Angehörigen und für passive Kontakte zur Außenwelt. Die Bestätigung der fehlenden Selbstbestimmung sei aus einem vorliegenden Attest zu entnehmen. Demnach sei weder die Krankenversicherung (KV) noch die Pflegeversicherung (PV) zuständig, sondern der Heimträger.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs wies die Betreuerin der Klägerin darauf hin, der Klägerin sei es an einigen "guten" Tagen sehr wohl möglich, von sich aus einen Wunsch zu äußern. An weiteren Tagen könne sie auf gezieltes Nachfragen immerhin ablehnend oder bejahend antworten und so ihren Bedürfnissen differenziert Ausdruck verleihen. Mit Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern habe sie die Möglichkeit zu einer Spazierfahrt auch außerhalb des Geländes des Altenpflegezentrums. Dass es ihr zusage, sich in Gesellschaft zu befinden und an Aktivitäten und gemeinsamem Erleben teilzunehmen, könne sie mit ihrer Mimik zum Ausdruck bringen. Das Argument, dass die Pflege durch den Einsatz eines Hilfsmittels erleichtert werde, sei nicht ausreichend für die Ablehnung eines Hilfsmittels. Abgesehen davon verursache ein Pflegerollstuhl keine Erleichterung der Pflege, sondern bedinge durch seinen Einsatz sogar einen höheren Pflege- und Arbeitsaufwand.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Leistung für einen Lagerungsrollstuhl (Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 5/03 R -) bei vollstationärer Pflege zurück. Danach komme es für die Frage, wer den Rollstuhl zu finanzieren habe, darauf an, ob das Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich diene (dann Leistungsverpflichtung der KV) oder aber die Pflege den Schwerpunkt bilde (dann Vorhaltepflicht des Heimträgers). Vorliegend diene das beantragte Hilfsmittel nicht dem Behinderungsausgleich und gehöre somit nicht in den Bereich der KV, sondern unterliege der Vorhaltepflicht des Heimträgers. Der verordnende Arzt habe auf Anfrage bestätigt, dass die Klägerin eigenständig nicht in der Lage sei, ihre Mobilisation selbst zu bestimmen (Demenz).
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte. Zur Begründung machte sie geltend, sie leide unter den Folgen eines Schlaganfalls und sei deshalb schwer pflegebedürftig. Sie könne nicht selbstständig gehen und stehen und sei deshalb ständig auf einen Rollstuhl mit Therapietisch angewiesen. Die im Heim vorrätigen Rollstühle stünden ihr nicht zur Verfügung, weil sie bereits durch andere Heimbewohner belegt seien. Die Leistungspflicht der Beklagten sei zu bejahen, weil sie den Rollstuhl zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses, nämlich der Verbesserung ihrer Mobilität sowie der Sicherung eines körperlichen Freiraums unter Teilnahme am gesellschaftlichen Leben benötige. Der Anspruch scheitere nicht daran, dass sie den Rollstuhl nur mit fremder Hilfe bewegen könne, weil die Fähigkeit des Betroffenen zur selbstständigen Nutzung eines Gegenstandes kein Kriterium für die Qualifizierung als Hilfsmittel der gesetzlichen KV sei. Ferner sei es unerheblich, dass der Einsatz des Rollstuhls zugleich die Pflege erleichtere und der Rollstuhl damit auch Pflegehilfsmittel sei. Unter umfangreicher Zitierung aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) trug sie ergänzend vor, die Beklagte behaupte lediglich lapidar, dass sie infolge der Demenz nicht in der Lage sei, eigenständig ihre Mobilisation zu bestimmen. Was die Beklagte damit meine, sage sie nicht. Ein demenziell erkrankter Mensch könne sehr wohl seine Mobilisation selbst bestimmen und auch entsprechende Wünsche äußern. Hierbei komme es nicht darauf an, dass er dies im Wege des Sprechens, Schreibens oder sonst irgendwie tue, sondern es müsse ausreichend sein, dass er seiner Pflegeperson, seinem Betreuer oder dem Besuchsdienst auf seine Art der Artikulation seine Mobilisationswünsche klar mache und durch die Reaktion hierauf deutlich werde, dass es seinem Wunsch entspreche, am allgemeinen Leben teilzunehmen. Eine fortgeschrittene Demenz sei bei ihr nicht nachgewiesen, auch sei sie nach wie vor zu aktivem Verhalten und selbst bestimmten Aktionen in der Lage.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und übersandte eine Kopie des Pflegegutachtens vom 23.07.2002 sowie des Versorgungsvertrages vom 20.04.2004.
Das SG hörte Dr. G. als sachverständige Zeugin. Diese teilte unter Beifügung des Entlassungsberichtes der P.-Klinik K. vom Januar 2005 mit, sie behandle die Klägerin regelmäßig alle 2 bis 4 Wochen. Es bestünden eine Aphasie, Halbseitenlähmung, Sondenernährung wegen Schluckstörung, ein Diabetes mellitus, Gallensteinleiden sowie chronische Durchfälle. Eine Kontaktaufnahme mit teilweise auch kohärenten Antworten sei möglich. Wesentliche Änderungen seien 2005 nicht feststellbar gewesen. Die Frage des SG, ob die Klägerin noch in der Lage sei, selbst bestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen (also insbesondere ihren Aufenthaltsort innerhalb und außerhalb des Heims selbst zu bestimmen, die im Ablauf des täglichen Lebens anfallenden Verrichtungen eigenständig und ohne Hilfestellung des Pflegepersonals zu erledigen oder aktiv am Gemeinschaftsleben im Heim teilzunehmen) beantwortete Dr. G. mit "vermutlich nicht, motorisch völlig abhängig". Eine geistige Teilnahme bei Aufenthalt in Räumen mit sozialen Aktivitäten sei jedoch durchaus denkbar, wegen schwieriger Kommunikation aber sehr schwer einzuschätzen.
Als gerichtliche Sachverständige erstattete sodann die Ärztin für Anästhesie Dr. K. ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung der Klägerin auf der Pflegestation des St. A ... Dr. K. führte zusammenfassend aus, anhand der aktuell erhobenen Befunde sei festzustellen, dass die Klägerin nicht aufgrund ihrer körperlichen Behinderung einschließlich der Sprachstörung, sondern aufgrund der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr in der Lage sei, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Die Hausärztin komme zu der gleichen Beurteilung. Dies bedeute nicht, dass es nicht im Rahmen aktivierender Pflege sinnvoll und notwendig wäre, ihr sensorische Reize verschiedener Art anzubieten und soweit möglich eine Mobilisierung zu versuchen. Alle diese Maßnahmen könnten jedoch immer nur fremdbestimmt angeboten und von der Klägerin dann je nach Zustand mehr oder weniger angenommen oder ignoriert werden.
Mit Urteil vom 07.08.2006, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 16.08.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Klägerin habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl. Die Leistungspflicht der gesetzlichen KV sei von der Vorhaltepflicht des Heimträgers danach abzugrenzen, ob noch ein Behinderungsausgleich im Sinne medizinischer Rehabilitation stattfinde (dann Zuständigkeit der Krankenkasse) oder aber ganz überwiegend die Pflege im Vordergrund stehe (dann Zuständigkeit des Heimträgers). Eine die Leistungspflicht der gesetzlichen KV begründende medizinische Rehabilitation komme nur in Betracht, wenn dem Versicherten noch Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich seien. Dies setze seine Fähigkeit voraus, das eigene Schicksal eigenständig und bewusst zu gestalten, also zu agieren. Gemessen hieran würde die Versorgung der Klägerin mit einem Pflegerollstuhl keiner medizinischen Rehabilitation dienen, denn aufgrund der fortgeschrittenen Demenz sei sie nicht mehr in der Lage, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. So vermöge sie die im täglichen Leben anfallenden Verrichtungen in keiner Weise mehr durchzuführen, auch könne sie ihren Aufenthaltsort innerhalb oder gar außerhalb des Pflegeheims aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr eigenständig bestimmen. Die Sachverständige weise zudem darauf hin, dass die Klägerin weder mittels Sprache noch auf sonstige Weise (etwa durch Mimik oder Gestik) zu kommunizieren in der Lage sei. Eine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben, die über die Wahrnehmung äußerer Eindrücke hinausgehe, sei für die Klägerin daher weitgehend ausgeschlossen. Die Klägerin werde durch die Ablehnung des Anspruchs auch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Hiergegen richtet sich die am 13.09.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, ihre demenzielle Erkrankung schließe eine Rehabilitation nicht aus. Das wesentliche Ziel rehabilitativer Maßnahmen für Patienten mit Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen sei es, ein "würdevolles" Leben zu erhalten bzw. zu fördern. Hierfür sei es notwendig, Rehabilitationsmaßnahmen für Demenzkranke zu schaffen, die ihre Kompetenzen aktivieren, wiederherstellen oder erhalten würden. Dies sei das Ziel der hier streitigen Rehabilitationsmaßnahme. Die Feststellungen der Sachverständigen Dr. K. ließen den rehabilitativen Aspekt des in Rede stehenden Rollstuhls, der die Behinderung ausgleichen solle, völlig außer Acht. Gerade durch die Verordnung dieses Rollstuhls könne sie wieder vermehrt am Leben teilnehmen. Die Gutachterin Dr. K. sei nicht einmal in der Lage gewesen, in der Überprüfung der Alterskompetenz nach den neuesten Methoden eine Kommunikation mit ihr aufzubauen. Sie habe offensichtlich kaum Kenntnisse über die Möglichkeiten der Kommunikation mit demenziell veränderten Menschen. Im Rahmen der Validation sei eine Kommunikation mit Patienten durchaus möglich, deren Demenz soweit fortgeschritten sei, dass der Erkrankte nicht mehr sprechen könne. Die Feststellung des SG, dass eine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben nicht mehr möglich sei, sei daher nicht nachvollziehbar. Es sei lediglich so, dass sie nicht mehr auf der Ebene kommunizieren könne, die die Ebene sei, die die Gutachterin und das SG für die einzig mögliche Kommunikationsebene gewählt hätten, die es zulassen würde, die begehrte Rehabilitationsleistung hier zu erlangen. Es sei Aufgabe der Beklagten, ihr (der an Demenz erkrankten Klägerin) es solange wie möglich zu ermöglichen, in ihrem Paradies der Erinnerungen zu verweilen, sprachlich und nichtsprachlich mit allen Sinnen. Dies sei aber nur möglich, wenn sie die Möglichkeit habe, auch an Kommunikationen, sowohl im nonverbalen als auch im verbalen Bereich teilzunehmen. Hierfür benötige sie den beantragten Rollstuhl dringend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. August 2006 sowie den Bescheid vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für einen Multifunktionsrollstuhl zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Widerspruchsbescheid und auf das Urteil des SG.
Der Senat hat den Träger des St. A., den O. der B. S. vom H. V. von P., zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für das Begehren der Klägerin maßgeblich sind, nach welchen Kriterien die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Hilfsmittelversorgung in Pflegeheimen von der Vorhaltepflicht des Heimträgers zu erfolgen hat, und weshalb der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung aus den vom SG dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung. Auch der Senat vermochte sich wie das SG und die Beklagte nicht davon zu überzeugen, dass das begehrte Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich der Klägerin dient, vielmehr steht die Pflege der Klägerin im Vordergrund, welche auch die Aktivierung der Pflegebedürftigen zum Ziel und Bedürfnisse nach Kommunikation zu berücksichtigen hat. Diese Aufgabe obliegt bei der stationären Pflege dem Heimträger (Vorhaltepflicht des Heimträgers). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 5/03 -, SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 5), der der Senat folgt, ist übergeordnetes Ziel jeder Rehabilitation, behinderten Menschen eine selbstbestimmte gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu fördern (§§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX). Soweit es dabei um den Ausgleich einer Behinderung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit geht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IX), müssen Leistungen deshalb auf eine Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichtet sein, um als Maßnahmen der Rehabilitation die Leistungspflicht der Krankenkasse zu begründen. Ist dagegen eine Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, welche eine Fähigkeit voraussetzt, das eigene Schicksal eigenständig und bewusst zu gestalten, also zu agieren, nicht mehr möglich (§ 1 Satz 1 SGB IX), dann steht überwiegend die Pflege im Vordergrund, für die keine Leistungsverpflichtung der Beklagten besteht. Insoweit genügt es nicht, selbst Eindrücke wahrzunehmen und auf Ansprache zu reagieren (passives Reagieren).
In Ansehung dieser Abgrenzungskriterien ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl nicht gegeben, denn ihr ist eine verantwortungsbewusste Bestimmung über das eigene Schicksal und ein eigenständiges und bewusstes Gestalten des Zusammenseins mit anderen Menschen nicht mehr möglich. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Pflegegutachten und den Feststellungen der Sachverständigen Dr. K ... Der Klägerin war es schon im Juli 2002 nach einem Sturz mit Schädel-Hirn-Trauma und Contusionsblutung und nach zwei Schlaganfällen mit Hemiparese und massiver Schluckstörung nicht mehr möglich, ihren Aufenthaltsort innerhalb oder gar außerhalb des Heimes selbst zu bestimmen, aus eigener Kraft aktive Bewegungen zu machen, sich selbständig zu ernähren und die im Ablauf des täglichen Lebens anfallenden Verrichtungen eigenständig und ohne Hilfestellung des Pflegepersonals zu erledigen oder aktiv am Gemeinschaftsleben teilzunehmen. Ein Gespräch war mit ihr nicht möglich. Die Klägerin war bettlägerig und es zeigte sich ein demenzieller Abbau mit erloschenem Gedächtnis, eine motorische Unruhe sowie ein sehr eingeschränktes Sprachverständnis und Sprachvermögen. Aufgrund geistiger Defizite waren keine sinnvollen Bewegungsabläufe mehr möglich. Wie sich aus dem Gutachten von Dr. K. ergibt, ist die Klägerin weiterhin weitestgehend bettlägerig. Sie ist nicht fähig zu stehen, zu gehen, frei zu sitzen oder sich selbständig im Bett zu drehen. Es bestehen Beugekontrakturen unterschiedlichen Ausmaßes an den Hüft- und Kniegelenken. Der linke Arm ist völlig schlaff gelähmt. Die Klägerin muss wegen einer schweren Schluckstörung weiterhin praktisch vollständig über die PEG-Sonde ernährt werden, auch besteht eine komplette Inkontinenz. Abgesehen von wenigen Worten war sie nicht zu wirklicher Kommunikation fähig, desorientiert und ohne Antrieb. Zwar hat die Klägerin (nach Angaben der Pflegefachkraft gegenüber Dr. K.) immer mal wieder gute Tage, an denen sie stark verlangsamt, aber einigermaßen adäquat antworten und auf Reize und Ansprachen aus ihrer Umgebung reagieren kann, dies ändert aber nichts daran, dass die Alltagskompetenz dauerhaft erheblich eingeschränkt und ein aktives Agieren aufgrund der körperlichen Einschränkungen und der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr möglich ist. Auch eine aktive Willensäußerung erscheint nach den Feststellungen von Dr. K. und im Pflegegutachten unwahrscheinlich. Eine selbständige Bestimmung des Aufenthaltsortes wäre der Klägerin auch mit dem begehrten Hilfsmittel nicht möglich, denn eine selbständige Fortbewegung würde schon aus körperlicher Ursache ausscheiden. Desweiteren fehlt es nach den auch den Senat überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen an einer ausreichenden örtlichen Orientierung. Die Klägerin ist nicht in der Lage, an einer Kommunikation teilzunehmen. Allein die Fähigkeit, Eindrücke wahrzunehmen, zu lächeln, auf Ansprüche zu reagieren und auch mal einen Wunsch zu äußern, stellt noch keine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben dar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der behandelnden Ärztin Dr. G., die die Frage nach der Fähigkeit der Klägerin, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen, mit "vermutlich nicht, motorisch völlig abhängig" beantwortet hat. Dass die Klägerin, wie die Betreuerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, an "guten" Tagen einen Wunsch zum Ausdruck bringen und auf gezieltes Nachfragen ablehnend oder bejahend reagieren und mit ihrer Mimik Eindrücke ausdrücken kann, stellt kein aktives Agieren im Sinne einer eigengesteuerten Bestimmungsmöglichkeit dar.
Schließlich sind auch die Einwendungen der Klägerin im Berufungsverfahren gegen das Gutachten von Dr. K. nicht stichhaltig. Es mag durchaus sein, dass es alternative Kommunikationsformen gibt, um mit demenziell veränderten Menschen in Verbindung zu treten, und dass Mimik Emotionen fördern kann. Daraus lässt sich indes nicht die Möglichkeit einer aktiven Teilnahme am Gemeinschaftsleben schlussfolgern. Es wird selbst eingeräumt, dass die Klägerin nicht mehr auf der vom SG und der Gutachterin zugrunde gelegten (normalen) Kommunikationsebene kommunizieren kann. Der Senat verkennt nicht, dass der Kontakt zwischen Menschen, die an Demenz erkrankt sind, gefördert werden muss, es ist aber nicht Aufgabe der Beklagten, es der an Demenz erkrankten Klägerin zu ermöglichen, "in ihrem Paradies der Erinnerungen zu verweilen". Die Rehabilitationsfähigkeit im Sinne einer eigengesteuerten Bestimmungsmöglichkeit lässt sich damit nicht begründen, es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Ist-Zustand der Behinderung behebbar wäre. Es geht vorliegend nicht um Kommunikationsformen mit Demenzkranken, sondern allein um die Abgrenzung, ob eine Leistungsverpflichtung der Beklagten aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht. Diese ist indes mangels Erfolgsaussicht einer Rehabilitation zu verneinen, denn selbst wenn durch bestimmte Formen eine Kommunikation mit der Klägerin möglich wäre, ändert das nichts daran, dass der Klägerin bei dem festgestellten geistigen und körperlichen Gesundheitszustand auch mit dem begehrten Pflegerollstuhl eine Selbstbestimmung und aktive gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die über die Wahrnehmung äußerer Eindrücke hinausgeht, nicht mehr möglich würde. Wie das SG sieht auch der Senat keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen. Aus Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) ergeben sich keine weitergehenden Ansprüche bei der Hilfsmittelversorgung (vgl. BSG, Urteile vom 26.03.2003, SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 3 und vom 22.07.2004 a.a.O.).
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Klägerin, die in einem Pflegeheim voll stationär gepflegt wird, mit einem Pflegerollstuhl zu versorgen hat.
Die 1917 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an den Folgen mehrerer Schlaganfälle mit Hemiparese, Schluckstörung und fortschreitender dementieller Entwicklung, lebt seit Juli 2001 im Altenpflegeheim St. A., K., und erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach Stufe III (Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 23.07.2002). Für die Klägerin ist eine Betreuerin bestellt (Betreuerausweis des Amtsgerichts K. vom 03.09.2003).
Am 12.04.2005 verordnete die behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. der Klägerin einen Pflegerollstuhl (Multifunktionsrollstuhl). Auf Rückfrage der Beklagten verneinte Dr. G. die Sitzfähigkeit und die Fähigkeit der Klägerin, ihre Mobilisation selbst zu bestimmen.
Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für das beantragte Hilfsmittel mit der Begründung ab, eine Bewilligung setze voraus, dass der Patient in der Lage sei, seine Mobilität und die hieraus entstehenden Grundbedürfnisse zu artikulieren und aus einer gewissen Selbstständigkeit heraus zu bewerkstelligen. Nach den Ermittlungen sei dies bei der Klägerin nicht der Fall. Die Versorgung diene ausschließlich der Unterstützung der Pflege seitens der Angehörigen und für passive Kontakte zur Außenwelt. Die Bestätigung der fehlenden Selbstbestimmung sei aus einem vorliegenden Attest zu entnehmen. Demnach sei weder die Krankenversicherung (KV) noch die Pflegeversicherung (PV) zuständig, sondern der Heimträger.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs wies die Betreuerin der Klägerin darauf hin, der Klägerin sei es an einigen "guten" Tagen sehr wohl möglich, von sich aus einen Wunsch zu äußern. An weiteren Tagen könne sie auf gezieltes Nachfragen immerhin ablehnend oder bejahend antworten und so ihren Bedürfnissen differenziert Ausdruck verleihen. Mit Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern habe sie die Möglichkeit zu einer Spazierfahrt auch außerhalb des Geländes des Altenpflegezentrums. Dass es ihr zusage, sich in Gesellschaft zu befinden und an Aktivitäten und gemeinsamem Erleben teilzunehmen, könne sie mit ihrer Mimik zum Ausdruck bringen. Das Argument, dass die Pflege durch den Einsatz eines Hilfsmittels erleichtert werde, sei nicht ausreichend für die Ablehnung eines Hilfsmittels. Abgesehen davon verursache ein Pflegerollstuhl keine Erleichterung der Pflege, sondern bedinge durch seinen Einsatz sogar einen höheren Pflege- und Arbeitsaufwand.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Leistung für einen Lagerungsrollstuhl (Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 5/03 R -) bei vollstationärer Pflege zurück. Danach komme es für die Frage, wer den Rollstuhl zu finanzieren habe, darauf an, ob das Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich diene (dann Leistungsverpflichtung der KV) oder aber die Pflege den Schwerpunkt bilde (dann Vorhaltepflicht des Heimträgers). Vorliegend diene das beantragte Hilfsmittel nicht dem Behinderungsausgleich und gehöre somit nicht in den Bereich der KV, sondern unterliege der Vorhaltepflicht des Heimträgers. Der verordnende Arzt habe auf Anfrage bestätigt, dass die Klägerin eigenständig nicht in der Lage sei, ihre Mobilisation selbst zu bestimmen (Demenz).
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte. Zur Begründung machte sie geltend, sie leide unter den Folgen eines Schlaganfalls und sei deshalb schwer pflegebedürftig. Sie könne nicht selbstständig gehen und stehen und sei deshalb ständig auf einen Rollstuhl mit Therapietisch angewiesen. Die im Heim vorrätigen Rollstühle stünden ihr nicht zur Verfügung, weil sie bereits durch andere Heimbewohner belegt seien. Die Leistungspflicht der Beklagten sei zu bejahen, weil sie den Rollstuhl zur Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses, nämlich der Verbesserung ihrer Mobilität sowie der Sicherung eines körperlichen Freiraums unter Teilnahme am gesellschaftlichen Leben benötige. Der Anspruch scheitere nicht daran, dass sie den Rollstuhl nur mit fremder Hilfe bewegen könne, weil die Fähigkeit des Betroffenen zur selbstständigen Nutzung eines Gegenstandes kein Kriterium für die Qualifizierung als Hilfsmittel der gesetzlichen KV sei. Ferner sei es unerheblich, dass der Einsatz des Rollstuhls zugleich die Pflege erleichtere und der Rollstuhl damit auch Pflegehilfsmittel sei. Unter umfangreicher Zitierung aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) trug sie ergänzend vor, die Beklagte behaupte lediglich lapidar, dass sie infolge der Demenz nicht in der Lage sei, eigenständig ihre Mobilisation zu bestimmen. Was die Beklagte damit meine, sage sie nicht. Ein demenziell erkrankter Mensch könne sehr wohl seine Mobilisation selbst bestimmen und auch entsprechende Wünsche äußern. Hierbei komme es nicht darauf an, dass er dies im Wege des Sprechens, Schreibens oder sonst irgendwie tue, sondern es müsse ausreichend sein, dass er seiner Pflegeperson, seinem Betreuer oder dem Besuchsdienst auf seine Art der Artikulation seine Mobilisationswünsche klar mache und durch die Reaktion hierauf deutlich werde, dass es seinem Wunsch entspreche, am allgemeinen Leben teilzunehmen. Eine fortgeschrittene Demenz sei bei ihr nicht nachgewiesen, auch sei sie nach wie vor zu aktivem Verhalten und selbst bestimmten Aktionen in der Lage.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und übersandte eine Kopie des Pflegegutachtens vom 23.07.2002 sowie des Versorgungsvertrages vom 20.04.2004.
Das SG hörte Dr. G. als sachverständige Zeugin. Diese teilte unter Beifügung des Entlassungsberichtes der P.-Klinik K. vom Januar 2005 mit, sie behandle die Klägerin regelmäßig alle 2 bis 4 Wochen. Es bestünden eine Aphasie, Halbseitenlähmung, Sondenernährung wegen Schluckstörung, ein Diabetes mellitus, Gallensteinleiden sowie chronische Durchfälle. Eine Kontaktaufnahme mit teilweise auch kohärenten Antworten sei möglich. Wesentliche Änderungen seien 2005 nicht feststellbar gewesen. Die Frage des SG, ob die Klägerin noch in der Lage sei, selbst bestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen (also insbesondere ihren Aufenthaltsort innerhalb und außerhalb des Heims selbst zu bestimmen, die im Ablauf des täglichen Lebens anfallenden Verrichtungen eigenständig und ohne Hilfestellung des Pflegepersonals zu erledigen oder aktiv am Gemeinschaftsleben im Heim teilzunehmen) beantwortete Dr. G. mit "vermutlich nicht, motorisch völlig abhängig". Eine geistige Teilnahme bei Aufenthalt in Räumen mit sozialen Aktivitäten sei jedoch durchaus denkbar, wegen schwieriger Kommunikation aber sehr schwer einzuschätzen.
Als gerichtliche Sachverständige erstattete sodann die Ärztin für Anästhesie Dr. K. ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung der Klägerin auf der Pflegestation des St. A ... Dr. K. führte zusammenfassend aus, anhand der aktuell erhobenen Befunde sei festzustellen, dass die Klägerin nicht aufgrund ihrer körperlichen Behinderung einschließlich der Sprachstörung, sondern aufgrund der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr in der Lage sei, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Die Hausärztin komme zu der gleichen Beurteilung. Dies bedeute nicht, dass es nicht im Rahmen aktivierender Pflege sinnvoll und notwendig wäre, ihr sensorische Reize verschiedener Art anzubieten und soweit möglich eine Mobilisierung zu versuchen. Alle diese Maßnahmen könnten jedoch immer nur fremdbestimmt angeboten und von der Klägerin dann je nach Zustand mehr oder weniger angenommen oder ignoriert werden.
Mit Urteil vom 07.08.2006, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 16.08.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Klägerin habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl. Die Leistungspflicht der gesetzlichen KV sei von der Vorhaltepflicht des Heimträgers danach abzugrenzen, ob noch ein Behinderungsausgleich im Sinne medizinischer Rehabilitation stattfinde (dann Zuständigkeit der Krankenkasse) oder aber ganz überwiegend die Pflege im Vordergrund stehe (dann Zuständigkeit des Heimträgers). Eine die Leistungspflicht der gesetzlichen KV begründende medizinische Rehabilitation komme nur in Betracht, wenn dem Versicherten noch Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich seien. Dies setze seine Fähigkeit voraus, das eigene Schicksal eigenständig und bewusst zu gestalten, also zu agieren. Gemessen hieran würde die Versorgung der Klägerin mit einem Pflegerollstuhl keiner medizinischen Rehabilitation dienen, denn aufgrund der fortgeschrittenen Demenz sei sie nicht mehr in der Lage, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. So vermöge sie die im täglichen Leben anfallenden Verrichtungen in keiner Weise mehr durchzuführen, auch könne sie ihren Aufenthaltsort innerhalb oder gar außerhalb des Pflegeheims aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr eigenständig bestimmen. Die Sachverständige weise zudem darauf hin, dass die Klägerin weder mittels Sprache noch auf sonstige Weise (etwa durch Mimik oder Gestik) zu kommunizieren in der Lage sei. Eine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben, die über die Wahrnehmung äußerer Eindrücke hinausgehe, sei für die Klägerin daher weitgehend ausgeschlossen. Die Klägerin werde durch die Ablehnung des Anspruchs auch nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligt.
Hiergegen richtet sich die am 13.09.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, ihre demenzielle Erkrankung schließe eine Rehabilitation nicht aus. Das wesentliche Ziel rehabilitativer Maßnahmen für Patienten mit Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzformen sei es, ein "würdevolles" Leben zu erhalten bzw. zu fördern. Hierfür sei es notwendig, Rehabilitationsmaßnahmen für Demenzkranke zu schaffen, die ihre Kompetenzen aktivieren, wiederherstellen oder erhalten würden. Dies sei das Ziel der hier streitigen Rehabilitationsmaßnahme. Die Feststellungen der Sachverständigen Dr. K. ließen den rehabilitativen Aspekt des in Rede stehenden Rollstuhls, der die Behinderung ausgleichen solle, völlig außer Acht. Gerade durch die Verordnung dieses Rollstuhls könne sie wieder vermehrt am Leben teilnehmen. Die Gutachterin Dr. K. sei nicht einmal in der Lage gewesen, in der Überprüfung der Alterskompetenz nach den neuesten Methoden eine Kommunikation mit ihr aufzubauen. Sie habe offensichtlich kaum Kenntnisse über die Möglichkeiten der Kommunikation mit demenziell veränderten Menschen. Im Rahmen der Validation sei eine Kommunikation mit Patienten durchaus möglich, deren Demenz soweit fortgeschritten sei, dass der Erkrankte nicht mehr sprechen könne. Die Feststellung des SG, dass eine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben nicht mehr möglich sei, sei daher nicht nachvollziehbar. Es sei lediglich so, dass sie nicht mehr auf der Ebene kommunizieren könne, die die Ebene sei, die die Gutachterin und das SG für die einzig mögliche Kommunikationsebene gewählt hätten, die es zulassen würde, die begehrte Rehabilitationsleistung hier zu erlangen. Es sei Aufgabe der Beklagten, ihr (der an Demenz erkrankten Klägerin) es solange wie möglich zu ermöglichen, in ihrem Paradies der Erinnerungen zu verweilen, sprachlich und nichtsprachlich mit allen Sinnen. Dies sei aber nur möglich, wenn sie die Möglichkeit habe, auch an Kommunikationen, sowohl im nonverbalen als auch im verbalen Bereich teilzunehmen. Hierfür benötige sie den beantragten Rollstuhl dringend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. August 2006 sowie den Bescheid vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für einen Multifunktionsrollstuhl zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Widerspruchsbescheid und auf das Urteil des SG.
Der Senat hat den Träger des St. A., den O. der B. S. vom H. V. von P., zum Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für das Begehren der Klägerin maßgeblich sind, nach welchen Kriterien die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Hilfsmittelversorgung in Pflegeheimen von der Vorhaltepflicht des Heimträgers zu erfolgen hat, und weshalb der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung aus den vom SG dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Entscheidung. Auch der Senat vermochte sich wie das SG und die Beklagte nicht davon zu überzeugen, dass das begehrte Hilfsmittel überwiegend dem Behinderungsausgleich der Klägerin dient, vielmehr steht die Pflege der Klägerin im Vordergrund, welche auch die Aktivierung der Pflegebedürftigen zum Ziel und Bedürfnisse nach Kommunikation zu berücksichtigen hat. Diese Aufgabe obliegt bei der stationären Pflege dem Heimträger (Vorhaltepflicht des Heimträgers). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 5/03 -, SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 5), der der Senat folgt, ist übergeordnetes Ziel jeder Rehabilitation, behinderten Menschen eine selbstbestimmte gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu fördern (§§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - SGB IX). Soweit es dabei um den Ausgleich einer Behinderung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit geht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB IX), müssen Leistungen deshalb auf eine Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichtet sein, um als Maßnahmen der Rehabilitation die Leistungspflicht der Krankenkasse zu begründen. Ist dagegen eine Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, welche eine Fähigkeit voraussetzt, das eigene Schicksal eigenständig und bewusst zu gestalten, also zu agieren, nicht mehr möglich (§ 1 Satz 1 SGB IX), dann steht überwiegend die Pflege im Vordergrund, für die keine Leistungsverpflichtung der Beklagten besteht. Insoweit genügt es nicht, selbst Eindrücke wahrzunehmen und auf Ansprache zu reagieren (passives Reagieren).
In Ansehung dieser Abgrenzungskriterien ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Pflegerollstuhl nicht gegeben, denn ihr ist eine verantwortungsbewusste Bestimmung über das eigene Schicksal und ein eigenständiges und bewusstes Gestalten des Zusammenseins mit anderen Menschen nicht mehr möglich. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Pflegegutachten und den Feststellungen der Sachverständigen Dr. K ... Der Klägerin war es schon im Juli 2002 nach einem Sturz mit Schädel-Hirn-Trauma und Contusionsblutung und nach zwei Schlaganfällen mit Hemiparese und massiver Schluckstörung nicht mehr möglich, ihren Aufenthaltsort innerhalb oder gar außerhalb des Heimes selbst zu bestimmen, aus eigener Kraft aktive Bewegungen zu machen, sich selbständig zu ernähren und die im Ablauf des täglichen Lebens anfallenden Verrichtungen eigenständig und ohne Hilfestellung des Pflegepersonals zu erledigen oder aktiv am Gemeinschaftsleben teilzunehmen. Ein Gespräch war mit ihr nicht möglich. Die Klägerin war bettlägerig und es zeigte sich ein demenzieller Abbau mit erloschenem Gedächtnis, eine motorische Unruhe sowie ein sehr eingeschränktes Sprachverständnis und Sprachvermögen. Aufgrund geistiger Defizite waren keine sinnvollen Bewegungsabläufe mehr möglich. Wie sich aus dem Gutachten von Dr. K. ergibt, ist die Klägerin weiterhin weitestgehend bettlägerig. Sie ist nicht fähig zu stehen, zu gehen, frei zu sitzen oder sich selbständig im Bett zu drehen. Es bestehen Beugekontrakturen unterschiedlichen Ausmaßes an den Hüft- und Kniegelenken. Der linke Arm ist völlig schlaff gelähmt. Die Klägerin muss wegen einer schweren Schluckstörung weiterhin praktisch vollständig über die PEG-Sonde ernährt werden, auch besteht eine komplette Inkontinenz. Abgesehen von wenigen Worten war sie nicht zu wirklicher Kommunikation fähig, desorientiert und ohne Antrieb. Zwar hat die Klägerin (nach Angaben der Pflegefachkraft gegenüber Dr. K.) immer mal wieder gute Tage, an denen sie stark verlangsamt, aber einigermaßen adäquat antworten und auf Reize und Ansprachen aus ihrer Umgebung reagieren kann, dies ändert aber nichts daran, dass die Alltagskompetenz dauerhaft erheblich eingeschränkt und ein aktives Agieren aufgrund der körperlichen Einschränkungen und der fortgeschrittenen Demenz nicht mehr möglich ist. Auch eine aktive Willensäußerung erscheint nach den Feststellungen von Dr. K. und im Pflegegutachten unwahrscheinlich. Eine selbständige Bestimmung des Aufenthaltsortes wäre der Klägerin auch mit dem begehrten Hilfsmittel nicht möglich, denn eine selbständige Fortbewegung würde schon aus körperlicher Ursache ausscheiden. Desweiteren fehlt es nach den auch den Senat überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen an einer ausreichenden örtlichen Orientierung. Die Klägerin ist nicht in der Lage, an einer Kommunikation teilzunehmen. Allein die Fähigkeit, Eindrücke wahrzunehmen, zu lächeln, auf Ansprüche zu reagieren und auch mal einen Wunsch zu äußern, stellt noch keine aktive Teilnahme am Gemeinschaftsleben dar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Aussage der behandelnden Ärztin Dr. G., die die Frage nach der Fähigkeit der Klägerin, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen, mit "vermutlich nicht, motorisch völlig abhängig" beantwortet hat. Dass die Klägerin, wie die Betreuerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, an "guten" Tagen einen Wunsch zum Ausdruck bringen und auf gezieltes Nachfragen ablehnend oder bejahend reagieren und mit ihrer Mimik Eindrücke ausdrücken kann, stellt kein aktives Agieren im Sinne einer eigengesteuerten Bestimmungsmöglichkeit dar.
Schließlich sind auch die Einwendungen der Klägerin im Berufungsverfahren gegen das Gutachten von Dr. K. nicht stichhaltig. Es mag durchaus sein, dass es alternative Kommunikationsformen gibt, um mit demenziell veränderten Menschen in Verbindung zu treten, und dass Mimik Emotionen fördern kann. Daraus lässt sich indes nicht die Möglichkeit einer aktiven Teilnahme am Gemeinschaftsleben schlussfolgern. Es wird selbst eingeräumt, dass die Klägerin nicht mehr auf der vom SG und der Gutachterin zugrunde gelegten (normalen) Kommunikationsebene kommunizieren kann. Der Senat verkennt nicht, dass der Kontakt zwischen Menschen, die an Demenz erkrankt sind, gefördert werden muss, es ist aber nicht Aufgabe der Beklagten, es der an Demenz erkrankten Klägerin zu ermöglichen, "in ihrem Paradies der Erinnerungen zu verweilen". Die Rehabilitationsfähigkeit im Sinne einer eigengesteuerten Bestimmungsmöglichkeit lässt sich damit nicht begründen, es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Ist-Zustand der Behinderung behebbar wäre. Es geht vorliegend nicht um Kommunikationsformen mit Demenzkranken, sondern allein um die Abgrenzung, ob eine Leistungsverpflichtung der Beklagten aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht. Diese ist indes mangels Erfolgsaussicht einer Rehabilitation zu verneinen, denn selbst wenn durch bestimmte Formen eine Kommunikation mit der Klägerin möglich wäre, ändert das nichts daran, dass der Klägerin bei dem festgestellten geistigen und körperlichen Gesundheitszustand auch mit dem begehrten Pflegerollstuhl eine Selbstbestimmung und aktive gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die über die Wahrnehmung äußerer Eindrücke hinausgeht, nicht mehr möglich würde. Wie das SG sieht auch der Senat keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen. Aus Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) ergeben sich keine weitergehenden Ansprüche bei der Hilfsmittelversorgung (vgl. BSG, Urteile vom 26.03.2003, SozR 4 - 2500 § 33 Nr. 3 und vom 22.07.2004 a.a.O.).
Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
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