L 11 KR 43/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 (19) KR 666/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 43/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 18/07 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.09.2005 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Frage, ob die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers rückwirkend nach einer niedrigeren Bemessungsgrundlage zu berechnen sind und demzufolge ab 01.01.2000 zu viel gezahlte Krankenversicherungsbeiträge zu erstatten sind.

Der hauptberuflich selbstständige Kläger ist bei der Beklagten seit 1956 freiwillig versichert. Seit Beginn der Mitgliedschaft erfolgte die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge nach dem Wert der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung und somit nach der höchsten Beitragsklasse. Feststellungen zur Einkommenshöhe erfolgten nicht, Beitragsbescheide wurden nicht erteilt, seit 1996 erfolgte die Beitragseinziehung per Lastschriftverfahren.

Im Februar 2004 beantragte der Kläger eine einkommensabhängige Beitragsbemessung. Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2001 vom 03.04.2003 hatte er in diesem Jahr Negativeinkünfte in Höhe von 108.434,00 DM. Unter Zugrundelegung dieser nachgewiesenen Einkünfte stufte die Beklagte den Kläger daraufhin ab 01.02.2004 nach dem Mindestwert für hauptberuflich selbstständige Erwerbstätige ein. Der Kläger machte geltend, seine Einkünfte hätten sich ab dem Jahre 2000 verringert und beantragte daher die Erstattung der zuviel gezahlten Krankenversicherungsbeiträge. Da eine rückwirkende Beitragseinstufung nicht möglich sei, lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück (Bescheid vom 15.03.2004, Widerspruchsbescheid vom 27.08.2004). Entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 3 des Sozialgesetzbuch (SGB) V i. V. m. § 19 Abs. 2 der Satzung der Beklagten könne eine Beitragsreduzierung nur ab dem Monat nach dem Eingang der entsprechenden Einkommensnachweise für die Zukunft erfolgen.

Hiergegen richtete sich die Klage vom 22.09.2004, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgte. Zur Begründung vertrat er im Wesentlichen die Ansicht, die Beklagte habe keine Ermittlungen über seine tatsächlichen Einkünfte durchgeführt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Krankenkasse in einem solchen Fall zur Rückzahlung überhöhter Beiträge verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab 01.01.2000 einkommensabhängig einzustufen und zuviel gezahlte Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden vertrat sie die Auffassung, es sei zwar zutreffend, dass in gewissen zeitlichen Abständen Einkommensanfragen an die Mitglieder zu richten seien, das gelte aber nur bei den Mitgliedern, bei denen sich der Beitrag anders als im Fall des Klägers aus einem Beitragsbemessungswert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze berechne. Aus diesem Grunde sei auch die vom Kläger erwähnte Rechtsprechung des BSG nicht einschlägig.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 13.09.2005 i. V. m. dem Berichtigungsbeschluss vom 22.10.2005 antragsgemäß verurteilt. Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 26 Abs. 2 SGB IV, wonach abhängig vom Fehlen der Voraussetzungen der in dieser Vorschrift geregelten Verfallklauseln Beiträge zu erstatten seien, die zu Unrecht entrichtet worden seien. Da der Kläger im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze entrichtet habe, während er tatsächlich nur Beiträge in Höhe seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse hätte entrichten müssen, sei die tatsächlich erfolgte Beitragsentrichtung in Höhe der Differenz zu Unrecht erfolgt. § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V könne nicht als Rechtsgrundlage für die Zahlung der überhöhten Beiträge angesehen werden, denn entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine rückwirkende Beitragseinstufung und -erstattung durch diese Vorschrift nicht ausgeschlossen. Die in der Norm geregelte Rechtsfolge der zukunftsorientierten Berücksichtigung der Veränderungen in der Beitragsbemessung komme nicht zum Tragen, denn eine solche liege nur dann vor, wenn bereits bestehende, wirksame und bestandskräftige Beitragsbescheide durch neue Bescheide ersetzt würden. Dies sei auch in Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 27.10.2004 (L 15 KR 76/02) und vom 27.03.2002 (L 15 KR 286/01) entschieden worden. Diese Auslegung der Vorschrift folge aus der Entstehungsgeschichte des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Eine entsprechende Regelung sei in den Vorgängervorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht enthalten gewesen, dennoch habe es bereits der unter der Geltung der RVO gefestigten Rechtsprechung des BSG entsprochen, nach der eine Änderung der Beitragsbemessung auf Grund neuer Tatsachen, die nach Abschluss eines vorangegangenen Verwaltungsverfahrens zur Beitragsbemessung entstünden oder bekannt würden, jeweils nur für die Zukunft habe erfolgen können (zuletzt BSG, Urteil vom 25.04.1991, Az.: 12 RK 40/90). Eine Überprüfung anhand erst später vorgelegter Unterlagen müsse dann für die Vergangenheit erfolgen, wenn die Krankenkasse vor Erlass der früheren Bescheide ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht nachgekommen sei, indem sie etwa den Versicherten nicht nach seinen Einnahmen zum Lebensunterhalt und den dazu vorliegenden neuesten Unterlagen befragt habe. Diese Rechtsprechung sei jedoch ausschließlich zu der Frage ergangen, ob, in welchem Umfang und insbesondere ab welchem Zeitpunkt bestandskräftige Beitragsbescheide abgeändert oder aufgehoben werden könnten bzw. müssten. Diese Rechtsprechung sei vom BSG auch schon vor Inkrafttreten des SGB V unter Heranziehung der Regelung des § 44 SGB X begründet worden. Nach Ansicht des LSG Berlin (a. a. O.) sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des SGB V von dieser gefestigten und allgemein anerkannten Rechtsprechung habe abweichen wollen, zumal er in der Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V gerade die entscheidenden Folgen aus dieser Rechtsprechung, nämlich die grundsätzliche Abänderbarkeit von Beitragsbescheiden nur für die Zukunft, festgelegt habe. Da es vorliegend an Beitragsbescheiden fehle, sei § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht anwendbar. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 SGB IV seien erfüllt, denn selbst wenn der Kläger im streitigen Zeitraum Leistungen in Gestalt von Sachleistungen erhalten habe, stehe dies einem Erstattungsanspruch nicht entgegen, denn Sachleistungen, die nicht in Abhängigkeit von der Beitragshöhe stünden, stünden aus Sinn und Zweck des § 26 Abs. 2 SGB IV der Beitragserstattung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 25.04.1991, a. a. O.).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 31.10.2005. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Beklagte nicht mit den Einnahmen rechnen könne, wenn sich die Mitglieder eine Option zur Erstattung aufhielten. Dies widerspreche der Rechtsprechung des BSG, die eine Beitragssicherheit verlange. Der Kläger habe einen Antrag gestellt auf Korrektur seiner Krankenversicherungsbeiträge, der sich auf den Tag beziehe, an dem ihm der maßgebliche Steuerbescheid bekanntgegeben worden sei. Der weitest zurückreichende Steuerbescheid für das Jahr 2001 datiere vom 03.04.2003. Den Antrag habe der Kläger aber erst im Februar 2004 gestellt. Auch die Satzung der Beklagten schließe in § 19 eine rückwirkende Berücksichtigung der geänderten Einkommensverhältnisse und eine Beitragserstattung aus. Eine Untersuchungspflicht der Beklagte setze ein in Gang gekommenes Verwaltungsverfahren voraus. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Dies habe er unterlassen, infolgedessen könne er nicht für sich in Anspruch nehmen, dass nunmehr eine solche Änderung rückwirkend berücksichtigt werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.09.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Die Beklagte habe ihre Untersuchungspflicht verletzt. Sie hätte von sich aus auf die Notwendigkeit der Einkommensmitteilung hinweisen müssen. Sie entziehe sich dieser Pflicht, indem sie keine Bescheide verschicke, sondern nur allgemeine Informationen in ihren Mitgliederzeitschriften erteilt habe. Das könne aber die Grundsätze des BSG, die dieses in seiner Entscheidung vom 25.04.1991 niedergeschrieben habe, nicht entkräften. Er sei seit 1956 Mitglied der Beklagten. Die Beklagte könne nicht ernsthaft die Ansicht vertreten, auf Grund einer Jahrzehnte zurückliegenden Ermittlung von Einkünften der Amtsermittlungspflicht für alle Zeiten genügt zu haben. Das BSG fordere eindeutig, dass die Ermittlungen der Krankenkassen regelmäßig zu erfolgen hätten. Eine solche regelmäßige Aufklärung habe die Beklagte aber unterlassen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist sowie auf das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, denn der angefochtene Bescheid vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2004 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in seinen Rechten. Die von der Beklagten vorgenommene zukunftsorientierte Beitragskorrektur ab 01.02.2004 und die damit verbundene Ablehnung der Beitragserstattung für die Zeit ab 01.01.2000 sind nicht zu beanstanden.

Mit dem Sozialgericht ist davon auszugehen, dass § 26 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB IV die Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Klägers beinhaltet. Nach dieser Vorschrift sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Die Vorschrift erfasst sowohl die Fälle, in dem die Beiträge dem Grunde nach als auch der Höhe nach zu Unrecht entrichtet worden sind (vgl. hierzu Seewald, in Kasseler Kommentar zum SGB, Stand März 2005, § 26 SGB IV Anm. 8 und 11).

Die Frage, ob Beiträge der Höhe nach zu Unrecht entrichtet worden sind, regelt § 240 SGB V. Nach dessen Abs. 1 wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. In Abs. 4 Satz 2 der genannten Vorschrift ist geregelt, dass für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223) gilt, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der 40., für freiwillige Mitglieder, die Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss nach § 421 I SGB III haben, der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 19 Abs. 12 Satz 2 der Satzung der Beklagten (Fassung vom 01.04.1989 einschließlich des 40. Nachtrages) mit der Modifikation, dass den Veränderungen bereits zum 1. des Monats entsprochen werden kann, in dem der Antrag eingeht. Die gesetzliche Regelung macht durch die Formulierung "gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze" deutlich, dass hier mit einer Fiktion des Inhalts gearbeitet wird, dass hauptberuflich selbstständige Erwerbstätige monatliche Einkünfte haben in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze oder darüber. Davon geht auch § 19 Abs. 5 der Satzung der Beklagten aus. Diese Fiktion kann nur durch Nachweise entkräftet werden, die dann die in § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V zukunftsorientierte Wirkung entfalten. Damit ist bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift dem Erstattungsbegehren des Klägers der Boden entzogen, denn er hat bis zum Nachweis gegenteiliger Einkünfte Beiträge auf Grund der gesetzlichen Fiktion des Satzes 2 und damit nicht zu Unrecht gezahlt, denn die Vermutung gilt, das macht das Gesetz deutlich, so lange, bis sie durch gegenteilige Nachweise entkräftet wird. Auch die ratio legis lässt keine andere Auslegung der Regelung zu. Das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 12/3937 S. 17), in denen ausgeführt wird, dass in dem Fall, in dem ein Selbständiger die Beitragsbemessung auf der Grundlage der vollen Beitragsbemessungsgrenze nicht akzeptieren möchte, er entsprechende Nachweise z. B. durch Vorlage des Einkommenssteuerbescheides zu führen hat. Ausdrücklich wird ausgeführt, dass Beitragskorrekturen für die Vergangenheit nicht vorgenommen werden können, weil die Krankenkasse die Einnahmen sonst nicht verlässlich vorausschätzen könne. Ferner heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass bei Nachweis eines höheren Einkommens durch die Krankenkasse auch Nachberechnungen mit Rückwirkung vorgenommen werden können, weil der Versicherte sich insoweit einer korrekten Beitragsbemessung durch Unterlassung der erforderlichen Angaben entzogen habe. Damit wird deutlich, dass § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V bzw. die entsprechende satzungsrechtliche Regelung des § 19 Abs. 12 Satz 2 das Vertrauen der Krankenkasse schützt, einmal erhaltene Beiträge erhalten zu können. Das dient dem Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenkassen. Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe den Fall übersehen, dass Versicherte auf Grund der Fiktion zu Unrecht Beiträge entrichteten, bestehen nicht, da es bei hauptberuflich selbstständig Tätigen der typische Fall ist, dass ihr Einkommen endgültig erst zeitversetzt festgestellt werden kann. Es ist auch nicht erkennbar, dass den Versicherten dadurch ein Unrecht widerfährt, denn sie sind als erste über ihre Einkünfte informiert und haben damit die Möglichkeit, der Krankenkasse entsprechende Mitteilungen zukommen zu lassen und so die gesetzliche Fiktion zu entkräften. Das bringt die gesetzliche Regelung eindeutig zum Ausdruck. Dem steht auch nicht der bereits erwähnte Umstand entgegen, dass die Einkommenssteuerbescheide für selbstständig Erwerbstätige erst zeitversetzt erstellt werden, denn hierzu hat das BSG in einer Entscheidung vom 22.03.2206 (Az.: B 12 KR 14/05 R) ausgeführt, dass bei Beginn einer selbstständigen Tätigkeit gerade wegen der Ungewissheit über die tatsächlichen Einkünfte eine Festsetzung der Beitragshöhe durch einen einstweiligen Bescheid, der unter Vorbehalt steht, zulässig sei. Damit wird den Bedürfnissen der Versicherten Rechnung getragen, die Beiträge für die Vergangenheit korrigieren zu können. Die vom BSG in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze, die sich auf den Beginn einer selbstständigen Tätigkeit beziehen, sind nach Ansicht des Senats ohne weitere Einschränkungen auch auf eine bereits seit vielen Jahren bestehende selbstständige Erwerbstätigkeit zu übertragen.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen zur ratio legis der Vorschrift und angesichts der gesetzlichen Fiktion hinsichtlich der Einkommenshöhe selbstständig Erwerbstätiger ist der Auffassung des Sozialgerichts nicht zu folgen, das Tatbestandsmerkmal des § 240 Abs. 4 Satz 3 "Veränderungen der Beitragsbemessung" sei nur als gegeben anzusehen, wenn zuvor eine Beitragsfestsetzung durch Bescheid erfolgt sei. Gerade wegen der gesetzlichen Fiktion wird es in den meisten Fällen bis zum erstmaligen Geltendmachen einer Veränderung in den Einkommensverhältnissen am Erlass eines entsprechenden Beitragsbescheides fehlen, so dass bei der Interpretation des Sozialgerichts die Regelung damit bedeutungslos würde. Angesichts der zitierten Ausführungen des Gesetzgebers zur Begründung der Regelung (a. a. O.) ist davon jedoch nicht auszugehen. Aus dem gleichen Grunde vermochte der Senat auch nicht den Ausführungen der Entscheidungen des LSG Berlin zu folgen, auf die sich der Kläger beruft. Die gesetzliche Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V gibt für die Interpretation des Tatbestandsmerkmals "Veränderung der Beitragsbemessung" dazu nichts her, dass eine solche Veränderung nur vorliegen kann, wenn die Beitragsbemessung zuvor durch Bescheid erfolgte.

Ebensowenig führt die Entscheidung des BSG vom 25.04.1991 (Az.: 12 RK 40/90) zu einer abweichenden Beurteilung, denn in dem vom BSG dort entschiedenen Fall sind dem Kläger seit 1981 jährliche Beitragsbescheide erteilt worden. Das BSG hat in der Entscheidung ausgeführt, Änderungen könnten nur für die Zukunft erfolgen, das gelte jedenfalls dann, wenn die Kasse alle erforderlichen Unterlagen und Angaben beschaffe und der Versicherte ihr solche nicht vorenthalte. Daran halte der Senat fest, d. h., eine Aufhebung und Erstattung für die Vergangenheit komme nicht in Betracht. Wenn aber im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach einer bescheidmäßigen Feststellung der Beiträge eine Änderung des Einkommens nur für die Zukunft nachgewiesen werden kann, wenn der Versicherte Unterlagen vorenthalten hat, ist dies nicht anders zu beurteilen, als wenn der Versicherte auf Grund der Fiktion Beiträge bezahlt und trotz entgegenstehender Einkünfte und auch möglicher Nachweise die Beklagte hierüber nicht informiert. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2001, den der Kläger im Februar 2004 vorgelegt hat, vom 03.04.2003 datiert.

Angesichts dieser Sachlage ist auch kein Grund erkennbar, aus dem heraus die Beklagte von sich aus Ermittlungen zur Einkommenshöhe des Klägers hätte anstellen müssen, auch nicht soweit die Zeit vor Erlass des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2001 betroffen ist. Die Amtsermittlungspflicht der Sozialversicherungsträger ist gebunden an ein konkretes Verwaltungsverfahren und geht nicht soweit, zu prüfen, ob überhaupt ein solches Verfahren einzuleiten ist. An einem solchen konkreten Verfahren mangelt es vorliegend. Das bestehende Krankenversicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten reicht hierfür nicht aus, denn es hat einen anderen Regelungsgegenstand, nämlich die Gewährung von Krankenversicherungsschutz. In bestehenden Verwaltungsverfahren hat die Amtsermittlungspflicht der Behörden dort ihre Grenze, wo eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ohne eine Mitwirkung der Beteiligten unmöglich ist (vgl. hierzu von Wulffen in Kommentar zum SGB X, Stand 2005, § 20 Anm. 6). Wenn aber in einem bestehenden Verwaltungsverfahren die Amtsermittlungspflicht an der fehlenden Mitwirkung des Beteiligten ihre Grenzen findet, ist das erst recht der Fall, wenn wegen fehlender Mitwirkung des Versicherten überhaupt kein Verwaltungsverfahren zustandekommt. Ungeachtet dieser rechtlichen Erwägungen wird die Ansicht des Kläger, die Beklagte habe vorliegend ihre Amtsermittlungspflicht verletzt, auch durch die einfache Überlegung ad absurdum geführt, dass der Kläger als erster über eine Veränderung seiner Einkommensverhältnisse informiert ist und demzufolge ohne weiteres sich mit der Krankenkasse in Verbindung setzen kann, um eine Veränderung der Beitragsbemessung herbeizuführen. Bei einer derartigen Sachlage der Beklagten die Pflicht aufzuerlegen, in regelmäßigen Abständen beim Kläger und damit auch den übrigen Versicherten nachfragen zu müssen, ob sich die Einkommensverhältnisse geändert haben, wäre lebensfremd. Es ist daher für den Senat auch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund heraus der Kläger über einen Zeitraum von vier Jahren Beiträge nach einem Einkommen entrichtet hat, das er nachweislich nicht erzielt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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