Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 SO 353/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 3/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. September 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin höhere Grundsicherungsleistungen zu erbringen hat.
Die im Jahre 1959 geborene Klägerin bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie lebt zusammen mit ihrem Prozessbevollmächtigten, dem Kläger und Berufungskläger im Verfahren L 4 SO 7/06 / S 52 SO 74/05, in eheähnlicher Gemeinschaft.
Mit Bescheiden vom 21. Januar, 14. März, 13. April und 4. Mai 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) und berücksichtigte dabei für die Klägerin einen Regelsatzbedarf (Haushaltsvorstand/Haushaltsangehörige) von 311,00 EUR monatlich. Der Partner der Klägerin seinerseits bezieht seit Beginn des Jahres 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) in Höhe von monatlich ebenfalls 311,00 EUR.
Die Klägerin erhob jeweils Widerspruch gegen die genannten Bescheide und machte geltend, ihr stehe der volle Regelsatz von 345,00 EUR monatlich für einen Haushaltsvorstand zu.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Grundsicherung auf der Basis eines Regelsatzes in Höhe von 345,00 EUR monatlich, wie er nach der seit 1. Januar 2005 geltenden Regelsatzverordnung als Eckregelsatz festgesetzt sei. Nach § 42 SGB XII umfassten die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand betrage 100 % des Eckregelsatzes. Nach § 3 Abs. 2 der Regelsatzverordnung gelte ein Regelsatz von 80 % des Eckregelsatzes für Haushaltsangehörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie alleine die Generalkosten des Haushalts trage, so dass ihr danach der Regelbedarf in Höhe von 80 % des Eckregelsatzes zustehe, monatlich also 276,00 EUR. Die Systematik des SGB XII sehe aber vor, dass eine Bedarfsgemeinschaft von mehr als einer Person sich in einen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörige aufteile. Soweit eine Haushaltsgemeinschaft aus zwei Angehörigen bestehe, gehe der Verordnungsgeber davon aus, dass ein Regelbedarf von insgesamt 621,00 EUR bestehe. Der Haushaltsvorstand solle mit dem Eckregelsatz die Generalkosten des Haushalts tragen. Dem Grunde nach stehe ihm deswegen der volle Eckregelsatz zu. Da der Gesetzgeber auch im Falle des SGB II von einer gemeinsamen Tragung der Generalunkosten ausgehe, sei bei einer Bedarfsgemeinschaft, bei der ein Leistungsberechtigter nach dem SGB II zu beurteilen sei, der andere aber nach dem SGB XII, der Regelbedarf entsprechend nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzupassen. Das SGB II differenziere nicht nach Haushaltsvorstand und weiteren Haushaltsangehörigen; soweit zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet hätten, betrage die Regelleistung jeweils 90 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II. Allerdings biete § 28 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative SGB XII den gesetzlichen Rahmen für eine Anpassung des Regelbedarfs, soweit eine Bedarfsunterdeckung beim Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII bestehe. Da das SGB II keine entsprechende Anpassungsmöglichkeit vorsehe, sei diese nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für die Klägerin vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der Regelungssystematik des SGB XII, dass einer Haushaltsgemeinschaft insgesamt ein Regelbedarf von 621,00 EUR monatlich zur Verfügung stehe, sei danach der zusätzliche Bedarf der Klägerin zur Deckung der Generalkosten des Haushalts entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzupassen. Selbst wenn sie nachwiese, allein Haushaltsvorstand zu sein, weil sie die Generalkosten des Haushalts trage, errechnete sich ein Anspruch auf der Basis eines Regelsatzes von 311,00 EUR, denn sie habe lediglich einen entsprechenden Bedarf. Der Lebensgefährte der Klägerin habe aufgrund der in SGB II bestehenden Regelung weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von 311,00 EUR monatlich. Passte man ihren Anspruch nicht gemäß § 28 Abs. 1 SGB XII an, käme es zu einer Bedarfsüberdeckung.
Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin am 14. Juni 2005 zugegangen. Am 14. Juli 2005 hat sie vor dem Sozialgericht Hamburg gegen jeden der angefochtenen Ausgangsbescheide separat Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, ihr stehe Grundsicherung auf der Basis eines Eckregelsatzes von 345,00 EUR monatlich zu. Außerdem hat die Klägerin beanstandet, dass für die Fortbildung ihres Partners anfallende Kosten nicht berücksichtigt worden seien.
Das Sozialgericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen mit Urteil vom 19. September 2005 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, soweit die Klage Fortbildungskosten des Lebensgefährten betreffe, sei sie unzulässig, da nicht eigene Rechte der Klägerin betroffen seien. Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Der Klägerin stehe eine Anspruch auf Bewilligung des vollen Regelsatzes von 345,00 EUR aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung nicht zu. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII umfassten die Leistungen der Grundsicherung u.a. den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts werde gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach Regelsätzen erbracht. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand betrage gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung 100 % des Eckregelsatzes. Für die Ermittlung des für die Klägerin maßgebenden Regelsatzes komme es jedoch nicht darauf an, ob diese Haushaltsvorstand oder sonstige Haushaltsangehörige gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung sei. Die Festlegung des Regelsatzes erfolge hier im Hinblick auf die bestehende eheähnliche Gemeinschaft gemäß § 36 SGB XII unabhängig davon nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Danach würden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei. So liege es hier, denn der Bedarf der Klägerin sei in Höhe der Hälfte der Generalkosten des Haushalts bereits dadurch gedeckt, dass ihr Lebensgefährte eine monatliche Leistung in Höhe von 311,00 EUR beziehe. Der Gesetzgeber habe die Regelbedarfe für eine aus zwei volljährigen Mitgliedern bestehende Gemeinschaft, von denen eines Leistungen nach dem SGB II, das andere Leistungen nach dem SGB XII erhalte, zwar nicht ausdrücklich geregelt. Der Gesamtbedarf einer solchen Gemeinschaft betrage nach der Regelungssystematik beider Gesetze jedoch nicht mehr als 622,00 EUR. Die Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf den Fall der Klägerin entspreche Sinn und Zweck der Norm. Sie beruhe auf dem in § 9 Abs. 1 SGB XII verankerten Individualisierungsprinzip, wonach sich Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richteten. Die Anwendung von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ermögliche so die Berücksichtigung atypischer Bedarfslagen wie hier.
Das Urteil des Sozialgerichts ist der Klägerin am 30. September 2005 zugestellt worden. Am 5. Oktober 2005 hat sie Berufung eingelegt. Sie sieht sich durch die Rechtsanwendung der Beklagten und des Sozialgerichts benachteiligt. Insbesondere hat sie (im Erörterungstermin vom 9. Januar 2006) mündlich vortragen lassen, die angefochtenen Entscheidungen benachteiligten sie und ihren Partner im Verhältnis zu Ehepaaren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Januar 2005, 14. März 2005, 13. April 2005 und 4. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ergänzende Grundsicherung auf der Grundlage eines Regelsatzbedarfs von 345,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Der schriftliche Sachvorgang der Beklagten hat vorgelegen. Auf ihn sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Im Erörterungstermin am 9. Januar 2007 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter erklärt. Die Klägerin hat ihre Zustimmung zu einer Einzelrichterentscheidung mit bei Gericht am 19. Januar 2007 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Januar 2007 zurückgezogen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet gemäß § 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben dem jeweils wirksam zugestimmt. Die Rücknahme der Einverständniserklärung der Klägerin ist nicht wirksam. Sie wäre als Prozesshandlung nur bei wesentlicher Änderung der Prozesslage widerruflich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 155 Rn. 12). Eine solche Änderung ist seit dem 9. Januar 2007 nicht eingetreten; die Entscheidung des Bundessozialgerichts, auf welche die Klägerin zur Begründung ihrer Rücknahme-Erklärung Bezug nimmt, stammt vom November 2006. Ob durch sie überhaupt inhaltlich eine Änderung der Prozesslage hätte eintreten können, braucht daher nicht untersucht zu werden.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und daher zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage, soweit der Streitgegenstand vom Berufungsbegehren der Klägerin umfasst ist, zu Recht abgewiesen. Sie kann von der Beklagten nicht verlangen, dass die ihr zustehende ergänzende Grundsicherung auf der Grundlage eines Regelsatzbedarfs von mehr als 311,00 EUR berechnet werde. Auf die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nimmt der Senat Bezug. Dem ist – auch im Hinblick auf der Klägerin bekannte nach Eingang der Berufung ergangene obergerichtliche Entscheidungen (vgl. Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2005, L 15 B 17/05 SO ER; Beschluss vom 22. Dezember 2005, L 15 B 1095/05 SO ER) – nichts hinzuzufügen (desgleichen Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. September 2006, L 3 AS 11/06; siehe auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2004, 12 S 1588/04; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006, L 8 AS 4364/05, FEVS Bd. 56 S. 190; Sozialgericht Schleswig, Urteil vom 4. Mai 2005, S 17 SO 82/05 ER; Sozialgericht Koblenz, Beschluss vom 18. Mai 2006, S 13 ER 88/06 AS).
Die Argumentation der Klägerin, das Verfahren der Beklagten benachteilige sie gegenüber einer Ehefrau, ist nicht nachzuvollziehen, so dass nicht untersucht zu werden braucht, ob eine solche Benachteiligung rechtlich zulässig wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin höhere Grundsicherungsleistungen zu erbringen hat.
Die im Jahre 1959 geborene Klägerin bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie lebt zusammen mit ihrem Prozessbevollmächtigten, dem Kläger und Berufungskläger im Verfahren L 4 SO 7/06 / S 52 SO 74/05, in eheähnlicher Gemeinschaft.
Mit Bescheiden vom 21. Januar, 14. März, 13. April und 4. Mai 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) und berücksichtigte dabei für die Klägerin einen Regelsatzbedarf (Haushaltsvorstand/Haushaltsangehörige) von 311,00 EUR monatlich. Der Partner der Klägerin seinerseits bezieht seit Beginn des Jahres 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) in Höhe von monatlich ebenfalls 311,00 EUR.
Die Klägerin erhob jeweils Widerspruch gegen die genannten Bescheide und machte geltend, ihr stehe der volle Regelsatz von 345,00 EUR monatlich für einen Haushaltsvorstand zu.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Grundsicherung auf der Basis eines Regelsatzes in Höhe von 345,00 EUR monatlich, wie er nach der seit 1. Januar 2005 geltenden Regelsatzverordnung als Eckregelsatz festgesetzt sei. Nach § 42 SGB XII umfassten die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand betrage 100 % des Eckregelsatzes. Nach § 3 Abs. 2 der Regelsatzverordnung gelte ein Regelsatz von 80 % des Eckregelsatzes für Haushaltsangehörige ab Vollendung des 14. Lebensjahres. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie alleine die Generalkosten des Haushalts trage, so dass ihr danach der Regelbedarf in Höhe von 80 % des Eckregelsatzes zustehe, monatlich also 276,00 EUR. Die Systematik des SGB XII sehe aber vor, dass eine Bedarfsgemeinschaft von mehr als einer Person sich in einen Haushaltsvorstand und Haushaltsangehörige aufteile. Soweit eine Haushaltsgemeinschaft aus zwei Angehörigen bestehe, gehe der Verordnungsgeber davon aus, dass ein Regelbedarf von insgesamt 621,00 EUR bestehe. Der Haushaltsvorstand solle mit dem Eckregelsatz die Generalkosten des Haushalts tragen. Dem Grunde nach stehe ihm deswegen der volle Eckregelsatz zu. Da der Gesetzgeber auch im Falle des SGB II von einer gemeinsamen Tragung der Generalunkosten ausgehe, sei bei einer Bedarfsgemeinschaft, bei der ein Leistungsberechtigter nach dem SGB II zu beurteilen sei, der andere aber nach dem SGB XII, der Regelbedarf entsprechend nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzupassen. Das SGB II differenziere nicht nach Haushaltsvorstand und weiteren Haushaltsangehörigen; soweit zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet hätten, betrage die Regelleistung jeweils 90 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II. Allerdings biete § 28 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative SGB XII den gesetzlichen Rahmen für eine Anpassung des Regelbedarfs, soweit eine Bedarfsunterdeckung beim Anspruchsberechtigten nach dem SGB XII bestehe. Da das SGB II keine entsprechende Anpassungsmöglichkeit vorsehe, sei diese nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII für die Klägerin vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der Regelungssystematik des SGB XII, dass einer Haushaltsgemeinschaft insgesamt ein Regelbedarf von 621,00 EUR monatlich zur Verfügung stehe, sei danach der zusätzliche Bedarf der Klägerin zur Deckung der Generalkosten des Haushalts entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII anzupassen. Selbst wenn sie nachwiese, allein Haushaltsvorstand zu sein, weil sie die Generalkosten des Haushalts trage, errechnete sich ein Anspruch auf der Basis eines Regelsatzes von 311,00 EUR, denn sie habe lediglich einen entsprechenden Bedarf. Der Lebensgefährte der Klägerin habe aufgrund der in SGB II bestehenden Regelung weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von 311,00 EUR monatlich. Passte man ihren Anspruch nicht gemäß § 28 Abs. 1 SGB XII an, käme es zu einer Bedarfsüberdeckung.
Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin am 14. Juni 2005 zugegangen. Am 14. Juli 2005 hat sie vor dem Sozialgericht Hamburg gegen jeden der angefochtenen Ausgangsbescheide separat Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, ihr stehe Grundsicherung auf der Basis eines Eckregelsatzes von 345,00 EUR monatlich zu. Außerdem hat die Klägerin beanstandet, dass für die Fortbildung ihres Partners anfallende Kosten nicht berücksichtigt worden seien.
Das Sozialgericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen mit Urteil vom 19. September 2005 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, soweit die Klage Fortbildungskosten des Lebensgefährten betreffe, sei sie unzulässig, da nicht eigene Rechte der Klägerin betroffen seien. Im Übrigen seien die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Der Klägerin stehe eine Anspruch auf Bewilligung des vollen Regelsatzes von 345,00 EUR aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung nicht zu. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII umfassten die Leistungen der Grundsicherung u.a. den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII. Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts werde gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach Regelsätzen erbracht. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand betrage gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung 100 % des Eckregelsatzes. Für die Ermittlung des für die Klägerin maßgebenden Regelsatzes komme es jedoch nicht darauf an, ob diese Haushaltsvorstand oder sonstige Haushaltsangehörige gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung sei. Die Festlegung des Regelsatzes erfolge hier im Hinblick auf die bestehende eheähnliche Gemeinschaft gemäß § 36 SGB XII unabhängig davon nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Danach würden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei. So liege es hier, denn der Bedarf der Klägerin sei in Höhe der Hälfte der Generalkosten des Haushalts bereits dadurch gedeckt, dass ihr Lebensgefährte eine monatliche Leistung in Höhe von 311,00 EUR beziehe. Der Gesetzgeber habe die Regelbedarfe für eine aus zwei volljährigen Mitgliedern bestehende Gemeinschaft, von denen eines Leistungen nach dem SGB II, das andere Leistungen nach dem SGB XII erhalte, zwar nicht ausdrücklich geregelt. Der Gesamtbedarf einer solchen Gemeinschaft betrage nach der Regelungssystematik beider Gesetze jedoch nicht mehr als 622,00 EUR. Die Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auf den Fall der Klägerin entspreche Sinn und Zweck der Norm. Sie beruhe auf dem in § 9 Abs. 1 SGB XII verankerten Individualisierungsprinzip, wonach sich Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalls richteten. Die Anwendung von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ermögliche so die Berücksichtigung atypischer Bedarfslagen wie hier.
Das Urteil des Sozialgerichts ist der Klägerin am 30. September 2005 zugestellt worden. Am 5. Oktober 2005 hat sie Berufung eingelegt. Sie sieht sich durch die Rechtsanwendung der Beklagten und des Sozialgerichts benachteiligt. Insbesondere hat sie (im Erörterungstermin vom 9. Januar 2006) mündlich vortragen lassen, die angefochtenen Entscheidungen benachteiligten sie und ihren Partner im Verhältnis zu Ehepaaren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Januar 2005, 14. März 2005, 13. April 2005 und 4. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ergänzende Grundsicherung auf der Grundlage eines Regelsatzbedarfs von 345,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.
Der schriftliche Sachvorgang der Beklagten hat vorgelegen. Auf ihn sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Im Erörterungstermin am 9. Januar 2007 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter erklärt. Die Klägerin hat ihre Zustimmung zu einer Einzelrichterentscheidung mit bei Gericht am 19. Januar 2007 eingegangenem Schriftsatz vom 18. Januar 2007 zurückgezogen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet gemäß § 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben dem jeweils wirksam zugestimmt. Die Rücknahme der Einverständniserklärung der Klägerin ist nicht wirksam. Sie wäre als Prozesshandlung nur bei wesentlicher Änderung der Prozesslage widerruflich (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 155 Rn. 12). Eine solche Änderung ist seit dem 9. Januar 2007 nicht eingetreten; die Entscheidung des Bundessozialgerichts, auf welche die Klägerin zur Begründung ihrer Rücknahme-Erklärung Bezug nimmt, stammt vom November 2006. Ob durch sie überhaupt inhaltlich eine Änderung der Prozesslage hätte eintreten können, braucht daher nicht untersucht zu werden.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und daher zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage, soweit der Streitgegenstand vom Berufungsbegehren der Klägerin umfasst ist, zu Recht abgewiesen. Sie kann von der Beklagten nicht verlangen, dass die ihr zustehende ergänzende Grundsicherung auf der Grundlage eines Regelsatzbedarfs von mehr als 311,00 EUR berechnet werde. Auf die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nimmt der Senat Bezug. Dem ist – auch im Hinblick auf der Klägerin bekannte nach Eingang der Berufung ergangene obergerichtliche Entscheidungen (vgl. Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2005, L 15 B 17/05 SO ER; Beschluss vom 22. Dezember 2005, L 15 B 1095/05 SO ER) – nichts hinzuzufügen (desgleichen Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. September 2006, L 3 AS 11/06; siehe auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2004, 12 S 1588/04; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006, L 8 AS 4364/05, FEVS Bd. 56 S. 190; Sozialgericht Schleswig, Urteil vom 4. Mai 2005, S 17 SO 82/05 ER; Sozialgericht Koblenz, Beschluss vom 18. Mai 2006, S 13 ER 88/06 AS).
Die Argumentation der Klägerin, das Verfahren der Beklagten benachteilige sie gegenüber einer Ehefrau, ist nicht nachzuvollziehen, so dass nicht untersucht zu werden braucht, ob eine solche Benachteiligung rechtlich zulässig wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
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