L 1 Ar 278/76

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 278/76
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Januar 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung einer Ausgleichsrente nach § 32 Bundesversorgungsgesetz – BVG – auf die Arbeitslosenhilfe – Alhi – im Rahmen eines übergeleiteten Anspruchs der Beklagten.

Der im Jahre 1929 geborene Kläger ist zu 60 vom Hundert kriegsbeschädigt und bezieht eine Grundrente nach dem BVG, die im Oktober 1974 in Höhe von 211,– DM gewährt wurde. Am 1. Oktober 1974 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alhi. Diese bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 1974 unter Zugrundelegung eines Einheitslohnes von 375,– DM unter Hinweis darauf, daß es sich um eine Leistung nach § 140 Arbeitsförderungsgesetz – AFG – handele. Mit Schreiben vom 7. November 1974 zeigte die Beklagte dem Versorgungsamt W., den Anspruchsübergang bei Gewährung von Alhi bei Nichterhalt anderer Leistungen nach § 140 AFG an. Diese Anzeige wurde dem Kläger mit Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt zugleich wurde er darauf hingewiesen, daß er umgehend den Antrag auf Ausgleichsrente beim Versorgungsamt W. zu stellen.

Nach der Mitteilung des Versorgungsamts W. vom 13. Februar 1975 standen dem Kläger folgende Versorgungsbezüge zu:

ab 1. Oktober 1974 ab 1. Januar 1975 für Grundrente 211,– DM 211,– DM für Ausgleichsrente 211,– DM 211,– DM für Ehegattenzuschlag 53,– DM 53,– DM für Kinderzuschlag 60,– DM 10,– DM 535,– DM 485,– DM

Gleichzeitig wurde die Beklagte gebeten, etwaige Ersatzansprüche umgehend geltend zu machen.

Mit Bescheid vom 25. Februar 1975 errechnete die Beklagte wöchentliche Aufwendungen gemäß § 140 AFG in Höhe von 74,76 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 31. Dezember 1974 sowie in Höhe von 63,23 DM für die Zeit vom 1. Januar 1975 bis 6. Februar 1975. Insgesamt machte die Beklagte gegen das Versorgungsamt W. einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.321,50 DM geltend.

In seinem am 20. März 1975 eingelegten Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, daß die Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte auf die Alhi nicht angerechnet werden dürfe, weil sie aufgrund seiner Beschädigung und seiner Arbeitslosigkeit bewilligt worden sei und damit eine Maßnahme der nachgehenden Gesundheitsfürsorge sei.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1975 zurück mit der Begründung, die Ausgleichsrente nach dem BVG sei Einkommen i.S. von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG und sei deshalb auf die Höhe des Anspruchs auf Alhi anzurechnen. Die Ausgleichsrente stelle auch keine der in den Regelungen der §§ 138 Abs. 3 AFG und 11 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung – Alhi-VO – genannten Leistungen dar, die – wie die Grundrente – nicht als Einkommen i.S. des § 138 Abs. 1 und 2 AFG anzurechnen seien. Die Ausgleichsrente sei eine echte Lohnersatzleistung, die nicht zur Besserung eines Körperschadens, sondern allein wegen der eingetretenen Arbeitslosigkeit, also im Hinblick auf den Verdienstausfall, gewährt werde.

Gegen den ihm am 16. August 1975 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 21. August 1975 Klage. Er trug zusätzlich zu seinem bisherigen Vorbringen vor, daß er wegen der ungünstigen Arbeitsmarktlage und der Schwierigkeit, als Schwerbeschädigter eine Arbeitsstelle zu bekommen, im besonderen auf die Ausgleichsrente angewiesen sei.

Das Sozialgericht Wiesbaden wies die Klage mit Urteil vom 16. Januar 1976 ab. Zur Begründung führte das Gericht an, die Anzeige der Beklagten vom 7. November 1974 habe gemäß § 140 AFG bewirkt, daß der Rentenanspruch des Klägers in Höhe von 1.321,50 DM für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 6. Februar 1975 auf den Bund übergegangen sei und die Beklagte diesen geltend zu machen habe. Die Ausgleichsrente wäre, wenn sie schon ab Oktober 1974 laufend an den Kläger gezahlt worden wäre, gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG berücksichtigt worden, so daß der Kläger in dem betreffenden Zeitraum weniger Alhi erhalten hätte. Die Ausgleichsrente stelle Einkommen gemäß § 138 Abs. 2 AFG dar, sie falle auch nicht unter die in § 138 Abs. 3 AFG genannten Leistungen, die nicht als Einkommen gälten. In der einschlägigen Regelung des § 138 Abs. 3 Nr. 5 AFG seien die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage nach dem BVG angeführt, nicht aber die Ausgleichsrente. Die Ausgleichsrente diene auch nicht der Gesundheitsfürsorge, sondern sei ein Ausgleich für materiellen Verlust. Eine Gesetzeslücke, die der Ergänzung bedürfe, bestehe nicht.

Gegen das dem Kläger mittels Einschreibebriefes – aufgeliefert zur Post am 9. März 1976 – zugestellte Urteil richtet sich seine mit Schriftsatz vom 30. März 1976 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 5. April 1976 – eingelegte Berufung.

Der Kläger trägt vor, nach § 138 Abs. 3 AFG gälten nicht als Einkommen Leistungen, die nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften gewährt würden, um einen Mehrbedarf zu decken, der durch einen Körperschaden verursacht sei, sowie Leistungen der vorbeugenden und nachgehenden Gesundheitsfürsorge. Die Ausgleichsrente solle den Mehrbedarf decken, den Beschädigte benötigten, sie trage auch Fürsorgecharakter. Gegen die Anrechnung der Ausgleichsrente spreche auch die Regelung des § 83 RVG, wonach es insbesondere unzulässig sei, die Versorgungsbezüge ganz oder teilweise auf das Arbeitsentgelt anzurechnen. Wenn die Regelung des § 138 Abs. 3 AFG die Ausgleichsrente schon nicht ausdrücklich einbeziehe, so sei die Anrechnung zumindest wegen der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse und der besonderen z. Zt. bestehenden Schwierigkeiten für Schwerbehinderte ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Januar 1976 sowie den Bescheid vom 25. Februar 1975 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1975 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Ausgleichsrente diene nur dazu, unter bestimmten Voraussetzungen einen durch die Schädigung hervorgerufenen – ggf. nur vorübergehenden – Einkommensverlust auszugleichen, wenn der Beschädigte infolge seines Gesundheitszustandes oder hohen Alters oder eines sonstigen, von ihm nicht zu vertretenden Grundes nicht das Einkommen erreiche, das in dem früher ausgeübten, begonnenen oder angestrebten Beruf erreicht worden sei oder wäre. Werde hingegen ein entsprechendes Einkommen erzielt, dann bestehe trotz der Beschädigung kein Anspruch auf Ausgleichsrente, woraus folge, daß diese nicht zur Deckung eines durch den Körperschaden verursachten Mehrbedarfs oder der vorbeugenden und nachgehenden Gesundheitsvorsorge i.S. der Regelung des § 138 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AFG diene. Die Ausgleichsrente bezwecke allein den Ausgleich des Einkommensverlustes. Die steuerrechtliche Behandlung der Ausgleichsrente sei für die Bewertung als Einkommen i.S. des § 138 AFG nicht maßgeblich, da die Regelung des § 138 Abs. 2 AFG in Bezug auf die Alhi einen eigenen Einkommensbegriff beinhalte. Welche besonderen Einkommensarten von der Anrechnung ausgenommen seien, regelten § 138 Abs. 3 AFG sowie § 11 Alhi-VO erschöpfend und abschließend, so daß die Ausgleichsrente des BVG hiervon nicht erfaßt werden könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, Arbeitsamt W., Stamm-Nr.: , Bezug genommen.

Im Termin am 23. Mai 1977 war der Kläger weder erschienen noch vertreten. Die im Termin vertretene Beklagte hat Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung des Klägers kann der Senat auf Antrag der Beklagten gemäß § 126 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach Lage der Akten entscheiden, da die Ladung einen entsprechenden Hinweis enthielt (§ 110 SGG).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- sowie fristgerecht eingelegt und auch statthaft (§§ 143, 151 SGG). Ein Berufungsausschließungsgrund greift nicht ein, vornehmlich auch nicht nach § 147 SGG. Der angefochtene Bescheid vom 25. Februar 1975 mag zwar zwei Bescheide enthalten, einmal die Berechnung der Alhi unter Berücksichtigung der Ausgleichsrente, zum anderen die Überleitung des Anspruchs und des daraus folgenden Rechts der Beklagten, die Ansprüche gegen das Versorgungsamt geltend zu machen. Bei der Anrechnung der Ausgleichsrente handelt es sich um eine Überprüfung der Bedürftigkeit und der Frage, inwieweit Einkommen anzurechnen ist, es ist daher umstritten, ob deshalb überhaupt ein sog. Höhenstreit nach § 147 SGG vorliegen kann (vgl. Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1960 – Az.: L-1 (10)/Ar 75/58). Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen, da der Bescheid vom 25. Februar 1975 in seiner Gesamtwirkung zu sehen ist; beide den Gegenstand eines Bescheides und einer Klage bildenden Ansprüche stehen derart in Zusammenhang miteinander, daß die Höhe des einen – der Überleitung – zwangsläufig von der Berechnung des anderen – der Alhi – abhängt. Daraus folgt, daß die Berufung nicht nach § 147 SGG beschränkt sein kann und somit statthaft ist.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1975 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1975 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Bescheid vom 7. August 1975, der aufgrund der Angaben des Versorgungsamts vom 12. Juni 1975 ergangen ist und der die Überleitung eines Anspruchs in Höhe von 23,50 DM beinhaltet, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 1975, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden. Sowohl in dem Bescheid als auch in dem Widerspruchsbescheid und in dem gesamten Klagevorbringen wird der Streitgegenstand bezüglich übergeleiteter Ansprüche auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1974 bis 6. Februar 1975 beschränkt.

Der Kläger ist auch klagebefugt, da er Adressat des Überleitungsbescheides ist und zudem Inhaber der Forderung war, die die Beklagte beim Versorgungsamt geltend gemacht hatte (vgl. Gemeinschaftskommentar zum AFG § 140 Rdz. 26). Der Rechtsverfolgung steht nicht entgegen, daß die Überleitung bereits in der Anzeige vom 7. November 1974 ihre Rechtsgrundlage findet, weil dieser Bescheid, wie auch der Bewilligungsbescheid vom 7. November 1974, einen entsprechenden Hinweis auf § 140 AFG enthält. Denn in der Anzeige vom 7. November 1974 findet sich ausdrücklich der Hinweis, daß Näheres erst durch einen noch zu erlassenden Bescheid zu regeln sei. Zumindest könnte sich die Beklagte auch nicht auf eine Bindungswirkung berufen.

Der Rechtsanspruch des Klägers auf Ausgleichsrente ist in Höhe von 1.321,50 DM für den Zeitraum vom 1. Oktober 1974 bis 6. Februar 1975 zu Recht auf den Bund übergegangen; die Beklagte durfte die Forderung geltend machen und Leistungen entgegennehmen. Die Ausgleichsrente nach § 32 BVG stellt eine Leistung dar, die als Einkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 AFG zu berücksichtigen ist und nicht zu den Leistungen zählt, die nach § 138 Abs. 3 AFG bzw. § 11 Alhi-VO nicht als Einkommen gelten.

Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG u.a. das Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen. Als Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherheit in angemessenem Umfange und der Werbungskosten. Trotz der Einbeziehung steuerrechtlicher Gesichtspunkte in die Regelung des § 138 Abs. 2 AFG knüpft der Einkommensbegriff des § 138 Abs. 2 AFG nicht an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff an, da dieser teils weitergehend, teils enger als der hier maßgebliche Einkommensbegriff ist (vgl. Schönefelder-Kranz-Wanka, Kommentar zum AFG § 138 Rdz. 24); deshalb kann die steuerrechtliche Behandlung der Ausgleichsrente für die Beurteilung nach § 138 Abs. 2 AFG nicht maßgeblich sein. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung des § 83 BVG, wonach bei der Bemessung des Arbeitsentgelts für Beschäftigte, die Versorgungsbezüge nach dem BVG erhalten, diese Bezüge nicht zum Nachteil des Beschäftigten berücksichtigt werden dürfen. Danach ist es beispielsweise unzulässig, bei der Bemessung des Arbeitsentgelts Schädigungsfolgen in irgendeiner Form zu berücksichtigen, auch wenn der Versorgungsberechtigte damit einverstanden sein sollte, wenn z.B. die Entlohnung entsprechend den Versorgungsbezügen gekürzt wird oder eine Anrechnung auf Betriebskosten, Pensionen oder Abfindungen erfolgt. Dies gilt jedoch nicht in Bezug auf die Alhi, die dem Arbeitsentgelt nicht gleichgesetzt werden kann, schon deshalb nicht, weil sie an eigene in den Regelungen der §§ 134 ff. AFG festgelegte Voraussetzungen geknüpft ist und zudem entgegen der Leistung von Arbeitsentgelt und vergleichbaren Leistungen an die Bedürftigkeit anknüpft und keinen Gegenwert für eine erbrachte Leistung darstellt, wovon § 83 BVG erkennbar ausgeht.

Die Ausgleichsrente fällt auch unter keine der Leistungen nach § 138 Abs. 3 AFG, die nicht als Einkommen i.S. des § 138 Abs. 2 AFG gelten. Vornehmlich stellt die Ausgleichsrente keine Leistung dar, die nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften gewährt wird, um einen Mehrbedarf zu decken, der durch einen Körperschaden verursacht ist (§ 138 Abs. 3 Nr. 1 AFG). Darunter fallen z.B. Pflegegeld, Pflegezulage (§ 35 BVG), aber auch Leistungen wie der Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß (§ 13 Abs. 4 BVG). Gleichfalls stellt die Ausgleichsrente in § 32 BVG auch keine Leistung der vorbeugenden oder nachgehenden Gesundheitsfürsorge nach § 138 Abs. 3 Nr. 2 AFG dar, die ebenfalls nicht als Einkommen i.S. des § 138 Abs. 3 Nr. 2 AFG gilt. Darunter fallen z.B. die Tbc-Hilfe und -Versorgung, nicht aber ausdrücklich die Hilfe für den Lebensunterhalt für Tbc-Hilfeempfänger. Wohl sind darunter die Beihilfen für Beamte und andere Angehörige des öffentlichen Dienstes zu rechnen (vgl. Schönefelder-Kranz-Wanka § 138 Rdz. 12, Krebs, AFG § 138 Rdz. 39). Demgegenüber dient die Ausgleichsrente vornehmlich dazu, unter bestimmten Voraussetzungen einen durch die Schädigung hervorgerufenen und ggf. nur zeitweise bestehenden Einkommensverlust auszugleichen, wenn der Beschädigte infolge seines Gesundheitszustandes oder hohen Alters oder aus einem sonstigen, von ihm nicht zu vertretenden Grund nicht das Einkommen erreicht, das in dem früher ausgeübten, begonnenen oder angestrebten Beruf erreicht worden ist oder erreicht worden wäre. Angeknüpft wird nicht an die Notwendigkeit der Gesundheitsfürsorge, auch nicht an den Mehrbedarf, der durch einen Körperschaden verursacht worden ist. Maßgeblich ist allein das nicht erreichbare Einkommen, was auch aus der Regelung des § 33 BVG folgt. Die volle Ausgleichsrente ist danach um das anzurechnende Einkommen zu mindern. Dieses ist, ausgehend vom Bruttoeinkommen, nach der hierzu ergangenen Rechtsverordnung stufenweise in bestimmter Höhe zu ermitteln. Die Ausgleichsrente wird auch nicht durch die Regelung des § 138 Abs. 3 Nr. 6 AFG erfaßt, wozu Leistungen zum Ausgleich eines Schadens, soweit sie nicht für entgangene oder entgehendes Einkommen gewährt werden, rechnen. Die Ausgleichsrente wird jedoch gerade zum Ausgleich eines Einkommensverlustes gewährt und jeweils diesem Einkommensverlust angepaßt. Schließlich kann die Ausgleichsrente auch nicht unter die Leistungen nach § 138 Abs. 3 Nr. 5 AFG gerechnet werden, worunter nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung z.B. die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage, nicht aber die Ausgleichsrente erwähnt wird. Gerade im Zusammenhang mit dieser Regelung hatte der Gesetzgeber mehrfach die Möglichkeit, Leistungen nach dem BVG, so auch die Ausgleichsrente, im Hinblick auf ihre Anrechnung als Einkommen zu überprüfen. Die eingehenden Überlegungen hierzu lassen sich den Materialien zum AFG entnehmen, so den Bundestagsdrucksachen V/2291 und 4110. Im Rahmen der Überlegungen zu § 136 AFG – Entwurf in Bundestagsdrucksache V/4110 – entsprechend dem heutigen § 138 AFG – wurde, der Auffassung des Ausschusses folgend, nach Nr. 5 die Grundrente der Witwe nach § 40 BVG zu den Leistungen hinzugenommen, die bei der Bedürftigkeitsprüfung in der Alhi ebenso außer Betracht bleiben sollen wie die Grundrente des Beschädigten nach § 31 BVG. Hätte der Gesetzgeber die Ausgleichsrente miteinbeziehen wollen, so hätte er hier Anlaß zur Aufnahme in die genannte Vorschrift nehmen können. Von einer Gesetzeslücke kann nicht die Rede sein, weil die Entscheidung, die Ausgleichsrente nicht in die Regelung des § 138 Abs. 3 Nr. 5 AFG aufzunehmen, dem System des § 138 Abs. 3 AFG durchaus entspricht. Da auch die Regelung des § 11 Alhi-VO die Ausgleichsrente nicht zu den Einkünften zählt, die nicht als Einkommen gelten, war diese in den Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung einzubeziehen.

Die hier vertretene Auffassung steht auch im Einklang mit der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung. So hat das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 28. Juni 1960 – Az.: L-1 (10)/Ar 75/58 – festgestellt, daß der Zuschlag nach § 32 Abs. 4 BVG a.F. von keinem der Ausnahmetatbestände des § 150 Abs. 4 Nr. 1–7 AVAVG, der der Regelung des § 138 Abs. 3 AFG entspricht, erfaßt wird. Dabei ist das LSG Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung ohne Bedenken davon ausgegangen, daß die Ausgleichsrente ebenso wie der Zuschlag nach § 32 Abs. 4 BVG a.F. zu behandeln ist. Diese Auffassung vertritt auch das BSG in seinem Beschluss vom 19. Dezember 1960 – Az.: 7 RH 2/60 –, indem es feststellt, daß weder der Zuschlag nach § 32 Abs. 4 BVG a.F. noch die Ausgleichsrente zu den Leistungen gehören, die als Einkommen anzurechnen sind. Diese Entscheidungen, die zum AVAVG ergangen sind, haben ihre Bedeutung nach Inkrafttreten des AFG nicht verloren, da die frühere Regelung mit geringen, hier nicht entscheidenden, Abweichungen übernommen worden ist (zu Bundestagsdrucksache V/4110 zu § 136 Abs. 3).

Ist die Ausgleichsrente somit Einkommen i.S. von § 138 Abs. 1 AFG und somit bei der Feststellung der Höhe der Alhi zu berücksichtigen, so hat die Beklagte mit Recht einen übergegangenen Anspruch nach § 140 AFG geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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