L 1 Ar 1402/79

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 178/78
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 1402/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Grundsatz, daß bei der Bemessung von Unterhaltsgeld nach § 112 Abs. 7 AFG in Verbindung mit §§ 44, 58 AFG nicht von dem Lohn auszugehen ist, den der Berechtigte in einer Probezeit erhalten würde, sondern von demjenigen Lohn, den er nach Abschluß seiner Ausbildung auf Dauer verdienen kann (so BSG, Urt. v. 27. Januar 1977 – 7 RAr 105/75), kann auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) – jedenfalls dann, wenn die Probezeit regelmäßig mindestens sechs Monate beträgt – nicht übertragen werden, da es sich bei der Zeit der Arbeitslosigkeit um eine tendenziell kurze Zeit handelt, in der ein Arbeitnehmer, wie sich aus § 101 Abs. 1 AFG ergibt, nur vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht.
2. Für Zeiten einer Arbeitslosigkeit gilt demnach, daß hier allein das zu Beginn der Arbeitslosigkeit – tatsächlich – erzielbare Arbeitsentgelt maßgeblich ist, auch wenn dieses während einer Probezeit erzielt werden sollte. Hieran ändert sich, da auf den Zeitpunkt des Leistungsbeginns abzustellen ist, auch dann nichts, wem rückblickend feststeht, daß die Zeit der Arbeitslosigkeit länger andauerte als die in Betracht kommende Probezeit.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Oktober 1979 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die fiktive Einstufung des Klägers bei der Bemessung der ihm zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1950 geborene Kläger absolvierte, nachdem er zuvor als Holzkaufmann tätig gewesen war, vom Winter-Semester 1973/74 bis zum Winter-Semester 1977/78 ein neunsemestriges Studium an der Gesamthochschule Kassel und bestand am 17. Februar 1978 die Prüfung als Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge. Seit dem 18. September 1979 ist er als Sozialarbeiter beim Landeswohlfahrtsverband Hessen im Psychiatrischen Krankenhaus M. bei Kassel tätig. Während einer sechsmonatigen Probezeit wurde er nach der Vergütungsgruppe V b des Bundesangestelltentarifs (BAT) entlohnt und danach in die Vergütungsgruppe IV b BAT eingestuft.

Mit Bescheid vom 1. Juni 1978 bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit ab 9. März 1978, dem Tag der Arbeitslosmeldung, Alhi unter Anrechnung des Einkommens seines Vaters. Dabei legte sie der Bemessung der Alhi eine fiktive, nach der Vergütungsgruppe V b BAT entlohnte Tätigkeit des Klägers als Sozialarbeiter zugrunde. Gegen diese Einstufung wandte sich der Kläger mit einem am 20. Juni 1978 eingelegten Widerspruch, den er damit begründete, die Berechnungsgrundlage entspreche dem Graduierten-, nicht aber dem Diplom-Abschluß eines Sozialarbeiters aufgrund einer gegenüber einem Fachhochschulstudium spezialisierteren und differenzierteren neunsemestrigen wissenschaftlichen Hochschulausbildung.

In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 26. Juni 1978 wurde daraufhin festgehalten, laut Auskunft der Organisationseinheit Sozialwesen der Gesamthochschule Kassel seien Bestrebungen im Benehmen mit dem Kultusministerium im Gange gewesen, Diplom-Sozialarbeiter nach der Vergütungsgruppe III BAT zu bezahlen. Eine solche Bezahlung bei Einstellung sei jedoch abgelehnt worden. Arbeitgeber seien nur bereit, bei Einstellung die Vergütungsgruppe V b BAT zu gewähren, da der erreichte Abschluß nicht mit einem Hochschulabschluß an einer Universität vergleichbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1978, zugestellt am 1. Juli 1978, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Beklagte an ihrer Auffassung festhielt, der Kläger könne laut Auskunft der zuständigen Vermittlungsstelle nur in die Vergütungsgruppe V b BAT eingestuft werden.

Am 31. Juli 1978 hat der Kläger schriftlich beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1978 wurde ihm noch Alhi für die Zeit vom 1. September 1978 bis 16. September 1978 gewährt; mit Bescheid vom 31. Oktober 1978 wurde infolge einer Herabsetzung des Anrechnungsbetrages die Alhi für die Zeit ab dem 9. März 1978 erhöht.

Der Kläger hat seine bei Klageerhebung auf eine Einstufung in die Vergütungsgruppe II a BAT, dann in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 1979 nur noch auf eine Einstufung in die Vergütungsgruppe III BAT gerichtete Klage damit begründet, der von ihm erreichte Studienabschluß sei in der Bundesrepublik Deutschland einmalig; ebenso gehöre er zu den ersten Studenten, die ihn überhaupt erreicht hätten. Dieser Abschluß müsse aufgrund seiner Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit den vollakademischen Abschlüssen, etwa in den Studiengängen der Politologie, Soziologie und Volkswirtschaft, gleichgestellt werden. Selbst wenn sich diese Gleichwertigkeit auf dem Arbeitsmarkt noch nicht durchgesetzt haben sollte und er sich als sogenannter Vorreiter am Arbeitsmarkt noch mit einer Einstufung nach der Vergütungsgruppe V b BAT begnügen müsse, so entspreche es doch jedenfalls der Billigkeit, ihn leistungsrechtlich bereits jetzt höher einzustufen. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, maßgeblich sei allein das tatsächlich erzielbare Arbeitsentgelt. Rückfragen bei den für die Beschäftigung von Sozialarbeitern marktbestimmenden Arbeitgebern hätten zu dem Ergebnis geführt, daß nach den jeweils geltenden Haushalts- und Stellenplänen auch Sozialarbeiter mit Diplom nur nach der Vergütungsgruppe V b BAT eingestellt würden.

Mit Urteil vom 16. Oktober 1979 hat das Sozialgericht Kassel die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen und sich dabei vor allem auf eine Auskunft des Hessischen Ministers des Innern vom 11. Mai 1979 gestützt, wonach Absolventen integrierter Studiengänge an der Gesamthochschule Kassel, die ihr Studium als Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge abschließen, den Absolventen der Fachhochschulen gleichzustellen sind und bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst (Bund, Länder und Gemeinden) unmittelbar nach dem Studium bei einer ihrem Studium entsprechenden Tätigkeit in die Vergütungsgruppe V b BAT eingruppiert werden, sofern ihnen keine höherwertigen Tätigkeiten übertragen werden.

Gegen dieses ihm am 30. Oktober 1979 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingelegt mit einem am 29. November 1979 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. November 1979.

Der Kläger macht ergänzend geltend, bei seinem Studienabschluß handele es sich um ein Berufsbild mit eigenen Tätigkeitsmerkmalen, das nur noch nicht tarifrechtlich geregelt sei, und beantragt insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Da sich noch keine ortsübliche Einstufung herausgebildet habe, entspreche die von ihm begehrte Höherstufung der Billigkeit. Im übrigen habe die Beklagte selbst im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Diplom-Sozialarbeiterin gefördert, die auf einer vom Hessischen Sozialminister zur Verfügung gestellten Stelle nach der Vergütungsgruppe III BAT entlohnt worden sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Oktober 1979 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 1978 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1978 aufzuheben, die Bescheide vom 12. Oktober 1978 und 31. Oktober 1978 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 9. März 1978 Arbeitslosenhilfe unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgeltes von 75 vom Hundert der Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich darauf, das von dem Kläger vorgebrachte Beispiel der im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderten Diplom-Sozialarbeiterin stelle einen Einzelfall dar, der nicht repräsentativ sei.

Das Gericht hat eine Auskunft von der Gesamthochschule Kassel, erteilt durch Schreiben des Präsidenten der Hochschule vom 27. August 1980, eingeholt, nach der Arbeitgeber bei der Einstellung nach Tarifvertrag Absolventen in der Regel mit der Vergütungsgruppe V b BAT einstellen; im übrigen wird auf den Inhalt dieser Auskunft verwiesen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Rechtsstreites, des Rechtsstreites S .../. Bundesanstalt für Arbeit, Sozialgericht Kassel, Aktenzeichen: S-5/Ar-140/78, sowie der Leistungsakten der Beklagten, Arbeitsamt Kassel, Stamm-Nr. xxx, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) sowie kraft Zulassung statthaft (§ 150 Nr. 2 SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. Oktober 1979, der Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 1978 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1978 sowie die Bescheide vom 12. Oktober 1978 und 31. Oktober 1978, die gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht verlangen, daß ihm die Beklagte ab 9. März 1978 Alhi unter Zugrundelegung eines nach der Vergütungsgruppe III BAT berechneten Arbeitsentgelts gewährt. Die diesbezüglichen gesetzlichen Voraussetzungen sind nicht gegeben. Nach der vorliegend anzuwendenden Regelung des § 136 Abs. 2 Nr. 2 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 12. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2557) ist das maßgebliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Alhi bemißt, das um 25 vom Hundert verminderte Arbeitsentgelt nach § 112 Abs. 7 AFG. Nach § 112 Abs. 7 AFG in der hier maßgeblichen Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582) ist von dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung in Betracht kommt. Hiernach ist, wie dies von Seiten der Beklagten geschehen ist, eine in die Vergütungsgruppe V b BAT eingestufte Tätigkeit eines Diplom-Sozialarbeiters/-Sozialpädagogen der Leistungsbemessung zugrunde zu legen.

Rechtlich maßgeblich ist allein das bei Ausübung einer Tätigkeit als Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge am Wohn- bzw. Aufenthaltsort des Klägers tatsächlich erzielbare Arbeitsentgelt (BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 7 RAr 82/76 – SozR 4100 § 112 Nr. 6). Unerheblich ist, ob dieses Arbeitsentgelt der Ausbildung in diesem Berufe Rechnung trägt. Läßt sich in einem Berufe mit akademischer Ausbildung auf dem örtlichen Arbeitsmarkt kein Arbeitsentgelt erzielen, das dem Arbeitsentgelt entspricht, das in Berufen mit vergleichbarer bzw. gleichwertiger Ausbildung erzielt wird, so ist dennoch allein auf die tatsächlichen Verhältnisse in dem betreffenden Berufe und damit auf die im Verhältnis zu anderen Berufen unterwertige Bezahlung abzustellen. Auch nach den Grundsätzen der Billigkeit können insoweit keine Korrekturen angebracht werden. Nach der gesetzlichen Regelung des § 112 Abs. 7 AFG können Gründe der Billigkeit nur bei der Feststellung der Beschäftigung, für die der Arbeitslose in Betracht kommt, berücksichtigt werden, nicht jedoch bei der Feststellung des bei Ausübung dieser Tätigkeit – objektiv – erzielbaren Arbeitsentgeltes. Es muß sich um Gründe handeln, die in der Person des Arbeitslosen liegen; ein Ausgleich struktureller Nachteile, der alle Arbeitslosen in dem betreffenden Berufe gleichermaßen trifft, ist nicht möglich. Unbeachtet bleiben muß demnach auch, daß der Kläger, wie er vorbringt, möglicherweise den sogenannten Vorreiter macht, der eine spätere bessere Einstufung nachfolgender Arbeitsloser durchsetzt. Von einer eventuellen Besserstellung dieser Arbeitslosen können ihm keine rückwirkenden Vorteile erwachsen. Die einmal nach § 112 Abs. 7 AFG vorgenommene Berechnung bleibt für die ganze Anspruchsdauer maßgebend, und zwar auch dann, wenn sich das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt ändert (vgl. Krebs, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, § 112 AFG, Randnummer 39; Eckert in Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, § 112 AFG, Randnummer 61).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, daß die Tätigkeit eines Diplom-Sozialarbeiters/-Sozialpädagogen, jedenfalls bis jetzt, als solche noch nicht besonders tarifvertraglich erfaßt ist, sich jedoch üblicherweise nach dem BAT bemißt. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch keinerlei Streit; streitig ist lediglich die Vergütungsgruppe innerhalb des BAT im Rahmen der Festlegung des ortsüblichen Arbeitsentgelts im Sinne des § 112 Abs. 7 AFG. Bezüglich dieser Vergütungsgruppe steht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, ohne daß es insoweit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, daß Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagogen als Berufsanfänger im Räume Kassel bei einer Bezahlung nach Tarifvertrag üblicherweise in die Vergütungsgruppe V b BAT eingestuft werden. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Schreiben des Präsidenten der Gesamthochschule Kassel vom 27. August 1980 zu, wonach bei der Einstellung nach Tarifvertrag die Absolventen der Hochschule in der Regel mit dieser Vergütungsgruppe eingestellt werden. Hiermit stimmt die Auskunft des Hessischen Ministers des Innern vom 11. Mai 1979 überein, nach der Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagogen auch bei einer Einstellung in den öffentlichen Dienst unmittelbar nach dem Studium bei einer ihrem Studium entsprechenden Tätigkeit in die Vergütungsgruppe V b BAT eingruppiert werden. Auch die von der Beklagten angestellten Ermittlungen haben zu diesem Ergebnis geführt. Von besonderem Gewicht ist in diesem Zusammenhange schließlich der Umstand, daß der Kläger selbst nach längerer Arbeitsplatzsuche lediglich eine Tätigkeit bekommen konnte, die nach dieser Vergütungsgruppe entlohnt wird. Wenn Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagogen im Schuldienst bei entsprechender staatlicher Anerkennung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT eingestellt werden können (vgl. Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 12. April 1978, Amtsblatt des Hessischen Kultusministers 1978, S. 229 ff.), so vermag dies zu keiner abweichenden Beurteilung zu führen, da zum einen der Kläger keine entsprechende staatliche Anerkennung besitzt und zum anderen eine Tätigkeit im Schuldienst nicht als repräsentativ angesehen werden kann; das gleiche gilt hinsichtlich der sonstigen Stellen, bei denen im Einzelfall eine höhere Eingruppierung vorgenommen wird.

Unberücksichtigt bleiben muß auch eine eventuelle Höherstufung in die Vergütungsgruppe IV b BAT nach einer Probezeit, die, wie sich aus dem Schreiben des Präsidenten der Gesamthochschule Kassel vom 27. August 1980 ergibt, regelmäßig zwischen sechs Monaten und drei Jahren beträgt und auch im Falle des Klägers tatsächlich nur sechs Monate betragen hat. Das Bundessozialgericht hat zwar in einem Urteil vom 27. Januar 1977 (7 RAr 105/75SozR 4100 § 112 Nr. 2) angenommen, daß bei der Bemessung von Unterhaltsgeld (Uhg) nach § 112 Abs. 7 AFG in Verbindung mit §§ 44, 58 AFG nicht von dem Lohn auszugehen ist, den der Berechtigte in einer Probezeit erhalten würde, sondern von demjenigen Lohn, den er nach Abschluß seiner Ausbildung auf Dauer verdienen kann. Diese Entscheidung ist damit begründet worden, daß das Uhg den Lebensunterhalt des Teilnehmers an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung für die Dauer der Maßnahme sichern soll und es diesem Grundgedanken nicht entsprechen würde, wenn bei einer länger dauernden Maßnahme das Uhg des Teilnehmers sich nach einem fiktiven Lohn bestimmen würde, den der Teilnehmer nicht auf Dauer, sondern lediglich während einer Probezeit zu erwarten hätte. Diese Grundgedanken können jedoch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) – jedenfalls dann, wenn die Probezeit regelmäßig mindestens sechs Monate beträgt – nicht übertragen werden, da es sich bei der Zeit der Arbeitslosigkeit um eine tendenziell kurze Zeit handelt, in der ein Arbeitnehmer, wie sich aus § 101 Abs. 1 AFG ergibt, nur vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Für Zeiten einer Arbeitslosigkeit gilt demnach, daß hier allein das zu Beginn der Arbeitslosigkeit – tatsächlich – erzielbare Arbeitsentgelt maßgeblich ist, auch wenn dieses während einer Probezeit erzielt werden sollte. Hieran ändert sich, da auf den Zeitpunkt des Leistungsbeginns abzustellen ist, auch dann nichts, wenn rückblickend feststeht, daß die Zeit der Arbeitslosigkeit länger andauerte als die in Betracht kommende Probezeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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