Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 1627/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1057/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragsteller für die Zeit ab 1. Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 930,03 EUR zu zahlen, und zwar vorläufig bis zum 28. Februar 2007. Den Antragstellern wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskosten- hilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Gründe:
Die Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung des bereits erstinstanzlich von dem insoweit gesetzlich vertretungsbefugten bzw. nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als bevollmächtigt anzusehenden Antragsteller zu 1. auch namens der Antragsteller zu 2. und 3. eingereichten Rechtsschutzantrages ihr Begehren weiter verfolgen, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihre geltend gemachten Individualansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in einer Gesamthöhe von 1.047,03 EUR monatlich für die Zeit ab 1. Oktober 2006 zu erfüllen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Beschwerde ist auch begründet, soweit das Sozialgericht (SG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt hat; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die auf § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gestützte Versagensentscheidung der Antragsgegnerin vom 29. September 2006 für Bezugszeiträume ab 1. Oktober 2006 ist schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller zu 1. im Rahmen des § 60 SGB I nicht verpflichtet ist, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der C A (im Folgenden: A.) – seiner angeblichen Partnerin – mitzuteilen. Die Antragsgegnerin ist vielmehr gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von A. einzuholen. Die genannte Vorschrift normiert eine eigenständige öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II). Der Bescheid vom 29. September 2006 ist auch nicht deshalb bestandskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat bindend (vgl. § 77 SGG), weil der Antragsteller zu 1. zumindest keinen ausdrücklichen "Widerspruch" gegen diesen Bescheid innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG eingelegt hat. Denn jedenfalls der binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vom 29. September 2006 eingereichten Beschwerdeschrift vom 17. Oktober 2006 lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Antragsteller sich gegen die in diesem Bescheid verlautbarte Verwaltungsentscheidung wenden.
Zwar scheidet im Falle der Rechtswidrigkeit einer Versagensentscheidung eine Verpflichtung der Behörde zur Leistungsgewährung regelmäßig aus, da sich die Versagensentscheidung über die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen nicht verhält. Bei Entziehungsbescheiden ist zudem einstweiliger Rechtsschutz durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG geboten und auch ausreichend. Bei rechtswidrigen Versagensentscheidungen, die auf einen Fortzahlungsantrag nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes – wie hier – ergehen, ist es aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne einer zu gewährleistenden und verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung geboten, die Antragsgegnerin unmittelbar zur Leistung zu verpflichten, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung im Übrigen vorliegen. Der Senat hat dabei, weil eine abschließende Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller zu 1. – und damit auch die Antragsteller zu 2. und 3. - mit der A. in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b oder 3c, Nr. 4 SGB II leben, vor einer umfassenden Beweisaufnahme nicht erfolgen kann und daher angesichts der Dringlichkeit der Sache ebenso untunlich ist wie eine (nur) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft erforderliche Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der A., seiner Beurteilung eine Interessenabwägung zu Grunde gelegt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, Seite 8 m.w.N.). Diese soll einerseits die Existenzsicherung der Antragsteller gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher für angemessen, den Antragstellern vorläufig bis zum 28. Februar 2007 die Leistungen zuzuerkennen, die bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft - ohne dass die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Bedarfsgemeinschaft damit vorweggenommen würde - zu gewähren sind, und zwar ohne Berücksichtigung etwaigen Einkommens oder Vermögens der A. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Gesamtleistungsbetrag ab 1. Oktober 2006 von 930,03 EUR (Regelleistung von 311,- EUR für den Antragsteller zu 1. - § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II – zzgl. Regelleistungen von jeweils 276,- EUR für die Antragsteller zu 2. und 3. - § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II – zzgl. anteilige Unterkunftskosten von monatlich 375,03 EUR abzüglich Kindergeld von insgesamt 308,- EUR monatlich). Soweit die Antragsteller hierüber hinausgehend eine monatliche Gesamtzahlung von 1.047,03 EUR geltend machen, ist die Beschwerde aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Im Hinblick auf den weitgehenden Erfolg ihres Rechtsschutzantrages war den Antragstellern für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren PKH zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -) und ihr Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 121 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren hat eine Kostenentscheidung nicht zu ergehen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung des bereits erstinstanzlich von dem insoweit gesetzlich vertretungsbefugten bzw. nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als bevollmächtigt anzusehenden Antragsteller zu 1. auch namens der Antragsteller zu 2. und 3. eingereichten Rechtsschutzantrages ihr Begehren weiter verfolgen, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihre geltend gemachten Individualansprüche auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in einer Gesamthöhe von 1.047,03 EUR monatlich für die Zeit ab 1. Oktober 2006 zu erfüllen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Beschwerde ist auch begründet, soweit das Sozialgericht (SG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt hat; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die auf § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gestützte Versagensentscheidung der Antragsgegnerin vom 29. September 2006 für Bezugszeiträume ab 1. Oktober 2006 ist schon deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller zu 1. im Rahmen des § 60 SGB I nicht verpflichtet ist, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der C A (im Folgenden: A.) – seiner angeblichen Partnerin – mitzuteilen. Die Antragsgegnerin ist vielmehr gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von A. einzuholen. Die genannte Vorschrift normiert eine eigenständige öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II). Der Bescheid vom 29. September 2006 ist auch nicht deshalb bestandskräftig und damit für die Beteiligten und den Senat bindend (vgl. § 77 SGG), weil der Antragsteller zu 1. zumindest keinen ausdrücklichen "Widerspruch" gegen diesen Bescheid innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG eingelegt hat. Denn jedenfalls der binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vom 29. September 2006 eingereichten Beschwerdeschrift vom 17. Oktober 2006 lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Antragsteller sich gegen die in diesem Bescheid verlautbarte Verwaltungsentscheidung wenden.
Zwar scheidet im Falle der Rechtswidrigkeit einer Versagensentscheidung eine Verpflichtung der Behörde zur Leistungsgewährung regelmäßig aus, da sich die Versagensentscheidung über die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen nicht verhält. Bei Entziehungsbescheiden ist zudem einstweiliger Rechtsschutz durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG geboten und auch ausreichend. Bei rechtswidrigen Versagensentscheidungen, die auf einen Fortzahlungsantrag nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes – wie hier – ergehen, ist es aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne einer zu gewährleistenden und verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung geboten, die Antragsgegnerin unmittelbar zur Leistung zu verpflichten, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung im Übrigen vorliegen. Der Senat hat dabei, weil eine abschließende Beurteilung der Frage, ob der Antragsteller zu 1. – und damit auch die Antragsteller zu 2. und 3. - mit der A. in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3b oder 3c, Nr. 4 SGB II leben, vor einer umfassenden Beweisaufnahme nicht erfolgen kann und daher angesichts der Dringlichkeit der Sache ebenso untunlich ist wie eine (nur) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft erforderliche Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der A., seiner Beurteilung eine Interessenabwägung zu Grunde gelegt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, Seite 8 m.w.N.). Diese soll einerseits die Existenzsicherung der Antragsteller gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher für angemessen, den Antragstellern vorläufig bis zum 28. Februar 2007 die Leistungen zuzuerkennen, die bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft - ohne dass die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Bedarfsgemeinschaft damit vorweggenommen würde - zu gewähren sind, und zwar ohne Berücksichtigung etwaigen Einkommens oder Vermögens der A. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Gesamtleistungsbetrag ab 1. Oktober 2006 von 930,03 EUR (Regelleistung von 311,- EUR für den Antragsteller zu 1. - § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II – zzgl. Regelleistungen von jeweils 276,- EUR für die Antragsteller zu 2. und 3. - § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II – zzgl. anteilige Unterkunftskosten von monatlich 375,03 EUR abzüglich Kindergeld von insgesamt 308,- EUR monatlich). Soweit die Antragsteller hierüber hinausgehend eine monatliche Gesamtzahlung von 1.047,03 EUR geltend machen, ist die Beschwerde aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Im Hinblick auf den weitgehenden Erfolg ihres Rechtsschutzantrages war den Antragstellern für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren PKH zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -) und ihr Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 121 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren hat eine Kostenentscheidung nicht zu ergehen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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