Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3095/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3380/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2006 wird verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die dem Kläger aus Anlass eines Arbeitsunfalls vom Juni 1998 gewährte Verletztenrente wegen Besserung der Unfallfolgen herabsetzen darf. Im Berufungsverfahren ist vorrangig streitig, ob die Berufung fristgemäß eingelegt worden ist.
Aufgrund des Arbeitsunfalls am 12.06.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 26.04.2001 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH. Widerspruch und Klageverfahren hiergegen blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.06.2001 und Urteil des Sozialgerichts Stuttgart - SG - vom 28.03. 2003).
Gestützt auf das neurologische Gutachten von Prof. Dr. St. vom 07.10.2003 und das psychologische Gutachten von Diplompsychologe N. vom 30.09.2003 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 26.11.2003 die Verletztenrente herab, indem mit Wirkung ab 01.12.2003 nur noch Rente nach einer MdE um 20 vH gewährt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2004 wurde der Widerspruch des Klägers hiergegen zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 17.05.2004 beim SG hiergegen Klage erhoben. Das SG hat Beweis erhoben und von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten von Dr. H. vom 04.10.2004 mit Ergänzung vom 10.11.2004 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das psychologische Gutachten von Dipl. Psychologe N. vom 20.12.2005 eingeholt. Mit Urteil vom 11.05.2006 hatte das SG die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis am 01.06.2006 zugestellt worden.
Der Kläger hat über seinen Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 ist jeweils mit Eingangsstempel vom 4. Juli 2006 des Amtsgerichts Stuttgart und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg versehen. Der Kläger macht geltend, sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift am Montag, den 03.07.2006 in einem Umschlag zusammen mit anderen Schriftsätzen persönlich gegen 12:45 Uhr in den Briefkasten des Amtsgerichts Stuttgart eingeworfen. Die Berufungsschrift sei am 03.07.2006 um 7:48 Uhr ausgedruckt worden, hierfür könne unter Vorlage der Zugriffshistorie des AnNo Text Eurostar XP Beweis angetreten werden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ein als eidesstattliche Versicherung unterschriebenes Schreiben vorgelegt, wonach er am 03.07.2006 gegen 12:45 Uhr die "Berufungsbegründung" persönlich in den Briefkasten des Amtsgerichts Stuttgart eingeworfen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2004 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Sie macht geltend, die Berufungsfrist habe am Montag, den 03.07.2006 geendet. Die erst am 04.07. 2006 eingegangene Berufungsschrift habe die Frist nicht gewahrt.
Der Senat hat die Auskunft des Verwaltungsleiters des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.01.2007 eingeholt. Danach sei ein Defekt des Tag-/Nachtbriefkastens zum fraglichen Zeitpunkt nicht bekannt geworden. Die mit der Leerung des Briefkastens beauftragten Mitarbeiter des Justizwachtmeisterdienstes nutzten zur Trennung der verschiedenen Eingänge entsprechende Kunststoffbehälter, die mit ihrem Inhalt der Posteingangsstelle zur weiteren Bearbeitung übergeben werden. Sofern die Postsendung zum 3. Juni 2006 eingeworfen worden sein sollte, könne das gestempelte Eingangsdatum 04.07.2006 nur damit begründet werden, dass versehentlich die Postsendungen aus den verschiedenen Bereichen nach der Leerung am 4. Juli 2006 beim Transport zur Posteingangsstelle verrutscht oder vertauscht wurden. Im Hinblick auf die Menge der eingehenden Post sei dies nie vollständig auszuschließen, jedoch seien derartige Vorkommnisse bislang nicht bekannt geworden. Anfragen, Beschwerden oder Wiedereinsetzungsgesuche aufgrund falsch behandelter Postsendungen zum fraglichen Zeitpunkt seien nicht bekannt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das den Beteiligten bekannt gegebene Schreiben des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.01.2007 Bezug genommen.
Mit richterlicher Verfügung vom 30.11.2006 sind die Beteiligten auf eine Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG hingewiesen worden. Unter dem 18.1.2007 haben die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und ist ihnen mitgeteilt worden, dass ein Beschluss nach § 158 SGG weiter vorbehalten bleibt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts sowie auf die beim Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
II
Die Berufung des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Diese Entscheidung kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss erfolgen. Es ist nicht bewiesen, dass die Berufung fristgerecht eingelegt worden ist. Für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels trägt der Rechtsmittelführer die Beweislast.
Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim SG eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Das angefochtene Urteil ist am 01.06.2006 mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden (§ 63 Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 174 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Berufungsfrist begann somit am 02.06.2006 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG). Da das Ende der Frist am 01.07.2006 (§ 64 Abs. 2 SGG) auf einen Sonnabend fiel, war Fristablauf am nächsten Werktag, den 03.07.2006 (§ 64 Abs. 4 SGG).
Der fristgerechte Eingang der Berufung des Klägers am 03.07.2006 ist nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Berufungsschrift enthält den Eingangsstempel vom 04.07.2006 sowohl des Amtsgerichts als auch des Landessozialgerichts. Ein Eingang zu diesem Zeitpunkt wäre daher nicht fristgerecht. Die beiden Gerichte unterhalten im Eingangsbereich des gemeinsamen Gerichtsgebäudes einen gemeinsamen Tag-/Nachtbriefkasten. Die Leerung und Sortierung der eingehende Post wird vom Justizwachtmeisterdienst und der Posteingangsstelle des Amtsgerichts vorgenommen. Die an das Landessozialgericht adressierten Poststücke werden von der Posteingangsstelle des Amtsgerichts nach Anbringen des Eingangsstempels in das Austauschfach des Landessozialgerichts gelegt, wo sie nach Entnahme den Eingangsstempel des Landessozialgerichts erhalten. Unter Berücksichtigung dieses Ablaufs weisen die Eingangsstempel auf der Berufungsschrift auf einen verspäteten Eingang des Schriftsatzes am 04.07.2006 hin.
Ein Defekt der Umschaltautomatik des Tag-/Nachtbriefkastens ist für den 03./04.07.2006 nicht bekannt geworden. Gegen einen solchen Defekt spricht auch, dass in anderen Verfahren beim Amtsgericht zu diesem fraglichen Zeitpunkt keine Anfragen, Beschwerden oder Wiedereinsetzungsgesuche bekannt wurden, wie der Verwaltungsleiter des Amtsgerichts in seiner Auskunft vom 12.01.2007 angegeben hat. Ein Verrutschen oder Vertauschen des Poststückes beim Transport vom Briefkasten zur Posteingangsstelle durch den Justizwachtmeisterdienst kommt nach der amtlichen Auskunft des Verwaltungsleiters des Amtsgerichts nur als theoretische Möglichkeit in Betracht. Solche Fälle sind bislang nicht bekannt geworden, weshalb der Senat daher nicht mit der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von einem fristgerechten Eingang der Berufung und einem fehlerhaft angebrachten Eingangsstempel überzeugt ist. Wenn man von den Angaben des Klägerbevollmächtigten ausgeht, ist im vorliegenden, konkreten Fall ein Verrutschen des Umschlages aus dem Behälter mit den Eingängen des Vortages in den Behälter mit den Eingängen am Tag der Leerung oder ein Vertauschen mit Schriftstücken dieses Behälters äußerst zweifelhaft. Wurde der die Berufungsschrift enthaltende Umschlag vor der regelmäßig am Mittag erfolgenden, letzten Leerung des Briefkastens am 03.07.2006 eingeworfen, hätten die darin enthaltenen Poststücke nur den Eingangsstempel vom 03.07.2006 erhalten. Dies hat auch der Verwaltungsleiter des Amtsgerichts in seiner Auskunft bestätigt. Dass dagegen der die Berufungsschrift enthaltende Umschlag vom Prozessbevollmächtigten nach der Mittagsleerung am 03.07.2006 eingeworfen wurde und danach versehentlich der falsche Eingangsstempel vom 04.07.2006 angebracht wurde, ist nach der dargelegten Praxis der Briefkastenentleerung nicht überzeugend. Wenn um 12:45 Uhr Poststücke eingeworfen werden, gehören diese zu den Posteingängen, die kurz nach der Leerung eingeworfen werden und sich ganz unten im Briefkasten ansammeln. Wird daher bei der Leerung am nächsten Tag das jeweilige Fach geöffnet, fallen naturgemäß die im Briefkasten unten liegenden Poststücke zuerst in den untergeschobenen Kunststoffbehälter. Am oberen Rand des Kunststoffbehälters liegen somit hauptsächlich die zuletzt in den Briefkasten eingeworfenen Poststücke, bevor durch die Umschaltautomatik das andere Fach des Briefkastens angefüllt wird. Ein Verrutschen oder Vertauschen von Poststücken beim Transport der nebeneinander stehenden Kunststoffbehälter kann bei diesem Ablauf nur die über den oberen Rand des Kunststoffbehälters rutschenden Poststücke betreffen. Dass der vom Klägerbevollmächtigten nach seiner Behauptung in den noch fast leeren Briefkasten eingeworfene Umschlag auf diese Weise versehentlich zu den am Leerungstag, am 04.07.2006, eingeworfenen Poststücken gelangt sein soll, hat den Senat trotz des vom Bevollmächtigten unter anwaltlicher Versicherung geschilderten Posteinwurfs nicht überzeugt.
Der Prozessbevollmächtigte hat die Verfahren nicht genannt, in denen die im Umschlag enthaltenen anderen Schriftsätze eingereicht worden sind. In der gerichtlichen Anfrage beim Amtsgericht ist auf die fehlenden Angaben zu den anderen Verfahren hingewiesen worden, sodass Gelegenheit bestanden hat, sich auch hierzu zu äußern. Mit welchem Eingangsdatum diese anderen Schriftstücke versehen wurden, was insbesondere bei unterschiedlichen Daten der Eingangsstempel Rückschlüsse auf einen Fehler bei der Posteingangsstelle des Amtsgerichts zugelassen hätte, konnte nicht überprüft werden. Hinweise auf eine Versäumung von Fristen zu dem fraglichen Zeitpunkt in anderen vom Klägerbevollmächtigten betriebenen Verfahren sind auch dem Amtsgericht nicht bekannt.
Auch allein aus der Tatsache, dass die Berufungsschrift am 03.07.2006 bereits am frühen Morgen ausgedruckt wurde, kann nicht geschlossen werden, dass sie am gleichen Tag versandfertig gemacht und auch abgesandt bzw. in den Empfängerbriefkasten eingeworfen wurde.
Die genannten Umstände begründen somit erhebliche Zweifel des Senats am Eingang der Berufung am 03.07. 2006, die auch durch die anwaltlichen Erklärungen nicht ausgeräumt sind.
Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gem. § 67 Abs. 1 SGG, der nach § 153 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zuzustellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
Die Voraussetzungen einer von Amts wegen zu gewährenden Wiedereinsetzung liegen nicht vor. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht geltend gemacht worden. Das Vorbringen rechtfertigt darüber hinaus keine Wiedereinsetzung, da aus den oben genannten Gründen keine Tatsachen glaubhaft gemacht sind, aus denen sich ergibt, dass der Klägerbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Glaubhaftmachung verlangt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die geltend gemachten Umstände (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 67 Rdnr. 10d mit weiteren Hinweisen). Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten hat auf Grund der oben dargelegten Zweifel des Senats nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit eines Verschuldens des Klägerbevollmächtigten ausgeräumt (vgl. zu dieser Voraussetzung Keller a. a. O.). Das Verschulden seines Bevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen (§ 73 Abs. 4 Satz 1 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die dem Kläger aus Anlass eines Arbeitsunfalls vom Juni 1998 gewährte Verletztenrente wegen Besserung der Unfallfolgen herabsetzen darf. Im Berufungsverfahren ist vorrangig streitig, ob die Berufung fristgemäß eingelegt worden ist.
Aufgrund des Arbeitsunfalls am 12.06.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger zuletzt mit Bescheid vom 26.04.2001 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH. Widerspruch und Klageverfahren hiergegen blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.06.2001 und Urteil des Sozialgerichts Stuttgart - SG - vom 28.03. 2003).
Gestützt auf das neurologische Gutachten von Prof. Dr. St. vom 07.10.2003 und das psychologische Gutachten von Diplompsychologe N. vom 30.09.2003 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 26.11.2003 die Verletztenrente herab, indem mit Wirkung ab 01.12.2003 nur noch Rente nach einer MdE um 20 vH gewährt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2004 wurde der Widerspruch des Klägers hiergegen zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 17.05.2004 beim SG hiergegen Klage erhoben. Das SG hat Beweis erhoben und von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten von Dr. H. vom 04.10.2004 mit Ergänzung vom 10.11.2004 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das psychologische Gutachten von Dipl. Psychologe N. vom 20.12.2005 eingeholt. Mit Urteil vom 11.05.2006 hatte das SG die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Empfangsbekenntnis am 01.06.2006 zugestellt worden.
Der Kläger hat über seinen Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift des Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 ist jeweils mit Eingangsstempel vom 4. Juli 2006 des Amtsgerichts Stuttgart und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg versehen. Der Kläger macht geltend, sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift am Montag, den 03.07.2006 in einem Umschlag zusammen mit anderen Schriftsätzen persönlich gegen 12:45 Uhr in den Briefkasten des Amtsgerichts Stuttgart eingeworfen. Die Berufungsschrift sei am 03.07.2006 um 7:48 Uhr ausgedruckt worden, hierfür könne unter Vorlage der Zugriffshistorie des AnNo Text Eurostar XP Beweis angetreten werden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ein als eidesstattliche Versicherung unterschriebenes Schreiben vorgelegt, wonach er am 03.07.2006 gegen 12:45 Uhr die "Berufungsbegründung" persönlich in den Briefkasten des Amtsgerichts Stuttgart eingeworfen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 26.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2004 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Sie macht geltend, die Berufungsfrist habe am Montag, den 03.07.2006 geendet. Die erst am 04.07. 2006 eingegangene Berufungsschrift habe die Frist nicht gewahrt.
Der Senat hat die Auskunft des Verwaltungsleiters des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.01.2007 eingeholt. Danach sei ein Defekt des Tag-/Nachtbriefkastens zum fraglichen Zeitpunkt nicht bekannt geworden. Die mit der Leerung des Briefkastens beauftragten Mitarbeiter des Justizwachtmeisterdienstes nutzten zur Trennung der verschiedenen Eingänge entsprechende Kunststoffbehälter, die mit ihrem Inhalt der Posteingangsstelle zur weiteren Bearbeitung übergeben werden. Sofern die Postsendung zum 3. Juni 2006 eingeworfen worden sein sollte, könne das gestempelte Eingangsdatum 04.07.2006 nur damit begründet werden, dass versehentlich die Postsendungen aus den verschiedenen Bereichen nach der Leerung am 4. Juli 2006 beim Transport zur Posteingangsstelle verrutscht oder vertauscht wurden. Im Hinblick auf die Menge der eingehenden Post sei dies nie vollständig auszuschließen, jedoch seien derartige Vorkommnisse bislang nicht bekannt geworden. Anfragen, Beschwerden oder Wiedereinsetzungsgesuche aufgrund falsch behandelter Postsendungen zum fraglichen Zeitpunkt seien nicht bekannt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das den Beteiligten bekannt gegebene Schreiben des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.01.2007 Bezug genommen.
Mit richterlicher Verfügung vom 30.11.2006 sind die Beteiligten auf eine Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG hingewiesen worden. Unter dem 18.1.2007 haben die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und ist ihnen mitgeteilt worden, dass ein Beschluss nach § 158 SGG weiter vorbehalten bleibt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts sowie auf die beim Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
II
Die Berufung des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Diese Entscheidung kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss erfolgen. Es ist nicht bewiesen, dass die Berufung fristgerecht eingelegt worden ist. Für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels trägt der Rechtsmittelführer die Beweislast.
Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Landessozialgericht einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim SG eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Das angefochtene Urteil ist am 01.06.2006 mit Empfangsbekenntnis zugestellt worden (§ 63 Abs. 2 SGG in Verbindung mit § 174 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Berufungsfrist begann somit am 02.06.2006 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG). Da das Ende der Frist am 01.07.2006 (§ 64 Abs. 2 SGG) auf einen Sonnabend fiel, war Fristablauf am nächsten Werktag, den 03.07.2006 (§ 64 Abs. 4 SGG).
Der fristgerechte Eingang der Berufung des Klägers am 03.07.2006 ist nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Berufungsschrift enthält den Eingangsstempel vom 04.07.2006 sowohl des Amtsgerichts als auch des Landessozialgerichts. Ein Eingang zu diesem Zeitpunkt wäre daher nicht fristgerecht. Die beiden Gerichte unterhalten im Eingangsbereich des gemeinsamen Gerichtsgebäudes einen gemeinsamen Tag-/Nachtbriefkasten. Die Leerung und Sortierung der eingehende Post wird vom Justizwachtmeisterdienst und der Posteingangsstelle des Amtsgerichts vorgenommen. Die an das Landessozialgericht adressierten Poststücke werden von der Posteingangsstelle des Amtsgerichts nach Anbringen des Eingangsstempels in das Austauschfach des Landessozialgerichts gelegt, wo sie nach Entnahme den Eingangsstempel des Landessozialgerichts erhalten. Unter Berücksichtigung dieses Ablaufs weisen die Eingangsstempel auf der Berufungsschrift auf einen verspäteten Eingang des Schriftsatzes am 04.07.2006 hin.
Ein Defekt der Umschaltautomatik des Tag-/Nachtbriefkastens ist für den 03./04.07.2006 nicht bekannt geworden. Gegen einen solchen Defekt spricht auch, dass in anderen Verfahren beim Amtsgericht zu diesem fraglichen Zeitpunkt keine Anfragen, Beschwerden oder Wiedereinsetzungsgesuche bekannt wurden, wie der Verwaltungsleiter des Amtsgerichts in seiner Auskunft vom 12.01.2007 angegeben hat. Ein Verrutschen oder Vertauschen des Poststückes beim Transport vom Briefkasten zur Posteingangsstelle durch den Justizwachtmeisterdienst kommt nach der amtlichen Auskunft des Verwaltungsleiters des Amtsgerichts nur als theoretische Möglichkeit in Betracht. Solche Fälle sind bislang nicht bekannt geworden, weshalb der Senat daher nicht mit der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von einem fristgerechten Eingang der Berufung und einem fehlerhaft angebrachten Eingangsstempel überzeugt ist. Wenn man von den Angaben des Klägerbevollmächtigten ausgeht, ist im vorliegenden, konkreten Fall ein Verrutschen des Umschlages aus dem Behälter mit den Eingängen des Vortages in den Behälter mit den Eingängen am Tag der Leerung oder ein Vertauschen mit Schriftstücken dieses Behälters äußerst zweifelhaft. Wurde der die Berufungsschrift enthaltende Umschlag vor der regelmäßig am Mittag erfolgenden, letzten Leerung des Briefkastens am 03.07.2006 eingeworfen, hätten die darin enthaltenen Poststücke nur den Eingangsstempel vom 03.07.2006 erhalten. Dies hat auch der Verwaltungsleiter des Amtsgerichts in seiner Auskunft bestätigt. Dass dagegen der die Berufungsschrift enthaltende Umschlag vom Prozessbevollmächtigten nach der Mittagsleerung am 03.07.2006 eingeworfen wurde und danach versehentlich der falsche Eingangsstempel vom 04.07.2006 angebracht wurde, ist nach der dargelegten Praxis der Briefkastenentleerung nicht überzeugend. Wenn um 12:45 Uhr Poststücke eingeworfen werden, gehören diese zu den Posteingängen, die kurz nach der Leerung eingeworfen werden und sich ganz unten im Briefkasten ansammeln. Wird daher bei der Leerung am nächsten Tag das jeweilige Fach geöffnet, fallen naturgemäß die im Briefkasten unten liegenden Poststücke zuerst in den untergeschobenen Kunststoffbehälter. Am oberen Rand des Kunststoffbehälters liegen somit hauptsächlich die zuletzt in den Briefkasten eingeworfenen Poststücke, bevor durch die Umschaltautomatik das andere Fach des Briefkastens angefüllt wird. Ein Verrutschen oder Vertauschen von Poststücken beim Transport der nebeneinander stehenden Kunststoffbehälter kann bei diesem Ablauf nur die über den oberen Rand des Kunststoffbehälters rutschenden Poststücke betreffen. Dass der vom Klägerbevollmächtigten nach seiner Behauptung in den noch fast leeren Briefkasten eingeworfene Umschlag auf diese Weise versehentlich zu den am Leerungstag, am 04.07.2006, eingeworfenen Poststücken gelangt sein soll, hat den Senat trotz des vom Bevollmächtigten unter anwaltlicher Versicherung geschilderten Posteinwurfs nicht überzeugt.
Der Prozessbevollmächtigte hat die Verfahren nicht genannt, in denen die im Umschlag enthaltenen anderen Schriftsätze eingereicht worden sind. In der gerichtlichen Anfrage beim Amtsgericht ist auf die fehlenden Angaben zu den anderen Verfahren hingewiesen worden, sodass Gelegenheit bestanden hat, sich auch hierzu zu äußern. Mit welchem Eingangsdatum diese anderen Schriftstücke versehen wurden, was insbesondere bei unterschiedlichen Daten der Eingangsstempel Rückschlüsse auf einen Fehler bei der Posteingangsstelle des Amtsgerichts zugelassen hätte, konnte nicht überprüft werden. Hinweise auf eine Versäumung von Fristen zu dem fraglichen Zeitpunkt in anderen vom Klägerbevollmächtigten betriebenen Verfahren sind auch dem Amtsgericht nicht bekannt.
Auch allein aus der Tatsache, dass die Berufungsschrift am 03.07.2006 bereits am frühen Morgen ausgedruckt wurde, kann nicht geschlossen werden, dass sie am gleichen Tag versandfertig gemacht und auch abgesandt bzw. in den Empfängerbriefkasten eingeworfen wurde.
Die genannten Umstände begründen somit erhebliche Zweifel des Senats am Eingang der Berufung am 03.07. 2006, die auch durch die anwaltlichen Erklärungen nicht ausgeräumt sind.
Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gem. § 67 Abs. 1 SGG, der nach § 153 Abs. 1 SGG auch für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gem. § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zuzustellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
Die Voraussetzungen einer von Amts wegen zu gewährenden Wiedereinsetzung liegen nicht vor. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht geltend gemacht worden. Das Vorbringen rechtfertigt darüber hinaus keine Wiedereinsetzung, da aus den oben genannten Gründen keine Tatsachen glaubhaft gemacht sind, aus denen sich ergibt, dass der Klägerbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Glaubhaftmachung verlangt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die geltend gemachten Umstände (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 67 Rdnr. 10d mit weiteren Hinweisen). Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten hat auf Grund der oben dargelegten Zweifel des Senats nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit eines Verschuldens des Klägerbevollmächtigten ausgeräumt (vgl. zu dieser Voraussetzung Keller a. a. O.). Das Verschulden seines Bevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen (§ 73 Abs. 4 Satz 1 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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