L 12 U 5369/06 KO-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 5369/06 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart war die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung streitig. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers war am 16.4.2003 mit einer unbedingten Vollmacht zur Prozessführung mandatiert und später im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Nach Sachaufklärung durch Einholung mehrerer Gutachten gab das SG der Klage durch Urteil vom 12.10.2005 teilweise statt und wies sie im übrigen zurück.

Mit Schreiben vom 12.10.2005 legte der Beschwerdeführer eine Kostenrechnung über 788,80 Euro, ausgehend von der Höchstgebühr nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO von 660 EUR, vor. Die Beschwerdegegnerin war lediglich bereit, eine von einer um 30% erhöhten Mittelgebühr ausgehende Berechnung zu akzeptieren. Der Kostenbeamte setzte durch Beschluss vom 19.1.2006 die Prozesskostenhilfevergütung auf 609 EUR, ausgehend von einer "hohen Gebühr" von 505 EUR, fest.

Der Beschwerdeführer bat mit Schreiben vom 14.3.2006 um Auszahlung der Differenz zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Betrag. Der Kostenbeamte hat dieser Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem SG zur Entscheidung vorgelegt. Das SG hat die Erinnerung durch Beschluss vom 15.8.2006 zurückgewiesen. Die gem. § 197 Abs. 1 SGG erfolgte Kostenfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Der Ansatz der Höchstgebühr entspreche nicht der Billigkeit. Diese Entscheidung sei nach § 197 Abs. 2 SGG unanfechtbar.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 29.8.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG mit Beschluss vom 20.10.2006 nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde ist damit begründet worden, sie sei nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig und im übrigen auch begründet. Es sei der Höchstwert der Rahmengebühr anzusetzen, weil es sich für den Beschwerdeführer um eine Rechtssache von überragender Bedeutung gehandelt habe, weil eine Vielzahl medizinischer Gutachten zu erörtern gewesen sei und weil die Korrespondenz und alle Gespräche in griechischer Sprache hätten geführt werden müssen.

Die Beschwerdegegnerin tritt der Beschwerde entgegen.

II.

Die Beschwerde ist nicht zulässig und damit zu verwerfen.

Zwar ist die Beschwerde nicht, wie das SG im angefochtenen Beschluss gemeint hat, nach § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich vorliegend um ein allgemeines Verfahren zur Festsetzung der anwaltlichen Vergütung handeln würde. Insoweit verweist § 11 Abs. 3 RVG auf die sozialgerichtlichen Vorschriften des Kostenfestsetzungsverfahrens. Hier geht es jedoch um das besondere Verfahren der Festsetzung der Vergütung des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts. Hierfür sieht das RVG in § 55 ein besonderes Festsetzungsverfahren und in § 56 besondere Regeln über Erinnerung und Beschwerde vor. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG gilt im Verfahren über die Erinnerung § 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Abs. 3 bis 8 entsprechend. Zum hier einschlägigen letztgenannten Fall bestimmt § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, dass gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt werden kann, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt.

Dies ist hier nicht der Fall. Das SG hat im angefochtenen Beschluss die Prozesskostenhilfevergütung auf 609 EUR festgesetzt. Der Beschwerdeführer begehrt insgesamt 788,80 EUR, die Differenz beträgt weniger als 200 EUR. Die Beschwerde ist daher nicht zulässig. Das SG hat die Beschwerde auch nicht zugelassen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG), auch nicht im Abhilfeverfahren.

Der vom Beschwerdeführer genannte § 128 Abs. 4 BRAGO, wonach die Beschwerde zulässig ist, wenn der Gegenstandswert 50 EUR übersteigt, kommt hier nicht zur Anwendung. Die BRAGO ist zum 1.7.2004 durch das RVG abgelöst worden. Als (allgemeine) Übergangsvorschrift bestimmt § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, dass die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Nach Satz 2 der genannten Rechtsnormen ist, wenn der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben Angelegenheit und in demselben Rechtszug bereits tätig ist, die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen. Nach dieser Übergangsvorschrift ist zwar, nachdem die Auftragserteilung an den Bevollmächtigten hier im Jahr 2003 erfolgte, noch grundsätzlich altes Recht anzuwenden. Allerdings regelt diese Übergangsvorschrift, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, die Berechnung der Vergütung bei einer Änderung des RVG, ist also auf Vergütungtatbestände zugeschnitten. Von der Vorschrift nicht betroffen sind Verfahrensregelungen wie beispielsweise die für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG. Es gelten als stets die Verfahrensvorschriften der jeweils geltenden Fassung des RVG unabhängig davon, nach welchem Recht sich die Vergütung richtet (Hartung/Römermann/Schons, RVG-Kommentar, 2. Aufl., Rdnr. 89 zu § 60 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz der Anwendung geltenden (neuen) Verfahrensrechts auch auf Altfälle.

Nun enthält zwar die Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens des RVG in § 61 Abs. 1 Satz 1 die Regelung, die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der zuletzt geltenden Fassung und Verweisungen hierauf seien weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 1.7.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Diese Vorschrift ist jedoch aus systematischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen, dass lediglich die vergütungsrechtlichen Regelungen der BRAGO weitergelten, nicht dagegen die verfahrensrechtlichen. Dies ergibt sich bereits aus dem oben genannten allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass grundsätzlich aktuell geltendes Verfahrensrechts anzuwenden ist. Zum anderen ergibt sich dies auch daraus, dass die Regelung gleich ausgestaltet ist wie die Übergangsregelung bei Änderungen des RVG in § 60. In der Literatur (aaO Rdnr. 4 zu § 61) wird gar die Frage gestellt, ob es neben der Dauerübergangsregelung des § 60 RVG überhaupt einer besonderen Vorschrift zum Übergang von der BRAGO zum RVG bedurft hätte. Fast alle Probleme, die sich bei Änderungen des RVG ergäben, stellten sich auch beim Übergang von der BRAGO zum RVG in gleicher Weise. Deshalb könne auf die Kommentierung zu § 60 RVG verwiesen werden.

Auch die BRAGO selbst enthielt in § 134 Abs. 1 Satz 1 eine Übergangsvorschrift für den Fall der Rechtsänderung. Danach war die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordneten worden war. Die BRAGO selbst enthielt also auch den Grundsatz, dass die Anwendung früheren Rechts auf die Vergütungsberechnung beschränkt war, verfahrensrechtlich war auch danach neues, also geltendes Recht anzuwenden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese unter der BRAGO und unter dem RVG identisch geltende Übergangsregelung nicht auch beim Übergang von der BRAGO zum RVG gelten soll.

Es hat demnach dabei zu verbleiben, dass hier nicht § 128 Abs. 4 BRAGO anzuwenden ist, sondern §§ 56 Abs. 1, 33 Abs. 3 RVG. Dies hat zur Folge, dass die Beschwerde, weil der Beschwerdewert von 200 EUR nicht erreicht wird, unzulässig ist. Sie ist deshalb zu verwerfen.

Eine Kostenentscheidung ist hier nicht zu treffen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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