Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
25 U 287/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 72/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. September 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der 1937 geborene Kläger war von 1968 bis 1994 als Fräser und Bohrwerksdreher beschäftigt, und zwar von September 1968 bis August 1983 bei der Firma M., von September 1983 bis Juni 1985 bei der Firma P. und von Juni 1985 bis Oktober 1994 bei der Firma B. & V ...
Im Juni 1993 bat die Betriebskrankenkasse der Firma B. & V. die Beklagte um Prüfung, ob bei dem Kläger eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege. Die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erfolgte durch den Hals-Nasen-Ohren-(HNO)Arzt Dr. T ... Der Betriebsarzt bei der Firma B. & V. teilte mit, dass keine Audiogramme vorliegen würde, da der Kläger als Bohrwerksdreher eingestellt worden sei.
Zu den Lärmeinwirkungen gab die Firma B. & V. in der Stellungnahme vom 9. November 1993 an, der Kläger habe von Juni 1985 bis Januar 1987 in der Maschinenfabrik 2 gearbeitet und sei dort einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 80 bis 85 dB (A) ausgesetzt gewesen; dasselbe gelte für die Zeit der Beschäftigung in der Elbehalle 2 seit Januar 1987. Die Firma P. gab in ihrer Stellungnahme vom 9. August 1994 an, es habe an dem betreffenden Arbeitsplatz keine Lärmeinwirkung gegeben, es sei nur sporadisch Lärm aufgetreten bei gelegentlichem Richten. Die Firma M. äußerte sich zu der Anfrage der Beklagten nicht.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ging auf Grund der bei ihm vorhandenen Unterlagen über vergleichbare Arbeitsplätze für die Beschäftigungszeiten bei der Firma M. und der Firma B. & V. von einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 83 dB (A) und bei der Firma P. von 90 dB (A) aus.
Der HNO-Arzt Dr. T. kam nach Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 29. November 1994 zu dem Ergebnis, dass eine symmetrische Mittel- und Hochtonschwerhörigkeit vorliege. Ein berufsbedingter Hörverlust sei wahrscheinlich. Als von dem berufsbedingten Hörverlust unabhängige Erkrankung sei ein Zustand nach Mittelohrentzündung möglich.
Die staatliche Gewerbeärztin legte in ihrer darauffolgenden Stellungnahme dar, dass ein abgrenzbarer Vorschaden nicht dokumentiert sei. Aus diesem Grunde sei der gesamte Hörverlust zu berücksichtigen und ergebe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 %.
Die Beklagte holte die HNO-ärztliche Stellungnahme von Dr. L., Kreiskrankenhaus B., vom 24. Januar 1995 ein. Dr. L. führte aus, der mitgeteilte Beurteilungspegel von 83 dB (A) sei für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit auch bei einer etwa 20jährigen Lärmbelastung im Prinzip als zu niedrig anzusehen. Auch der Hörverlust im Tieftonbereich, der im Tonaudiogramm 1988 gefunden worden sei, gehöre nicht zum typischen Bild der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit. Um den Sachverhalt weiter abklären zu können, sei noch bei existierendem identischem Arbeitsplatz ein personenbezogener Beurteilungsschallpegel unabdingbar.
Nachdem der TAD mitgeteilt hatte, ein identischer Arbeitsplatz existiere nicht mehr, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1995 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und bat um eine neue Untersuchung. Am 4. April 1996 untersuchte Dr. L. im Auftrag der Beklagten den Kläger erneut und erstellte das Gutachten vom 17. April 1996. Dr. L. fand keine wesentliche Veränderung gegenüber dem Voraudiogramm vom 18. November 1994. Die erhobenen Befunde seien zum Teil mit einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar, so der Kurvenverlauf mit einem Abfall im Mittel- und Hochtonbereich, die für einen cochleären Schaden sprechenden überschwelligen Hörtests und die fehlende Progredienz nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit. Ein ausreichender Lärmpegel zur Anerkennung als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit lasse sich nicht nachweisen. Wechselnde Audiogramme über Jahre hinweg sowie seitendifferente Hörschwellen sprächen gegen einen lärmbedingten Schaden. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der am 17. Februar 1997 bei der Beklagten erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der HNO-Arzt Dr. M1 G. das Gutachten vom 1. Juni 2001 nach ambulanter Untersuchung erstattet. Dr. G. hat darin ausgeführt, dass in der Zeit von September 1983 bis Juni 1985 nach den Angaben des TAD von einem mit Sicherheit im gehörschädigenden Bereich liegenden Wert von 90 dB (A) auszugehen sei. Andere sicher gehörschädigende Zeiträume ließen sich nicht festlegen. Die festgestellten Werte von 83 dB (A) könnten allenfalls als grenzwertig gehörbelastend bezeichnet werden. Für die Tonschwellenhörprüfungen kennzeichnend sei seit der Erstdokumentation 1988 weitgehend durchgängig eine ausgeprägte Schädigung auch im Tief-Mitteltonbereich, die durch die nur kurzzeitige gehörschädigende Lärmexposition in dieser Form nicht erklärbar sei. Es dürfe sich am ehesten um eine langjährig verlaufende, lange gut kompensierte und erst spät subjektiv auffallende endogen-degenerative cochleäre Schwerhörigkeit beidseits handeln. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV lägen nicht vor.
Das Sozialgericht hat bei der Firma M. nachgefragt, ob dort Messprotokolle über Lärmbelästigungen in der mechanischen Fertigung für den Zeitraum von 1968 bis 1983 vorliegen würden. Die Firma M. hat dies verneint.
Der TAD der Beklagten hat am 30. Mai und 4. Juni 2002 Geräuschmessungen bei der Firma B. & V. an dem Bohrwerk durchgeführt, an dem der Kläger früher tätig war. Der aus den gemessenen Schalldruckpegeln und den ermittelten Teilzeiten sich ergebende personenbezogene Beurteilungspegel wurde mit 80 dB (A), unter Berücksichtigung der Impulsbewertung mit 82 dB (A) ermittelt.
Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 24. September 2003 abgewiesen. Da die Schwerhörigkeit bei dem Kläger bis 1988 eingetreten sei, sei entscheidend, ob der Kläger in dem davor liegenden Zeiten beruflicher Tätigkeit einer Lärmbelastung ausgesetzt worden sei, welche eine solche Hörschädigung hervorrufen könne. Selbst wenn von einer Lärmbelastung von 90 dB (A) bei der Firma P. und von einer Lärmbelastung von 85 dB (A) bei der Firma B. & V. ausgegangen würde, wäre die Lärmbelastung noch nicht ausreichend gewesen, denn sie hätte dann bis 1988 lediglich für fünf Jahre einen Wert von 85 dB (A) erreicht. Damit fehle es an einer langjährigen Exposition (von 85 bis unter 90 dB (A)) im Sinne der BKV. Für die Tätigkeit bei der Firma M. könne von keiner Lärmbelastung von mindestens 85 dB (A) ausgegangen werden.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, das SG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Insbesondere sei auch das Gutachten von Dr. G. unzutreffend. Zu Recht habe Dr. T. einen berufsbedingten Hörverlust mit einer MdE von 15 v.H. angenommen, welche die Staatliche Gewerbeärztin S. sogar auf 20 v. H. eingeschätzt habe. Die Lärmeinwirkung, welche nach dem Gutachten von Dr. L. nicht ausreichend für eine Lärmschwerhörigkeit gewesen sei, habe der TAD unzutreffend ermittelt. Zur Zeit seiner beruflichen Tätigkeit am Bohrwerk bei B. & V. sei das Bohrwerk anders als bei der Messung des TAD noch nicht generalüberholt gewesen. Außerdem habe damals das Leben in der Werkhalle noch getobt. Hinzu komme, dass der TAD bei der Messung nicht die zutreffenden Tätigkeiten erfasst habe. Über die frühere Lärmbelastung könnten seine damaligen Kollegen bzw. Betriebsratsmitglieder Aussagen machen. Außerdem stehe die alte Halle bei B. & V. noch, so dass auch zutreffendere Vergleichsmessungen noch heute möglich seien. Wegen der Zugluft aufgrund eines stets offenen Hallentores habe er wiederholt unter Mittelohrentzündungen gelitten. Seine Hörminderung sei in der Zeit zwischen 1988 und Anfang 1992 eingetreten. Die von der Beklagten ausgeübte Hinhaltetaktik sei dafür verantwortlich, dass keine zeitnahen arbeitsplatzbezogenen Messungen durchgeführt worden seien, so dass ihm – dem Kläger – nicht mehr möglich sei den Vollbeweis der Lärmbelastung zu erbringen. Der Zeuge J. könne bestätigen, dass die Firma M. alle halbe Jahre Messungen durchgeführt habe, deren Ergebnisse – entgegen der Firmenauskunft - noch vorlägen und die regelmäßig Werte von über 85 dB ergeben hätten. Hier sei eine Beweislastumkehr gerechtfertigt. Soweit noch Messungen möglich seien, sollten diese zumindest aus Gründen der Waffengleichheit durchgeführt werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. September 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, beim Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass in der Broschüre "Lärmquellen der Eisen- und Metallindustrie" Ausgabe 1973 für den Arbeitsbereich "Bohrwerk" Lärmquellen zwischen 78 und 85 dB (A) angegeben worden seien. Die ermittelte Lärmbelastung mit 83 dB (A) erscheine daher plausibel. Entgegen der Äußerung des Klägers sei die Maschine, an der der Kläger bei B. & V. gearbeitet habe, nicht im Jahre 2003 noch an ihrem ursprünglichen Standort gewesen, sondern bereits 1987 an einen anderen Standort verbracht worden, so dass eine Messung unter den früheren Arbeitsplatzbedingungen nicht mehr möglich sei. Außerdem sei auch bereits im Jahre 1987 ein Tor in ca. 15 Metern Entfernung vom Arbeitsplatz des Klägers zwischen zwei Werkhallen zur Vermeidung von Zugluft, Schweißrauchen und Staub eingebaut worden. Eine durch Zugluft ausgelöste Schwerhörigkeit unterfalle nicht der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV. An dem Arbeitsplatz, den der Kläger in den Jahren 1968 bis 1983 bei der Firma M. innegehabt hatte, seien wegen der Veränderung der Verhältnisse keine nachstellende Messung mehr möglich. Trotz der fehlenden Unterlagen der Firma M. komme eine Beweislastumkehr nicht in Betracht. Auch weitere Ermittlungen bei der Firma M. hätten ergeben, dass Messdaten nicht mehr existierten. Lediglich das Bohrwerk "F.", an dem der Kläger früher gearbeitet habe, sei noch vorhanden. Lärmmessungen an dieser Maschine seien aber nicht sinnvoll, weil die gesamte Umgebung inzwischen eine andere sei.
Auf erneute gerichtliche Anfrage im Berufungsverfahren hat die Firma M. mitgeteilt, es gebe keine Unterlagen über eine Lärmmessung für die Jahre 1975 bis 1983 mehr. Der vom Kläger innegehabte Arbeitplatz sei nicht mehr existent. Eine Arbeitsplatzbeschreibung könne nicht mehr gegeben werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2006 hat der Senat zu der Höhe der Lärmbelastung des Klägers während der Tätigkeit bei der Firma M. Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. J. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 31. Oktober 2006 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung hat die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide zutreffend bestätigt.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Der Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus (§§ 547, 551 Abs. 1 RVO). Berufskrankheiten sind die in der Anlage zur BKV aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit-) verursacht haben muss (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus.
Zu den Berufskrankheiten zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV die Lärmschwerhörigkeit.
Die Berufung scheitert nicht daran, dass die Klagschrift das Gericht erst nach Ende der Monatsfrist erreicht hat. Nach § 91 Abs. 1 SGG ist es ausreichend, dass der Kläger die Klage – wie hier – innerhalb der Klagfrist bei der Beklagten erhoben hat.
Die Berufung ist jedoch deswegen unbegründet, weil eine für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit ausreichende Lärmbelastung sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen lässt. Auch der Hörbefund nach den Begutachtungen ist nicht eindeutig, so dass insoweit zusätzlich aus medizinischen Gesichtspunkten Zweifel an einer Kausalität zur beruflichen Exposition bestehen.
Da bei dem Kläger nach den übereinstimmenden Ausführungen von Dres. L. und G. – denen insoweit auch Dr. T. nicht widerspricht – bereits 1988 eine mit der im Jahre 2001 diagnostizierten vergleichbare Innenohrschwerhörigkeit vorlag, sind vorliegend lediglich berufliche Lärmexpositionen in der Zeit bis einschließlich 1988 rechtlich relevant. Welcher Lärmbelastung der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Maschinenfabrik P. ausgesetzt war, lässt sich nicht mehr ermitteln, da das Werk zwischenzeitlich geschlossen worden ist. Der TAD hat ohne eine nähere Begründung Lärmexposition von 90 dB (A) angenommen. Ob diese Annahme, die nicht der gegenüber der Beklagten erteilten Auskunft des Unternehmens entspricht, zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben, da es darauf nicht entscheidend ankommt. Aus demselben Grunde kann ebenfalls offen bleiben, ob der vom TAD für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma B. & V. angenommene Wert von 83 dB (A), dem der Kläger widersprochen hat, zutrifft. Denn selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Lärmbelastung sowohl in der Maschinenfabrik P. als auch bei der Firma B. & V. über dem kritischen Wert von 85 dB (A) lag, hat seine Klage keinen Erfolg. Die hier interessierende Beschäftigungszeit des Klägers bei diesen Unternehmen bis einschließlich 1988 beträgt insgesamt etwa fünf Jahre. Eine Lärmschwerhörigkeit kann jedoch erst nach einer deutlich längeren Expositionszeit entstehen, so dass der Anspruch des Klägers voraussetzt, dass er in seiner vorangegangenen Tätigkeit bei dem Unternehmen M. einer Lärmexposition von über 85 dB (A) ausgesetzt war. Hiervon konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen.
Der Senat folgt der Einschätzung des TAD, dass der Kläger bei der Tätigkeit in der Firma M. mit Lärm von unter 85 dB (A) - nämlich 83 dB (A) – belastet war. Zwar beruht diese Einschätzung nur auf Erkenntnissen über die Lärmbelastung an vergleichbaren Arbeitsplätzen, weil Messungen an dem ehemals vom Kläger benutzten Bohrwerk zur Ermittlung des damaligen Lärmpegels wegen zwischenzeitlicher betrieblicher Veränderungen keine realistischen Ergebnisse mehr liefern können. Der Kläger hat jedoch nichts vorgetragen und es ist auch anderweitig nichts erkennbar, was Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung des TAD begründen kann.
Die Aussage des Zeugen J. stellt die Richtigkeit dieser Einschätzung nicht in Frage. Ihr kann nicht einmal entnommen werden, dass der Kläger bei der Firma M. an einem der lauteren Arbeitsplätze tätig war. Erst Recht ergibt sich aus ihr nichts zur Höhe der Lärmbelastung. Zum einen hat der Zeuge keine realistische Vorstellung davon, bei welcher Lautstärke ein im Arbeitsleben relevanter Lärm beginnt, denn er schätzt die Lärmbelastung am Arbeitsplatz des Klägers auf cirka 100 dB (A), also einen Lärmpegel wie ihn in etwa ein Düsenjet hervorruft und der dementsprechend im Berufsleben praktisch nicht vorkommt. Zum anderen hat sich der Zeuge nicht mehr zureichend an den Arbeitsplatz des Klägers erinnern können. So hat er behauptet, der Kläger habe (entgegen dessen eigenen Angaben) einen Lärmarbeitsplatz (unter dem er einen solchen mit Lärmzulage versteht) inne gehabt. Weiter hat er ausgeführt, der Kläger habe an einer der lauten Drehmaschinen gearbeitet, die er gefühlsmäßig noch vor Augen habe. Gleichzeitig hat er jedoch auf Nachfrage die Maschine in keiner Form beschreiben können. Diese Aussage lässt sich nicht mit der Darlegung des Klägers, er sei seinerzeit an dem größten Bohrwerk der Firma M. mit Namen "F." tätig gewesen, in Übereinstimmung bringen. Der Unterschied zwischen einer (auch nach Meinung des Zeugen i. d. R. lauteren) Drehmaschine und einem (i. d. R. leiseren) Bohrwerk ist dem Zeugen nicht bekannt gewesen. Ebenso hat er den Arbeitsort des Klägers in Halle 2 beschrieben, während dieser nach seinen Angaben erst in Halle 3 und später in Halle 5 arbeitete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der 1937 geborene Kläger war von 1968 bis 1994 als Fräser und Bohrwerksdreher beschäftigt, und zwar von September 1968 bis August 1983 bei der Firma M., von September 1983 bis Juni 1985 bei der Firma P. und von Juni 1985 bis Oktober 1994 bei der Firma B. & V ...
Im Juni 1993 bat die Betriebskrankenkasse der Firma B. & V. die Beklagte um Prüfung, ob bei dem Kläger eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege. Die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erfolgte durch den Hals-Nasen-Ohren-(HNO)Arzt Dr. T ... Der Betriebsarzt bei der Firma B. & V. teilte mit, dass keine Audiogramme vorliegen würde, da der Kläger als Bohrwerksdreher eingestellt worden sei.
Zu den Lärmeinwirkungen gab die Firma B. & V. in der Stellungnahme vom 9. November 1993 an, der Kläger habe von Juni 1985 bis Januar 1987 in der Maschinenfabrik 2 gearbeitet und sei dort einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 80 bis 85 dB (A) ausgesetzt gewesen; dasselbe gelte für die Zeit der Beschäftigung in der Elbehalle 2 seit Januar 1987. Die Firma P. gab in ihrer Stellungnahme vom 9. August 1994 an, es habe an dem betreffenden Arbeitsplatz keine Lärmeinwirkung gegeben, es sei nur sporadisch Lärm aufgetreten bei gelegentlichem Richten. Die Firma M. äußerte sich zu der Anfrage der Beklagten nicht.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ging auf Grund der bei ihm vorhandenen Unterlagen über vergleichbare Arbeitsplätze für die Beschäftigungszeiten bei der Firma M. und der Firma B. & V. von einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 83 dB (A) und bei der Firma P. von 90 dB (A) aus.
Der HNO-Arzt Dr. T. kam nach Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 29. November 1994 zu dem Ergebnis, dass eine symmetrische Mittel- und Hochtonschwerhörigkeit vorliege. Ein berufsbedingter Hörverlust sei wahrscheinlich. Als von dem berufsbedingten Hörverlust unabhängige Erkrankung sei ein Zustand nach Mittelohrentzündung möglich.
Die staatliche Gewerbeärztin legte in ihrer darauffolgenden Stellungnahme dar, dass ein abgrenzbarer Vorschaden nicht dokumentiert sei. Aus diesem Grunde sei der gesamte Hörverlust zu berücksichtigen und ergebe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 %.
Die Beklagte holte die HNO-ärztliche Stellungnahme von Dr. L., Kreiskrankenhaus B., vom 24. Januar 1995 ein. Dr. L. führte aus, der mitgeteilte Beurteilungspegel von 83 dB (A) sei für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit auch bei einer etwa 20jährigen Lärmbelastung im Prinzip als zu niedrig anzusehen. Auch der Hörverlust im Tieftonbereich, der im Tonaudiogramm 1988 gefunden worden sei, gehöre nicht zum typischen Bild der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit. Um den Sachverhalt weiter abklären zu können, sei noch bei existierendem identischem Arbeitsplatz ein personenbezogener Beurteilungsschallpegel unabdingbar.
Nachdem der TAD mitgeteilt hatte, ein identischer Arbeitsplatz existiere nicht mehr, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1995 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und bat um eine neue Untersuchung. Am 4. April 1996 untersuchte Dr. L. im Auftrag der Beklagten den Kläger erneut und erstellte das Gutachten vom 17. April 1996. Dr. L. fand keine wesentliche Veränderung gegenüber dem Voraudiogramm vom 18. November 1994. Die erhobenen Befunde seien zum Teil mit einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar, so der Kurvenverlauf mit einem Abfall im Mittel- und Hochtonbereich, die für einen cochleären Schaden sprechenden überschwelligen Hörtests und die fehlende Progredienz nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit. Ein ausreichender Lärmpegel zur Anerkennung als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit lasse sich nicht nachweisen. Wechselnde Audiogramme über Jahre hinweg sowie seitendifferente Hörschwellen sprächen gegen einen lärmbedingten Schaden. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der am 17. Februar 1997 bei der Beklagten erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der HNO-Arzt Dr. M1 G. das Gutachten vom 1. Juni 2001 nach ambulanter Untersuchung erstattet. Dr. G. hat darin ausgeführt, dass in der Zeit von September 1983 bis Juni 1985 nach den Angaben des TAD von einem mit Sicherheit im gehörschädigenden Bereich liegenden Wert von 90 dB (A) auszugehen sei. Andere sicher gehörschädigende Zeiträume ließen sich nicht festlegen. Die festgestellten Werte von 83 dB (A) könnten allenfalls als grenzwertig gehörbelastend bezeichnet werden. Für die Tonschwellenhörprüfungen kennzeichnend sei seit der Erstdokumentation 1988 weitgehend durchgängig eine ausgeprägte Schädigung auch im Tief-Mitteltonbereich, die durch die nur kurzzeitige gehörschädigende Lärmexposition in dieser Form nicht erklärbar sei. Es dürfe sich am ehesten um eine langjährig verlaufende, lange gut kompensierte und erst spät subjektiv auffallende endogen-degenerative cochleäre Schwerhörigkeit beidseits handeln. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV lägen nicht vor.
Das Sozialgericht hat bei der Firma M. nachgefragt, ob dort Messprotokolle über Lärmbelästigungen in der mechanischen Fertigung für den Zeitraum von 1968 bis 1983 vorliegen würden. Die Firma M. hat dies verneint.
Der TAD der Beklagten hat am 30. Mai und 4. Juni 2002 Geräuschmessungen bei der Firma B. & V. an dem Bohrwerk durchgeführt, an dem der Kläger früher tätig war. Der aus den gemessenen Schalldruckpegeln und den ermittelten Teilzeiten sich ergebende personenbezogene Beurteilungspegel wurde mit 80 dB (A), unter Berücksichtigung der Impulsbewertung mit 82 dB (A) ermittelt.
Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 24. September 2003 abgewiesen. Da die Schwerhörigkeit bei dem Kläger bis 1988 eingetreten sei, sei entscheidend, ob der Kläger in dem davor liegenden Zeiten beruflicher Tätigkeit einer Lärmbelastung ausgesetzt worden sei, welche eine solche Hörschädigung hervorrufen könne. Selbst wenn von einer Lärmbelastung von 90 dB (A) bei der Firma P. und von einer Lärmbelastung von 85 dB (A) bei der Firma B. & V. ausgegangen würde, wäre die Lärmbelastung noch nicht ausreichend gewesen, denn sie hätte dann bis 1988 lediglich für fünf Jahre einen Wert von 85 dB (A) erreicht. Damit fehle es an einer langjährigen Exposition (von 85 bis unter 90 dB (A)) im Sinne der BKV. Für die Tätigkeit bei der Firma M. könne von keiner Lärmbelastung von mindestens 85 dB (A) ausgegangen werden.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, das SG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Insbesondere sei auch das Gutachten von Dr. G. unzutreffend. Zu Recht habe Dr. T. einen berufsbedingten Hörverlust mit einer MdE von 15 v.H. angenommen, welche die Staatliche Gewerbeärztin S. sogar auf 20 v. H. eingeschätzt habe. Die Lärmeinwirkung, welche nach dem Gutachten von Dr. L. nicht ausreichend für eine Lärmschwerhörigkeit gewesen sei, habe der TAD unzutreffend ermittelt. Zur Zeit seiner beruflichen Tätigkeit am Bohrwerk bei B. & V. sei das Bohrwerk anders als bei der Messung des TAD noch nicht generalüberholt gewesen. Außerdem habe damals das Leben in der Werkhalle noch getobt. Hinzu komme, dass der TAD bei der Messung nicht die zutreffenden Tätigkeiten erfasst habe. Über die frühere Lärmbelastung könnten seine damaligen Kollegen bzw. Betriebsratsmitglieder Aussagen machen. Außerdem stehe die alte Halle bei B. & V. noch, so dass auch zutreffendere Vergleichsmessungen noch heute möglich seien. Wegen der Zugluft aufgrund eines stets offenen Hallentores habe er wiederholt unter Mittelohrentzündungen gelitten. Seine Hörminderung sei in der Zeit zwischen 1988 und Anfang 1992 eingetreten. Die von der Beklagten ausgeübte Hinhaltetaktik sei dafür verantwortlich, dass keine zeitnahen arbeitsplatzbezogenen Messungen durchgeführt worden seien, so dass ihm – dem Kläger – nicht mehr möglich sei den Vollbeweis der Lärmbelastung zu erbringen. Der Zeuge J. könne bestätigen, dass die Firma M. alle halbe Jahre Messungen durchgeführt habe, deren Ergebnisse – entgegen der Firmenauskunft - noch vorlägen und die regelmäßig Werte von über 85 dB ergeben hätten. Hier sei eine Beweislastumkehr gerechtfertigt. Soweit noch Messungen möglich seien, sollten diese zumindest aus Gründen der Waffengleichheit durchgeführt werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. September 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, beim Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass in der Broschüre "Lärmquellen der Eisen- und Metallindustrie" Ausgabe 1973 für den Arbeitsbereich "Bohrwerk" Lärmquellen zwischen 78 und 85 dB (A) angegeben worden seien. Die ermittelte Lärmbelastung mit 83 dB (A) erscheine daher plausibel. Entgegen der Äußerung des Klägers sei die Maschine, an der der Kläger bei B. & V. gearbeitet habe, nicht im Jahre 2003 noch an ihrem ursprünglichen Standort gewesen, sondern bereits 1987 an einen anderen Standort verbracht worden, so dass eine Messung unter den früheren Arbeitsplatzbedingungen nicht mehr möglich sei. Außerdem sei auch bereits im Jahre 1987 ein Tor in ca. 15 Metern Entfernung vom Arbeitsplatz des Klägers zwischen zwei Werkhallen zur Vermeidung von Zugluft, Schweißrauchen und Staub eingebaut worden. Eine durch Zugluft ausgelöste Schwerhörigkeit unterfalle nicht der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV. An dem Arbeitsplatz, den der Kläger in den Jahren 1968 bis 1983 bei der Firma M. innegehabt hatte, seien wegen der Veränderung der Verhältnisse keine nachstellende Messung mehr möglich. Trotz der fehlenden Unterlagen der Firma M. komme eine Beweislastumkehr nicht in Betracht. Auch weitere Ermittlungen bei der Firma M. hätten ergeben, dass Messdaten nicht mehr existierten. Lediglich das Bohrwerk "F.", an dem der Kläger früher gearbeitet habe, sei noch vorhanden. Lärmmessungen an dieser Maschine seien aber nicht sinnvoll, weil die gesamte Umgebung inzwischen eine andere sei.
Auf erneute gerichtliche Anfrage im Berufungsverfahren hat die Firma M. mitgeteilt, es gebe keine Unterlagen über eine Lärmmessung für die Jahre 1975 bis 1983 mehr. Der vom Kläger innegehabte Arbeitplatz sei nicht mehr existent. Eine Arbeitsplatzbeschreibung könne nicht mehr gegeben werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2006 hat der Senat zu der Höhe der Lärmbelastung des Klägers während der Tätigkeit bei der Firma M. Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. J. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 31. Oktober 2006 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung hat die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide zutreffend bestätigt.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Der Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus (§§ 547, 551 Abs. 1 RVO). Berufskrankheiten sind die in der Anlage zur BKV aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit-) verursacht haben muss (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus.
Zu den Berufskrankheiten zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV die Lärmschwerhörigkeit.
Die Berufung scheitert nicht daran, dass die Klagschrift das Gericht erst nach Ende der Monatsfrist erreicht hat. Nach § 91 Abs. 1 SGG ist es ausreichend, dass der Kläger die Klage – wie hier – innerhalb der Klagfrist bei der Beklagten erhoben hat.
Die Berufung ist jedoch deswegen unbegründet, weil eine für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit ausreichende Lärmbelastung sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen lässt. Auch der Hörbefund nach den Begutachtungen ist nicht eindeutig, so dass insoweit zusätzlich aus medizinischen Gesichtspunkten Zweifel an einer Kausalität zur beruflichen Exposition bestehen.
Da bei dem Kläger nach den übereinstimmenden Ausführungen von Dres. L. und G. – denen insoweit auch Dr. T. nicht widerspricht – bereits 1988 eine mit der im Jahre 2001 diagnostizierten vergleichbare Innenohrschwerhörigkeit vorlag, sind vorliegend lediglich berufliche Lärmexpositionen in der Zeit bis einschließlich 1988 rechtlich relevant. Welcher Lärmbelastung der Kläger während seiner Tätigkeit bei der Maschinenfabrik P. ausgesetzt war, lässt sich nicht mehr ermitteln, da das Werk zwischenzeitlich geschlossen worden ist. Der TAD hat ohne eine nähere Begründung Lärmexposition von 90 dB (A) angenommen. Ob diese Annahme, die nicht der gegenüber der Beklagten erteilten Auskunft des Unternehmens entspricht, zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben, da es darauf nicht entscheidend ankommt. Aus demselben Grunde kann ebenfalls offen bleiben, ob der vom TAD für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma B. & V. angenommene Wert von 83 dB (A), dem der Kläger widersprochen hat, zutrifft. Denn selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Lärmbelastung sowohl in der Maschinenfabrik P. als auch bei der Firma B. & V. über dem kritischen Wert von 85 dB (A) lag, hat seine Klage keinen Erfolg. Die hier interessierende Beschäftigungszeit des Klägers bei diesen Unternehmen bis einschließlich 1988 beträgt insgesamt etwa fünf Jahre. Eine Lärmschwerhörigkeit kann jedoch erst nach einer deutlich längeren Expositionszeit entstehen, so dass der Anspruch des Klägers voraussetzt, dass er in seiner vorangegangenen Tätigkeit bei dem Unternehmen M. einer Lärmexposition von über 85 dB (A) ausgesetzt war. Hiervon konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen.
Der Senat folgt der Einschätzung des TAD, dass der Kläger bei der Tätigkeit in der Firma M. mit Lärm von unter 85 dB (A) - nämlich 83 dB (A) – belastet war. Zwar beruht diese Einschätzung nur auf Erkenntnissen über die Lärmbelastung an vergleichbaren Arbeitsplätzen, weil Messungen an dem ehemals vom Kläger benutzten Bohrwerk zur Ermittlung des damaligen Lärmpegels wegen zwischenzeitlicher betrieblicher Veränderungen keine realistischen Ergebnisse mehr liefern können. Der Kläger hat jedoch nichts vorgetragen und es ist auch anderweitig nichts erkennbar, was Zweifel an der Richtigkeit dieser Einschätzung des TAD begründen kann.
Die Aussage des Zeugen J. stellt die Richtigkeit dieser Einschätzung nicht in Frage. Ihr kann nicht einmal entnommen werden, dass der Kläger bei der Firma M. an einem der lauteren Arbeitsplätze tätig war. Erst Recht ergibt sich aus ihr nichts zur Höhe der Lärmbelastung. Zum einen hat der Zeuge keine realistische Vorstellung davon, bei welcher Lautstärke ein im Arbeitsleben relevanter Lärm beginnt, denn er schätzt die Lärmbelastung am Arbeitsplatz des Klägers auf cirka 100 dB (A), also einen Lärmpegel wie ihn in etwa ein Düsenjet hervorruft und der dementsprechend im Berufsleben praktisch nicht vorkommt. Zum anderen hat sich der Zeuge nicht mehr zureichend an den Arbeitsplatz des Klägers erinnern können. So hat er behauptet, der Kläger habe (entgegen dessen eigenen Angaben) einen Lärmarbeitsplatz (unter dem er einen solchen mit Lärmzulage versteht) inne gehabt. Weiter hat er ausgeführt, der Kläger habe an einer der lauten Drehmaschinen gearbeitet, die er gefühlsmäßig noch vor Augen habe. Gleichzeitig hat er jedoch auf Nachfrage die Maschine in keiner Form beschreiben können. Diese Aussage lässt sich nicht mit der Darlegung des Klägers, er sei seinerzeit an dem größten Bohrwerk der Firma M. mit Namen "F." tätig gewesen, in Übereinstimmung bringen. Der Unterschied zwischen einer (auch nach Meinung des Zeugen i. d. R. lauteren) Drehmaschine und einem (i. d. R. leiseren) Bohrwerk ist dem Zeugen nicht bekannt gewesen. Ebenso hat er den Arbeitsort des Klägers in Halle 2 beschrieben, während dieser nach seinen Angaben erst in Halle 3 und später in Halle 5 arbeitete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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