L 1 KR 27/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 1619/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 27/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2001 wird aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000 wird in vollem Umfang abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine in der Zeit vom 31. Januar 2000 bis 11. Februar 2000 in der Ambulanz für Manuelle Medizin, Theresienklinik I in B K, durchgeführte Behandlung, für die Kosten in Höhe von 4.178,79 DM in Rechnung gestellt wurden.

Die Klägerin ist 1985 geboren und bei der Beklagten familienversichert. Seit ihrer Geburt besteht aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung eine spastische Tetraparese mit cerebralem Anfallsleiden. Sie erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III sowie regelmäßig krankengymnastische Übungsbehandlungen, Logopädie und Ergotherapie zu Lasten der Beklagten.

Die Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. BT beantragte für die Klägerin am 6. Oktober 1999 mit einfachem Schreiben die Kostenübernahme für eine vierzehntägige so genannte Komplexbehandlung in der o.g. Klinik. In einem dem Antrag beigefügten Aufklärungsschreiben der Ambulanz für Manuelle Medizin wird zunächst das Konzept der Komplexbehandlung vorgestellt und unter anderem weiter vermerkt, dass die Kosten für die manualmedizinische Rehabilitation von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen würden. Den Antrag lehnte die Beklagte nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, da es sich bei der sog. Komplexbehandlung um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele und mit der Theresienklinik auch kein entsprechender Versorgungsvertrag bestünde. Darüber hinaus seien nach Aussagen des MDK die ambulanten therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen ausreichend und sollten weitergeführt werden (Bescheid vom 27. 10. 1999).

Gegen diesen Bescheid erhob die Mutter der Klägerin Widerspruch unter Beifügung eines ärztlichen Attestes des Leitenden Arztes der vorgenannten Klinik Dr. med. LB vom 15. Dezember 1999. Nach erneuter Einschaltung des MDK und Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch Dr. S vom 3. Februar 2000, in dem irrtümlich davon die Rede ist, dass für die Klägerin eine stationäre Maßnahme vorgesehen sei, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Februar 2000 die Kostenübernahme für die "beantragte stationären Behandlung" ab. Nach Durchführung der geplanten ambulanten Behandlung in der o.g. Klinik vom 31. Januar bis 11. Februar 2000 übersandte die Mutter der Klägerin der Beklagten die Epikrise vom 1. März 2000 und bat sie, diese bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 9. Mai 2000 hob die Beklagte den Bescheid vom 15. Februar 2000 "aus formalen Gründen" auf und stellte klar, dass Gegenstand des Widerspruchsverfahrens die Entscheidung vom 27. Oktober 1999 sei. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2000 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es, das Behandlungskonzept der Theresienklinik umfasse sowohl Behandlungsmaßnahmen, welche auch im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der KKH und der kassenärztlichen Bundesvereinigung verfügbar seien als auch so genannte außervertragliche Behandlungsverfahren. Die Klägerin habe jedoch nur Anspruch auf die innerhalb der vertraglichen Versorgung zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin die Übernahme der mit Rechnung vom 23. Februar 2000 spezifizierten Kosten der ärztlichen Behandlung verlangt. Die abgerechneten Leistungen bestanden neben Beratungs- und Untersuchungsleistungen vor allem aus chirotherapeutischen Eingriffen, Manipulation an verschiedenen Gelenken, Leistungen der Atlastherapie nach Arlen, Leistungen des intensiven myofascialen Lösens, syst. sensomotorischen Entwicklungs- und Übungsbehandlungen sowie extrakorporalen Stoßwellentherapien.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, die mit der Komplexbehandlung in der Theresienklinik durchgeführten Maßnahmen seien für eine bedarfsgerechte leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung mit medizinischen und ergänzenden Leistungen der ambulanten Rehabilitation erforderlich. Bei der manuellen Therapie im orthopädischen Bereich handele es sich um eine gängige und in ihrer Wirkungsweise unumstrittene Behandlungsmethode. Soweit die Sonderform der Atlastherapie angewendet worden sei, unterscheide sich diese zwar von der klassischen, anerkannten manuellen Chirotherapie, sie ziele aber ebenso wie diese auf eine neurophysiologische Reflexauslösung. Zwar habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit 1. Januar 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss – GBA -) die Atlastherapie 1994 als nicht verordnungsfähiges Heilmittel eingestuft, diese Einstufung entfalte jedoch keine Bindungswirkung, weil verkannt worden sei, dass es sich bei der Atlastherapie nicht um ein Heilmittel sondern um eine ärztliche Leistung handele.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass die Komplextherapie im Wesentlichen aus einer Kombination der Atlastherapie mit dem myofascialen Lösen und der extrakorporalen Stoßwellentherapie bestehe. Die Atlastherapie sei von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen, weil sie kein Heilmittel sei. Die extrakorporale Stoßwellentherapie sei nach Anlage B der NUB-Richtlinien von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Das myofasciale Lösen sei ebenfalls nicht vertragsärztlich geregelt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte des behandelnden Orthopäden Dr. D und der Kinderärztin Dr. S eingeholt. In dem Befundbericht des Dr. D heißt es, im Anschluss an die ambulante Behandlung in der Theresienklinik in Bad Krozingen sei eine leichte Verbesserung der Hüft- und Kniebeugekontrakturen festzustellen, erfahrungsgemäß sei dies jedoch nicht mit dauerhaften Erfolg verbunden. Die Kinderärztin S führt in ihrem Befundbericht aus, die Klägerin sei seit der Komplextherapie in B K psychisch deutlich stabiler geworden. Sodann hat das Sozialgericht eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Kranken-kassen vom 13. Februar 2001 eingeholt, in der es heißt, dass die so genannte Komplextherapie bisher nicht Gegenstand einer Überprüfung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V gewesen sei und dies auch bisher nicht beantragt worden sei. Es lägen auch keine Unterlagen vor, die erkennen ließen, dass es sich hier um eine medizinische Methode handele, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien eines diagnostischen oder therapeutischen Nutzens sowie medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllten.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, die genannte Klinik besitze zwar einen Versorgungs-vertrag nach § 111 SGB V zur stationären Behandlung, dieser umfasse jedoch nicht die Erbringung der manuellen Therapie. Außerdem verfüge die Klinik über keinerlei Verträge, welche die Einrichtung berechtigten, ambulante Maßnahmen mit den Krankenkassen abzurechnen. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, die Klinik erfülle die personellen und fachlichen Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V und habe infolgedessen Anspruch auf Zulassung zur Versorgung der Versicherten mit Leistungen der ambulanten Rehabilitation als so genannte wohnortnahe Einrichtung im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V.

Durch Urteil vom 30. Oktober 2001 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 5. Oktober 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach pflichtgemäßem Ermessen erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte ambulante Rehabilitationsleistung sei § 40 Abs. 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung des GKV- Gesundheitsreformgesetzes vom 22. Dezember 1999. Hiernach könne die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V bestehe oder soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung des Versicherten mit medizinischen Leistungen der ambulanten Rehabilitation erforderlich sei, in wohnortnahen Einrichtungen erbringen, wenn bei dem Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreiche, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Die Krankenkasse bestimme nach § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine solche Entscheidung habe die Beklagte nicht getroffen, da sie unterstellt habe, dass eine stationäre Rehabilitation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung beantragt worden sei. Die Argumentation der Beklagten, dass mit der Theresienklinik (jetzt: Rheintalklinik) nur ein Versorgungsvertrag über die stationäre Rehabilitation abgeschlossen worden sei, gehe fehl. Die Beklagte habe hier außer Acht gelassen, dass die Klinik einen Anspruch auf Zulassung zur Versorgung der Versicherten mit Leistungen der ambulanten Rehabilitation als wohnortnahe Einrichtung im Sinne von § 40 Abs. 1 SGB V habe. Da die Rheintalklinik danach nicht von vornherein als Leistungserbringer ausgeschlossen sei, habe die Beklagte die Frage zu beantworten, ob die von der Klägerin dort in Anspruch genommene Behandlung, ggf. in welchem Umfang medizinisch erforderlich gewesen sei. Gegebenenfalls komme auch eine Teilerstattung in Betracht. Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Beklagte geltend macht, das Sozialgericht habe verkannt, dass Streitgegenstand eine ambulante Krankenbehandlung gewesen sei, nur dies sei beantragt worden und dies habe die Beklagte auch ihren Bescheiden zugrunde gelegt. Zur ambulanten Krankenbehandlung sei die vorgenannte Klinik nicht berechtigt gewesen. Da die Klinik in B K gelegen sei, könne es sich auch nicht um eine wohnortnahe Rehabilitation gehandelt haben. Die Klägerin vertieft ihr bisheriges Vorbringen und meint, dass der Ausschluss einer einzelnen zu einem Therapiekonzept gehörenden Leistung nicht notwendig den Ausschluss der gesamten Behandlungsmethode nach sich ziehe, sofern die betreffende Leistung für den Erfolg und die Wirksamkeit der Methode ohne wesentliche Bedeutung sei. Das ihr zustehende Ermessen habe die Beklagte überhaupt nicht erkannt. Die Beklagte weist darauf hin, dass die so genannte Atlastherapie durch Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (jetzt GBA) vom 21. Juni 2002 als Nr. 40 in die Anlage B der BUB-Richtlinien aufgenommen worden sei und damit auch als ärztliche Behandlungsmaßnahme nicht erstattungsfähig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Kopie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 27. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2000 dazu verurteilt, den Antrag der Klägerin nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Denn der vorgenannte Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil ihr ein Anspruch auf Kostenerstattung unter keinem möglichen Gesichtspunkt zusteht und deshalb auch eine Ermessensentscheidung der Beklagten nicht beansprucht werden kann. Als Anspruchsgrundlage für den streitigen Kostenerstattungsanspruch kommt im Fall der Klägerin allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse einem Versicherten die Kosten für eine von ihm selbst beschaffte Leistung zu erstatten, wenn die Kosten dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, was unbeschadet einer genauen Zuordnung der durchgeführten Maßnahme zu einer bestimmten Leistungsart hinsichtlich der 1. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V schon deshalb anzunehmen ist, weil Anhaltspunkte dafür, dass eine Verweisung der Klägerin auf den üblichen Beschaffungsweg mit nicht vertretbaren medizinischen Risiken verbunden gewesen wäre, nicht ersichtlich sind. Aber auch hinsichtlich der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V sind die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt, wobei dahinstehen kann, ob es sich – was insoweit allein in Betracht zu ziehen ist – bei der durchgeführten Maßnahme um eine Maßnahme der ambulanten Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V oder eine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V in der seinerzeit maßgeblichen Fassung des GKV – Gesundheitreformgesetzes gehandelt hat. Sollte es sich bei der durchgeführten Maßnahme um eine solche der ambulanten Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V gehandelt haben, was mit Blick auf das Aufklärungsschreiben der Ambulanz sowie die von ihr erstellte Rechnung vom 23. Februar 2000 näher liegen dürfte als eine Einstufung als ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation, scheitert der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch daran, dass die Beklagte die Leistung auch im Wege der Sachleistungsgewährung nicht hätte erbringen dürfen. Diese Leistung ist nämlich unabhängig davon, ob sie seinerzeit ausschließlich in der Ambulanz in B erhältlich gewesen ist und ob die sie erbringenden Ärzte Vertragsärzte gewesen sind, als außervertragliche Leistung anzusehende neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu bewerten. Wie die Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, ist die Leistung hierbei als Einheit zu betrachten, weil nach der Behandlungskonzeption der Ambulanz gerade das Zusammenwirken der je nach Indikation und Befund zur Anwendung gebrachten verschiedenen Einzelkomponenten zu einem Therapieerfolg führen soll. Diese Leistung wurde und wird bis heute vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfasst, was sich aus § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt. Nach dieser Vorschrift dürfen nämlich neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (jetzt: Gemeinsamer Bundesausschuss – GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Die Bestimmung regelt ungeachtet ihres Standorts im 4. Kapitel des SGB V betreffend die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nicht nur die Modalitäten der Leistungserbringung, sondern legt für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen fest (vgl. BSG SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 1). Ob eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard entspricht, soll nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht von Fall zu Fall durch die Krankenkasse oder das Gericht, sondern für die gesamte ambulante Versorgung ausschließlich durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als sachkundigem Gremium entschieden werden, um so eine an objektiven Maßstäben orientierte und gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Dabei hat der Bundesausschuss nicht selbst über den medizinischen Nutzen der Methode zu urteilen. Seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht. Die Richtlinien des Bundesausschusses mit den darin enthaltenen Verfahrensordnungen tragen dieser Aufgabenstellung Rechnung, indem sie im Einzelnen darlegen, welche Unterlagen für die Überprüfung heranzuziehen sind, nach welchen Kriterien die Bewertung zu erfolgen hat und welche Voraussetzungen für eine Anerkennung der Methode erfüllt sein müssen. Hierbei besteht die Besonderheit, dass das Gesetz eine Bindung der Verwaltung und der Gerichte an diese Richtlinien bewirkt, indem es anordnet, dass solche Methoden ohne Empfehlung in den Richtlinien nicht zu Lasten der Krankenversicherung angewandt werden dürfen; § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V statuiert insoweit einen Erlaubnisvorbehalt (vgl. BSG ebenda).

Vor diesem Hintergrund ist eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Wege der Sachleistung nur dann von den Krankenkassen zu erbringen, wenn sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung durchgeführt worden ist, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bereits im Rahmen einer Empfehlung zu der in Rede stehenden Untersuchungs- und Behandlungsmethode geäußert hatte.

An einer Empfehlung im vorgenannten Sinne fehlt es hier, wie der Bundessausschuss dem Sozialgericht Berlin in seiner Auskunft vom 13. Februar 2001 mitgeteilt hat, die bis heute Gültigkeit beansprucht. Dass eine Empfehlung u. a. deshalb unterblieben ist, weil der Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V lediglich auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen tätig werden darf und ein Prüfungsantrag bezüglich der in Rede stehenden Methode bis heute nicht gestellt worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Leistungspflicht der Krankenkassen kann zwar unbeachtet des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V statuierten Erlaubnisvorbehaltes ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundessausschuss trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird (so genanntes Systemversagen). Denn in diesem Fall ist davon auszugehen, dass die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG ebenda). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, wobei dahinstehen kann, ob ein überfälliger Antrag überhaupt zu einem Systemversagen führen kann, das dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zuzurechnen ist. Denn ein Systemversagen lässt sich hier schon deshalb nicht feststellen, weil Anhaltspunkte dafür, dass ein Verfahren vor dem Bundesausschuss notwendig (gewesen) sein könnte, nicht bestehen. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Komplexbehandlung mit der Atlastherapie nach Arlen eine wesentliche Komponente enthält, die der Bundesausschuss mit seinem am 25. September 2002 im Bundesanzeiger veröffentlichten und damit an diesem Tag in Kraft gesetzten Beschluss vom 21. Juni 2002 bereits ausdrücklich aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen hat (vgl. Anlage B Nr. 40 der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V). Gehört aber eine wesentliche Komponente einer Behandlungsmethode nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, ist auch für die Anerkennung der Behandlungsmethode in ihrer Gesamtheit kein Raum.

Dass der Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 21. Juni 2002 fehlerhaft sein könnte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass sich der Bundesausschuss mit der Atlastherapie nach Arlen zunächst nur unter dem Blickwinkel ihrer Verordnungsfähigkeit als Heilmittel befasst und diese Verordnungsfähigkeit bis heute verneint hat (vgl. Ziff. 16 der Anlage 2 zur Nr. 5 der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien bzw. Buchstabe a) Nr. 8 der Anlage zu Nr. 32 der Heilmittel-Richtlinien). Denn wie bereits ausgeführt, ist eine Befassung nunmehr auch im Hinblick auf ihren Charakter als ärztliche Leistung erfolgt. Da diese Befassung kein positives Ergebnis erbracht hat, kann für die Vergangenheit ein Systemversagen nicht festgestellt werden.

Dass die Entscheidung des Bundesausschusses, für die Atlastherapie nach Arlen die erforderliche Empfehlung zu versagen, aus sonstigen Gründen fehlerhaft sein könnte, ist nicht ersichtlich. Wie andere untergesetzliche Normen ist diese Entscheidung des Bundesausschusses von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht im Einklang steht. Da die Gerichte nicht dazu berufen sind, selbst zum therapeutischen Nutzen einer Methode Stellung zu nehmen, beschränkt sich die Überprüfung auf das Verfahren vor dem Bundesausschuss und die seiner Entscheidung zugrunde gelegten Maßstäbe (vgl. BSG SozR 3 – 2500 § 138 Nr. 2). Diesbezüglich bestehen indes keine durchgreifenden Bedenken, weil sich der Bundesausschuss bei seiner Entscheidung ausschließlich von den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit der darin enthaltenen Verfahrensordnung hat leiten lassen, die ihrerseits klare und in rechtlicher Hinsicht unbedenkliche Vorgaben dazu enthalten, welche Unterlagen zur Überprüfung der medizinischen Methoden heranzuziehen und wie diese Unterlagen im Einzelnen zu klassifizieren und zu bewerten sind. Sollte es sich bei der durchgeführten Maßnahme – wie die Klägerin gegenüber der Beklagten erst im Rahmen des Klageverfahrens geltend gemacht hat und wie das Sozialgericht angenommen hat – um eine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinn des § 40 Abs. 1 SGB V gehandelt haben, scheitert der hier in Rede stehende Kostenerstattungsanspruch bereits daran, dass der Klägerin eine solche Leistung nicht gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V vertragsärztlich verordnet worden ist. Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung ergibt sich hierbei vor dem Hintergrund, dass der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt, der seinerseits nur dadurch begründet werden kann, dass ein Vertragsarzt die in Rede stehende Leistung auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt. Denn § 40 Abs. 1 SGB V begründet keinen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch auf Versorgung mit ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation schlechthin, sondern lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht. Der Versicherte kann eine bestimmte Behandlung erst beanspruchen, wenn sie ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt unter Angabe der Diagnose, der Begründung der Indikation sowie der Beschreibung von Art und Umfang der geplanten Therapie als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird. Das ist in § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V dadurch klargestellt, dass die Verordnung von Behandlungen in Rehabilitationseinrichtungen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung erklärt wird; nur in deren Rahmen sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen verpflichtet (vgl. BSG SozR 3 – 2500 § 13 Nr. 13). Für den Kostenerstattungsanspruch nach der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V gilt grundsätzlich nichts anderes. Denn das Recht zur Selbstbeschaffung reicht nur so weit, wie es zur Überwindung der den Anspruch begründenden Lücke in der Versorgung des Versicherten erforderlich ist (vgl. BSG ebenda). Wären dem Versicherten die Kosten auch ohne die Ablehnung der Krankenkasse entstanden, kann er nach der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V keine Kostenerstattung beanspruchen. Da sich der Versicherte ohne vertragsärztliche Bestätigung der Notwendigkeit nicht zu Lasten der Krankenkasse in Rehabilitationseinrichtungen behandeln lassen kann, ist die vertragsärztliche Verordnung auch für den Kostenerstattungsanspruch unerlässlich.

An einer vertragsärztlichen Verordnung im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V fehlt es hier indes. Denn wie sich dem Antragsschreiben der behandelnden Ärztin der Klägerin Dr. T vom 5. Oktober 1999 entnehmen lässt, hat sie die Maßnahme seinerzeit nicht auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernommen, sondern, wohl im Hinblick auf die Belehrung im Aufklärungsschreiben der Ambulanz für Manuelle Medizin, das sie dem Antrag beigefügt hatte, bei der Beklagten lediglich beantragt.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann hier dahinstehen, ob und inwieweit mit der Ambulanz seinerzeit Verträge nach § 111 SGB V bestanden haben und/oder ob diese Ambulanz jedenfalls vor dem Hintergrund als wohnortnahe Einrichtung im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V angesehen werden kann, dass sich die Versicherte der Einrichtung für die Dauer der Maßnahme auf eigene Kosten nähert. Weiter bedarf keiner Entscheidung, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB V seinerzeit vorgelegen haben und ob die erbrachten Leistungen im Rehabilitationsbereich überhaupt vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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