L 5 R 1025/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3027/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1025/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, seit wann dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu gewähren ist.

Der 1952 geborene Kläger ist von Beruf Maschinenschlosser und war zuletzt als Außendienstmonteur tätig. Im Jahr 1992 erlitt er einen Autounfall mit einem HWS-Schleudertrauma und machte in der Folgezeit erhebliche Beschwerden geltend, die er auf diesen Autounfall zurückführte.

Am 19. Juni 1996/23. Oktober 1996 (Bl. 77 Verwaltungsakte - VA -) beantragte der Kläger medizinische Leistungen zur Rehabilitation bzw. sodann am 21. August 1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit (Bl. 37 VA). Mit Bescheid vom 29. Januar 1998 (Bl. 215 VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 12. März 1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit, lehnte aber die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab. Die Berufsunfähigkeitsrente betrug zunächst ab März/April 1997 monatlich brutto 933,17 DM (Zahlbetrag netto 862,72 DM) und ab 1. Mai 2004 betrug der monatliche Zahlbetrag 522,47 EUR. Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (Aktenzeichen S 4 RJ 3467/98), mit dem der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begehrte, wurde ein orthopädisches Gutachten bei Dr. P. und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. D. sowie ein weiteres psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. E. von Amts wegen eingeholt. Sowohl Dr. P.als auch Prof. Dr. E. kamen seinerzeit zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter bestimmten qualitativen Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten noch vollschichtig ausüben könne. Dr. D. vertrat dagegen die Auffassung, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Mit Urteil vom 17. November 2000 wies das SG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 2. April 2001 (Aktenzeichen L 3 RJ 5084/00) zurück, da auch nach Auffassung des LSG die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben seien.

Im Rahmen eines Antrages des Klägers auf Grundsicherung beim Landratsamt L. beantragte dieses am 13. Mai 2003 die Prüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Am 11. Juni 2003 erfolgte durch die Ärztliche Untersuchungsstelle der Beklagten in L. eine Untersuchung und Begutachtung durch die Obermedizinalrätin (OMR) und Sozialmedizinerin B. (Gutachten vom 3. Februar 2004 - Bl. 513 VA -). Darin bestätigte OMR B., dass hinsichtlich der letzten beruflichen Tätigkeit des Klägers als Reisemonteur die Leistungsfähigkeit bereits seit 1. Juli 1996 bei unter drei Stunden täglich gelegen habe und bezüglich des allgemeinen Arbeitsmarktes der Kläger nunmehr seit 13. Mai 2003 auch leichte körperliche Arbeiten nur noch unter drei Stunden täglich ausüben könne. Im Vergleich zu den bisherigen Untersuchungen sowohl von Seiten des körperlichen als auch des psychischen Untersuchungsbefundes sei eine erhebliche Verschlechterung eingetreten.

Mit Schreiben vom 17. März 2004 (Bl. 555 VA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei ihm seit dem 13. Mai 2003 volle Erwerbsminderung vorläge. Sie forderte ihn auf, einen formellen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zu stellen. Dem kam der Kläger nach und beantragte am 25. März 2004 (Bl. 659 VA) die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 21. Juni 2004 (Bl. 725 VA) bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1. März 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 783,67 EUR.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass eine volle Erwerbsminderung bereits seit dem 3. Juli 1996 bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2004 (Bl. 823 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Beginn der Rente sei zutreffend zum 1. März 2004 festgesetzt worden. Selbst wenn eine Erwerbsminderung bereits vor Mai 2003 vorgelegen habe, könne die Rente nicht ab einem früheren Zeitpunkt gewährt werden, da Rentenleistungen antragsgebunden seien.

Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2004 Klage vor dem SG Freiburg erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass er bereits am 21. August 1997 einen Antrag auf Gewährung von Rente bei der Beklagten gestellt habe und Erwerbsunfähigkeit bereits seit 1996 vorliegen würde.

Mit Urteil vom 3. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Beklagte im Hinblick auf den hier maßgeblichen Antrag vom 23. März 2004 (gemeint wohl 25. März 2004) in zutreffender Weise auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen die Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. März 2004 gewährt habe, der Kläger sei - unstreitig - spätestens seit dem 13. Mai 2003 voll erwerbsgemindert. Den Antrag habe er am 23. März 2004, also nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Dreimonatsfrist gestellt, sodass ihm Rente erst ab 1. März 2004 zu gewähren gewesen sei. Über die Frage, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund seines Antrages vom 21. August 1997 auch für die Zeit vor dem 1. März 2004 zustehe, sei wegen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) des nicht verfahrensgegenständlichen Ablehnungsbescheides vom 29. Januar 1998 vom SG nicht zu entscheiden. Das LSG habe mit Beschluss vom 2. April 2001 über den Antrag vom 21. August 1997 rechtskräftig entschieden.

Der Kläger hat gegen das ihm mit Übergabeeinschreiben am 21. Februar 2005 übersandte Urteil am 11. März 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Kläger im Ergebnis wie bereits im Klageverfahren geltend, seiner Auffassung nach sei er bereits seit Juli 1996 auch erwerbsunfähig gewesen. Er legt in diesem Zusammenhang umfangreiche Unterlagen u.a. des Ä. B. GmbH aus B. im Zusammenhang mit einem Invalidenrentenverfahren in der Schweiz vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Februar 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 dahingehend abzuändern, dass ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 3. Juli 1996 gewährt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Verwaltungsakten des Arbeitsamtes Lörrach, die Gerichtsakten S 8 AL 2421/98, S 4 RJ 3467/98 und S 9 U 1144/00 des SG Freiburg sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Kläger begehrt die rückwirkende Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

II.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004, mit dem die Beklagte dem Kläger im Hinblick auf seinen Antrag vom 25. März 2004 ab 1. März 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat. Der Bescheid vom 29. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1998, mit dem die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 12. März 1997 gewährt hatte, jedoch die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt hatte, ist nicht Gegenstand des Verfahrens hier. Über diese Bescheide ist rechtskräftig zuletzt durch Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. April 2001 (Aktenzeichen L 3 RJ 5084/00) entschieden worden.

III.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage bezüglich des hier allein streitgegenständlichen Bescheides vom 21. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2004 abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1. März 2004 auf der Grundlage des hier streitgegenständlichen Antrages vom 25. März 2004 hat.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind beim Kläger im Hinblick auch auf den Vorbezug der Rente wegen Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs. 4SGB VI) ebenso erfüllt wie auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgutachtens durch OMR B. die medizinischen Voraussetzungen ab dem 13. Mai 2003. Danach liegt beim Kläger seit diesem Zeitpunkt bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch ein Leistungsvermögen auch für leichte körperliche Tätigkeiten von unter drei Stunden täglich vor. Der Kläger ist damit voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird gemäß Satz 2 eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

Nach dem Gutachten von OMR B. liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 13. Mai 2003 vor. Der vom Kläger am 25. März 2004 gestellte Antrag ist damit aber nicht innerhalb der von § 99 Abs. 1 Satz 1 genannten Frist gestellt worden, sodass gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 die Rente wegen voller Erwerbsminderung - wie von der Beklagten auch ausgeführt - von dem Kalendermonat an geleistet wird, in dem die Rente beantragt wurde, hier März 2004.

Soweit der Kläger hier geltend macht, volle Erwerbsminderung liege tatsächlich schon seit 6. Juli 1996 vor, hat bereits das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass über die Frage, ob bereits zu diesem Zeitpunkt volle Erwerbsunfähigkeit vorliegt, rechtskräftig das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 2. April 2001 entschieden hat und dies hier nicht Gegenstand des Verfahrens ist.

Soweit der Kläger hier möglicherweise im Hinblick auf die Angaben im Gutachten von OMR B. der Auffassung ist, auch dort sei vermerkt, dass tatsächlich die Einschränkungen schon ab 1. Juli 1996 bestehen, sei der Kläger darauf hingewiesen, dass diese Feststellung von OMR B. im Gutachten vom 3. Februar 2004 sich auf die letzte berufliche Tätigkeit als Reisemonteur bezog und dort in der Tat schon seit Juli 1996 von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgegangen worden ist. Dies ist auch der Grund, weshalb der Kläger seit März 1997 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Gutachtens vom 3. Februar 2004 ist jedoch in der Rubrik B "Positives und negatives Leistungsbild (allgemeiner Arbeitsmarkt)" vermerkt, dass auch leichte körperliche Arbeiten nur noch unter drei Stunden seit dem 13. Mai 2003 (Ziff. 5) möglich sind, also hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeit bzw. jetzt der vollen Erwerbsminderung die Voraussetzungen erst seit dem 13. Mai 2003 vorliegen. OMR B. hat in ihrem Gutachten vom 3. Februar 2004 damit zu keinem Zeitpunkt behauptet, tatsächlich habe beim Kläger schon seit Juli 1996 Erwerbsunfähigkeit vorgelegen.

Aus all diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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