S 8 KR 307/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 307/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 9/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 wird festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin seit dem 01.05.2004 ein sozialver- sicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellt. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin seit Mai 2004 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses arbeitet.

Die 1947 geborene Klägerin schloss mit ihrem Ehemann am 04.05.2004 einen schriftlichen Anstellungsvertrag, und zwar mit der "Fa. H- Vermietung u. Verpachtung - als kfm. Angestellte". Als Aufgabengebiet wurde festgelegt: Erfassen und Kontrolle der Mietzahlungen, Schriftverkehr mit Behörden und Handwerkern, Zahlungsverkehr mit Banken, Überwachung der Gebäudereparaturen der Handwerker, Erstellen der Jahresabrechnungen für zwei Mehrfamilienhäuser und drei Eigentumswohnungen (zur Zeit ca. 27 Mietparteien). Die Arbeitszeit betrage regelmäßig drei Stunden an drei Tagen zu je neun Stunden in der Woche von Montag bis Freitag gegen eine monatlich zu zahlende Vergütung von 507,- EUR.

Bei der Beklagten wurde das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis gemeldet, bei der die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt unter Zugrundelegung des Einkommens des Ehemannes zur Beitragsbemessung freiwillig krankenversichert war. Nachdem die Beklagte einen von der Klägerin zur näheren Darlegung des Beschäftigungsverhältnisses ausgefüllten Fragebogen ausgewertet hatte, erließ sie den Bescheid vom 04.06.2004. Sie stellte fest, dass die angegebene Tätigkeit kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstelle. Vor der Tätigkeit der Klägerin sei kein anderer Arbeitnehmer für diese Aufgaben eingestellt gewesen. Bei einem Arbeitsverhältnis unter Ehegatten könne auch nicht von der erforderlichen Weisungsgebundenheit ausgegangen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass die vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen vorliegend erfüllt seien. Sie sei voll in den Betrieb integriert, weisungsgebunden und erhalte eine ortsübliche Bezahlung. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2004 zurück. Zusätzlich wurde auch ausgeführt, dass die Beschäftigung der Klägerin nunmehr lediglich ausgeübt und angemeldet worden sei, um weniger Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten.

Die Klägerin hat gegen die Bescheide Klage erhoben, mit der sie die Feststellung der Sozialversicherungspflichtigkeit ihrer Tätigkeit geltend macht. Der Zeitpunkt des Beginns dieses Arbeitsverhältnisses falle zufällig mit der Beitragserhöhung in der freiwilligen Krankenversicherung zusammen, da ihr älterer Ehemann im Jahre 2004 70 Jahre alt geworden sei und aus gesundheitlichen Gründen die Verwaltung der Immobilien abgeben wollte. Nach einer ergänzenden Angabe des Ehemannes im Termin vom 19.10.2006 betreibt er seit 1990 keinen eigenen Gewerbebetrieb mehr.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 04.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2004 festzustellen, dass ihre Tätigkeit seit dem 01.05.2004 ein sozialversicherungs- pflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Zu ihrer Überzeugung handele es sich nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Durch die Aufnahme verringere sich der Gesamtversicherungsbeitrag von einem Beitrag in der freiwilligen Versicherung von 502,20 EUR auf ca. 160,- EUR. Bei der Auswahl der Beschäftigten habe der Arbeitgeber nicht auf Qualifikation und Berufserfahrung geachtet. Er habe keine Bewerbungen durch das Arbeitsamt angefordert oder eine Zeitungsanzeige geschaltet. Die Klägerin habe über mehr als zehn Jahre nicht im Berufsleben gestanden. Ganz offensichtlich habe Alter und Qualifikation bei der Einstellung keine Rolle gespielt. Es sei nur um den Abschluss einer preiswerten Kranken- und Pflegeversicherung gegangen. Hinzu komme, dass es sich bei den verwalteten Immobilien um gemeinsames Eigentum, dass während der Ehe angeschafft wurde, handele. Bei der vorliegenden Zugewinngemeinschaft gehöre es beiden Ehegatten und wäre auch im Falle einer Ehescheidung zu großen Teilen der Klägerin zu übereignen. Es werde auch von beiden wirtschaftlich genutzt.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gerichteten Schriftsätze der Beteiligten, die Niederschrift vom 18.05.2006 über die Vernehmung der Klägerin und ihres Ehemannes sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung der Sozialversicherungspflichtigkeit ihrer Tätigkeit und dementsprechend auf Aufhebung der von der Beklagten erteilten Bescheide.

Die Klägerin unterliegt als Person, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist, in der Kranken- Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht. Denn zur Überzeugung der Kammer ist vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) auszugehen. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist von einer Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis auszugehen. Aufgrund der Vernehmung der Klägerin sowie ihres Ehemannes entstand durchaus der Eindruck, dass die Klägerin grundsätzlich der Weisungsbefugnis ihres Ehemannes unterliegt und nicht vollkommen selbständig arbeitet. So richtet sie sich z.B. nach seinen Maßgaben zum Umgang mit säumigen Mietern. Dass der Ehemann der Klägerin hinsichtlich der Verwaltung Vorgaben macht, ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er früher bis 1990 ein eigenes Immobilien-Unternehmen betrieben hat (mit der Ehefrau als sozialversicherter angestellter Bürovorsteherin), nachvollziehbar und glaubhaft. Insoweit wird er - ungeachtet seiner Stellung als Eigentümer der Immobilien - sicherlich bereits aus seinem Erfahrungs- und Kenntnisstand heraus Weisungen erteilen, um seine Verwaltungsvorstellungen zu realisieren. Unter Berücksichtigung dieses Weisungsrechtes bzw. dem Inhalt der Aufgaben ist auch von einer Eingliederung im Betrieb auszugehen. Denn die Klägerin hat ihre Arbeit an der mit der Immobilienverwaltung verbundenen Sachnotwendigkeit zu orientieren, z.B. die zeitnahe Durchführung von Reparaturen vor Ort zu überwachen oder Mietobjekte vor Ort termingerecht vorzuführen. Dass der Ehemann der Klägerin möglicherweise keine Detailweisungen erteilt, ist unschädlich, da eine Eingliederung im Betrieb bei Tätigkeiten höherer Art auch in Form einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess erfolgen kann (Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV, Rn. 74 m.w.N.).

Gegen den Standpunkt der Beklagten ist die Kammer auch nicht davon ausgegangen, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um die Verwaltung eigenen Vermögens handelt. Denn die Immobilien stehen im Eigentum des Ehemannes und der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft führt nicht zur rechtlichen Qualifizierung als gemeinsames Eigentum, sondern lediglich dazu, dass im Falle einer Scheidung entweder ein Teil der Immobilien zu übertragen ist oder ein finanzieller Ausgleich stattfindet (§§ 1363 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ).

Der Umstand, dass der aus den Immobilien erwirtschaftete Ertrag der Klägerin im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft durchaus zugute kommt, hat die Kammer nicht für ausschlaggebend gehalten. Zwar hat die Anhörung der Klägerin - entgegen ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 24.06.2006 - insoweit ergeben, dass die finanziellen Erträge ihres Ehemannes durchaus Einfluss auf ihre eigene wirtschaftliche Position haben. Denn nach ihren Angaben im Termin am 19.10.2006 besteht ihr Vermögen im anteiligen Verkaufserlös eines in Österreich befindlichen Einfamilienhauses, dass ihr und ihrem Bruder von ihrer Mutter, die mittlerweile im Heim lebt, übertragen worden ist. Einen nennenswerten Ertrag werfe dieser Verkaufserlös nach ihren Angaben jedoch nicht ab. Aber im Allgemeinen kann auch eine Tätigkeit einem Gewerbebetrieb des Ehepartners unzweifelhaft eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung darstellen und auch in diesem Fall hätte der Ertrag aus dem Gerwerbebetrieb Einfluss auf die eigene Unterhalts- und wirtschaftliche Situation des tätigen Ehepartners, ohne dass dies einer Qualifizierung als abhängige Beschäftigung entgegensteht.

Der von der Beklagten betonte Umstand der "Beitragsminderung" ist aus ihrer Sicht verständlich, jedoch kein juristisch maßgebliches Kriterium.

Der Bewertung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis stand auch nicht entgegen, dass der Ehemann der Klägerin zuvor keinen anderen Arbeitnehmer für die Verwaltung seiner Immobilien beschäftigt hatte. Insoweit erscheint es nachvollziehbar und legitim, eine selbst ausgeübte Tätigkeit einem Dritten gegen Bezahlung einer Vergütung zu übertragen. Es war auch nicht hinderlich, dass der Ehemann der Klägerin diese unmittelbar eingestellt und sich nicht zuvor um die Einstellung einer dritten Person als Arbeitskraft bemüht hat. Dieser Umstand kann nicht als unverzichtbare Voraussetzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gefordert werden. Darüber hinaus ist es plausibel, dass der Ehemann der Klägerin nicht damit gerechnet hat, eine fremde Arbeitskraft mit einer derart flexiblen Arbeitszeit einstellen zu können, wie sie von der Klägerin gehandhabt wird. Denn insoweit ist der schriftliche Einstellungsvertrag mit der Vereinbarung einer regelmäßigen Arbeitszeit nicht umgesetzt worden. Vielmehr erfolgt der Arbeitseinsatz der Klägerin nach Bedarf (z.B. im Falle erforderlicher Reparaturen, Mieterbeschwerden), was u.a. dazu führt, dass der wöchentliche Zeiteinsatz von den vorgegebenen neun Stunden in starkem Maße nach oben und unten variiert

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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