Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 RJ 1164/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 63/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zu gelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der am X.XXXX 1953 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt von September 1990 bis Juni 1995 im Ordnungs- und Informationsdienst des Arbeitsamts Hamburg beschäftigt. Sein im Mai 1996 gestellter erster Rentenantrag wurde von der Beklagten nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. S. vom 19. März 1997 durch Bescheid vom 7. April 1997 und Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1997 abgelehnt. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Klagverfahrens (Az. 16 J 1548/97) wurde zunächst ein nervenärztliches Gutachten von Dr. L. vom 22. Februar 1999 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, die Leistungsfähigkeit des Klägers sei hochgradig eingeschränkt durch eine Persönlichkeitsstörung mit Neigung zur psychosomatischen Reaktionsbildung sowie eine Migräne und ein Spannungskopfschmerzleiden. Eine leichte Tätigkeit mit vielfältigen qualitativen Einschränkungen könne aber gerade eben noch vollschichtig und regelmäßig erbracht werden. Es wurde sodann ein chirurgisches Gutachten von Dr. K. vom 10. Februar 2000 erstattet, der im Wesentlichen eine leichtergradige Fehlstellung der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine Osteoporose der Wirbelsäule, insgesamt mit deutlicher Minderung der Belastbarkeit des Achsenskeletts, festgestellt hat. Damit sei der Kläger in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Der Rechtsstreit endete daraufhin am 2. März 2000 durch Klagrücknahme.
Am 4. Mai 2000 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag nach Beiziehung einer gutachterlichen Stellungnahme des Internisten Dr. F. vom 31. Mai 2000, der weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers ausging, mit Bescheid vom 7. Juni 2000 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2000 zurück. Nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen sei der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit vollschichtig zu verrichten.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hin hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F1 (Neurologe und Psychiater) vom 12. Oktober 2001, Dr. S1 (Orthopäde) vom 9. November 2001 und Dr. K1 (Facharzt für Anästhesie) vom 21. November 2001 beigezogen. Der Kläger hat außerdem die Entlassungsberichte des AK St. G. vom 14. Dezember 2000 und 11. Oktober 2002, die Berichte des Radiologen Dr. S2 vom 18. Mai 2001 und des Neurologen und Psychiaters Dr. L1 vom 26. März 2001 sowie ein Attest von Dr. S1 vom 14. September 2000 eingereicht.
Das Sozialgericht hat den Kläger durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. begutachten lassen. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Februar 2002 in seinem Gutachten vom 14. Februar 2002 einen eher vasomotorischen Kopfschmerz festgestellt, wobei es auch zu Migräneanfällen kommen möge, sich insgesamt diesbezüglich jedoch eine Besserung ergeben habe. Ferner bestehe ein LWS-Syndrom ohne radikuläre Schmerzsymptomatik, eine Schädigung des linksseitigen Nervus medianus mit sensiblen Ausfällen und - im Vordergrund stehend - ein Beschwerdesyndrom durch eine Bauchdeckenplastik des rechten Abdomens. Im psychischen Bereich finde sich eine versagende Tendenz mit durchaus psychosomatisch orientierter Persönlichkeitsstörung. Der Kläger sei auf jeden Fall in der Lage, leichte Arbeiten durchschnittlicher geistiger Art, mit durchschnittlicher Verantwortung, in wechselnden Körperhaltungen, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten (ca. 7 kg), ohne Zeitdruck, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit und ohne besonderen Publikumsverkehr zu ebener Erde vollschichtig auszuüben. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat außerdem der Orthopäde P. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 19. November 2002 ein Gutachten vom 20. November 2002 erstellt. Er hat ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom insbesondere mit Befall der Brust- und weniger der Lendenwirbelsäule bei Hohlrundrücken, leichter Skoliose, Osteoporose und bereits eingetretenen Wirbelkörpersinterungen im Bereich der Brustwirbelsäule. Ferner bestehe ein leichtgradiges Halswirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie wiederkehrende, operierte Bauchdeckenbrüche nach sogenanntem Platzbauch. Der Kläger könne leichte Arbeiten körperlicher Art – mit einer Gewichtsbelastung von 6 kg – und einfacher geistiger Art mit allenfalls durchschnittlicher Verantwortung vollschichtig verrichten; auch die Wegefähigkeit sei gegeben.
Das Sozialgericht hat die Klage nach zusätzlicher Anhörung des Orthopäden P. in der mündlichen Verhandlung durch Urteil vom 12. Dezember 2002 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei nicht erwerbsunfähig und auch nicht berufsunfähig.
Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung macht der Kläger nur noch einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geltend. Er trägt vor, das Gutachten von Herrn P. sei oberflächlich, da die vorhandenen Wirbelkörperfrakturen nicht festgestellt worden seien. Diese führten zu stechenden Rückenschmerzen bei leichtesten Belastungen und beugenden Rückenbewegungen, welche auch in die Beine ausstrahlten und damit zu einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit führten. Er könne auch keine Lasten bis 6 kg heben oder tragen und sich auch nicht bücken, um Lasten aufzunehmen. Die vollständig aufgehobene Leistungsfähigkeit werde schließlich verstärkt durch die weiterhin bestehende Platzbauch-Symptomatik und die Migräneanfälle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat einen weiteren Befundbericht von Dr. S1 vom 24. August 2004 eingeholt. Der Kläger hat außerdem Bescheinigungen von Dr. S1 vom 24. März 2003, 3. Mai 2004 und 14. September 2004, Kurzberichte des AK St. G. vom 30. Oktober 2003, 27. Juli 2005 und 29. August 2005 sowie einen Bericht der Röntgenpraxis S3 vom 26. August 2005 eingereicht.
Auf Veranlassung des Gerichts hat sodann Dr. B. den Kläger am 6. Juni 2006 untersucht und ein schriftliches chirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 20. Juli 2006 erstattet, welches er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 nochmals erläutert hat.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf die – allein noch geltend gemachte – Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden und gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI hier maßgeblichen Fassung (a.F.)). Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.).
Der Kläger ist nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht erwerbsunfähig, da sein Leistungsvermögen zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben ist. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für überzeugend und nimmt daher auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Ergebnis der im Berufungsverfahren angestellten Ermittlungen führt nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts. In medizinischer Hinsicht haben sich keine Feststellungen ergeben, aus denen sich ein aufgehobenes Leistungsvermögen begründen ließe. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ...
Dieser hat dargelegt, bei dem Kläger bestehe auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet eine Rundrückenbildung mit Haltungsinsuffizienz, regionaler Bewegungseinschränkung und Muskelungleichgewichten. Im Röntgenbild seien sinterungsbedingte Veränderungen durch die Osteoporose an den Brustwirbelkörpern 7, 8 und 9 feststellbar – anamnestisch ebenfalls an den Brustwirbelkörpern 11 und 12 ... Die Hinterkanten der Wirbelkörper seien erhalten, die Deformität mäßig stark ausgeprägt. Außerdem fänden sich eine Ausdünnung der Bauchdecke rechts und Narbenbildung im Bereich des rechten Bauches sowie eine Gefühlsstörung am 1. bis 3. Finger der linken Hand. Insgesamt bestünden gute Kraftverhältnisse an den Armen, auffällige Muskelumfangsdifferenzen seien nicht gegeben. Die Hände wiesen deutliche Gebrauchsspuren auf. An den Gelenken der Beine sei die Beweglichkeit altersentsprechend, es gebe gute Muskel- und Kraftverhältnisse, keine auffälligen Umfangsdifferenzen. Die geklagte diffuse Gefühlsstörung am rechten Fuß lasse sich nicht segmental der Wirbelsäule oder Engpasssyndromen am Fuß zuordnen. Mit Ausnahme der Muskelschwäche am Bauch finde sich ein recht gutes Muskelkorsett des Rumpfes. Aus den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Befundberichten ergebe sich tendenziell eher eine Befundbesserung. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung in möglichst wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen vollschichtig ausüben. Rumpfzwangshaltungen, Zeitdruck, Akkord, Schichtarbeit und Nachtarbeit sollten vermieden werden. Zu empfehlen seien Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Witterungsschutz und zu ebener Erde. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Die Ausführungen von Dr. B. stimmen im Wesentlichen überein mit den Gutachten, die das Sozialgericht im Rahmen dieses bzw. des vorangegangenen Verfahrens eingeholt hat. Hiernach ergibt sich die stärkste Leistungseinschränkung des Klägers aufgrund der Osteoporose der Wirbelsäule mit bereits von Herrn P. deutlich beschriebenen Wirbelkörpersinterungen, wobei nach den Feststellungen aller Gutachter das Leistungsvermögen hierdurch nicht aufgehoben ist. Der Vortrag des Klägers, die ausstrahlenden Schmerzen führten zu einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit, ist durch die vorliegenden Gutachten nicht bestätigt worden. Vielmehr hat Dr. B. eine altersentsprechende Beweglichkeit sowie gute Muskel- und Kraftverhältnisse ohne auffällige Umfangsdifferenzen festgestellt und eine nach Angaben des Klägers freie Gehstrecke von ein bis zwei Stunden notiert.
Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich auch nicht auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten vom 22. Februar 1999 von einer "gerade eben noch" erhaltenen Leistungsfähigkeit ausgegangen ist, hat Dr. R. am 14. Februar 2002 ausdrücklich eine seitdem eingetretene Verbesserung der psychischen Situation festgestellt. Dies steht in Übereinstimmung mit den vom Sozialgericht im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens (Az. S 30 SB 411/02) eingeholten Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S4 vom 7. Juli 2003 und 12. Juli 2004, in denen jeweils ein positiver Aufwärtstrend beschrieben und ausgeführt wird, der Patient sei schließlich "besonnen, ausgeglichen und schmerzfrei" gewesen. Auch hinsichtlich der vorgetragenen Kopfschmerzen hat Dr. R. eine Besserung festgestellt; eine dauerhafte Leistungseinschränkung wurde insoweit nicht festgestellt.
Schließlich ergibt sich auch aus der bei dem Kläger bestehenden Neigung zu Bauchdeckenbrüchen keine weitergehende Leistungseinschränkung. Der hierdurch bedingte Ausschluss von Arbeiten mit höherer Gewichtsbelastung und bestimmten Zwangshaltungen stimmt letztlich mit den aufgrund der Osteoporose bestehenden Einschränkungen überein und lässt leichte körperliche Arbeiten weiterhin zu.
Auch bei Anwendung des seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechts kann der Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen. Gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.) sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI n.F.). Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger aufgrund seines vollschichtigen Leistungsvermögens für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der am X.XXXX 1953 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt von September 1990 bis Juni 1995 im Ordnungs- und Informationsdienst des Arbeitsamts Hamburg beschäftigt. Sein im Mai 1996 gestellter erster Rentenantrag wurde von der Beklagten nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. S. vom 19. März 1997 durch Bescheid vom 7. April 1997 und Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1997 abgelehnt. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Klagverfahrens (Az. 16 J 1548/97) wurde zunächst ein nervenärztliches Gutachten von Dr. L. vom 22. Februar 1999 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, die Leistungsfähigkeit des Klägers sei hochgradig eingeschränkt durch eine Persönlichkeitsstörung mit Neigung zur psychosomatischen Reaktionsbildung sowie eine Migräne und ein Spannungskopfschmerzleiden. Eine leichte Tätigkeit mit vielfältigen qualitativen Einschränkungen könne aber gerade eben noch vollschichtig und regelmäßig erbracht werden. Es wurde sodann ein chirurgisches Gutachten von Dr. K. vom 10. Februar 2000 erstattet, der im Wesentlichen eine leichtergradige Fehlstellung der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine Osteoporose der Wirbelsäule, insgesamt mit deutlicher Minderung der Belastbarkeit des Achsenskeletts, festgestellt hat. Damit sei der Kläger in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Der Rechtsstreit endete daraufhin am 2. März 2000 durch Klagrücknahme.
Am 4. Mai 2000 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag nach Beiziehung einer gutachterlichen Stellungnahme des Internisten Dr. F. vom 31. Mai 2000, der weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers ausging, mit Bescheid vom 7. Juni 2000 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2000 zurück. Nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen sei der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit vollschichtig zu verrichten.
Auf die hiergegen gerichtete Klage hin hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. F1 (Neurologe und Psychiater) vom 12. Oktober 2001, Dr. S1 (Orthopäde) vom 9. November 2001 und Dr. K1 (Facharzt für Anästhesie) vom 21. November 2001 beigezogen. Der Kläger hat außerdem die Entlassungsberichte des AK St. G. vom 14. Dezember 2000 und 11. Oktober 2002, die Berichte des Radiologen Dr. S2 vom 18. Mai 2001 und des Neurologen und Psychiaters Dr. L1 vom 26. März 2001 sowie ein Attest von Dr. S1 vom 14. September 2000 eingereicht.
Das Sozialgericht hat den Kläger durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. begutachten lassen. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Februar 2002 in seinem Gutachten vom 14. Februar 2002 einen eher vasomotorischen Kopfschmerz festgestellt, wobei es auch zu Migräneanfällen kommen möge, sich insgesamt diesbezüglich jedoch eine Besserung ergeben habe. Ferner bestehe ein LWS-Syndrom ohne radikuläre Schmerzsymptomatik, eine Schädigung des linksseitigen Nervus medianus mit sensiblen Ausfällen und - im Vordergrund stehend - ein Beschwerdesyndrom durch eine Bauchdeckenplastik des rechten Abdomens. Im psychischen Bereich finde sich eine versagende Tendenz mit durchaus psychosomatisch orientierter Persönlichkeitsstörung. Der Kläger sei auf jeden Fall in der Lage, leichte Arbeiten durchschnittlicher geistiger Art, mit durchschnittlicher Verantwortung, in wechselnden Körperhaltungen, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten (ca. 7 kg), ohne Zeitdruck, ohne Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit und ohne besonderen Publikumsverkehr zu ebener Erde vollschichtig auszuüben. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat außerdem der Orthopäde P. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 19. November 2002 ein Gutachten vom 20. November 2002 erstellt. Er hat ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom insbesondere mit Befall der Brust- und weniger der Lendenwirbelsäule bei Hohlrundrücken, leichter Skoliose, Osteoporose und bereits eingetretenen Wirbelkörpersinterungen im Bereich der Brustwirbelsäule. Ferner bestehe ein leichtgradiges Halswirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie wiederkehrende, operierte Bauchdeckenbrüche nach sogenanntem Platzbauch. Der Kläger könne leichte Arbeiten körperlicher Art – mit einer Gewichtsbelastung von 6 kg – und einfacher geistiger Art mit allenfalls durchschnittlicher Verantwortung vollschichtig verrichten; auch die Wegefähigkeit sei gegeben.
Das Sozialgericht hat die Klage nach zusätzlicher Anhörung des Orthopäden P. in der mündlichen Verhandlung durch Urteil vom 12. Dezember 2002 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei nicht erwerbsunfähig und auch nicht berufsunfähig.
Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung macht der Kläger nur noch einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit geltend. Er trägt vor, das Gutachten von Herrn P. sei oberflächlich, da die vorhandenen Wirbelkörperfrakturen nicht festgestellt worden seien. Diese führten zu stechenden Rückenschmerzen bei leichtesten Belastungen und beugenden Rückenbewegungen, welche auch in die Beine ausstrahlten und damit zu einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit führten. Er könne auch keine Lasten bis 6 kg heben oder tragen und sich auch nicht bücken, um Lasten aufzunehmen. Die vollständig aufgehobene Leistungsfähigkeit werde schließlich verstärkt durch die weiterhin bestehende Platzbauch-Symptomatik und die Migräneanfälle.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat einen weiteren Befundbericht von Dr. S1 vom 24. August 2004 eingeholt. Der Kläger hat außerdem Bescheinigungen von Dr. S1 vom 24. März 2003, 3. Mai 2004 und 14. September 2004, Kurzberichte des AK St. G. vom 30. Oktober 2003, 27. Juli 2005 und 29. August 2005 sowie einen Bericht der Röntgenpraxis S3 vom 26. August 2005 eingereicht.
Auf Veranlassung des Gerichts hat sodann Dr. B. den Kläger am 6. Juni 2006 untersucht und ein schriftliches chirurgisch-orthopädisches Gutachten vom 20. Juli 2006 erstattet, welches er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 nochmals erläutert hat.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf die – allein noch geltend gemachte – Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden und gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI hier maßgeblichen Fassung (a.F.)). Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.).
Der Kläger ist nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht erwerbsunfähig, da sein Leistungsvermögen zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben ist. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für überzeugend und nimmt daher auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Ergebnis der im Berufungsverfahren angestellten Ermittlungen führt nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts. In medizinischer Hinsicht haben sich keine Feststellungen ergeben, aus denen sich ein aufgehobenes Leistungsvermögen begründen ließe. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ...
Dieser hat dargelegt, bei dem Kläger bestehe auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet eine Rundrückenbildung mit Haltungsinsuffizienz, regionaler Bewegungseinschränkung und Muskelungleichgewichten. Im Röntgenbild seien sinterungsbedingte Veränderungen durch die Osteoporose an den Brustwirbelkörpern 7, 8 und 9 feststellbar – anamnestisch ebenfalls an den Brustwirbelkörpern 11 und 12 ... Die Hinterkanten der Wirbelkörper seien erhalten, die Deformität mäßig stark ausgeprägt. Außerdem fänden sich eine Ausdünnung der Bauchdecke rechts und Narbenbildung im Bereich des rechten Bauches sowie eine Gefühlsstörung am 1. bis 3. Finger der linken Hand. Insgesamt bestünden gute Kraftverhältnisse an den Armen, auffällige Muskelumfangsdifferenzen seien nicht gegeben. Die Hände wiesen deutliche Gebrauchsspuren auf. An den Gelenken der Beine sei die Beweglichkeit altersentsprechend, es gebe gute Muskel- und Kraftverhältnisse, keine auffälligen Umfangsdifferenzen. Die geklagte diffuse Gefühlsstörung am rechten Fuß lasse sich nicht segmental der Wirbelsäule oder Engpasssyndromen am Fuß zuordnen. Mit Ausnahme der Muskelschwäche am Bauch finde sich ein recht gutes Muskelkorsett des Rumpfes. Aus den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Befundberichten ergebe sich tendenziell eher eine Befundbesserung. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung in möglichst wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen vollschichtig ausüben. Rumpfzwangshaltungen, Zeitdruck, Akkord, Schichtarbeit und Nachtarbeit sollten vermieden werden. Zu empfehlen seien Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Witterungsschutz und zu ebener Erde. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Die Ausführungen von Dr. B. stimmen im Wesentlichen überein mit den Gutachten, die das Sozialgericht im Rahmen dieses bzw. des vorangegangenen Verfahrens eingeholt hat. Hiernach ergibt sich die stärkste Leistungseinschränkung des Klägers aufgrund der Osteoporose der Wirbelsäule mit bereits von Herrn P. deutlich beschriebenen Wirbelkörpersinterungen, wobei nach den Feststellungen aller Gutachter das Leistungsvermögen hierdurch nicht aufgehoben ist. Der Vortrag des Klägers, die ausstrahlenden Schmerzen führten zu einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit, ist durch die vorliegenden Gutachten nicht bestätigt worden. Vielmehr hat Dr. B. eine altersentsprechende Beweglichkeit sowie gute Muskel- und Kraftverhältnisse ohne auffällige Umfangsdifferenzen festgestellt und eine nach Angaben des Klägers freie Gehstrecke von ein bis zwei Stunden notiert.
Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich auch nicht auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten vom 22. Februar 1999 von einer "gerade eben noch" erhaltenen Leistungsfähigkeit ausgegangen ist, hat Dr. R. am 14. Februar 2002 ausdrücklich eine seitdem eingetretene Verbesserung der psychischen Situation festgestellt. Dies steht in Übereinstimmung mit den vom Sozialgericht im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens (Az. S 30 SB 411/02) eingeholten Befundberichten des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S4 vom 7. Juli 2003 und 12. Juli 2004, in denen jeweils ein positiver Aufwärtstrend beschrieben und ausgeführt wird, der Patient sei schließlich "besonnen, ausgeglichen und schmerzfrei" gewesen. Auch hinsichtlich der vorgetragenen Kopfschmerzen hat Dr. R. eine Besserung festgestellt; eine dauerhafte Leistungseinschränkung wurde insoweit nicht festgestellt.
Schließlich ergibt sich auch aus der bei dem Kläger bestehenden Neigung zu Bauchdeckenbrüchen keine weitergehende Leistungseinschränkung. Der hierdurch bedingte Ausschluss von Arbeiten mit höherer Gewichtsbelastung und bestimmten Zwangshaltungen stimmt letztlich mit den aufgrund der Osteoporose bestehenden Einschränkungen überein und lässt leichte körperliche Arbeiten weiterhin zu.
Auch bei Anwendung des seit dem 1. Januar 2001 geltenden Rechts kann der Kläger keine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen. Gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.) sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI n.F.). Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger aufgrund seines vollschichtigen Leistungsvermögens für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
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