Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 502/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 1079/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der Kläger absolvierte ab dem 2. Februar 1959 eine Lehre als Kanalbauer und war anschließend bis zum 9. April 1965 als Geselle beschäftigt. Vom 17. Mai 1965 bis zum 31. Dezember 1970 arbeitete er als Auslieferungsfahrer für Tiefkühlkost. Daneben absolvierte er nach eigenen Angaben von 1967 bis 1972 in Abendkursen an der Staatlichen Ingenieurschule B eine Ausbildung zum Tief- und Straßenbautechniker. Ab dem 1. Januar 1971 war er als Bauleiter bzw. Technischer Leiter bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Seit dem 1. November 1979 betreibt er als Selbständiger eine Firma für Garten- und Landschaftsbau. Dabei wurden nach seinen Angaben bis 2000 ausschließlich Gartenneugestaltungen ausgeführt. Anfangs beschäftigte er bis zu 6 Angestellte, diese Zahl verringerte sich bis 1989/1990 auf 2. Seit 2001 arbeitet er alleine und wickelt Kleinstbaustellen im Privatkundenbereich ab. Seit dem 1. September 2003 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Belastungsabhängige Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule traten nach eigenen Angaben erstmals 1979 auf. 1987 wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) von 20 anerkannt.
Mit Schreiben vom 20. November 2003 wandte sich der Kläger an die Beklagte und begehrte die Feststellung seiner Berufsunfähigkeit als Berufskrankheit unter Vorlage von MRT-Befunden der Lendenwirbelsäule vom 10. Oktober 2002 sowie des linken Kniegelenks vom 15. Oktober 2002. Aufgrund eines Befundberichtes des behandelnden Orthopäden Dr. S vom 4. Februar 2004 und verschiedener Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 19. März und 1. Juni 2004 erklärte Dr. K in einer beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 23. Juni 2004, aus den vorliegenden Aufnahmen ergäben sich keine Anhaltspunkte für ein belastungskonformes Schadensbild. Darauf beruhend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sowie Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2004 zurückgewiesen. In seiner Klage hiergegen hat der Kläger geltend gemacht, er habe als Garten- und Landschaftsbauer in den letzten 25 Jahren schwere körperliche Arbeit verrichtet. Dabei habe er seine Bandscheiben und Kniegelenke verschlissen. Er habe in ungünstiger Körperhaltung Betonplatten, Kopfsteinpflaster, Kleinsteine, Mosaikpflaster und Kantensteine heben und verlegen müssen. Außerdem habe er bereits als Kanalbauer mit der Ausführung schwerer körperlicher Arbeiten begonnen.
Das Sozialgericht Berlin hat daraufhin ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. E eingeholt. In seinem Gutachten vom 30. Januar 2005 hat dieser ausgeführt, der Kläger leide an • Halswirbelsäulensyndrom bei deutlichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule • Geringer Sehnenansatzentzündung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks (Tennisellenbogen) • Verplumpung der Fingerendgelenke der Zeigefinger im Sinne einer Heberdenarthrose • Altersgemäße Verschleißerscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule ohne klinische Symptomatik • Lendenwirbelsäulensyndrom mit belastungsabhängigen Lumbalgien bei erheblichen degenerativen Veränderungen L5/S1; im MRT nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 mit stattgehabten Lumboischialgien • Wiederkehrenden Muskel- und Sehnenansatzentzündungen an beiden Hüften (Periarthrosis coxae) • Deutlichem Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern bei Achsenfehlform im O-Bein-Sinne • Belastungsabhängigen Arthralgien des linken Sprunggelenks; Zustand nach operativ behandeltem Bruch eines Mittelfußknochens • Deutlicher Fehlform beider Füße mit funktionellen Einschränkungen; Großzehengrundgelenksarthrose beidseits.
Bei dem Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, diese sei jedoch nicht auf langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugung verursacht worden.
Mit Urteil vom 18. August 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur der Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht worden sei. Da bei dem Kläger zwar belastungsadaptive Reaktionen (d. h. osteochondrotische Veränderungen in Form von sklerosierenden Verdichtungen an den Decken und Tragplatten) an der unteren Lendenwirbelsäule, jedoch keine spondylotischen Veränderungen (d. h. knöcherne Ausziehungen an den Decken- und Tragplatten) an der unteren Brustwirbelsäule mit Ausdehnung auf die obere Lendenwirbelsäule nachgewiesen seien und sich weder im MRT noch in den Röntgenbildern ein von kopfwärts nach fußwärts zunehmender Verschleiß finden lasse, sei eine beruflich bedingte Verursachung des Bandscheibenschadens nicht wahrscheinlich.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, er leide unter berufsbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule sowie der Kniegelenke.
Mit Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2005 und Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2006 ist eine BK nach Nr. 2102 (Meniskuserkrankung) der Anlage zur BKV abgelehnt worden, da keine Anhaltspunkte für eine primäre Meniskuserkrankung vorlägen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2004 zu verurteilen, ihm Verletztenrente wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie reicht das im Rahmen des Berufskrankheitenverfahrens zur BK Nr. 2102 erstellte fachorthopädische Gutachten des Prof. Dr. N/Dr. S vom 4. August 2005 zu den Akten. Des Weiteren stützt sich die Beklagte auf eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtdienstes (TAD) vom 11. April 2006. Unter anderem aufgrund von Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dipl. Ing. S vom 3. März 2006 sowie einer Arbeitsplatzanalyse vom 21. Oktober 2004 (erstellt im Hinblick auf die BK Nr. 2102) gelangt der TAD hierin zu dem Schluss, dass der Richtwert für die Beurteilungsdosis von 5500 Nh/Tag für Männer nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis- Modell (MDD) in der Zeit vom 1. November 1979 bis heute nicht erreicht bzw. überschritten worden sei. Dem werden Angaben des Klägers zugrunde gelegt, wonach er während seiner Tätigkeit als Bauleiter nicht belastend tätig gewesen sei und seit Ende 2000 aus gesundheitlichen Gründen nur noch mit verminderter Leistung gearbeitet habe. Außerdem wird – der Auskunft des Klägers folgend – angenommen, dass fast ausschließlich er selber die im Rahmen der Gartenneugestaltungen anfallenden Verlegearbeiten ausgeführt habe. Die Beurteilungsdosis für die Zeit vom 1. November 1979 bis 1989/1990 wird mit 2851 Nh/Tag bis maximal 4260 Nh/Tag und für die Zeit von 1990 bis 2000 mit 2694 Nh/Tag bis maximal 4260 Nh/Tag angesetzt. Für die Zeit ab dem Jahr 2001 wird mangels konkreter Angaben des Klägers zu den bewegten Lasten davon ausgegangen, dass an den jeweiligen jährlichen Arbeitstagen entweder keine schweren Lasten im Sinne der BK nach Nr. 2108 (d. h. F bei L5/S1 ) 3200 N) gehoben oder getragen worden sind oder die Beurteilungsdosis D = 5500 Nh/Tag nicht erreicht bzw. überschritten worden ist.
Diese Einschätzung wird auch unter Berücksichtigung von Einwänden des Klägers aufrechterhalten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. September 2006 wird darauf hingewiesen, dass die vorbereitenden Arbeiten wie Auskofferungsarbeiten mit der Schaufel, das Setzen der Richtschnur, die Einbringung des Unterbaus, Bodenverdichtungsarbeiten mit Vibrationsplatte bzw. Vibrationsstampfer sowie die Erstellung bzw. das Abziehen des Planums nicht potentiell schädigend im Sinne der BK Nr. 2108 seien. Das Verlegen von Mosaik- bzw. Kleinpflaster werde in kniender Körperhaltung ausgeführt und nicht in extremer Rumpfbeugehaltung, weshalb diese Tätigkeiten ebenfalls nicht potentiell schädigend seien. Darüber hinaus wiesen die Steine ein Lastgewicht von maximal 1 bis 2 kg auf, so dass die erforderliche Mindestdruckkraft von F bei L5/S1 = 3200 N für Männer nicht erreicht werde. Insgesamt sei nicht entscheidend, welche Gesamtlasten über den Tag hinweg verbaut worden seien. Maßgeblich sei jeder einzelne Hebe- bzw. Absetzvorgang und das hierbei bewegte einzelne Gewicht.
Das Gericht hat noch ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenversicherung des Klägers – S I – ab 1985 beigezogen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. November 2006 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Der Kläger macht geltend, der TAD sei nicht unabhängig und verweist im Übrigen auf einen Befundbericht seines Orthopäden Dr. S vom 9. August 2006 für das Sozialgericht Berlin zum Verfahren S 98 U 85/06 betreffend die BK Nr. 2102.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht eine Verletztenrente nicht zu, denn die bei ihm bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden stellen keine BK dar.
Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ist nur Streitgegenstand, ob er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule leidet, welche durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht worden ist. Nur hierüber hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide entschieden. Über die Frage, ob die vom Kläger auch in diesem Verfahren angeführten Verschleißerscheinungen der Kniegelenke auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen und als BK zu entschädigen sind, kann deswegen hier nicht entschieden werden. Die Kniebeschwerden lassen sich schon der Definition der BK Nr. 2108 nach nicht auf langjähriges Heben oder Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zurückführen. Im Übrigen hat die Beklagte hinsichtlich der Kniebeschwerden bereits das Vorliegen einer BK nach Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) geprüft, ein Klageverfahren ist diesbezüglich vor dem Sozialgericht Berlin zu dem Aktenzeichen S 98 U 85/06 anhängig.
Die Voraussetzungen der für eine Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV vom 31. Oktober 1997 i. d. F. der Verordnung zur Änderung der BKV vom 5. September 2002 (BGBl. I Seite 3541) sind nicht erfüllt.
Hiernach sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzusehen.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als BK nach Nr. 2108 muss bei dem Versicherten demnach eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch das langjährige berufsbedingte Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. August 2000 – B 2 U 34/99 R – in SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Im vorliegenden Fall sind schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen (haftungsbegründende Kausalität) für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Das ergibt sich aus den Belastungsbeurteilungen nach dem MDD der Beklagten, die diese im Berufungsverfahren eingeholt hat.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R – veröffentlicht in SozR 4-2700 § 9 Nr. 1 sowie vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R -), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteile vom 11. November 2004 – L 3 U 1/03 und 03. März 2005 – L 3 U 117/02 -), stellt das MDD ein zumindest derzeit geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das gesamte Berufsleben zu ermitteln und in Bezug zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen. Es orientiert sich an medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich auf die in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werte stützen. Es knüpft an die in dem vom seinerzeit zuständig gewesenen Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 getroffenen Vorgaben der Langjährigkeit und der nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmten Mindestlastgewichte an. Das Herausfiltern von Hebe- und Tragetätigkeiten aus dem Tätigkeitsfeld des Betroffenen, bei welchem ein geschlechtsspezifischer Belastungsgrenzwert (Druckkraft bei L5/S1) erreicht bzw. überschritten wird, entspricht dem Grundprinzip dieser BK. Auch nach der Auffassung der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S. 20, 21; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 573) ist der Belastungsrichtwert wissenschaftlich begründet. Das Erfassen der relevanten Tätigkeiten nach ihrer Häufigkeit sowie nach der Dauer der Hebe- und Tragevorgänge entspricht den von der BK Nr. 2108 erfassten Pathomechanismen. Der schichtkumulierte Mittelwert wird mit Hilfe von epidemiologischen Referenzdaten begründet. Die das MDD charakterisierende überproportionale quadratische Gewichtung der Bandscheibenkompression in Relation zur Häufigkeit und Dauer der belastenden Vorgänge wird sowohl biomechanisch als auch epidemiologisch überzeugend begründet. Gerade dem Schädigungsmechanismus durch Mikrotraumatisierungen bei übermäßigen Kompressionsbelastungen wird dadurch Rechnung getragen. Bei der Anwendung dieses Verfahrens konzentriert sich die individuelle Kausalitätsprüfung, soweit es sich um das Kriterium "Schädigungspotential" der äußeren Einwirkung handelt, im Wesentlichen auf die nach diesem Verfahren ermittelte Gesamtbelastungsdosis, als deren Maßstab der so genannte Beurteilungsrichtwert gilt.
Nach dem MDD sind bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L5/S1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung i. S. der BK Nr. 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenzwerte, sondern Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen der Einwirkung und Erkrankung darstellen. Nach den vom TAD der Beklagten erstellten Belastungsbeurteilungen nach dem MDD, unterschreiten die Tagesdosen für alle verrichteten Hebe- und Tragevorgänge – teilweise deutlich – den maßgeblichen Wert von D = 5500 Nh/Tag, so dass sie gar nicht zur Errechnung einer Belastungsgesamtdosis berücksichtigt werden können.
Die vom TAD aufgrund von Ermittlungen des TAB Dipl. Ing. S durchgeführten Berechnungen halten auch einer Überprüfung stand. Sie beruhen auf einer Befragung des Klägers, dem Akteninhalt, den Erfahrungen des TAD und verschiedenen Datensammlungen. Die von der Beklagten vorgelegte MDD-Berechnung hat eine deutliche Unterschreitung des maßgeblichen Tagesdosiswertes von 5500 Nh erbracht. Die Tagesdosis von 5500 Nh ist dabei für keine der Teiltätigkeiten erreicht worden:
Zeitraum November 1979 bis 1989/1990 - Verlegen von Kantensteinen einschließlich Abladen und Transport von Zementsäcken – pro Tag 3119 Nh - Verlegen von ca. 70 Kiesbetonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 3825 Nh - Verlegen von ca. 35 Kiesbetonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 2851 Nh - Abladen von Verbundsteinen im Stapel – pro Tag 4260 Nh Zeitraum ca. 1990 bis 2000 - Verlegen von Kantensteinen einschließlich Abladen und Transport von Zementsäcken – pro Tag 3172 Nh - Verlegen von ca. 90 geschliffenen Betonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 3811 Nh - Verlegen von ca. 45 geschliffenen Betonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 2694 Nh - Abladen von Verbundsteinen im Stapel– pro Tag 4260 Nh.
Das Verlegen/Setzen von Betonrechteck- bzw. Doppelverbundsteinen sowie Mosaik- bzw. Kleinsteinpflaster stellt, wie der TAD schlüssig dargelegt hat, keine potentiell schädigende Tätigkeit nach der BK Nr. 2108 dar (anders ist dies bezüglich der BK Nr. 2102). Auch die vorbereitenden Arbeiten wie Mess-/Ausrichtarbeiten, Schaufelarbeiten, Verteilarbeiten, Abzieharbeiten, Bodenverdichtungsarbeiten, Einsanden der Fugen mit dem Besen, Abrütteln der fertigen Flächen sind ebenfalls nicht potentiell schädigend. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung wurden nicht ausgeführt. Das Verlegen von Kiesbetonplatten, geschliffenen Betonplatten, Betonrechteck- bzw. Doppelverbundsteinen sowie Mosaik- bzw. Kleinsteinpflaster erfolgt in hockender oder kniender Stellung. Auch das Setzen von Kantensteinen wird bedingt durch die Höhe der Steine nicht in extremer Rumpfbeuge ausgeführt.
Für den Zeitraum ab 2001 kann – und hiergegen hat der Kläger auch keine Einwände erhoben – mangels konkreter Angaben des Klägers nicht von einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der BK Nr. 2108 ausgegangen werden.
Dem Senat ist aus einer vergleichbaren Rechtsstreitigkeit (vgl. Urteil des Senats vom 3. März 2005 – L 3 U 117/02 -) bekannt, dass der insgesamt nach dem MDD erforderliche Orientierungswert von 25 MNh von langjährig ausschließlich als Steinsetzer beschäftigten Versicherten regelmäßig nur dann erreicht wird, wenn langjährig in größerem Umfang besonders schwere Steine (Granitplatten, A4 Borde) verlegt wurden, da nur bei diesen Tätigkeiten von erheblichen Belastungen der Lendenwirbelsäule durch das Heben und Tragen von Lasten über 20 bis 25 Kilogramm und Arbeiten in ständiger Rumpfbeuge ausgegangen werden kann. Derartige Arbeiten sind vom Kläger nicht verrichtet worden.
Soweit der Kläger einwendet, er habe in der Summe pro Tag teilweise mehrere Tonnen an Gewicht gehoben und getragen, so mag dies richtig sein. Entscheidend ist jedoch nicht das aus den verschiedenen transportierten Lasten sich ergebende Gesamtgewicht, sondern das einzelnen Gewicht, das beim einzelnen Hebe/Tragevorgang bewegt wird.
Ob – wie das Sozialgericht Berlin erstinstanzlich ausgeführt hat – darüber hinaus aus medizinischer Sicht eine berufsbedingte bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers aufgrund des Fehlens einer Begleitspondylose im Bereich der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule sowie der Verteilung der Schäden über die Wirbelsäule unwahrscheinlich ist, war hier nicht weiter zu prüfen. Denn es fehlt bereits an den so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.
Es kann außerdem dahin stehen, ob der Kläger überhaupt alle gefährdenden Tätigkeiten, die zur Entstehung, der Verschlimmerung oder dem Wiederaufleben der Erkrankung führen können, aufgegeben hat. Dies ist zweifelhaft, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem TAD und gegenüber den begutachtenden Orthopäden Prof. Dr. N/Dr. S seinen Betrieb fortführt, wenn auch nur noch in verringertem Umfang in der Abwicklung von Kleistbaustellen im Privatkundenbereich.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der Kläger absolvierte ab dem 2. Februar 1959 eine Lehre als Kanalbauer und war anschließend bis zum 9. April 1965 als Geselle beschäftigt. Vom 17. Mai 1965 bis zum 31. Dezember 1970 arbeitete er als Auslieferungsfahrer für Tiefkühlkost. Daneben absolvierte er nach eigenen Angaben von 1967 bis 1972 in Abendkursen an der Staatlichen Ingenieurschule B eine Ausbildung zum Tief- und Straßenbautechniker. Ab dem 1. Januar 1971 war er als Bauleiter bzw. Technischer Leiter bei verschiedenen Firmen beschäftigt. Seit dem 1. November 1979 betreibt er als Selbständiger eine Firma für Garten- und Landschaftsbau. Dabei wurden nach seinen Angaben bis 2000 ausschließlich Gartenneugestaltungen ausgeführt. Anfangs beschäftigte er bis zu 6 Angestellte, diese Zahl verringerte sich bis 1989/1990 auf 2. Seit 2001 arbeitet er alleine und wickelt Kleinstbaustellen im Privatkundenbereich ab. Seit dem 1. September 2003 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Belastungsabhängige Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule traten nach eigenen Angaben erstmals 1979 auf. 1987 wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) von 20 anerkannt.
Mit Schreiben vom 20. November 2003 wandte sich der Kläger an die Beklagte und begehrte die Feststellung seiner Berufsunfähigkeit als Berufskrankheit unter Vorlage von MRT-Befunden der Lendenwirbelsäule vom 10. Oktober 2002 sowie des linken Kniegelenks vom 15. Oktober 2002. Aufgrund eines Befundberichtes des behandelnden Orthopäden Dr. S vom 4. Februar 2004 und verschiedener Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 19. März und 1. Juni 2004 erklärte Dr. K in einer beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 23. Juni 2004, aus den vorliegenden Aufnahmen ergäben sich keine Anhaltspunkte für ein belastungskonformes Schadensbild. Darauf beruhend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sowie Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2004 zurückgewiesen. In seiner Klage hiergegen hat der Kläger geltend gemacht, er habe als Garten- und Landschaftsbauer in den letzten 25 Jahren schwere körperliche Arbeit verrichtet. Dabei habe er seine Bandscheiben und Kniegelenke verschlissen. Er habe in ungünstiger Körperhaltung Betonplatten, Kopfsteinpflaster, Kleinsteine, Mosaikpflaster und Kantensteine heben und verlegen müssen. Außerdem habe er bereits als Kanalbauer mit der Ausführung schwerer körperlicher Arbeiten begonnen.
Das Sozialgericht Berlin hat daraufhin ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. E eingeholt. In seinem Gutachten vom 30. Januar 2005 hat dieser ausgeführt, der Kläger leide an • Halswirbelsäulensyndrom bei deutlichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule • Geringer Sehnenansatzentzündung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks (Tennisellenbogen) • Verplumpung der Fingerendgelenke der Zeigefinger im Sinne einer Heberdenarthrose • Altersgemäße Verschleißerscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule ohne klinische Symptomatik • Lendenwirbelsäulensyndrom mit belastungsabhängigen Lumbalgien bei erheblichen degenerativen Veränderungen L5/S1; im MRT nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/5 mit stattgehabten Lumboischialgien • Wiederkehrenden Muskel- und Sehnenansatzentzündungen an beiden Hüften (Periarthrosis coxae) • Deutlichem Verschleißzustand an beiden Kniegelenken und Kniescheibengleitlagern bei Achsenfehlform im O-Bein-Sinne • Belastungsabhängigen Arthralgien des linken Sprunggelenks; Zustand nach operativ behandeltem Bruch eines Mittelfußknochens • Deutlicher Fehlform beider Füße mit funktionellen Einschränkungen; Großzehengrundgelenksarthrose beidseits.
Bei dem Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, diese sei jedoch nicht auf langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugung verursacht worden.
Mit Urteil vom 18. August 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur der Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht worden sei. Da bei dem Kläger zwar belastungsadaptive Reaktionen (d. h. osteochondrotische Veränderungen in Form von sklerosierenden Verdichtungen an den Decken und Tragplatten) an der unteren Lendenwirbelsäule, jedoch keine spondylotischen Veränderungen (d. h. knöcherne Ausziehungen an den Decken- und Tragplatten) an der unteren Brustwirbelsäule mit Ausdehnung auf die obere Lendenwirbelsäule nachgewiesen seien und sich weder im MRT noch in den Röntgenbildern ein von kopfwärts nach fußwärts zunehmender Verschleiß finden lasse, sei eine beruflich bedingte Verursachung des Bandscheibenschadens nicht wahrscheinlich.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, er leide unter berufsbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule sowie der Kniegelenke.
Mit Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2005 und Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2006 ist eine BK nach Nr. 2102 (Meniskuserkrankung) der Anlage zur BKV abgelehnt worden, da keine Anhaltspunkte für eine primäre Meniskuserkrankung vorlägen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2004 zu verurteilen, ihm Verletztenrente wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie reicht das im Rahmen des Berufskrankheitenverfahrens zur BK Nr. 2102 erstellte fachorthopädische Gutachten des Prof. Dr. N/Dr. S vom 4. August 2005 zu den Akten. Des Weiteren stützt sich die Beklagte auf eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtdienstes (TAD) vom 11. April 2006. Unter anderem aufgrund von Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dipl. Ing. S vom 3. März 2006 sowie einer Arbeitsplatzanalyse vom 21. Oktober 2004 (erstellt im Hinblick auf die BK Nr. 2102) gelangt der TAD hierin zu dem Schluss, dass der Richtwert für die Beurteilungsdosis von 5500 Nh/Tag für Männer nach dem Mainz-Dortmunder-Dosis- Modell (MDD) in der Zeit vom 1. November 1979 bis heute nicht erreicht bzw. überschritten worden sei. Dem werden Angaben des Klägers zugrunde gelegt, wonach er während seiner Tätigkeit als Bauleiter nicht belastend tätig gewesen sei und seit Ende 2000 aus gesundheitlichen Gründen nur noch mit verminderter Leistung gearbeitet habe. Außerdem wird – der Auskunft des Klägers folgend – angenommen, dass fast ausschließlich er selber die im Rahmen der Gartenneugestaltungen anfallenden Verlegearbeiten ausgeführt habe. Die Beurteilungsdosis für die Zeit vom 1. November 1979 bis 1989/1990 wird mit 2851 Nh/Tag bis maximal 4260 Nh/Tag und für die Zeit von 1990 bis 2000 mit 2694 Nh/Tag bis maximal 4260 Nh/Tag angesetzt. Für die Zeit ab dem Jahr 2001 wird mangels konkreter Angaben des Klägers zu den bewegten Lasten davon ausgegangen, dass an den jeweiligen jährlichen Arbeitstagen entweder keine schweren Lasten im Sinne der BK nach Nr. 2108 (d. h. F bei L5/S1 ) 3200 N) gehoben oder getragen worden sind oder die Beurteilungsdosis D = 5500 Nh/Tag nicht erreicht bzw. überschritten worden ist.
Diese Einschätzung wird auch unter Berücksichtigung von Einwänden des Klägers aufrechterhalten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. September 2006 wird darauf hingewiesen, dass die vorbereitenden Arbeiten wie Auskofferungsarbeiten mit der Schaufel, das Setzen der Richtschnur, die Einbringung des Unterbaus, Bodenverdichtungsarbeiten mit Vibrationsplatte bzw. Vibrationsstampfer sowie die Erstellung bzw. das Abziehen des Planums nicht potentiell schädigend im Sinne der BK Nr. 2108 seien. Das Verlegen von Mosaik- bzw. Kleinpflaster werde in kniender Körperhaltung ausgeführt und nicht in extremer Rumpfbeugehaltung, weshalb diese Tätigkeiten ebenfalls nicht potentiell schädigend seien. Darüber hinaus wiesen die Steine ein Lastgewicht von maximal 1 bis 2 kg auf, so dass die erforderliche Mindestdruckkraft von F bei L5/S1 = 3200 N für Männer nicht erreicht werde. Insgesamt sei nicht entscheidend, welche Gesamtlasten über den Tag hinweg verbaut worden seien. Maßgeblich sei jeder einzelne Hebe- bzw. Absetzvorgang und das hierbei bewegte einzelne Gewicht.
Das Gericht hat noch ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenversicherung des Klägers – S I – ab 1985 beigezogen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. November 2006 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Der Kläger macht geltend, der TAD sei nicht unabhängig und verweist im Übrigen auf einen Befundbericht seines Orthopäden Dr. S vom 9. August 2006 für das Sozialgericht Berlin zum Verfahren S 98 U 85/06 betreffend die BK Nr. 2102.
Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht eine Verletztenrente nicht zu, denn die bei ihm bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden stellen keine BK dar.
Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ist nur Streitgegenstand, ob er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule leidet, welche durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht worden ist. Nur hierüber hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide entschieden. Über die Frage, ob die vom Kläger auch in diesem Verfahren angeführten Verschleißerscheinungen der Kniegelenke auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen und als BK zu entschädigen sind, kann deswegen hier nicht entschieden werden. Die Kniebeschwerden lassen sich schon der Definition der BK Nr. 2108 nach nicht auf langjähriges Heben oder Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zurückführen. Im Übrigen hat die Beklagte hinsichtlich der Kniebeschwerden bereits das Vorliegen einer BK nach Nr. 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) geprüft, ein Klageverfahren ist diesbezüglich vor dem Sozialgericht Berlin zu dem Aktenzeichen S 98 U 85/06 anhängig.
Die Voraussetzungen der für eine Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV vom 31. Oktober 1997 i. d. F. der Verordnung zur Änderung der BKV vom 5. September 2002 (BGBl. I Seite 3541) sind nicht erfüllt.
Hiernach sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzusehen.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als BK nach Nr. 2108 muss bei dem Versicherten demnach eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegen, die durch das langjährige berufsbedingte Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. August 2000 – B 2 U 34/99 R – in SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Im vorliegenden Fall sind schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen (haftungsbegründende Kausalität) für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht erfüllt. Das ergibt sich aus den Belastungsbeurteilungen nach dem MDD der Beklagten, die diese im Berufungsverfahren eingeholt hat.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R – veröffentlicht in SozR 4-2700 § 9 Nr. 1 sowie vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R -), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteile vom 11. November 2004 – L 3 U 1/03 und 03. März 2005 – L 3 U 117/02 -), stellt das MDD ein zumindest derzeit geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das gesamte Berufsleben zu ermitteln und in Bezug zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen. Es orientiert sich an medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich auf die in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werte stützen. Es knüpft an die in dem vom seinerzeit zuständig gewesenen Bundesministerium für Arbeit herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 getroffenen Vorgaben der Langjährigkeit und der nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmten Mindestlastgewichte an. Das Herausfiltern von Hebe- und Tragetätigkeiten aus dem Tätigkeitsfeld des Betroffenen, bei welchem ein geschlechtsspezifischer Belastungsgrenzwert (Druckkraft bei L5/S1) erreicht bzw. überschritten wird, entspricht dem Grundprinzip dieser BK. Auch nach der Auffassung der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur (vgl. Mehrtens/Perlebach, Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 S. 20, 21; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 573) ist der Belastungsrichtwert wissenschaftlich begründet. Das Erfassen der relevanten Tätigkeiten nach ihrer Häufigkeit sowie nach der Dauer der Hebe- und Tragevorgänge entspricht den von der BK Nr. 2108 erfassten Pathomechanismen. Der schichtkumulierte Mittelwert wird mit Hilfe von epidemiologischen Referenzdaten begründet. Die das MDD charakterisierende überproportionale quadratische Gewichtung der Bandscheibenkompression in Relation zur Häufigkeit und Dauer der belastenden Vorgänge wird sowohl biomechanisch als auch epidemiologisch überzeugend begründet. Gerade dem Schädigungsmechanismus durch Mikrotraumatisierungen bei übermäßigen Kompressionsbelastungen wird dadurch Rechnung getragen. Bei der Anwendung dieses Verfahrens konzentriert sich die individuelle Kausalitätsprüfung, soweit es sich um das Kriterium "Schädigungspotential" der äußeren Einwirkung handelt, im Wesentlichen auf die nach diesem Verfahren ermittelte Gesamtbelastungsdosis, als deren Maßstab der so genannte Beurteilungsrichtwert gilt.
Nach dem MDD sind bei Männern nur Hebe- und Tragevorgänge zu berücksichtigen, die zu einer Druckkraft von 3200 Newton (N) auf die Bandscheibe L5/S1 führen. Diese Hebe- und Tragevorgänge werden unter Einbeziehung ihrer zeitlichen Dauer pro Arbeitstag aufaddiert und wenn sie eine Tagesdosis von 5500 Nh überschreiten, wird dieser Arbeitstag als wirbelsäulenbelastend angesehen und für die weitere Berechnung berücksichtigt. Bei einer Summe der Werte dieser belastenden Arbeitstage (Gesamtdosis) von über 25 MNh wird das Vorliegen einer Einwirkung i. S. der BK Nr. 2108 bejaht. Diese Werte sind keine Grenzwerte, sondern Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen der Einwirkung und Erkrankung darstellen. Nach den vom TAD der Beklagten erstellten Belastungsbeurteilungen nach dem MDD, unterschreiten die Tagesdosen für alle verrichteten Hebe- und Tragevorgänge – teilweise deutlich – den maßgeblichen Wert von D = 5500 Nh/Tag, so dass sie gar nicht zur Errechnung einer Belastungsgesamtdosis berücksichtigt werden können.
Die vom TAD aufgrund von Ermittlungen des TAB Dipl. Ing. S durchgeführten Berechnungen halten auch einer Überprüfung stand. Sie beruhen auf einer Befragung des Klägers, dem Akteninhalt, den Erfahrungen des TAD und verschiedenen Datensammlungen. Die von der Beklagten vorgelegte MDD-Berechnung hat eine deutliche Unterschreitung des maßgeblichen Tagesdosiswertes von 5500 Nh erbracht. Die Tagesdosis von 5500 Nh ist dabei für keine der Teiltätigkeiten erreicht worden:
Zeitraum November 1979 bis 1989/1990 - Verlegen von Kantensteinen einschließlich Abladen und Transport von Zementsäcken – pro Tag 3119 Nh - Verlegen von ca. 70 Kiesbetonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 3825 Nh - Verlegen von ca. 35 Kiesbetonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 2851 Nh - Abladen von Verbundsteinen im Stapel – pro Tag 4260 Nh Zeitraum ca. 1990 bis 2000 - Verlegen von Kantensteinen einschließlich Abladen und Transport von Zementsäcken – pro Tag 3172 Nh - Verlegen von ca. 90 geschliffenen Betonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 3811 Nh - Verlegen von ca. 45 geschliffenen Betonplatten/Tag einschließlich Abladen – pro Tag 2694 Nh - Abladen von Verbundsteinen im Stapel– pro Tag 4260 Nh.
Das Verlegen/Setzen von Betonrechteck- bzw. Doppelverbundsteinen sowie Mosaik- bzw. Kleinsteinpflaster stellt, wie der TAD schlüssig dargelegt hat, keine potentiell schädigende Tätigkeit nach der BK Nr. 2108 dar (anders ist dies bezüglich der BK Nr. 2102). Auch die vorbereitenden Arbeiten wie Mess-/Ausrichtarbeiten, Schaufelarbeiten, Verteilarbeiten, Abzieharbeiten, Bodenverdichtungsarbeiten, Einsanden der Fugen mit dem Besen, Abrütteln der fertigen Flächen sind ebenfalls nicht potentiell schädigend. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung wurden nicht ausgeführt. Das Verlegen von Kiesbetonplatten, geschliffenen Betonplatten, Betonrechteck- bzw. Doppelverbundsteinen sowie Mosaik- bzw. Kleinsteinpflaster erfolgt in hockender oder kniender Stellung. Auch das Setzen von Kantensteinen wird bedingt durch die Höhe der Steine nicht in extremer Rumpfbeuge ausgeführt.
Für den Zeitraum ab 2001 kann – und hiergegen hat der Kläger auch keine Einwände erhoben – mangels konkreter Angaben des Klägers nicht von einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der BK Nr. 2108 ausgegangen werden.
Dem Senat ist aus einer vergleichbaren Rechtsstreitigkeit (vgl. Urteil des Senats vom 3. März 2005 – L 3 U 117/02 -) bekannt, dass der insgesamt nach dem MDD erforderliche Orientierungswert von 25 MNh von langjährig ausschließlich als Steinsetzer beschäftigten Versicherten regelmäßig nur dann erreicht wird, wenn langjährig in größerem Umfang besonders schwere Steine (Granitplatten, A4 Borde) verlegt wurden, da nur bei diesen Tätigkeiten von erheblichen Belastungen der Lendenwirbelsäule durch das Heben und Tragen von Lasten über 20 bis 25 Kilogramm und Arbeiten in ständiger Rumpfbeuge ausgegangen werden kann. Derartige Arbeiten sind vom Kläger nicht verrichtet worden.
Soweit der Kläger einwendet, er habe in der Summe pro Tag teilweise mehrere Tonnen an Gewicht gehoben und getragen, so mag dies richtig sein. Entscheidend ist jedoch nicht das aus den verschiedenen transportierten Lasten sich ergebende Gesamtgewicht, sondern das einzelnen Gewicht, das beim einzelnen Hebe/Tragevorgang bewegt wird.
Ob – wie das Sozialgericht Berlin erstinstanzlich ausgeführt hat – darüber hinaus aus medizinischer Sicht eine berufsbedingte bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers aufgrund des Fehlens einer Begleitspondylose im Bereich der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule sowie der Verteilung der Schäden über die Wirbelsäule unwahrscheinlich ist, war hier nicht weiter zu prüfen. Denn es fehlt bereits an den so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV.
Es kann außerdem dahin stehen, ob der Kläger überhaupt alle gefährdenden Tätigkeiten, die zur Entstehung, der Verschlimmerung oder dem Wiederaufleben der Erkrankung führen können, aufgegeben hat. Dies ist zweifelhaft, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem TAD und gegenüber den begutachtenden Orthopäden Prof. Dr. N/Dr. S seinen Betrieb fortführt, wenn auch nur noch in verringertem Umfang in der Abwicklung von Kleistbaustellen im Privatkundenbereich.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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