L 3 AL 905/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 03707/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 905/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2002 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren um die Dauer einer von der Beklagten festgestellten Sperrzeit.

Die im Jahre 1944 geborene Klägerin nahm im Jahre 1973 eine Beschäftigung bei der Firma H., einem Handelsbetrieb für Baustoffe in Weingarten, auf und war dort ab 1991 als Teamleiterin "Studio", zu dem der Ausstellungsbereich Fliesen, Natursteine und Raumausstattung mit rund zwei Dritteln der Grundfläche des Verkaufshauses zählte, tätig. In ihrer Funktion als Teamleiterin waren der Klägerin drei Mitarbeiter unterstellt; darüber hinaus war sie Mitglied des sechsköpfigen Geschäftsleitungskreises der Firma und hatte sie ein Mitspracherecht bei der ihren Bereich betreffenden Produktauswahl. Nachdem die Klägerin die Teamleiterfunktion übernommen hatte, erhöhten sich innerhalb des Handelsbetriebes die Abnahme und der Umsatz von Fliesen eines italienischen Herstellers.

In den Jahren 1992, 1994, 1995 und 1997 verbrachten die Klägerin und ihr Ehemann insgesamt vier Urlaube (einmal Dominikanische Republik, einmal Santo Domingo sowie zweimal Thailand) auf Kosten des genannten italienischen Fliesenlieferanten ihrer Arbeitgeberin. Darüber hinaus erhielt sie von einem Mitarbeiter dieser Lieferfirma einen Betrag in Höhe von jedenfalls DM 1.500,00 in bar als Kompensation für den Ausfall einer weiteren, für das Jahr geplanten Reise. Nachdem der Arbeitgeberin dies Mitte März 2000 bekannt geworden war, wurde die Klägerin im Anschluss an ihre Rückkehr aus einem Urlaub am 27.03.2000 persönlich angehört und von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Am 31.03.2000 kündigte die Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom Vortage fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstzulässigen Termin.

Am 19.05.2000 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Leistungen. Dabei gab sie an, sie habe ihrer Arbeitgeberin durch die Annahme der Reisen und eines zu ihrem Geburtstag erhaltenen Geschirrs nicht geschadet. Im Gegenteil sei der Umsatz gestiegen.

Mit Bescheid vom 13.07.2000 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 01.04. bis zum 23.06.2000 fest. Die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und dadurch Anlass für die berechtigte fristlose Kündigung geboten. Dass ihr aufgrund ihres Verhaltens gekündigt und sie dadurch arbeitslos werden würde, habe sie voraussehen müssen. Sie erhalte Leistungen erst nach Ablauf der Sperrzeit. Diese mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 195 Tage, ein Viertel der Anspruchsdauer. Für die Zeit ab dem 24.06.2000 wurde ihr sodann Arbeitslosengeld gewährt.

Nachdem die Kündigungsschutzklage der Klägerin vom Arbeitsgerichts Karlsruhe abgewiesen worden war, schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin am 09.05.2001 vor dem Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg einen Vergleich. Danach endete das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 30.03.2000 mit Ablauf des 31.10.2000 und hatte die Klägerin Anspruch auf Vergütung (nur) für die Monate April bis einschließlich Juli 2000 sowie das übliche Weihnachtsgeld für das Jahr 1999 und das volle Jahr 2000.

Am 22.05.2001 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf den gerichtlichen Vergleich die Überprüfung des Sperrzeitbescheides vom 13.07.2000. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.05.2001 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2001 zurück.

Am 19.10.2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Berechtigung der Arbeitgeberkündigung sei nicht nachgewiesen. Zumindest sei eine Reduzierung der Sperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte angezeigt.

Mit Urteil vom 29.01.2002 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 13.07.2000 und vom 28.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2001 dahingehend abgeändert, dass die am 01.04.2000 beginnende Sperrzeit auf sechs Wochen halbiert wird und sich die Anspruchsdauer entsprechend mindert. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin wegen Eintritts einer Sperrzeit zutreffend festgestellt. Insbesondere sei die Arbeitgeberin zur verhaltensbedingten fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Denn die Klägerin habe durch die Annahme von Geschenken eines der Lieferanten ihrer Arbeitgeberin das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit und Redlichkeit zerstört. Darauf, ob es zu einer die Arbeitgeberin schädigenden Handlung gekommen sei, komme es dabei nicht an. Die Klägerin habe dadurch ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Allerdings bedeute eine Sperrzeit von zwölf Wochen angesichts der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin und des nicht nachgewiesenen materiellen Schadens der Arbeitgeberin eine besondere Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), so dass die Sperrzeit auf sechs Wochen zu reduzieren sei. Diese Entscheidung ist der Beklagten am 25.02.2002 zugestellt worden.

Am 11.03.2002 hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, weder die Dauer der Betriebszugehörigkeit noch der nicht nachgewiesene materielle Schaden der Arbeitgeberin vermöge eine besondere Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III zu begründen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2002 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Sperrzeitbescheid sei bereits deshalb hinfällig, weil das Arbeitsverhältnis angesichts des auf Vorschlag des Landesarbeitsgerichts geschlossenen Vergleichs nicht auf Grund fristloser, sondern aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung zum 31.10.2000 geendet habe. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III erfüllt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten (ein Band) und die gleichfalls beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts Karlsruhe - 2 Ca 146/00 - und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - 12 Sa 95/00 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Sperrzeitbescheid der Beklagten sowie deren negative Zugunstenentscheidungen abgeändert und die am 01.04.2000 beginnende Sperrzeit auf sechs Wochen halbiert.

Dass zu Lasten der Klägerin am 01.04.2000 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe i. S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - in der seinerzeit geltenden und darum anwendbaren Fassung der Vorschrift vom 24.03.1997 (BGBl. I S. 594) - eingetreten ist, hat bereits das Sozialgericht zur Begründung des von der Klägerin nicht durch Berufung angegriffenen klagabweisenden Entscheidungsausspruchs im Urteil vom 29.01.2002 zutreffend ausgeführt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Insoweit ist gegen die genannte Entscheidung auch mit Blick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren nichts zu erinnern. Insbesondere war der im Kündigungsschutzprozess vor dem Landesarbeitsgericht abgeschlossene Vergleich nicht geeignet, die bereits eingetretene Sperrzeit gleichsam rückwirkend entfallen zu lassen (vgl. Niesel, SGB III, 3. Aufl. und um 2005, Rdnr. 96 zu § 144).

Was die Berechtigung der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin betrifft, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben sich Vorteile versprechen lässt oder - wie hier - entgegennimmt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers zu beeinflussen, und damit gegen das sog. Schmiergeldverbot verstößt, den Interessen seines Arbeitgebers zuwiderhandelt und diesem damit regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung gibt. Dabei kommt es grundsätzlich - und so auch hier - nicht darauf an, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Es reicht vielmehr aus, dass der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. In Fällen dieser Art liegt die eigentliche Ursache dafür, dass ein solches Verhalten die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, nicht so sehr in der Verletzung vertraglicher Pflichten, sondern in der damit zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, unbedenklich eigene Vorteile bei der Erfüllung von Aufgaben wahrnehmen zu wollen, obwohl er sie allein im Interesse des Arbeitgebers durchzuführen hat. Durch sein gezeigtes Verhalten zerstört er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit ( BAG, Urteile vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01- und vom 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 -, jew. zit. nach juris m. w. N.)

Zu Unrecht hat das Sozialgericht hingegen das Vorliegen einer besonderen Härte i. S. des § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III bejaht. Denn insoweit sind nur für den Eintritt der Sperrzeit maßgebende, also mit dem Eintritt derselben in einem ursächlichen Zusammenhang stehende Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. Niesel, a. a. O., Rdnr., 102 zu § 144). Damit kommt es weder auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin noch - nach dem oben gemachten Ausführungen - auf die Frage einer Schädigung des Arbeitgebers an. Nachdem hier erhebliche sonstige Gründe für das Vorliegen einer besonderen Härte nicht erkennbar sind, ist mithin zu Lasten der Klägerin eine zwölfwöchige Sperrzeit und gem. § 128 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. SGB III eine Minderung der Anspruchsdauer um ein Viertel eingetreten.

Ob die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend von einem Beginn der Sperrzeit am 01.04.2000 ausgegangen sind oder angesichts der bereits am 27.03.2000 erfolgten Freistellung der Klägerin von der Arbeitsleistung und der damit einhergehenden Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen § 144 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 SGB III ein Sperrzeitbeginn am 28.03.2000 anzunehmen ist (vgl. Niesel, a. a. O., Rdnr. 93), kann im Ergebnis offen bleiben. Sofern nämlich damit die zwölfwöchige Sperrzeit bereits am 19.06.2000 - und nicht erst am 23.06.2000 - ablief, wäre dies in Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht geeignet, eine (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 13.07.2000 zu rechtfertigen. Denn ein solchermaßen früheres Ende der Sperrzeit hätte allenfalls Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des im genannten Bescheid ausgesprochenen Ruhens des Leistungsanspruchs für die Zeit vom 20.06. bis zum 23.06.2000 und damit die Nichterbringung von Leistungen in diesem Zeitraum. Nachdem der genannte Leistungsanspruch aber angesichts des nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 09.05.2001 bestehenden Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslohn für die Monate April bis einschließlich Juli 2000 nach § 143 SGB III im fraglichen Zeitraum ohnehin ruhte, scheidet eine rechtsfehlerhafte Nichterbringung von Leistungen i. S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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