L 4 R 2884/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3507/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2884/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1962 geborene Kläger, seit September 2003 geschieden, war nach dreijähriger Ausbildung zum Maurer in diesem Beruf beschäftigt, zuletzt als Bauleiter. Die Beitragszeiten enden mit dem 17. September 1996. Die anschließende Zeit der Tätigkeit als Geschäftsführer/Meister in eigener GmbH bis März 1999 ist mit Versicherungszeiten nicht belegt. Es folgen Zeiten des Bezugs von Leistungen der Arbeitslosenversicherung (April bis August 1999, Oktober 2000 bis Oktober 2001), unterbrochen durch eine Tätigkeit in der Immobilienvermittlung. Vom 15. Oktober 2001 bis 31. Mai 2002 war der Kläger nochmals als Bauleiter beschäftigt. Sodann war er, abgesehen von einer Betätigung in der Personenbeförderung (Mini-Car) von Dezember 2002 bis Mai 2003, wiederum arbeitslos. Die Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit lehnte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 01. Juni 2002 wegen fehlender Bedürftigkeit ab.

Vom 02. August bis 04. September 2000 hatte der Kläger an einer von der Beklagten bewilligten Heilmaßnahme in der S.-klinik B. B. teilgenommen (Diagnosen: Somatoforme Schmerzstörung, funktionelle Bewegungsstörung, DD: Torticollis spasmodicus), aus der der Kläger vollschichtig leistungsfähig für die Tätigkeit als Immobilienmakler entlassen wurde (Entlassungsbericht des Dr. K. vom 08. September 2000). Aufgrund ab 12. November 2003 bescheinigter Arbeitsunfähigkeit bezog er vom 28. November 2003 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 11. April 2005 Krankengeld. Die auf Veranlassung der Krankenkasse erstatteten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 27. Februar 2004 (Dr. A.; Diagnosen: anhaltende somatoforme Störung, depressive Entwicklung, Protrusion C 4/5/6 mediolateral, Skoliose, LWS-Syndrom, anamnestisch Tinnitus) und 10. Januar 2005 (OMR W.; Diagnosen: anhaltende somatoforme Störung, chronifiziertes Schmerzsyndrom, unspezifische Persönlichkeitsstörung, cervikale Protrusion C4/5/6 mediolateral, rezidivierendes LWS-Syndrom bei Skoliose) hielten Arbeitsunfähigkeit für gegeben. Am 12. April 2005 meldete er sich wieder arbeitslos.

Der Kläger beantragte am 24. Februar 2004 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog neben dem Gutachten des MDK vom 27. Februar 2004 auch das für eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erstellte Gutachten der Psychosomatischen Universitätsklinik H. (Leitender Oberarzt Dr. H.) vom 04. März 2003 bei. Internistin Dr. Ri. nannte im von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 19. März 2004 Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung mit leichtgradigen Verschleißerscheinungen, Bandscheibenvorwölbungen mit leichter Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule, eine Somatisierungsstörung sowie Dysthymie. Auch eine Tätigkeit als Maurer könne noch sechs Stunden ausgeübt werden. Nervenärztin Dr. S. ergänzte im Gutachten vom 07. April 2004 die Diagnosen um depressive Entwicklung, Dysthymie mit spastischem Schiefhals, Tremor, Gesichtstick und Räuspertick. Tätigkeiten als Maurer und Taxifahrer seien nicht leidensgerecht. Jedenfalls leichte Arbeiten mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Mit Bescheid vom 15. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch wurden Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. Kr. vom Juli 2004 sowie des Schmerztherapeuten Dr. Ka. vom 22. Juli 2004 eingeholt, die im Wesentlichen die bekannten Diagnosen bestätigten. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004). Berufsunfähigkeit sei am 13. März 2000 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil im Zeitraum vom 13. März 1995 bis 13. März 2000 lediglich 24 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden seien und der Zeitraum vom 01. Januar 1984 bis 20. September 2000 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei.

Mit der am 23. November 2004 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, ein Fibromyalgie-Syndrom sei bisher nicht berücksichtigt worden. Dieses gehe mit hochgradigen chronischen Schmerzzuständen einher. Im Übrigen sei noch keine orthopädische Begutachtung erfolgt. Er hat das im Auftrag der Agentur für Arbeit Ludwigsburg von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Kr. nach Aktenlage erstattete Gutachten vom 11. März 2005 vorgelegt, wonach er (der Kläger) täglich weniger als drei Stunden (wöchentlich unter 15 Stunden) leistungsfähig sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Einen Antrag des Klägers auf Gewährung medizinischer Rehabilitationsleistungen habe sie mit Bescheid vom 24. Juni 2005 abgelehnt, weil derartige Leistungen nicht erforderlich seien.

Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. nannte in der schriftlichen Zeugenaussage vom 31. Januar 2005 eine zunehmende depressive Symptomatik mit sozialer Phobie, ferner Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und Schwächegefühl im ganzen Körper sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung; allenfalls leichte Tätigkeiten für etwa zwei Stunden seien für möglich zu halten. Arzt für Orthopädie Dr. B. bestätigte in der Zeugenaussage vom 20. Januar 2005 die bereits genannten Befunde auf seinem Fachgebiet sowie die Fibromyalgie, hielt jedoch unter entsprechender konservativer Behandlung und Ansprechen auf die Behandlung eine leichte Tätigkeit noch für vollschichtig möglich. Das SG beauftragte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br., M., mit der Erstattung des Gutachtens vom 10. Mai 2005 (Untersuchung am 28. April 2005). Der Sachverständige erachtete die objektive Befunderhebung durch grob demonstratives Verhalten eingeschränkt, auch ein möglicherweise seit Jugend bestehender Tremor begründe keine wesentliche Leistungsminderung. Ein wesentlicher Gehörschaden bestehe nicht. Ebenso wenig sei eine ins Gewicht fallende Angstsymptomatik zu erheben. Eine richtungweisende depressive Symptomatik sei nicht zu beschreiben. Ebenso bestehe keine richtungweisende Schmerzbeeinträchtigung. Zu vermuten sei eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung. Fast sämtliche Beschwerden würden unter dem Begriff der so genannten Fibromyalgie subsumiert. Die im jetzigen Umfang angegebenen Schmerzen hätten seit mindestens 1998 bestanden und über längere Zeit Tätigkeiten nicht gehindert. Wenigstens körperlich leichte Tätigkeiten seien weiterhin vollschichtig möglich. Der zeitlichen Einschränkung seitens Ärztin Dr. Sc. könne nicht gefolgt werden. Der Kläger beantragte gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Begutachtung durch Nervenarzt/Psychoanalyse Dr. Ke., M ... Dieser erstattete aufgrund der Untersuchung vom 30. August 2005 und testpsychologischer Zusatzuntersuchung (Diplom-Psychologe N. vom 01. September 2005) das Gutachten vom 05. Dezember 2005. Als Diagnosen wurden genannt: Somatoforme Schmerzstörung unter dem Bild eines Fibromyalgie-Syndroms Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, Cervicocephalgien mit Vertigosymptomatik, somatoforme Störung im Bereich des Bewegungsapparates, der Kreislauforgane, des Verdauungs- und Urogenitaltrakts, Angst und depressive Störung gemischt, Ein- und Durchschlafstörungen, Verdacht auf beginnende beinbetonte Polyneuropathie, kognitive Leistungsstörung leichten bis mittleren Grades, Tinnitus beidseits, spastischer Schiefhals sowie Kopftremor. Besonders hervorzuheben sei eine über Vermeidungstendenzen hinausgehende sich verfestigende soziale Phobie. Leichte Tätigkeiten seien allenfalls im Ausmaß über drei Stunden möglich. Sicherlich bestünden Verdeutlichungstendenzen, jedoch keine Simulation. Die Behandlung der somatoformen Schmerzstörung könne durchaus wieder das Erreichen der vollen Erwerbsfähigkeit erwarten lassen. Die Beklagte legte die Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. Bu. vom 15. Februar 2006 vor. Ausführungen zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten fehlten im Gutachten Dr. Ke. weitgehend. Demgegenüber habe Dr. Br. in der mehrstündigen Untersuchung Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Merkfähigkeit als ungestört vorgefunden. Eine quantitative Leistungseinschränkung sei von daher nicht nachvollziehbar.

Durch Urteil vom 22. März 2006 wies das SG die Klage ab. Aufgrund der von der Beklagten eingeholten Gutachten der Dres. S. und Ri. sowie der gutachterlichen Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. B. und insbesondere des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Br. stehe fest, dass der Kläger noch in der Lage sei, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne wesentliche qualitative Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten zu können. Dem Gutachten des Dr. Ke. sei nicht zu folgen. Mit den auch von Dr. Br. beschriebenen Verdeutlichungstendenzen setze er sich nicht auseinander. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere daran, dass der Kläger nicht vor dem 02. Januar 1961 geboren sei.

Gegen das am 22. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07. Juni 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er verbleibt dabei, das Gutachten Dr. Br. werde seinen Erkrankungen nicht in angemessener Form gerecht. Insbesondere das Fibromyalgie-Syndrom sei nach wie vor nicht in seinen individuellen Auswirkungen gewürdigt. Der Sachverständige Dr. Ke. habe die Auffassung der behandelnden Ärztin Dr. Sc. bestätigt, dass nur minimale Belastungen ausgehalten werden könnten. Auch die Vielzahl der Gesundheitsstörungen (Multimorbidität) lasse eine geordnete Erwerbstätigkeit nicht mehr zu. Dies sei in einem weiteren Gutachten des MDK (Obermedizinalrat W.) vom 10. Januar 2005 und einem Gutachten der Agentur für Arbeit L. (Dr. Kr.) vom 11. März 2005 akzeptiert worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2004 zu verurteilen, ihm ab 01. Dezember 2003 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Rentenakten (zwei Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist in der Sache nicht begründet. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der Fassung des zuvor genannten Gesetzes Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Letztere Grenze liegt für die Rente wegen voller Erwerbsminderung bei mindestens drei Stunden täglich (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Hierbei ist zu beachten, dass nach der weiterhin anerkannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur "konkreten Betrachtungsweise" (vgl. Beschlüsse des Großen Senats BSGE 30, 167; 43, 75) die teilweise Erwerbsminderung in die volle durchschlägt, wenn ein Arbeitsplatz tatsächlich nicht innegehabt wird und der Arbeitsmarkt für Teilzeitarbeit verschlossen ist. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt für den (nicht vor dem 02. Januar 1961 geborenen) Kläger nicht in Betracht (vgl. § 240 Abs. 1 SGB VI). Demgemäß kann der Kläger trotz der von ihm ausgeübten qualifizierten Berufstätigkeiten zur Abwendung von Erwerbsminderung auf alle ungelernte Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Es sind weder die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung noch für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gegeben.

Der Kläger leidet zunächst an Verschleißerscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Diese sind bei der Erstbegutachtung durch Internistin Dr. Ri. von 19. März 2004, deren Gutachten der Senat urkundenbeweislich verwertet, als Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung mit leichtgradigen Verschleißerscheinungen und Bandscheibenvorwölbungen mit leichter Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule beschrieben worden. Die behandelnden Ärzte, zuletzt auch der Orthopäde Dr. B. in der Zeugenaussage vom 20. Januar 2005 haben diese Befunde bestätigt und der Einschätzung, leichte Tätigkeiten seien noch täglich sechsstündig möglich, nicht entgegenzutreten vermocht. Auf dieser Grundlage hat das SG zutreffend von der Einholung eines orthopädischen Gerichtsgutachtens absehen dürfen; auch im Berufungsverfahren hat sich dies nicht aufgedrängt.

Demgemäß war die Prüfung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit des Klägers im gerichtlichen Verfahren vorrangig auf die auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vorgebrachten Beschwerdezustände zu richten. Wie das Sozialgericht folgt auch der Senat der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Br., dass der Kläger leichte Tätigkeiten wenn auch nicht mehr wie zuletzt ausgeübt in der Personenbeförderung (Taxifahrer) - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich verrichten kann. Bei der Untersuchung vom 28. April 2005 wurde ein möglicherweise seit Jugend bestehender essentieller oder familiärer Tremor nicht ausgeschlossen. Dessen Ausmaß konnte aber eine weiterreichende Leistungsminderung nicht begründen, nachdem der Kläger bis ins Jahr 2003 hinein berufstätig sein konnte. Eine wesentliche Gehörschädigung, begleitet von Tinnitus konnte während der langen Untersuchung durch den Sachverständigen nicht im Sinne einer wesentlichen Beeinträchtigung für leichte Arbeiten festgestellt werden. Schwierigkeiten in der Gesprächsführung bestanden nicht. Nach der zusammenfassenden Einschätzung des Sachverständigen waren in der mehrstündigen Untersuchung auch Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis- und Merkfähigkeit ungestört. Soweit eine Angstsymptomatik vorgetragen wird, haben sich auch insoweit keine Hinweise für ein Berufstätigkeiten hinderndes Vermeidungsverhalten gezeigt. Ebenso ist in der Untersuchungssituation eine richtungweisende Schmerzbeeinträchtigung nicht erkennbar geworden. Der Senat folgt auch der zusammenfassenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. Br., der Kläger biete ein tendenziöses Krankheitsverhalten mit grob demonstrativer Beschwerdeausweitung. Soweit eine Anpassungsstörung zu erkennen ist, beeinträchtigt diese in ihrem Ausmaß eine zeitlich uneingeschränkte Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten ebenso wenig wie eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung mit vermehrter psychovegetativer Labilität ... In Zusammenschau mit der eingehenden Darlegung des Sachverständigen Dr. Br. lässt sich eine somatoforme Störung oder ein Fibromyalgiesyndrom mit quantitativer Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht nachvollziehen. Bereits die behandelnde Ärztin Dr. Sc. ist in ihren diesbezüglichen Aussagen von dem vnm Amts wegen gehörten Sachverständigen widerlegt worden, so dass ihrer Einschätzung in der Zeugenaussage vom 31. Januar 2005, es bestehe eine zunehmende depressive Symptomatik mit sozialer Phobie, Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und Schwächegefühl im ganzen Körper und allenfalls Tätigkeiten von zwei Stunden seien möglich, nicht zu folgen ist.

Dieses Ergebnis wird durch das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychoanalyse, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Ke. vom 05. Dezember 2005 nicht erschüttert. Wie Facharzt für Innere Medizin Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 15. Februar 2006, die der Senat als Parteivorbringen der Beklagten berücksichtigt, überzeugend einwendet, hat dieser Sachverständige eine Erhebung des Tagesablaufs und des Freizeitverhaltens weitgehend vermieden, allenfalls eine abends gedrückte Stimmungslage mit Versagensängsten und Symptomen sozialer Phobie festgehalten. Das Ausmaß einer depressiven Störung ist letztlich nicht näher quantifiziert worden. Verdeutlichungstendenzen hat auch der Sachverständige Dr. Ke. eingeräumt und lediglich Simulationen ausschließen wollen. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, es seien zwar Arbeiten im Umfang von täglich drei Stunden, nicht jedoch von sechs Stunden möglich, wird deshalb nicht nachvollziehbar begründet. Dass eine vorübergehend bestehende stärkere Beeinträchtigung erst nach einer Therapie von mindestens zwei Jahren behoben werden könnte, erschließt sich nicht. Eine wesentliche Verschlimmerung gegenüber den Verhältnissen bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Br. wird nicht begründet, nachdem eine gleichbleibende Leistungsfähigkeit seit dem Zeitpunkt der Krankschreibung vom 12. November 2003 angenommen wird

Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat nicht zu einer neuen Begutachtung im Berufungsverfahren gedrängt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger im Wesentlichen auf die unterschiedlichen Auffassungen der Sachverständigen Bezug genommen. Aus den Gutachten (Obermedizinalrat W. vom MDK, 10. Januar 2005 und Dr. Kr. von der Agentur für Arbeit Ludwigsburg, 11. März 2005), auf die der Kläger in der Berufungsbegründung verwiesen hat, ergibt sich nichts Abweichendes. Die ärztlichen Äußerungen liegen vor der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. Br., wobei Dr. Kr. im Wesentlichen auf die dem Kläger günstige Zeugenaussage der Ärztin Dr. Sc. verweist.

Soweit eine somatoforme Schmerzstörung und phobische Entwicklung gewissen Ausmaßes zuzugestehen sind, führt dies nur zu den Einschränkungen, dass Tätigkeiten unter Zusatzbelastungen wie Akkord-, Schicht- oder Nachtarbeit, Zeitdruck, erhöhte Eigenverantwortung auszuschließen sind. Diesbezüglich liegt der Ausnahmefall einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Behinderung (vgl. Großer Senat BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), der die konkrete Benennung einer Tätigkeit fordern würde, nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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