L 6 R 541/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 5009/04 It
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 541/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 7/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Beginn einer Rente für schwerbehinderte Menschen.

Der 1939 geborene Kläger, ein in seiner Heimat lebender italienischer Staatsangehöriger, war in der Bundesrepublik Deutschland vom 12.09.1960 bis 31.03.1991 versicherungspflichtig beschäftigt. Zwischen 1958 und 1960 hatte er in der Schweiz insgesamt 20 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Italienische Beiträge hat er nicht aufzuweisen.

Einen am 11.07.1994 gestellten Antrag auf Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit hat die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.1995 und Widerspruchsbescheid vom 04.03.1997 abgelehnt, weil der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger noch leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten in der Lage sei. Nach dem für den Kläger erfolglosem Klageverfahren hat das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 04.09.2002 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab 01.07.1994 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten (Az.: L 6 RJ 540/99). Mit Bescheid vom 20.10.2003 hat die Beklagte dieses Urteil sodann ausgeführt.

Am 03.11.1999 hatte der Kläger formlos die Bewilligung einer Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres beantragt. Mit Bescheid vom 12.10.2000 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Der Kläger habe die Wartezeit von 35 Jahren für eine Altersrente nicht erfüllt. Es seien lediglich 371 Monate für die Wartezeit in der deutschen Rentenversicherung nachgewiesen. Für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit habe der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Den dagegen eingelegten Widerspruch, in dem der Kläger auch auf seine in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten hingewiesen hat, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2000 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Dieses hat das Verfahren zunächst im Hinblick auf das beim Bayer. Landessozialgericht anhängige Verfahren wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente zum Ruhen gebracht.

Nach Zahlung der erforderlichen freiwilligen Beiträge zur Erfüllung der Wartzeit hat die Beklagte dem Kläger die Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.09.2002 und nach Abschluss des Verfahrens wegen der Berufsunfähigkeitsrente mit weiterem Bescheid vom 18.03.2004 die Altersrente für schwerbehinderte Menschen (ab 01.12.1999) bewilligt. Unter Vorlage dieses ihm zugestellten Bescheides hat der Kläger dem Sozialgericht gegenüber erklärt, es habe sich der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt.

Gegen den Bescheid vom 18.03.2004 über die Zahlung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat der Kläger sodann Widerspruch einlegt mit dem Begehren, die Rente bereits ab 01.09.1999 zu zahlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2004 hat die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 18.03.2004, der gemäß § 96 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens, betreffend eine Rente wegen Alters, geworden sei, regele die Anerkennung des Anspruchs auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Auf dieser Grundlage habe der Bevollmächtigte mit seinem an das Sozialgericht Augsburg gerichteten Schreiben vom 26.03.2004 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es liege damit ein angenommenes Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs.2 SGG vor. Hinsichtlich des den Anspruch regelnden Ausführungsbescheides fehle das Rechtsschutzbedürfnis für ein neues Widerspruchsverfahren. Die Bemühung eines erneuten Widerspruchsverfahrens mute als rechtsmissbräuchlich an.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Er widerspricht der Auffassung der Beklagten, die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte Rente seien grundsätzlich erst mit der Zahlung der freiwilligen Beiträge erfüllt. Zugrunde zu legen sei vielmehr der Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Er habe auch zu Recht Widerspruch gegen den Rentenbescheid eingelegt entsprechend der Rechtsmittelbelehrung. Es liege kein Anerkenntnis der Beklagten vor, die ihm einfach den Rentenbescheid zugesandt habe. Es handle sich um einen sogenannten Ausführungsbescheid und es habe im Hinblick auf die Rechtsbehelfsbelehrung keine Veranlassung gegeben, das Gerichtsverfahren fortzuführen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es fehle bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers und damit an einer unverzichtbaren Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26.03.2004 habe der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das Gerichtsverfahren nicht fortgeführt werde, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2004 ihm die Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährt habe. Der Rechtsstreit sei damit durch die Zurücknahme beendet worden. Es habe sich vorliegend nicht um ein Anerkenntnis der Beklagten gehandelt, da diese den Rentenbescheid unmittelbar an den Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt habe. Um einen früheren Rentenbeginn als den mit Bescheid vom 18.03.2004 festgesetzten zu verfolgen, hätte der Kläger das anhängige Verfahren über die Leistung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen problemlos fortführen können. Durch seine Erklärung sei aber die Rechtshängigkeit der Klage beendet worden. Es erscheine rechtsmissbräuchlich, die Gerichte mit einem weiteren Verfahren zu belasten, wenn der wesentliche einfachere Weg, einen früheren Rentenbeginn zu erreichen, bereits offen gestanden habe. Dieser Verfahrensgang hätte sich dem Kläger förmlich aufdrängen müssen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der an seiner Auffassung festhält.

Er beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21.07.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2004 zu verurteilen, die Altersrente für Schwerbehinderte bereits ab dem 01.09.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

Zutreffend hat das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der Beklagten ausgeführt, dass eine Entscheidung in der Sache, ob dem Kläger nämlich die bereits ab dem 01.09.1999 zusteht, nicht mehr möglich ist. Der anhängig gewesene Rechtsstreit ist durch die Erklärung des Klägers erledigt und die Erledigterklärung hat auch den Bescheid vom 18.03.2004 mit umfasst.

Auszugehen ist zunächst von dem Bescheid vom 12.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2000, mit dem die Beklagte die Voraussetzungen für eine Rente wegen Alters abgelehnt hat, weil der Kläger die Wartezeit von 35 Jahren nicht erfüllt hatte, weshalb die Prüfung unterbleiben könne, ob eine Schwerbehinderung des Klägers vorliege. Im Hinblick auf das gleichzeitig laufende Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht, betreffend die Zahlung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde das anschließende Klageverfahren sodann zum Ruhen gebracht und im Januar 2004 im Hinblick auf die rechtskräftige Erledigung dieses Verfahrens vom Kläger fortgeführt. Der Bescheid vom 18.03.2004, der zwar ausdrücklich nur den Altersrentenbescheid vom 15.03.2003 aufgehoben hat, hat naturgemäß auch den ursprünglichen Bescheid vom 12.10.2000 ersetzt, weshalb er gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist. Der nunmehrige Verwaltungsakt hat den Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens - Zahlung einer Altersrente an schwerbehinderte Menschen - unmittelbar berührt, indem er die Beschwer des Klägers gemindert hat. Ein derartiger Folgebescheid wird automatisch Gegenstand des anhängigen Verfahrens und die Rechtshängigkeit erstreckt sich auch auf den neuen Bescheid, so dass eine neue Klage gegen diesen unzulässig ist (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4., neu bearbeitete Auflage 2005, S.238 Rndr.88). Nachdem diese Folge von gesetzeswegen gemäß § 96 Abs.1 SGG eintritt, war ein dementsprechender Hinweis im Bescheid zwar erforderlich aber nicht notwendig in dem Sinne, dass hierdurch erst die Rechtsfolgen des § 96 SGG eingetreten wären. Auch die falsche Rechtsmittelbelehrung dahin, dass gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt werden könne, ändert nichts an der Tatsache der Einbeziehung dieses Bescheides in das anhängige Verfahren. Eine entsprechend der Rechtsmittelbelehrung erhobene Klage wäre wegen Rechtshängigkeit unzulässig (Krasney/Udsching, a.a.O., S.239 Rdnr.93).

Aus der rechtlichen Folge der Einbeziehung des Bescheides vom 18.03.2004 in das Verfahren ergibt sich, dass dieser Bescheid auch das Schicksal des Hauptverfahrens teilt, sofern, wie vorliegend, eine uneingeschränkte Erledigungserklärung abgegeben wird. Es kann dabei dahinstehen, ob es sich bei der Erklärung, die Hauptsache habe sich somit erledigt, um eine Zurücknahme der Berufung gemäß §§ 153 Abs.1, 102 SGG oder ein angenommenes Anerkenntnis gemäß §§ 153 Abs.1, 101 Abs.2 SGG handelt, da in jedem Fall dadurch der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Der Hinweis des Sozialgerichts, der Kläger hätte eine Entscheidung über eine früheren Rentenbeginn nur noch im anhängigen Verfahren erlangen können, aber nicht mehr nach Erledigung des Rechtsstreits, ist zutreffend. Die Beklagte hat damit auch den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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