S 26 RA 205/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RA 205/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 243/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin ist am 00.00.1952 geboren. Sie hat 1967 bis 1969 im Beruf der Weißwarenverkäuferin in 2 Jahren mit Abschluss erlernt. Danach hat sie bei verschiedenen Arbeitgebern überwiegend als Verkäuferin und seit 1987 als kaufmännische Angestellte gearbeitet.

Zuletzt war sie versicherungspflichtig als kaufmännische Angestellte bei einem Elektro-Betrieb ihres Ehemannes von April 2000 bis 27.10.2002 tätig. Nach der Arbeitgeberauskunft wurde sie nach Tarifgruppe 8 des Elektrotechnik-Tarifvertrages wie ein Kaufmann bezahlt und verrichtete leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen am Schreibtisch und PC (Arbeitgeberauskunft Bl. 25 ff GA).

Ab dem 28.10.2002 wurde die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Das Arbeitsverhältnis besteht rechtlich noch fort. Seitdem ist die Klägerin weiter arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Am 02.10.2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung wurden ärztliche Berichte vorgelegt. Die Beklagte veranlasste die Erstellung eines internistischen und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens durch D1 und J. Diese Gutachter hielten die Klägerin noch für in der Lage, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, nicht nur im Sitzen, verrichten zu können, dies auch vollschichtig bzw. 6 Stunden und mehr täglich. Sie könne auch noch als kaufmännische Angestellte arbeiten. Eine Schmerztherapie wurde empfohlen.

Mit Bescheid vom 21.01.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die ärztlichen Feststellungen. Danach sei die Klägerin noch in der Lage ihr zumutbare Tätigkeiten im bisherigen Beruf als kaufmännische Angestellte und solche des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, und damit weder berufsunfähig noch voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne von §§ 240, 43 SGB VI.

Dagegen legte die Klägerin am 04.02.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie an, die Beklagte verkenne den Gesundheitszustand. Sie sei auch bereits in schmerztherapeutischer Behandlung. Weitere ärztliche Berichte wurden beigezogen.

Die Beklagte veranlasste daraufhin noch die Erstellung eines chirurgischen und eines orthopädischen Gutachtens durch K und I1. Diese hielten die Klägerin auch noch für in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich als kaufmännische Angestellte tätig zu sein, wenn teilweise im Sitzen und auch im Stehen und Umhergehen gearbeitet werde. Leichte Tätigkeiten könnten dann 6 Stunden und mehr pro Tag ausgeübt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete dies damit, dass die Klägerin nach ihren ärztlichen Feststellungen weder als berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert anzusehen sei.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 08.12.2004 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Sie begründet die Klage damit, dass die Beklagte ihren Gesundheitszustand verkenne und ihr Leistungsvermögen falsch beurteile. Sie sei als Schmerzpatientin nicht mehr in der Lage, im bisherigen Beruf oder in zumutbaren Verweisungsberufen oder sonst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die bisherigen von Amts wegen gehörten Gutachter würden die Leistungsfähigkeit falsch beurteilen. Die behandelnden Ärzte hingegen unterstützten eine Berentung. Auch das nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholte Gutachten von Dr. I2 spreche für eine Berentung, zumindest auf Zeit. Wenn dessen Gutachten nicht gefolgt werden solle, sei zumindest I2 Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu der ergänzenden Stellungnahme von S zu geben oder aber I2 mündlich in einer Verhandlung anzuhören.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Versicherungsfalls vom 02.10.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise zuvor I2 ergänzend schriftlich oder mündlich anzuhören. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bzw. der Erwerbsminderung sei nicht eingetreten. Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Alle von Amts wegen eingeholten Gutachten bestätigten ihre Auffassung.

Dem Gutachten von I2 folge sie hinsichtlich einer zeitlich reduzierten Leistungsfähigkeit nicht. Allenfalls - was sie bisher bestreitet - sei von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, die hier mit einer rentenrelevanten Leistungsminderung aber nicht gleichzusetzen sei.

Das Gericht hat Auskünfte von dem letzten Arbeitgeber eingeholt und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen.

Sodann hat das Gericht durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im einzelnen bei der Klägerin vorliegen und wie diese sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie S kommt unter Berücksichtigung eines chirurgischen Zusatzgutachtens durch D2 zur Beurteilung, bei der Klägerin lägen im einzelnen folgende Diagnosen vor:

Schmerzsyndrom der unteren Lendenwirbelsäule, der Sakralregion, der Coccygealregion, Verwachungsbeschwerden nach mehrfachen gynäkologischen Operationen, muskuläres HWS- und LWS-Syndrom, leichter Hallux valgus beiderseits, angeborenes Augenleiden, Anpassungsstörung mit länger währender depressiver Reaktion.

Mit diesen Befunden könne die Klägerin noch, so diese Ärzte, vollschichtig eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, ohne ungünstige Bedingungen wie Zwangshaltungen, Zeitdruck, Wechselschicht und in frei wählbarer Körperhaltung. Eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens bestehe nicht. Das Umstellungsvermögen sei genügend. Eine psychische Fehlhaltung läge nicht vor. In Betracht käme auch noch eine Tätigkeit als kaufmännische sachbearbeitende Angestellte, dies auch vollschichtig. Die Klägerin könne auch noch Wegstrecken zu Fuß von 4 x 1000 m täglich zurücklegen (in einer Zeit von nicht mehr als 15 - 20 Minuten für 500m) und öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen PKW als Fahrer. Die Beurteilung gelte auch seit Oktober 2003 und ca. 3 Monate zuvor.

Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt, von dem Arzt I2, Facharzt für Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Sportmedizin und Sozialmedizin. Dieser Arzt diagnostiziert ein chronisches Schmerzsyndrom des Chronifizierungsgrades II bei einer wenigstens mittelgradigen depressiven Entwicklung bei den im Übrigen weiter bekannten Diagnosen. Nicht ganz nachzuvollziehen sei, ob das depressive Geschehen der Entwicklung des Schmerzgeschehens den Wege gebahnt habe, oder die depressive Entwicklung sich erst im Rahmen des Schmerzgeschehens im Rahmen einer Fehlverarbeitungsstörung eingestellt habe.

Die Schmerzstörung sei bisher nicht ausreichend mit allen 4 Komponenten der Schmerztherapie betreut worden (Seite 50 dessen Gutachtens) bzw. sei die Schmerztherapie bisher eher rudimentär geblieben. Es fehle vor allem gezielte fachärztliche psychologische und ausreichende medikamentöse und physiotherapeutische Behandlung.

Mit diesen Befunden bzw. Gesundheitsstörungen sei die Klägerin z. Zt. - und dies seit Oktober 2003 - nicht arbeitsfähig und erfülle die Kriterien einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie könne z. Zt. höchstens leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung (1/3 Gehen, Stehen, Sitzen) verrichten, aber nur unter 3 Stunden. Die Klägerin müsste sich zunächst einer entsprechenden gezielten Schmerztherapie und Psychotherapie unterziehen, bevor man ein endgültiges Urteil über die noch vorliegende Leistungsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit abgeben könne (S. 55 dessen Gutachtens). Die derzeitige Leistungseinbuße müsse nicht dauernder Natur sein, es bestehe begründete Aussicht auf Besserung, dass die Klägerin wieder beruflicher Tätigkeit nachgehe. Ein zielgerichtetes Heilverfahren habe z. B. Erfolgsaussicht.

Die Wegefähigkeit zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei rentenrechtlich nicht wesentlich eingeschränkt.

Den Ergebnissen der Vorgutachten von S und D2 stimme er im Prinzip zu, nicht aber der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vor Durchführung entsprechender Therapie oder eines Heilverfahrens.

Das Gericht hat den Gutachter S um eine ergänzende Stellungnahme zu dem Gutachten von I2 gebeten. S führt aus, er bleibe bei seiner Leistungsbeurteilung. Objektiv lasse sich eine quantitative Leistungseinschränkung wie von I2 angenommen nicht objektivieren. Denn die depressive Symptomatik sei gering und ein krankhafter neurologischer Befund habe sich nicht gefunden. Lege man die Schilderung des Tagesablaufes zu Grunde, auch unter Einschluss der von D2 erhobenen Befunde, so sei die Klägerin durchaus noch in der Lage, vollschichtig für die Dauer eines üblichen Arbeitstages zu arbeiten. Auch der von I2 wiedergegebene orthopädische Befund lasse den Schluss zu, dass die Klägerin im Rahmen der orthopädischen Funktionsstörungen unter den genannten Einschränkungen vollschichtig einer beruflichen Tätigkeit nachgehen könne. Richtig sei insofern nur, dass sich durch psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung eine Besserung im Zustandsbild der Klägerin einstellen könne. Im Übrigen sei Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mit einer überdauernden Leistungsminderung gleichzusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die gutachterlichen Stellungnahmen und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 21.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.

Die Kammer sah hier auch keine Veranlassung, vor einer Entscheidung den Gutachter I2 ergänzend schriftlich oder mündlich anzuhören, weshalb auch dem Hilfsantrag nicht zu entsprechen war.

Wegen des Wortlautes der maßgeblichen Vorschriften der §§ 240, 43 SGB VI wird gem. § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Dort hat die Beklagte den Wortlaut dieser Vorschriften bereits wiedergegeben.

Die Klägerin erfüllt nicht die Vorausssetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

I. Was das allgemeine Leistungsvermögen der Klägerin angeht, so ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum seit Rentenantragstellung noch eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung vollschichtig, d. h. 8 Stunden täglich bzw. zumindest 6 Std. täglich verrichten kann, bei Meidung von ungünstigen Bedingungen wie Zwangshaltungen, Zeitdruck und Wechselschicht und bei Ausübung einer solchen Tätigkeit nicht nur im Sitzen, sondern auch im Wechsel von Stehen und Gehen. Das Gericht ist des weiteren davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine wesentliche Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens nicht besteht wie auch keine psychische Fehlhaltung und dass das Umstellungsvermögen auch noch genügend ist, so wie das im einzelnen in den Gutachten von S und D2 beschrieben ist, die die Beurteilungen auch der zahlreichen Vorgutachter der Beklagten (D1, J, K und I1) im wesentlichen bestätigt haben. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die in den Gutachten von S und D2 gestellten Diagnosen vorliegen und nicht weitergehende Einschränkungen und Erkrankungen vorliegen, als bereits in diesen Gutachten beschrieben. Die vom Gericht beauftragten Gutachter S und D2 sind seit langen Jahren für das Sozialgericht Düsseldorf tätig und erfahrene Gutachter, die schon seit langen Jahren auch sich auch mit der Beurteilung chronischer Schmerzen beschäftigen und im Einzelfall auch daraus schon für Kläger günstige Schlüsse gezogen haben. Sie haben in ihren Gutachten (bzw. in der ergänzenden Stellungnahme von S) auch eingehend ausführlich begründet, weshalb die Klägerin hier in diesem Umfang noch arbeiten kann. Allein auf die Meinung der die Klägerin behandelnden Ärzte, soweit sie sich darüber hinaus einschränkend geäußert haben, könnte das Gericht eine Entscheidung nur im Sinne der Klägerin ohnehin nicht stützen, da behandelnde Ärzte in der Regel erfahrungsgemäß ihre Patienten auch eher unterstützen möchten; insoweit waren die Beschwerden und das Leistungsvermögen der Klägerin durch Gutachten auch zu objektivieren gewesen, was mit denen von S und D2 geschehen ist. Diese haben als unabhängige Gutachter sich auch mit den Berichten der behandelnden Ärzte und auch mit den Vorgutachten auseinandergesetzt und sind auch nicht zu einer anderen Beurteilung gelangt als schon die Vorgutachter der Beklagten.

Dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von I2, das diagnostisch die Feststellungen von S und D2 im Prinzip so gar bestätigt, war hinsichtlich einer quantitativen Leistungseinschränkung des Leistungsvermögens auf täglich unter 3 Stunden zur Überzeugung der Kammer nicht zu folgen. Denn I2 stützt sich zur Annahme eines täglich geminderten Leistungsvermögens primär auf die subjektiven Angaben der Klägerin, wie er selbst mit Seite 53 seines Gutachtens einräumt; dies, obwohl D2 manche der von der Klägerin geklagten Schmerzen als a-typisch angesichts ihrer Befunde ansah bzw. mit den Befunden so nicht zu vereinbaren (Seite 10 und 11 seines Gutachtens). Dabei weist D2, der als Chirurg sowohl die orthopädischen wie auch die Verwachsungsbeschwerden nach mehrfachen gynäkologischen Operationen objektiv zu beurteilen im Stande ist, darauf hin, dass eigentlich gravierende pathologische Befunde fehlen. Bei der körperlichen Untersuchung hätten sich keine wesentlichen Funktionseinschränkungen gefunden. Der berichtete Schmerz im Bereich der Umgebung des Kreuzbeines sei auch nicht typisch für eine Coccygodynie. Auch für die Verwachsungsbeschwerden sei die Schmerzsymptomatik uncharakteristisch, hier seien eher zeitweise evtl. kolikartige Schmerzen zu erwarten, nicht aber der beschriebene Berührungs- und Druckschmerz in der Sakralregion. Es ist dann inkonsequent von I2, wenn er die Klägerin nach dem Alltagsleben befragt - Beschwerden während des Tagesablaufes - und zugesteht, "die Klägerin könne sich im normalen Haushalt noch selbst bewegen - nur schwere Sachen, wie Staub saugen, Fenster putzen, Mop schwingen gehe nicht mehr" - (Bl. 53 Mitte seines Gutachtens). Die insofern ausgeschlossenen Arbeiten sind ja gerade keine leichten und mittelschweren Tätigkeiten mehr. Dann aber erscheint die Klägerin angesichts dieser Ausführungen von I2 doch zu einer leichten kaufmännischer Sachbearbeitertätigkeit noch in der Lage. Dies gilt um so mehr, als auch S auf Seite 5 und Seite 9 seines Gutachtens auch den Haushalt und den Tagesablauf (mit Kochen und Haushaltsführung) beschreibt und auf Seite 9 auch beschreibt, dass es zwar für die Leistungsfähigkeit bedeutsame somatoforme Schmerzstörungen gebe; es fehle aber hier das organische Korrelat, also die physiologische Ursache, zur Objektivierung einer quantitativen Leistungsminderung müsse es zumindest einen den Schmerz verstärkenden bzw. unterhaltenden psychosozialen Hintergrund geben oder emotionale Konflikte. Solche konnte er aber nicht eruieren (Seite 9 Mitte seines Gutachtens). Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme hat S dies noch einmal näher beschrieben. Dazu sagt I2 aber relativ wenig in seinem Gutachten aus (Seite 58 seines Gutachtens), ja er selbst führt sogar aus, in gewisser Weise könne er die Beurteilung von S und D2 nachvollziehen, allerdings veranlasse ihn die Chronifizierung zu doch stärkerer Beurteilung der Leistungseinschränkungen. Dazu wiederum sagt S wie bereits oben ausgeführt, dass die emotionalen Faktoren fehlen und auch sonstige Faktoren, und dass allein die objektiven Befunde die Schmerzverstärkung bzw. Schmerzunterhaltung nicht erklären. Allein ein einhergehender gewisser sozialer Rückzug spricht noch nicht für zusätzlich mittelschwere Depressivität.

Einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme von I2 oder einer ergänzenden mündlichen Anhörung von I2 bedurfte es nicht. I2 hatte in seinem Gutachten, das zeitlich nach dem von S erstellt wurde, ja bereits Gelegenheit, auf die Vorgutachten von S und auch von D2 einzugehen. S war hier deshalb noch einmal Gelegenheit zu geben, schriftlich zu dem Gutachten von I2 Stellung zu nehmen, weil dieses ihm bei Abfassung seines Gutachtens nicht bekannt war. Damit hatten sowohl der Hauptgutachter des Gerichts S wie auch der Gutachter I2 Gelegenheit, jeweils zum anderen Gutachten Stellung zu nehmen. Es kann nicht richtig sein, zu jeder ergänzenden Stellungnahme dann wiederum eine ergänzende Stellungnahme des anderen Gutachters einzuholen, weil sonst ein Verfahren nie zu einem Ende zu bringen wäre; hier war die Beweiswürdigung der Kammer gefragt mit dem bekannten Ergebnis. Bei Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen obliegt es der freien Überzeugung und Beweiswürdigung des Gerichts, welchem Gutachten es folgt (BSG Beschluss vom 23.05.2006 – B 13 RJ 272/05 B in juris PR – SozR 23/2006, Nr. 6).

I2 war auch nicht auf Antrag des Bevollmächtigten noch mündlich anzuhören. Zwar kann auf Antrag hin ein bestimmter Sachverständiger nach § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 411 Abs. 3 ZPO geladen werden, damit dieser sein schriftliches Gutachten erläutere. Dies steht jedoch im Ermessen des Tatsachengerichts; dem Antrag muss nur dann gefolgt werden und der Sachverständige geladen werden, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt war und wenn der Beteiligte auch sachdienliche Fragen angekündigt hat (vgl. BSG ständige Rechtsprechung, z. B. SGB 85, 290; BSG Urteil vom 12.04.2000 - B 9 SB 2/99 R; BGH E 24, 15; BSG Beschluss vom 31.01.2005 – B 4 RA 49/04 B). Zur Ankündigung (bestimmter) sachdienlicher Fragen gehört auch, dass der Beweis angetreten wird "durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte" (§ 403 ZPO). Bestimmte sachdienliche Beweisfragen sind aber hier mit dem Antrag auf Ladung des Sachverständigen I2 nicht gestellt worden, so dass diesem Antrag nicht entsprochen werden brauchte. Die Kammer hat damit im Wege freier Beweiswürdigung nach § 286 ZPO die Gutachten von S, D2 und I2 gegeneinander abgewogen mit dem oben beschriebenen Ergebnis.

II. Mit dem wie oben beschriebenen von der Kammer angenommenen vollschichtigen Leistungsvermögen bzw. damit auch einem Leistungsvermögen von jedenfalls 6 Stunden täglich für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung bei Meidung von Zwangshaltungen, Zeitdruck und Wechselschicht ist die Klägerin aber nicht einmal nur berufsunfähig im Sinne von § 240 SGB VI. Denn mit diesem Leistungsprofil könnte die Klägerin noch eine kaufmännische sachbearbeitende Tätigkeit ausüben, beispielsweise als Kassiererin an der Etagenkasse oder Sammelkasse z. B. in größeren Bekleidungsgeschäften, wie generell die Tätigkeit einer kaufmännischen sachbearbeitenden Angestellten. Auf solche Tätigkeiten ist die Klägerin verweisbar, auch wenn sie ihre spezielle Tätigkeit, die mit viel Sitzen am Schreibtisch und PC-Arbeit verbunden war, nicht mehr verrichten kann. Die Tätigkeit und Aufgaben einer kaufmännischen Angestellten in der Sachbearbeitung hingegen sind körperlich nur leichter Art und werden ausgeübt mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung bei auftretenden Beschwerden, also nicht nur im Sitzen sondern auch im Gehen und Stehen und ohne notwendige Zwangshaltungen (vgl. auch Urteil des LSG NRW vom 31.03.2003 - L 3 RA 20/01 und Thüringer Landessozialgericht Urteil vom 23.06.1999 - L 6 RA 117/97 zur Kassiererin an der Etagenkasse; vgl. auch Urteil des LSG NRW vom 09.1997 - L 18 An 11/97 und vorgehend Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.02.1997 - S 26 An 133/94 - zur kaufmännischen Sachbearbeiterin allgemein). Wenn die Klägerin angesichts ihrer Berufsbiografie (2 Jahre lang gelernte Weißwarenverkäuferin, danach langjährig Arbeit als Verkäuferin bei verschiedenen Arbeitgebern und seit 1987 Arbeit als Kaufmännische Angestellte, zuletzt bei ihrem Ehemann wie ein gelernter Kaufmann) den Berufsschutz einer Kaufmännischen Angestellten geltend macht, um nicht nur auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen zu werden, so ist sie auch verweisbar auf die genannten Tätigkeiten einer Kaufmännischen Angestellten in der Sachbearbeitung eines Betriebes oder Unternehmens oder auf die Tätigkeit z. B. als Etagenkassiererin. Diese Verweisbarkeit ergibt sich aus dem von dem Bundessozialgericht entwickelten Stufenschema. Danach gibt es im wesentlichen die Arbeitnehmer ohne jegliche Ausbildung bzw. mit Anlernung, die Arbeitnehmer mit abgeschlossener Ausbildung von bis zu 2 Jahren, die Arbeitnehmer mit einer Ausbildungsdauer von über 2 Jahren und entsprechendem Berufsabschluss und eine besondere Gruppe von Arbeitern oder Angestellten, die auch Leitungsfunktionen innehaben und im Bereich der Beitragsbemessungsgrenze arbeiten und eine besonders lange in der Regel akademische Berufsausbildung haben. Zu beachten ist dabei, dass sich der Berufsschutz, also die Berufsstufe, grundsätzlich in aller Regel nach Intensität und Dauer der erforderlichen Ausbildung für zuletzt ausgeübte Tätigkeiten richtet und nicht nach irgendeiner tariflichen Einstufung oder Entlohnung, die auch gar kein gesetzgeberisches Merkmal ist (BSG in: Amtliche Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 1994, 313 ff, 316). Dabei müssen sich Versicherte einer Stufe nach der Rechtsprechung auf die gleiche oder die nächst untere Berufsstufe verweisen lassen. Die Klägerin ist demzufolge verweisbar auf kaufmännische sachbearbeitende Tätigkeiten beispielsweise auch als Etagenkassiererin oder - falls es an einem Berufsschutz einer gelernten Kaufmännischen Angestellten fehlt - auf Tätigkeiten als Pförtnerin oder Bürohilfskraft, die körperlich auch nur leichter Art sind und nicht mit den von S und D2 gemachten Einschränkungen verbunden sind.

Im Übrigen ist die Situation des Arbeitsmarktes auch unerheblich. Das Risiko der Vermittelbarkeit der Klägerin fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung (vgl. auch § 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist damit auch nicht teilweise oder voll erwerbsgemindert im Sinne der allgemeinen Vorschriften des § 43 Abs. 1, 2 SGB VI; denn diese Vorschriften setzen eine noch weitergehende Leistungseinschränkung als die der Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI voraus, die die Kammer schon verneinen musste. Eine allgemeine volle oder teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1, 2 SGB VI besteht nach § 43 Abs. 3 SGB VI auch nicht für den, der unter den üblichen Bedingungen (auch nur) des allgemeinen Arbeitsmarktes (noch) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist (weiterhin) die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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