L 3 AL 427/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 03609/01 NZB
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 427/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. August 2002 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 07. Juni 2000 und vom 14. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2000 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Säumniszeit sowie einen Erstattungsbescheid der Beklagten.

Der im Jahre 1969 geborene Kläger ist von Beruf Fliesenleger. Er stand erstmals im Jahre 1990 und ab 1994 überwiegend im - u. a. durch kurzzeitige Beschäftigungen sowie infolge von jeweils zwei Meldeversäumnissen in den Jahren 1995 und 1999 unterbrochenen - Leistungsbezug der Beklagten. Im hier maßgeblichen Zeitraum war ihm zuletzt ab dem 13.09.1999 für eine Anspruchsdauer von 300 Tagen mit Bescheid vom 05.11.1999 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.12.1999 und des Anpassungsbescheides vom 11.01.2000 Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von DM 323,54 (DM 46,22 täglich) bewilligt worden.

Mit Ablauf des 31.05.2000 wurden die Leistungen wegen eines erneuten Meldeversäumnisses des Klägers eingestellt. In den bei den Akten der Beklagten befindlichen Ausdrucken der elektronischen Beratungsvermerke (BewA) der Beklagten heißt es hierzu "zur 1. E. heute nicht erschienen 300500 / 573 / S." sowie "2. E. zuges., Leistungen vorläufig eingestellt. 300500 / 579 / Holzer" und "Zur 2. E. heute nicht erschienen, 2 MV an III 060600 / 579 / Bittenbinder". Ferner findet sich bei den Leistungsakten ein schriftlicher Vermerk des Arbeitsvermittlers S. vom 06.06.2000. Darin ist ausgeführt, der Kläger sei am 24.05.2000 zum 30.05.2000 und am 30.05.2000 zum 06.06.2000 eingeladen worden, zur zweiten Meldung nicht erschienen und habe für seinen Nichterscheinen keine Gründe mitgeteilt.

Mit Bescheid vom 07.06.2000 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 31.05.2000 wegen Eintritts einer verlängerten Säumniszeit auf; der Leistungsanspruch ruhe bis zur persönlichen Meldung des Klägers beim Arbeitsamt, mindestens aber für sechs Wochen und werde um die Tage des Ruhens gemindert. Durch weiteren Bescheid vom 14.06.2000 forderte sie vom Kläger die Erstattung überzahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von DM 46,22 zzgl. entrichteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 15,11, mithin insgesamt DM 61,33.

Im Rahmen seiner erneuten Arbeitslosmeldung gab der Kläger am 14.06.2000 an, er habe die zweite Einladung am Vortage auf seinem Balkon gefunden. Er vermute, dass ihm jemand den Brief aus dem Briefkasten gezogen habe, um ihn zu ärgern. Am 19.06.2000 erklärte er, in seinem Haus werde ständig die Post aus dem Briefkasten genommen.

Den vom Kläger gegen die Bescheide vom 07.06.2000 und vom 14.06.2000 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2000 zurück. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 31.08.2000 zugestellt.

Am 02.10.2000, einem Montag, hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben.

Zur Begründung hat er mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2000 zunächst vorgetragen, er habe "den Meldetermin" mangels Kenntnis nicht wahrnehmen können. Am 03.06.2000 sei in seine Wohnung eingebrochen worden. Dabei sei eine Vielzahl von Unterlagen abhanden gekommen; darunter hätten sich auch die entsprechenden Schreiben des Arbeitsamtes mit den Meldeterminen befunden.

Das Sozialgericht hat daraufhin die entsprechenden Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe betreffend einen am 14.06.2000 verübten Einbruch in die Wohnung des Klägers beigezogen.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger dann mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.03.2001 mitgeteilt, der Einbruchsdiebstahl habe sich tatsächlich am 14.06. und nicht am 02.06.2000 ereignet. Allerdings habe er weder vor dem 30.05. noch vor dem 06.06. oder dem 30.6.2000 irgendwelche Benachrichtigungsbriefe der Beklagten erhalten. Bereits in der Vergangenheit habe er darauf hingewiesen, dass praktisch jeder Zugang zu den Briefkästen in dem von ihm bewohnten Haus habe. Es sei schon häufiger vorgekommen, dass Briefe aus den Briefkästen entfernt und nicht wieder zurückgelegt worden seien. Er selbst habe schon mehrmals Briefe, u. a. von seinem Bewährungshelfer, nicht erhalten. Daher habe er die entsprechenden Mitarbeiter der Beklagten gebeten, etwaige Schreiben an ihn mittels Einschreiben zu übersenden.

Mit Urteil vom 07.08.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen Vorliegens zweier Meldeversäumnisse habe die Beklagte die Leistungsbewilligung zu Recht aufgehoben und vom Kläger die Erstattung des für einen Tag überzahlten Arbeitslosengeldes gefordert. Der Zugang der Meldeaufforderungen werde durch § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) außer in Zweifelsfällen fingiert. Derartige, die materielle Beweislast der Behörde für den Zugang auslösende Zweifel lägen nicht vor. Ein unsubstantiiertes Bestreiten des Zugangs genüge hierzu nicht. Die Meldeaufforderung vom 30.05.2000 sei dem Kläger auch nach seinen eigenen Angaben zugegangen. Für die der Lebenserfahrung widersprechende Behauptung, er habe das Schreiben erst am 13.06.2000 auf seinem Balkon gefunden, habe der Kläger keine ausreichenden Gründe nennen können. Der mutmaßliche Einbruchsdiebstahl habe erst am 14.06.2000 stattgefunden. Auch zeigten die von ihm vorgelegten Fotografien der Briefkastenanlage einen Normalzustand, so dass kein Anhalt für Unregelmäßigkeiten bei der Briefzustellung bestünden. Ebenso wenig bestehe wegen der vom Kläger genannten Gründe Anlass zu Zweifeln an einer Zustellung der Meldeaufforderung vom 24.05.2000. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 04.09.2001 zugestellt worden.

Am 01.10.2001 hat der Kläger entsprechend der dem Urteil des Sozialgerichts beigefügten Rechtsmittelbelehrung Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Auf gerichtlichen Hinweis hat er die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen und am 06.02.2002 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt ergänzend vor, der Zugang und der Zeitpunkt des Zugangs von Schreiben dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vermutet werden. Im Übrigen sei es ihm nicht möglich, den mangelnden Zugang oder das verspätete Auffinden eines Schriftstücks auf seinem Balkon weiter zu substantiieren, so dass ausreichende Zweifel am Zugang bzw. an der Rechtzeitigkeit des Zugangs der Meldeaufforderungen bestünden und die Beklagte beides nachzuweisen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. August 2001 sowie die Bescheide der Beklagten vom 07. Juni 2000 und vom 14. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger behaupte selbst nicht, dass er die Meldeaufforderungen nicht erhalten habe. Sein Vorbringen zum Auffinden der zweiten Meldeaufforderung sowie zum Abhandenkommen beider Aufforderungen im Rahmen eines Wohnungseinbruchs zeige, dass ihm diese zugegangen seien. Darauf, ob er sie zur Kenntnis genommen habe, komme es nicht an. Sein Vortrag, Schreiben auf normalem Postwege erreichten ihn im Gegensatz zu Einschreibesendungen nicht, sei zu bezweifeln, nachdem er auch auf eine mit Einwurf-Einschreiben übermittelte Meldeaufforderung vom 26.09.2000 nicht reagiert und seine gegen die erneute Aufhebung der Leistungsbewilligung gerichtete Klage zurückgenommen habe. Im Übrigen habe es schon in der Vergangenheit Schwierigkeiten bei Meldeaufforderungen des Klägers gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten des Senats aus dem vorliegenden Berufungsverfahren und dem vorangegangenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Klägers, die beigezogenen Akten Sozialgerichts Karlsruhe aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie dem parallelen Klageverfahren - S 2 AL 492/01 - sowie die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten (ein Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Denn die dem angegriffenen Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung war unzutreffend. Die aus der Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung zum 31.05.2000 - und mithin 39 Tage vor Erschöpfung der bewilligten Leistung von täglich DM 46,22 - resultierende Beschwer des Klägers überschritt nämlich den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bei Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung geltenden Fassung des Gesetzes vom 11.01.1993 (BGBl. I, S. 50) maßgeblichen Beschwerdewert von DM 1.000,00 (und überschreitet im Übrigen auch den seitdem maßgeblichen Beschwerdewert von EUR 500,00). Gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG betrug daher die Berufungsfrist ein Jahr ab Zustellung des klagabweisenden Urteils vom 07.08.2001. Diese Frist hat der Kläger mit Einlegung der Berufung am 06.02.2002 eingehalten.

Der Berufung ist auch in der Sache Erfolg beschieden. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ist ebenso wie der Erstattungsbescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Urteil des Sozialgerichts und die angegriffenen Bescheide sind daher aufzuheben.

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten verfügte rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 31.05.2000 ist § 48 Abs. 1, Abs. 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5, Abs. 4 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. mit § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt ist ebenfalls zwingend mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i. V. mit § 330 Abs. 3 SGB III). Dabei sind die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5, Abs. 4 Satz 2 SGB X zu beachten (§ 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn das von der Beklagten angenommene Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Säumniszeit nach § 145 Abs. 1 SGB III in der vom 01.01.1998 bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24.03.1997 auf BGBl. I, S. 594) ist weder mit Blick auf die "erste" noch auf die "zweite" Meldeaufforderung eingetreten.

Eine Versäumung der Meldetermine liegt schon deshalb nicht vor, weil sich nicht feststellen lässt, dass der Kläger - was er bestreitet - die entsprechende Meldeaufforderungen (rechtzeitig) erhalten hat. Dies gilt selbst dann, wenn man dieser Beurteilung die für Verwaltungsakte geltende Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 SGB X zu Grunde legt.

Nach dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Diese Zugangsfiktion entspricht dem Anscheinsbeweis und besagt, dass es einen Erfahrungssatz gibt, wonach innerhalb von Deutschland ein ordnungsgemäß adressierter und frankierter Brief bei dem angegebenen Empfänger auch ankommt. Der Adressat eines Verwaltungsakts muss deshalb die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs dartun. Ein solcher atypischer Geschehensablauf kann z.B. vorliegen, wenn bei dem Adressaten die Postbriefsendungen üblicherweise nicht in den Briefkasten eingeworfen, sondern an anderer Stelle abgelegt werden oder es aufgrund von Namensgleichheit bei Mitbewohnern im selben Haus zu Verwechslungen kommen kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.04.2004 - L 1 KG 3408/02 -, zit. nach juris, m. w. N.). Auch genügt es, wenn der Adressat auf die Möglichkeit eines Verlusts der Postsendung außerhalb seines Einwirkungsbereichs hinweist (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15.05.1991 - 1 BvR 1441/90 -, NJW 1991, 2577).

Was den "ersten" Meldetermin am 30.05.2000 betrifft, fehlt es bereits am erforderlichen Nachweis der tatbestandlichen Voraussetzungen der Zugangsfiktion. Denn die nachträglich erstellten elektronischen Beratungsvermerke vom 30.05.2000, wonach der Kläger nicht zur "ersten" Einladung erschienen ist und daher eine "zweite" Einladung zugesandt sowie die Leistungen vorläufig eingestellt wurden, belegen die tatsächliche Aufgabe einer Meldeaufforderung zur Post ebenso wenig wie der eine weitere Woche später gefertigte schriftliche Vermerk vom 06.06.2000, der Kläger sei am 24.05.2000 zum 30.05.2000 eingeladen worden. Derartiges ergibt sich auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit aus dem Vorbringen des Klägers im an das Sozialgericht gerichteten Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2000, die entsprechenden Schreiben des Arbeitsamtes mit den Meldeterminen seien bei dem Einbruch in seine Wohnung am 02.06.2000 gemeinsam mit einer Vielzahl von Unterlagen abhanden gekommen. Denn diesem Vortrag lässt sich der Zugang einer Meldeaufforderung vom 24.05.2000 und damit die Aufgabe einer solchen Sendung zur Post nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, nachdem an anderer Stelle des Schreibens nur von einem versäumten Meldetermin die Rede ist und das besagte Vorbringen angesichts der im nachfolgenden Anwaltsschriftsatz vom 02.03.2001 erfolgten Berichtigungen und der mitgeteilten Vielzahl abhanden gekommener Unterlagen ersichtlich auf bloßen Vermutungen beruhte.

Anders verhält es sich hingegen mit Blick auf die "zweite" Meldeaufforderung vom 30.05.2000 zum 06.06.2000. Nachdem in den elektronischen Beratungsvermerken der Beklagten eine Übersendung der Meldeaufforderung am selben Tage vermerkt ist und der Kläger selbst angegeben hat, er habe diese Einladung am 13.06.2000 auf seinem Balkon gefunden, ist insoweit eine Aufgabe zur Post hinreichend belegt.

Allerdings bestehen, selbst eine Aufgabe beider Meldeaufforderungen zur Post unterstellt, sowohl mit Blick auf die "erste", als auch auf die "zweite" Aufforderung Zweifel am (rechtzeitigen) Zugang, also an einem Zugang vor dem entsprechenden Meldetermin am 30.05.2000 bzw. 06.06.2000. Denn der Kläger hat jeweils einen atypischen Geschehensablauf i. S. des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X (noch) hinreichend dargetan.

Trotz seiner zum Teil widersprüchlichen Angaben im Klageverfahren erscheint sein Vorbringen, er habe die (erste) Einladung nicht erhalten und die (zweite) Einladung am 13.06.2000 auf seinem Balkon gefunden, nicht als von vornherein unglaubhaft.

Für die Richtigkeit seines Sachvortrages spricht zum einen, dass er bereits im Rahmen seiner Vorsprache bei der Beklagten am 14.06.2000 und in der Folgezeit durchgängig auf ein Auffinden der (zweiten) Einladung auf seinem (im Erdgeschoss) gelegenen Balkon hingewiesen und demgegenüber im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zunächst keinerlei Angaben zu dem ihm - sein Vorbringen als wahr unterstellt - unbekannten (ersten) Einladungsschreiben gemacht hat. Gleiches gilt - zum anderen - mit Blick auf die vom Kläger schon bei seiner Vorsprache am 19.06.2000 abgegebene und ebenfalls durchgängig wiederholte Erklärung, in dem von ihm bewohnten Haus sei es schon häufiger vorgekommen, dass Briefe aus den Briefkästen entfernt worden seien, zumal er dieses Vorbringen durch die Angabe, er habe selbst schon mehrmals Briefe nicht erhalten, weiter substantiiert hat. Hinzu kommt, dass der Kläger die in der Vergangenheit eingetretenen insgesamt vier Leistungsunterbrechungen wegen Meldeversäumnissen klaglos hingenommen und sich auch gegen eine nach dem hier in Rede stehenden Zeitraum erneut wegen eines Meldeversäumnisses erfolgte weitere Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht mit dem Einwand zur Wehr gesetzt hat, ihm sei die entsprechende Einladung nicht zugegangen. Denn dies zeigt, dass er im Regelfall bereit ist, die Rechtsfolgen seiner Meldeversäumnisse zu tragen und lässt daher den lediglich bezogen auf die hier streitigen Einladungen erhobenen Einwand mangelnden Zugangs als hinreichend glaubhaft erscheinen.

Dies gilt auch mit Blick auf das - wie oben ausgeführt - erkennbar auf bloßen Vermutungen beruhende Vorbringen im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.12.2000, die entsprechenden Schreiben der Arbeitsverwaltung seien bei dem Einbruch in seine Wohnung abhanden gekommen. Denn - wie ebenfalls bereits dargelegt - ist an anderer Stelle des Schreibens nur von einem versäumten Meldetermin die Rede und lässt sich das Abhandenkommen eines, nämlich des vom Kläger nach seinen Angaben am 13.06.2000 aufgefundenen (zweiten) Einladungsschreibens im Rahmen des am 14.06.2000 verübten Wohnungseinbruchs nicht ausschließen.

Gelten die Einladungen des Klägers zum 30.05.2000 und zum 06.06.2000 nach alledem nicht nach § 37 Abs. 2 SGB X als (rechtzeitig) zugegangen und lässt sich der danach der Beklagten obliegende Nachweis des (rechtzeitigen) Zugangs nicht führen, so sind die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufzuheben. Auf die Frage, ob die - nicht bei den Akten der Beklagten befindlichen - Aufforderungen mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung versehen waren, kommt es danach nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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