Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 567/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 2040/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Mai 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Verletztenrente auf Grund der als Berufskrankheit (BK) festgestellten Lärmschwerhörigkeit.
Der 1938 geborene Kläger war bis April 1964 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Griechenland beschäftigt. Danach war er in Deutschland in verschiedenen Betrieben u. a. als Schleifer und Maschinenarbeiter lärmbelastet tätig. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) war er insgesamt 20,7 Jahre einem äquivalenten Dauerschallpegel von 90 dB(A) und mehr sowie 8,3 Jahre von 85 bis 90 dB(A) ausgesetzt, wobei der berufsbedingte Beurteilungspegel vom 01.01.1996 bis 31.03.1999 nur noch 86 dB(A), seit 01.04.1999 nur noch 83 dB(A) betrug (Bericht vom 23.10.2000).
Auf die Ärztliche Anzeige über den Verdacht auf eine BK Lärmschwerhörigkeit vom 08.01.1992 des behandelnden HNO-Arztes Dr. K. leitete die Beklagte Ermittlungen ein, in dem sie Leistungsauszüge der verschiedenen Krankenkassen und Tonschwellenaudiogramme von 6/1976 und 10/1977 (Vorsorgeuntersuchung Lärm I), von 6/1990 und 1991 (Vorsorgeuntersuchungen Lärm I und III) und von 7/1991 und 9/1999 (beide Dr. K.) beizog. Nach dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des HNO-Arztes Dr. J. (Untersuchung am 18.11.1993), der im Ergebnis eine Lärmschwerhörigkeit ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bejahte, anerkannte die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 27.01.1994 eine Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseits als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), nicht dagegen Gehörgangsekzeme; ebenso lehnte sie die Gewährung einer Rente ab. In der Folgezeit veranlasste die Beklagte nach weiteren ihr vorgelegten Vorsorgeuntersuchungen eine Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. Z., der in seinem Gutachten vom 07.04.1997 auf Grund des Sprachaudiogramms einen Hörverlust von rechts 40% und links 30%, nach dem Tonaudiogramm in Anwendung der 3-Frequenz-Tabelle Röser (1980) einen Hörverlust von rechts 20% und links 30% ermittelte und die Gesamt-MdE unter Einbeziehung des Tinnitus (Hörverlust 15%, Tinnitus 5%) ab Februar 1997 mit 20 v.H einschätzte. Nachdem Beratungsarzt Prof. Dr. T. dieser Beurteilung widersprochen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.1997 erneut die Gewährung einer Verletztenrente ab.
Mit Schreiben vom 09.06.2000 teilte der Kläger eine Verschlechterung seines Hörvermögens mit und übersandte im weiteren Verlauf ärztliche Unterlagen des Dr. K. (Untersuchungsbogen Lärm III vom 04.05.2000). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. H. das Gutachten vom 06.05.2002, in dem er mitteilte, wegen schlechter Mitarbeit seien zwei Untersuchungstermine (18.04.2001; 03.04.2002) erforderlich gewesen. Nach der Tabelle von Röser (1980) ergebe sich aus dem Tonaudiogramm vom 18.04.2001 ein Hörverlust von rechts 45% und links 30% und aus dem vom 03.04.2002 von rechts 60% und links 65%. Nach dem Sprachaudiogramm vom 18.04.2001 ergebe sich nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) ein Hörverlust von rechts 30% und links 20% und nach dem vom 03.04.2002 ein Hörverlust von rechts 50% und links 20%. Unter Zugrundelegung des errechneten Mittelwertes wertete der Sachverständige die Gesamt-MdE (einschließlich des Tinnitus) mit 20 v.H. Hierzu äußerte sich Prof. Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.06.2002 und verwies darauf, dass es nicht korrekt sei, den Hörverlust auf Grund von Mittelwertsbildungen aus verschiedenen Messungen zu errechnen, vielmehr müsse das beste Ergebnis für die weitere Beurteilung zu Grunde gelegt werden; in diesem Fall also ein Hörverlust von rechts 30% und links 20%, was einer MdE von 10 bis 15 v.H. entspreche und unter Einschluss des Tinnitus eine Gesamt-MdE von 15 v.H., grenzwertig 20 v.H., ergebe. Mit - streitgegenständlichem - Bescheid vom 08.08.2002 lehnte daraufhin die Beklagte erneut die Gewährung einer Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 zurück.
Am 07.03.2003 hat der Kläger hiergegen zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Der behandelnde Arzt Dr. K. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 27.05.2003 eine progrediente Innenohrschwerhörigkeit angegeben und die MdE mit 50 bis 60 v.H. bewertet. Auf Veranlassung des SG erstattete der HNO-Arzt Dr. R. das Gutachten vom 31.07.2003. Dieser hat eine beidseits nahezu symmetrische gering- bis mittelgradige (40%) Schwerhörigkeit sowie einen Tinnitus (lärmbedingt) diagnostiziert. Anhand des Tonaudiogramms bestehe ein Hörverlust beidseits von 60%, welcher eine MdE von 15 v.H. rechtfertige. Unter Einbeziehung des Tinnitus sei eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt. Hierzu hat Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 17.11.2003 beanstandet, dass unter Zugrundelegung des Tonaudiogramms eine Auswertung nach der Tabelle von Röser (1980) nur ein Hörverlust von 35% gegeben sei und Dr. R. eine Mittelung verschiedener audiometrischer Messungen vorgenommen habe, weshalb die MdE-Bewertung nicht nachvollziehbar sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.02.2004 hat Dr. R. an seiner Auffassung festgehalten. Mit Urteil vom 06.05.2004 hat das SG, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. R., den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Gegen das am 18.05.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.05.2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Das SG habe die von Prof. Dr. T. vorgebrachten Argumente gegen das Gutachten von Dr. R. nicht hinreichend gewürdigt. Es liege lediglich eine MdE von 15% vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten, auf Grund ambulanter Untersuchung von Prof. Dr. St. sowie nach Aktenlage von Dr. S. und Prof. Dr. B. Prof. Dr. St. hat in seinem Gutachten vom 11.04.2005 ausgeführt, zwar sei grundsätzlich für die Bewertung des Hörverlustes das Sprachaudiogramm zu Grunde zu legen, vorliegend sei jedoch, da der Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm auf einem Ohr kleiner als 20% sei, zur Korrektur auf das Tonschwellenaudiogramm zurückzugreifen. Danach ergebe sich ein Hörverlust von rechts 40% und links 20%. Es liege im Ermessensspielraum des Gutachters, an Hand dieser Hörverluste eine MdE von 10% oder 15% festzulegen. Unter Beachtung des Tinnitus sei eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt. Abweichend hierzu hat Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 12.05.2005 festgestellt, dass dem Tonaudiogramm von Prof. Dr. St. lediglich ein Hörverlust von rechts 25% und links 15% zu entnehmen sei. Die für die Beurteilung von Prof. Dr. St. zu Grunde gelegten Werte seien deshalb nicht nachvollziehbar. Es sei weiterhin von einer gesamt MdE von 15 v.H. auszugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.08.2005 ist Prof. Dr. St. unter Darlegung seiner Berechnung des linksseitigen Hörverlustes bei seiner Auffassung geblieben. Der Sachverständige Dr. S. Katharinenhospital Stuttgart, hat in seinem Gutachten vom 24.04.2006 die audiologischen Daten, die Prof. Dr. St. ermittelt hat, zu Grunde gelegt und in Anwendung der Tabelle nach Röser (1980) einen Hörverlust von rechts 25% und links 15% angenommen. Auf Grund der unterschiedlichen Hörverluste sei die so genannte "Symmetrieregel" anzuwenden, was bedeute, dass nur der Hörverlust des besser hörenden Ohres herangezogen werden dürfe. Aus einem Hörverlust von 15% auf beiden Ohren resultiere eine MdE zwischen 0% und 10%, weshalb unter Integration des Tinnitus eine Gesamt-MdE von 10% gegeben sei. Auch in seiner erneuten ergänzenden Stellungnahme vom 07.08.2006 ist Prof. Dr. St. bei seiner Auffassung geblieben und hat weiter ausgeführt, die Symmetrieregel komme nur bei gravierenden Unterschieden zur Anwendung, solche lägen hier nicht vor. Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 09.10.2006 bei seiner Bewertung ebenfalls die von Prof. Dr. St. ermittelten tonaudiometrischen Befunde zu Grunde gelegt; die von Prof. Dr. Z. könnten nicht berücksichtigt werden, weil hier eine zusätzliche nicht vorhandene Schallleitungskomponente audiometriert worden sei. Nicht zu Grunde gelegt werden könne auch das Sprachaudiogramm. Nach dem von Prof. Dr. St. erhobenen Tonaudiogramm vom 25.01.2005 betrage der Hörverlust rechts 25% und links 15% bzw. 20%. Somit betrage die MdE für die Hörstörungen allein (maximal) 10%. Unter Berücksichtigung des Tinnitus betrage die MdE maximal 15 v.H.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von Verletztenrente verurteilt, denn der Bescheid vom 08.08.2002/Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, ihm steht keine Verletztenrente wegen Lärmschwerhörigkeit zu.
Ob vorliegend noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) zur Anwendung kommen, ist nicht entscheidungserheblich, da die hier anzuwendenden Regelungen (§§ 551, 580 ff. RVO; §§ 7, 9, 26 ff. SGB VII) durch das neue Recht keine sich hier auswirkende Änderung erfahren haben; der Einfachheit halber werden deshalb die Vorschriften des SGB VII zitiert.
Nach § 26 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen. Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Rente ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche (RVO: 13. Woche) nach dem Versicherungsfall hinaus, um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BK en. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BK en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Bk en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden; dazu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) auch eine Lärmschwerhörigkeit.
Ausweislich des Bescheids vom 27.01.1994 ist beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV als BK anerkannt. Der geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass die - anerkannte - Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 20 v.H. begründet. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. B., der - insoweit in Übereinstimmung mit Prof. T. und Dr. Schuss - überzeugend dargelegt hat, dass Ausgangspunkt der Beurteilung das von Prof. Dr. St. erhobene Tonaudiogramm vom 25.01.2005 sein muss, weil einerseits der Kläger - wie in den Akten und Gutachten dokumentiert - nur unzureichend die deutsche Sprache beherrscht, andererseits Ton- und Sprachaudiogramm nicht korrelieren, weswegen das Sprachaudiogramm keine zuverlässigen Werte liefert. Ferner ist zu beachten, dass soweit frühere Untersuchungen schlechtere Werte erbracht haben (z.B. Audiogramm Dr. K. vom 12.04.2000; Audiogramm Prof. Dr. H. vom 03.04.2002), diese nicht für die Beurteilung maßgebend sein können, weil sich eine einmal eingetretene Lärmschwerhörigkeit nicht (mehr) bessert und damit frühere schlechtere Untersuchungsergebnisse als nicht valide bewertet und für die Beurteilung ausgeschlossen werden müssen; hierauf hat zu Recht Prof. Dr. St. auf S. 15/16 seines Gutachtens hingewiesen. Ausgehend vom Tonaudiogramm des Prof. Dr. St. vom 25.01.2005 ergibt sich nach der 3-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) für das rechte Ohr ein prozentualer Hörverlust von 25% (Hörverlust bei 1 kHz 30 dB, bei 2 kHz 40 dB, bei 3 kHz 50 dB) und für das linke Ohr von 15% (Hörverlust bei 1 kHz 20 dB, bei 2 kHz 40 dB, bei 3 kHz 50 dB). Nach der Tabelle von Feldmann zur Berechnung der MdE resultiert aus diesen Werten von rechts 25% und links 15% Hörverlust eine MdE von maximal 10 v.H.; zu dem selben Ergebnis kommt man im Übrigen auch, wenn man - wie Prof. Dr. St. - für das linke Ohr einen prozentualen Hörverlust von 20% - anstatt 15% - annimmt. Damit ist - wie Prof. Dr. B. ausgeführt hat - allein für die Hörstörung eine MdE von 10 v.H. gegeben; unter zusätzlicher Berücksichtigung des Tinnitus, der nach übereinstimmender Beurteilung aller Sachverständigen eine MdE von 5 v.H. rechtfertigt, ergibt sich vorliegend eine MdE um 15 v.H.; eine rentenberechtigende MdE um wenigstens 20 v.H ist nicht zu begründen. Der Beurteilung von Prof. Dr. St. vermochte der Senat nicht zu folgen. Die unterschiedliche Beurteilung resultiert nicht - wie oben aufgezeigt - aus einer unterschiedlichen Bewertung des prozentualen Hörverlustes des linken Ohrs, sondern daraus, dass Prof. Dr. St. für das rechte Ohr als Bewertungsgrundlage das Sprachaudiogramm herangezogen hat, obwohl - wie Prof. Dr. B. überzeugend dargelegt hat - diese sprachaudiometrischen Werte wegen des dokumentierten mangelnden Sprachverständnisses des Klägers und der fehlenden Korrelation zwischen Sprach- und Tonaudiogramm nicht zutreffend sein können. Die Beurteilungen von Prof. Dr. H. und Dr. R. überzeugen nicht, weil diese auf einer unzulässigen "Mittelung" der von ihnen erhobenen Werte beruht. Eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Schuss erübrigt sich im Hinblick auf dessen sowieso für den Kläger ungünstige Beurteilung.
Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe nur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Verletztenrente auf Grund der als Berufskrankheit (BK) festgestellten Lärmschwerhörigkeit.
Der 1938 geborene Kläger war bis April 1964 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Griechenland beschäftigt. Danach war er in Deutschland in verschiedenen Betrieben u. a. als Schleifer und Maschinenarbeiter lärmbelastet tätig. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) war er insgesamt 20,7 Jahre einem äquivalenten Dauerschallpegel von 90 dB(A) und mehr sowie 8,3 Jahre von 85 bis 90 dB(A) ausgesetzt, wobei der berufsbedingte Beurteilungspegel vom 01.01.1996 bis 31.03.1999 nur noch 86 dB(A), seit 01.04.1999 nur noch 83 dB(A) betrug (Bericht vom 23.10.2000).
Auf die Ärztliche Anzeige über den Verdacht auf eine BK Lärmschwerhörigkeit vom 08.01.1992 des behandelnden HNO-Arztes Dr. K. leitete die Beklagte Ermittlungen ein, in dem sie Leistungsauszüge der verschiedenen Krankenkassen und Tonschwellenaudiogramme von 6/1976 und 10/1977 (Vorsorgeuntersuchung Lärm I), von 6/1990 und 1991 (Vorsorgeuntersuchungen Lärm I und III) und von 7/1991 und 9/1999 (beide Dr. K.) beizog. Nach dem von der Beklagten veranlassten Gutachten des HNO-Arztes Dr. J. (Untersuchung am 18.11.1993), der im Ergebnis eine Lärmschwerhörigkeit ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bejahte, anerkannte die Beklagte mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 27.01.1994 eine Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen beidseits als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), nicht dagegen Gehörgangsekzeme; ebenso lehnte sie die Gewährung einer Rente ab. In der Folgezeit veranlasste die Beklagte nach weiteren ihr vorgelegten Vorsorgeuntersuchungen eine Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. Z., der in seinem Gutachten vom 07.04.1997 auf Grund des Sprachaudiogramms einen Hörverlust von rechts 40% und links 30%, nach dem Tonaudiogramm in Anwendung der 3-Frequenz-Tabelle Röser (1980) einen Hörverlust von rechts 20% und links 30% ermittelte und die Gesamt-MdE unter Einbeziehung des Tinnitus (Hörverlust 15%, Tinnitus 5%) ab Februar 1997 mit 20 v.H einschätzte. Nachdem Beratungsarzt Prof. Dr. T. dieser Beurteilung widersprochen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.1997 erneut die Gewährung einer Verletztenrente ab.
Mit Schreiben vom 09.06.2000 teilte der Kläger eine Verschlechterung seines Hörvermögens mit und übersandte im weiteren Verlauf ärztliche Unterlagen des Dr. K. (Untersuchungsbogen Lärm III vom 04.05.2000). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. H. das Gutachten vom 06.05.2002, in dem er mitteilte, wegen schlechter Mitarbeit seien zwei Untersuchungstermine (18.04.2001; 03.04.2002) erforderlich gewesen. Nach der Tabelle von Röser (1980) ergebe sich aus dem Tonaudiogramm vom 18.04.2001 ein Hörverlust von rechts 45% und links 30% und aus dem vom 03.04.2002 von rechts 60% und links 65%. Nach dem Sprachaudiogramm vom 18.04.2001 ergebe sich nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) ein Hörverlust von rechts 30% und links 20% und nach dem vom 03.04.2002 ein Hörverlust von rechts 50% und links 20%. Unter Zugrundelegung des errechneten Mittelwertes wertete der Sachverständige die Gesamt-MdE (einschließlich des Tinnitus) mit 20 v.H. Hierzu äußerte sich Prof. Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.06.2002 und verwies darauf, dass es nicht korrekt sei, den Hörverlust auf Grund von Mittelwertsbildungen aus verschiedenen Messungen zu errechnen, vielmehr müsse das beste Ergebnis für die weitere Beurteilung zu Grunde gelegt werden; in diesem Fall also ein Hörverlust von rechts 30% und links 20%, was einer MdE von 10 bis 15 v.H. entspreche und unter Einschluss des Tinnitus eine Gesamt-MdE von 15 v.H., grenzwertig 20 v.H., ergebe. Mit - streitgegenständlichem - Bescheid vom 08.08.2002 lehnte daraufhin die Beklagte erneut die Gewährung einer Verletztenrente ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 zurück.
Am 07.03.2003 hat der Kläger hiergegen zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Der behandelnde Arzt Dr. K. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 27.05.2003 eine progrediente Innenohrschwerhörigkeit angegeben und die MdE mit 50 bis 60 v.H. bewertet. Auf Veranlassung des SG erstattete der HNO-Arzt Dr. R. das Gutachten vom 31.07.2003. Dieser hat eine beidseits nahezu symmetrische gering- bis mittelgradige (40%) Schwerhörigkeit sowie einen Tinnitus (lärmbedingt) diagnostiziert. Anhand des Tonaudiogramms bestehe ein Hörverlust beidseits von 60%, welcher eine MdE von 15 v.H. rechtfertige. Unter Einbeziehung des Tinnitus sei eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt. Hierzu hat Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 17.11.2003 beanstandet, dass unter Zugrundelegung des Tonaudiogramms eine Auswertung nach der Tabelle von Röser (1980) nur ein Hörverlust von 35% gegeben sei und Dr. R. eine Mittelung verschiedener audiometrischer Messungen vorgenommen habe, weshalb die MdE-Bewertung nicht nachvollziehbar sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.02.2004 hat Dr. R. an seiner Auffassung festgehalten. Mit Urteil vom 06.05.2004 hat das SG, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. R., den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Gegen das am 18.05.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.05.2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Das SG habe die von Prof. Dr. T. vorgebrachten Argumente gegen das Gutachten von Dr. R. nicht hinreichend gewürdigt. Es liege lediglich eine MdE von 15% vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten, auf Grund ambulanter Untersuchung von Prof. Dr. St. sowie nach Aktenlage von Dr. S. und Prof. Dr. B. Prof. Dr. St. hat in seinem Gutachten vom 11.04.2005 ausgeführt, zwar sei grundsätzlich für die Bewertung des Hörverlustes das Sprachaudiogramm zu Grunde zu legen, vorliegend sei jedoch, da der Hörverlust nach dem Sprachaudiogramm auf einem Ohr kleiner als 20% sei, zur Korrektur auf das Tonschwellenaudiogramm zurückzugreifen. Danach ergebe sich ein Hörverlust von rechts 40% und links 20%. Es liege im Ermessensspielraum des Gutachters, an Hand dieser Hörverluste eine MdE von 10% oder 15% festzulegen. Unter Beachtung des Tinnitus sei eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt. Abweichend hierzu hat Prof. Dr. T. in seiner Stellungnahme vom 12.05.2005 festgestellt, dass dem Tonaudiogramm von Prof. Dr. St. lediglich ein Hörverlust von rechts 25% und links 15% zu entnehmen sei. Die für die Beurteilung von Prof. Dr. St. zu Grunde gelegten Werte seien deshalb nicht nachvollziehbar. Es sei weiterhin von einer gesamt MdE von 15 v.H. auszugehen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.08.2005 ist Prof. Dr. St. unter Darlegung seiner Berechnung des linksseitigen Hörverlustes bei seiner Auffassung geblieben. Der Sachverständige Dr. S. Katharinenhospital Stuttgart, hat in seinem Gutachten vom 24.04.2006 die audiologischen Daten, die Prof. Dr. St. ermittelt hat, zu Grunde gelegt und in Anwendung der Tabelle nach Röser (1980) einen Hörverlust von rechts 25% und links 15% angenommen. Auf Grund der unterschiedlichen Hörverluste sei die so genannte "Symmetrieregel" anzuwenden, was bedeute, dass nur der Hörverlust des besser hörenden Ohres herangezogen werden dürfe. Aus einem Hörverlust von 15% auf beiden Ohren resultiere eine MdE zwischen 0% und 10%, weshalb unter Integration des Tinnitus eine Gesamt-MdE von 10% gegeben sei. Auch in seiner erneuten ergänzenden Stellungnahme vom 07.08.2006 ist Prof. Dr. St. bei seiner Auffassung geblieben und hat weiter ausgeführt, die Symmetrieregel komme nur bei gravierenden Unterschieden zur Anwendung, solche lägen hier nicht vor. Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 09.10.2006 bei seiner Bewertung ebenfalls die von Prof. Dr. St. ermittelten tonaudiometrischen Befunde zu Grunde gelegt; die von Prof. Dr. Z. könnten nicht berücksichtigt werden, weil hier eine zusätzliche nicht vorhandene Schallleitungskomponente audiometriert worden sei. Nicht zu Grunde gelegt werden könne auch das Sprachaudiogramm. Nach dem von Prof. Dr. St. erhobenen Tonaudiogramm vom 25.01.2005 betrage der Hörverlust rechts 25% und links 15% bzw. 20%. Somit betrage die MdE für die Hörstörungen allein (maximal) 10%. Unter Berücksichtigung des Tinnitus betrage die MdE maximal 15 v.H.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von Verletztenrente verurteilt, denn der Bescheid vom 08.08.2002/Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, ihm steht keine Verletztenrente wegen Lärmschwerhörigkeit zu.
Ob vorliegend noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder die des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) zur Anwendung kommen, ist nicht entscheidungserheblich, da die hier anzuwendenden Regelungen (§§ 551, 580 ff. RVO; §§ 7, 9, 26 ff. SGB VII) durch das neue Recht keine sich hier auswirkende Änderung erfahren haben; der Einfachheit halber werden deshalb die Vorschriften des SGB VII zitiert.
Nach § 26 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen. Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Rente ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche (RVO: 13. Woche) nach dem Versicherungsfall hinaus, um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BK en. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BK en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Bk en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden; dazu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) auch eine Lärmschwerhörigkeit.
Ausweislich des Bescheids vom 27.01.1994 ist beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV als BK anerkannt. Der geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass die - anerkannte - Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 20 v.H. begründet. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. B., der - insoweit in Übereinstimmung mit Prof. T. und Dr. Schuss - überzeugend dargelegt hat, dass Ausgangspunkt der Beurteilung das von Prof. Dr. St. erhobene Tonaudiogramm vom 25.01.2005 sein muss, weil einerseits der Kläger - wie in den Akten und Gutachten dokumentiert - nur unzureichend die deutsche Sprache beherrscht, andererseits Ton- und Sprachaudiogramm nicht korrelieren, weswegen das Sprachaudiogramm keine zuverlässigen Werte liefert. Ferner ist zu beachten, dass soweit frühere Untersuchungen schlechtere Werte erbracht haben (z.B. Audiogramm Dr. K. vom 12.04.2000; Audiogramm Prof. Dr. H. vom 03.04.2002), diese nicht für die Beurteilung maßgebend sein können, weil sich eine einmal eingetretene Lärmschwerhörigkeit nicht (mehr) bessert und damit frühere schlechtere Untersuchungsergebnisse als nicht valide bewertet und für die Beurteilung ausgeschlossen werden müssen; hierauf hat zu Recht Prof. Dr. St. auf S. 15/16 seines Gutachtens hingewiesen. Ausgehend vom Tonaudiogramm des Prof. Dr. St. vom 25.01.2005 ergibt sich nach der 3-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) für das rechte Ohr ein prozentualer Hörverlust von 25% (Hörverlust bei 1 kHz 30 dB, bei 2 kHz 40 dB, bei 3 kHz 50 dB) und für das linke Ohr von 15% (Hörverlust bei 1 kHz 20 dB, bei 2 kHz 40 dB, bei 3 kHz 50 dB). Nach der Tabelle von Feldmann zur Berechnung der MdE resultiert aus diesen Werten von rechts 25% und links 15% Hörverlust eine MdE von maximal 10 v.H.; zu dem selben Ergebnis kommt man im Übrigen auch, wenn man - wie Prof. Dr. St. - für das linke Ohr einen prozentualen Hörverlust von 20% - anstatt 15% - annimmt. Damit ist - wie Prof. Dr. B. ausgeführt hat - allein für die Hörstörung eine MdE von 10 v.H. gegeben; unter zusätzlicher Berücksichtigung des Tinnitus, der nach übereinstimmender Beurteilung aller Sachverständigen eine MdE von 5 v.H. rechtfertigt, ergibt sich vorliegend eine MdE um 15 v.H.; eine rentenberechtigende MdE um wenigstens 20 v.H ist nicht zu begründen. Der Beurteilung von Prof. Dr. St. vermochte der Senat nicht zu folgen. Die unterschiedliche Beurteilung resultiert nicht - wie oben aufgezeigt - aus einer unterschiedlichen Bewertung des prozentualen Hörverlustes des linken Ohrs, sondern daraus, dass Prof. Dr. St. für das rechte Ohr als Bewertungsgrundlage das Sprachaudiogramm herangezogen hat, obwohl - wie Prof. Dr. B. überzeugend dargelegt hat - diese sprachaudiometrischen Werte wegen des dokumentierten mangelnden Sprachverständnisses des Klägers und der fehlenden Korrelation zwischen Sprach- und Tonaudiogramm nicht zutreffend sein können. Die Beurteilungen von Prof. Dr. H. und Dr. R. überzeugen nicht, weil diese auf einer unzulässigen "Mittelung" der von ihnen erhobenen Werte beruht. Eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. Schuss erübrigt sich im Hinblick auf dessen sowieso für den Kläger ungünstige Beurteilung.
Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe nur die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
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