L 11 B 544/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 216/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 544/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 03.07.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Am 02.03.2006 beantragte die Antragstellerin (ASt) erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach der Berechnung der Antragsgegnerin (Ag) stand ihr ein Anspruch in Höhe von 122,65 EUR für März 2006 zu.

Mit Schreiben vom 23.03.2006 beantragte die ASt die Bewilligung einer Erstausstattung für ihre zukünftige Wohnung in K. (Zuständigkeitsbereich der ARGE K.). Die Wohnung in K. hat sie mit Mietvertrag vom 14.03.2006 zum 01.04.2006 angemietet. Die Ag lehnte den Antrag auf Erstausstattung mit Bescheid vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2006 ab. Der Bedarf für eine Erstausstattung entstehe erst mit Einzug in die neue Wohnung, somit frühestens am 01.04.2006. Zu diesem Zeitpunkt halte sich die ASt bereits im Zuständigkeitsbereich der ARGE K. auf. Im Übrigen greife § 23 Abs 6 SGB II ein.

Hiergegen hat die ASt Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt, ihr Leistungen zur Erstausstattung zu erbringen. Das SG hat mit Beschluss vom 03.07.2006 die Ag verpflichtet, Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung in K. in Form eines Darlehens zu bewilligen. Grundsätzlich bestehe ein Anspruch auf Erstausstattung, denn § 23 Abs 6 SGB II greife erst ab 01.04.2006 ein. Ein Umzug der ASt samt ihrem Kleinkind in eine unmöblierte Wohnung sei nicht zumutbar. Der Bedarf für eine Erstausstattung in dieser Wohnung entstehe in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag gestellt werde und die neue Wohnung fest angemietet werde. Ansonsten müsste die ASt zunächst in eine leere Wohnung einziehen und diese einrichten.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Beschwerde hat die Ag vorgetragen, der Bedarf entstehe erst mit Einzug in die neue Wohnung am 01.04.2006. Zu diesem Zeitpunkt habe sie keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Zuständigkeitsbereich der Ag. Im Übrigen greife § 23 Abs 6 SGB II ein, denn die ASt habe im Zeitpunkt des Umzuges das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86 b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 und vom 22.11.2002 aaO).

Vorliegend war im Zeitpunkt der Beschlussfassung des SG eine Eilbedürftigkeit gegeben, denn die ASt benötigte eine Erstausstattung für die neue Wohnung.

Es ist daher eine Folgenabwägung vorzunehmen, denn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen. So ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu klären, wann die ASt tatsächlich ihren Aufenthalt in der neuen Wohnung genommen hat. Weiter ist zu klären, wann der Bedarf tatsächlich entstanden ist. Der Bedarf an Möbeln entsteht nämlich nicht bereits mit Antragstellung, er kann vielmehr auch erst im Zeitpunkt des Mietbeginnes der neuen Wohnung entstehen. Diesbezüglich wird sich das SG mit der Regelung des § 36 SGB II inhaltlich ebenso auseinandersetzen müssen wie mit der Frage, ob § 23 Abs 6 SGB II in der ab 01.04.2006 geltenden Fassung hier anwendbar ist. Sollte diesbezüglich keine Übergangsregelung vom Gesetzgeber vorgesehen sein, so ist gegebenenfalls nicht allein auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.

Wegen der deshalb in der Hauptsache offenen Erfolgsaussichten ist eine Folgenabwägung vorzunehmen, wobei hier existenssichernde Leistungen der ASt streitgegenständlich sind. In Anbetracht der Höhe der zu leistenden Zahlungen und der vorläufigen Bewilligung als Darlehen, überwiegen hier die Interessen der ASt die der Ag allein entstehende finanzielle Belastung wesentlich.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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