L 16 R 687/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RA 6617/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 687/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1941 geborene, seit Juli 2001 in Belgien lebende Kläger legte in der Bundesrepublik Deutschland rentenrechtliche Zeiten als Angestellter vom 1. September 1955 bis zum 30. Juni 1980 zurück; auf den Versicherungsverlauf vom 22. Januar 1985 wird Bezug genommen. Nach seiner Übersiedlung nach Irland war er als Inhaber einer H selbständig tätig, und zwar bis zum 31. Mai 2001. Er entrichtete als Selbständiger Beiträge der Klasse S zur irischen Sozialversicherung für die Zeit von April 1988 bis April 1991, von April 1994 bis April 1996 und von April 1998 bis April 2000 (Versicherungsverlauf des irischen Sozialversicherungsträgers vom 12. Dezember 2003).

Im April 1999 beantragte der aufgrund einer rheumatoiden Arthritis seit dem 28. Januar 1999 behandlungsbedürftig erkrankte Kläger die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte lehnte den an sie weitergeleiteten Antrag mit Bescheid vom 10. Januar 2001 ab mit der Begründung, dass der Kläger in seinem bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte noch eine ärztliche Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. M in A (Gutachten vom 04. April 2002), der dem Kläger ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen attestierte. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ausgehend von einem Leistungsfall der EU mit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 15. Januar 1999 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht erfüllt. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum vom 15. Januar 1994 bis zum 14. Januar 1999 lediglich 20 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (EM) nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin eine Auskunft zur Rechtsnatur der von dem Kläger in Irland entrichteten Beiträge zur Sozialversicherung eingeholt; mit Schreiben vom 06. Februar 2005 teilte das Department of Social and Family Affairs - Social Welfare Services Office - mit, dass mit den Pflichtbeiträgen der Klasse S, die der Kläger in Irland als Selbständiger entrichtet habe, kein Versicherungsschutz gegen Invalidität oder Behinderungen bestehe. Der Kläger habe lediglich Anspruch auf eine Alterspension mit Vollendung des 66. Lebensjahres. Mit Gerichtsbescheid vom 3. April 2006 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen (im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Denn ausgehend von einem Eintritt der Erwerbsminderung am 15. April 1999 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die im Rahmenzeitraum ausschließlich in Irland zurückgelegten Versicherungszeiten seien nicht mit Pflichtbeiträgen zur deutschen Rentenversicherung, die eine Absicherung gegen den Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit vermittelten, gleichzusetzen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt. Er habe in Irland Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet, wenngleich auch nur auf der Grundlage der Klasse S mit lediglich eingeschränkten Ansprüchen auf Leistungen aus dem irischen Sozialversicherungssystem. Ihm sei von der Beklagten, wenn auch leider nur telefonisch, mehrfach versichert worden, dass die in Irland zurückgelegten Zeiten vollumfänglich auf den Versicherungsverlauf in der Bundesrepublik Deutschland anzurechnen seien und er demzufolge einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe. Es sei auch europarechtlich bedenklich, wenn ein Selbständiger, der in Irland Pflichtbeiträge zahle, gegen die Folgen des Eintritts einer EU schutzlos verbleibe. Im Übrigen habe er auch in Irland innerhalb der Rahmenfrist die erforderlichen 36 Beitragsmonate entrichtet.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. April 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der dieser seine statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG auf Gewährung von Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, für die Zeit ab 1. April 1999 (Antragsmonat) weiter verfolgt, ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, für die Zeit 1. April 1999 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür sind in der Person des Klägers nicht erfüllt. Die von dem Kläger erhobenen Ansprüche bestimmen sich noch nach den §§ 43, 44 SGB VI in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), weil der Kläger seinen Rentenantrag im April 1999 gestellt hat und Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (auch) für Zeiträume vor dem 1. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Die genannten Vorschriften setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU bzw. BU voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss EU bzw. BU vorliegen (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten Drei-Fünftel-Belegung nach den genannten Vorschriften wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführt und betrifft alle Fälle, in denen EU oder BU nach dem 31. Dezember 1983 eingetreten ist. Lag EU bzw. BU - wofür vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - bis zu diesem Zeitpunkt bereits vor, bestand und besteht ein Anspruch auf Rente wegen EU bzw. BU bereits ohne die Drei-Fünftel-Belegung allein durch die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung). Der Kläger ist frühestens seit Eintritt der Behandlungsbedürftigkeit seiner rheumatoiden Arthritis mit nachfolgender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit am 28. Januar 1999 erwerbs- bzw. berufsunfähig; Anhaltspunkte für eine vor diesem Zeitpunkt eingetretene EU bzw. BU sind weder von ihm selbst vorgetragen worden noch im Übrigen ersichtlich. Das Erfordernis der so genannten Drei-Fünftel-Belegung im danach maßgebenden Zeitraum vom 28. Januar 1994 bis zum 27. Januar 1999 ist aber nicht erfüllt. Denn der Kläger hat in diesem Rahmenzeitraum ausweislich des vorliegenden und von ihm nicht beanstandeten Versicherungsverlaufes des irischen Sozialversicherungsträgers vom 12. Dezember 2003 nur 34 Kalendermonate mit Beitragszeiten zurückgelegt (April 1994 bis April 1996 und April 1998 bis Januar 1999), und zwar ungeachtet dessen, ob diese irischen Beitragszeiten einen Versicherungsschutz gegen EU bzw. BU überhaupt zu vermitteln geeignet sind. Auch für jeden nach dem 28. Januar 1999 eingetretenen Leistungsfall einer EU bzw. BU liegt die erforderliche Drei-Fünftel-Belegung nicht vor, weil die irischen Beiträge - worauf noch näher einzugehen sein wird - jedenfalls bei der Prüfung der Drei-Fünftel-Belegung nicht deutschen Pflichtbeiträgen gleichzustellen sind.

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- DM bzw. den entsprechenden Gegenwert in EUR übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 und Satz 4 SGB VI).

Hiervon ausgehend kann eine EU des Klägers bis zum insoweit letztmöglichen Zeitpunkt (In-Kraft-Treten des neuen Erwerbsminderungsrentenrechts am 1. Januar 2001) schon deshalb nicht vorgelegen haben, weil der Kläger nach seinem Vorbringen im Klageverfahren (vgl. Schriftsatz vom 8. April 2005) bis zum 31. Mai 2001 selbständig tätig war; dass er zuletzt nur noch aufsichtsführend in seinem Hühnerfarmbetrieb tätig war, ist dabei unerheblich (vgl. BSGE 45, 238). Eine BU des Klägers kann frühestens seit dem Eintritt der Behandlungsbedürftigkeit seiner rheumatoiden Arthritis am 28. Januar 1999 vorliegen, wobei dahinstehen kann, ob der Kläger seit diesem Tag bzw. seit einem beliebigen Datum nach diesem Tag tatsächlich nicht mehr über ein Leistungsvermögen verfügt, mit dem er in der Lage wäre, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bzw. in einer ihm zumutbaren Tätigkeit vollschichtig erwerbstätig zu sein. Denn selbst wenn dies zu Gunsten des Klägers zu unterstellen ist, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen BU insoweit nicht erfüllt, und zwar auch für jeden nach dem 28. Januar 1999 eingetretenen Leistungsfall. Dies gilt auch für eine Rente wegen EU, und zwar unabhängig davon, dass – wie dargelegt – eine EU des Klägers schon aus Rechtsgründen ausscheidet. Denn die in den Rahmenzeiträumen bei Eintritt von EU bzw. BU am 28. Januar 1999 bzw. zu einem beliebigen Zeitpunkt nach diesem Datum (nur) vorliegenden irischen Beitragszeiten vermitteln keinen Versicherungsschutz gegen die Leistungsfälle der EU bzw. BU und auch nicht gegen die Leistungsfälle der drei "neuen" Renten wegen EM nach dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen EM-Rentenrecht.

Nach der Auskunft des irischen Sozialversicherungsträgers bestand mit den von dem Kläger entrichteten Pflichtbeiträgen als Selbständiger kein Versicherungsschutz gegen Invalidität oder sonstige Behinderungen (Schreiben des Department of Social and Family Affairs - Social Welfare Services Office - vom 6. Februar 2005), sondern nur ein Versicherungsschutz wegen Alters. Die irischen Versicherungszeiten des Klägers können daher auch nicht nach Artikel 45 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 14. Juni 1971 in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung als Beitragszeiten berücksichtigt werden, mit denen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen EM erfüllt werden können. Charakter und Umfang der Versicherungszeiten bestimmt vielmehr mit verbindlicher Wirkung der Träger des Staates, nach dessen Rechtsvorschriften sie zurückgelegt sind (vgl. BSG SozR 3-6050 Artikel 45 Nr. 2; BSG, Urteil vom 25. Februar 1992 - 4 RA 28/91 = SozR 3-6050 Artikel 46 Nr. 5). Es handelt sich somit bei den irischen Beiträgen nicht um anwartschafts- bzw. anspruchsbegründende Beiträge für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen EM. Der Kläger wird dadurch auch nicht benachteiligt, weil er im Wege der Gleichstellungsregelungen des Europarechts keine Besserstellung gegenüber nationalem Recht einfordern kann. Er wäre nämlich dann besser gestellt als ein irischer Versicherter, der entsprechende irische Zeiten zurückgelegt und daher nur Anspruch auf eine irische Alterspension mit Vollendung des 66. Lebensjahres hat.

Der Kläger hat für die Zeit ab 1. Januar 1984 auch nicht durchgehend Anwartschaftserhaltungszeiten im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung zurückgelegt. Nach der genanten Vorschrift sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der EU bzw. BU für Versicherte nicht erforderlich, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der EU bzw. BU mit Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine der nachfolgenden Zeiten liegt, Berücksichtigungszeiten, Zeiten des Bezuges einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 belegt ist. Der Kläger hat zwar die allgemeine Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 erfüllt, er hat jedoch bis zum frühesten - denkbaren - Eintritt der EU bzw. BU am 28. Januar 1999 nicht durchgehend Anwartschaftserhaltungszeiten zurückgelegt. Es bestehen Lücken im Versicherungsverlauf vom 1. Juli 1980 bis zum 31. März 1988, vom 1. Mai 1991 bis zum 31. März 1994 und vom 1. Mai 1996 bis zum 31. März 1998, die der Kläger auch nicht mehr durch die nachträgliche Entrichtung freiwilliger Beiträge schließen kann.

Die so genannte Drei-Fünftel-Belegung ist auch dann entbehrlich, wenn die EU bzw. BU aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt wäre (vgl. § 43 Abs. 4, § 44 Abs. 5 SGB VI). Gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI ist die allgemeine Wartezeit u. a. dann vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) vermindert erwerbsfähig oder vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig (vgl. § 53 Abs. 2 SGB VI) geworden sind und bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit versicherungspflichtig waren bzw. in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine EU bzw. BU des Klägers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bzw. eine EU vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eingetreten wäre.

Der Kläger kann auch zur Anwartschaftserhaltung rückwirkend keine freiwilligen Beiträge mehr zahlen. Denn diese sind grundsätzlich nur wirksam, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI). Im Hinblick auf den Rentenantrag vom April 1999 käme eine Beitragszahlung nur noch für die Zeit ab 1. Januar 1999 in Betracht. Eine besondere Härte nach § 197 Abs. 3 SGB VI liegt schon deshalb nicht vor, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger an der rechtzeitigen Zahlung freiwilliger Beiträge für die im Versicherungsverlauf enthaltenen Lücken ohne Verschulden gehindert gewesen wäre. Auch Rechtsunkenntnis oder wirtschaftliche Schwierigkeiten begründen keine Schuldlosigkeit des Versicherten an der nicht erfolgten Beitragszahlung. Auch nach irischem Recht ist der Kläger nicht mehr berechtigt, die vorhandenen Lücken im Versicherungsverlauf durch die nachträgliche Entrichtung von Beiträgen zu schließen, und zwar schon deshalb nicht, weil der Kläger nach den irischen Vorschriften einen entsprechenden Antrag nach Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit gar nicht gestellt hatte (vgl. § 21 Social Welfare Act 1993).

Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist eine Zulassung des Klägers zur Zahlung freiwilliger Beiträge für die genannten Lücken nicht möglich. Der Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Er verpflichtet die Behörde dort, wo dem Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in seinen sozialen Rechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, setzt der Herstellungsanspruch kein Verschulden voraus (vgl. BSGE 49, 76). In Betracht käme hier nach Lage der Sache nur ein Beratungsfehler, der dazu geführt hat, dass es der Kläger mangels ausreichender Informationen versäumt hat, rechtzeitig freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen und damit seine Anwartschaft auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu sichern. Anhaltspunkte für einen derartigen Beratungsfehler der Beklagten oder eines anderen Sozialleistungsträgers (vgl. bei Beratungsfehlern anderer Behörden: BSGE 51, 89; BSG SozR 1200 § 14 Nr. 19, 29) sind jedoch nicht ersichtlich. Für die Beklagte gilt dies schon deshalb, weil der Kläger bereits im Juni 1980 letztmals Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aber nur von der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren abhängig, die der Kläger seinerzeit auch erfüllt hatte. Auch im Übrigen ist eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellbar. Die von dem Kläger in Bezug genommene angebliche telefonische Falschauskunft der Beklagten, wonach die in Irland zurückgelegten Zeiten vollumfänglich auf den Versicherungsverlauf in der Bundesrepublik Deutschland angerechnet würden, trägt den geltend gemachten Herstellungsanspruch schon deshalb nicht, weil die Beklagte über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu einem rechtswidrigen Handeln, nämlich einer Rentengewährung ohne Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, verpflichtet werden kann. Ebenso wenig ist feststellbar, dass eine schriftliche Zusicherung der Beklagten, eine entsprechende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewähren zu wollen, vorliegen würde.

Mangels Vorliegens der Drei-Fünftel-Belegung für jeden denkbaren Leistungsfall ab 28. Januar 1999 scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM), teilweiser EM bzw. teilweiser EM bei BU nach Maßgabe des seit 1. Januar 2001 geltenden EM-Rentenrechts aus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 240 Abs. 1 SGB VI in den seit 1. Januar 2001 geltenden Fassungen).

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass der Kläger ab 1. Juni 2006 Anspruch auf Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI haben dürfte. Die Beklagte wird hierüber noch zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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