S 16 (18) U 32/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (18) U 32/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 36/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 25.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2004 verurteilt, den Innenmeniskusriss links sowie die Verschmächtigung der linken Unter- schenkelmuskulatur als Folgen des Unfalls vom 23.09.2003 festzustellen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung von Unfallfolgen. Der 1950 geborene Kläger erlitt am 23.09.2002 einen Arbeitsunfall als er beim Aussteigen aus der Regionalbahn zwischen Trittbrett und Bahnsteinkante geriet und mit dem eingeklemmten linken Bein hinfiel. Der Kläger arbeitete in seinem Beruf als Redakteur bis zum 19.11. weiter. Zuvor hatte er am 13.10 ...2002 wegen der Unfallfolgen den Chirurgen C aufgesucht, der in seinem Durchgangsarztbericht vom 28.10.2002 äußerte, der Kläger habe auf dem Weg zur Arbeit beim Aussteigen aus einem Einbahnwaggon eine Stufe verfehlt, sich zwischen Bahnsteig und Trittbrett verkeilt und hierbei heftig das linke Kniegelenk verdreht. Sofort seien Schmerzen im Bereich des innenseitigen Kniegelenks aufgetreten. In der Folgezeit sei es zu einer kontinuierlichen Zunahme der Beschwerden mit Ausbildung einer Beugehemmung gekommen. Ein Kniegelenkserguss habe - so der Kläger - vorübergehend bestanden. Bei der Untersuchung am 23.10.2002 sei einen innenseitige Bandinstabilität festgestellt worden. Die Beugung sei bis 30 Grad schmerzfrei möglich gewesen. Es sei von einer Kniegelenksdistorsion mit traumatischer Innenmeniskusläsion und Innenbandlockerung des linken Kniegelenks auszugehen. Auf eigenen Wunsch sei der Kläger nicht arbeitsunfähig geschrieben worden. Eine Atroskopie des linken Kniegelenks am 20.11.2002 ergab degenerative Veränderungen des Innenmeniskus sowie einen Innenmeniskusriss. Der Innenmeniskus wurde teilresistiert. Die histologische Untersuchung von Anteilen des entfernten Meniskusgewebes zeigte regressiv-degenerative Veränderungen bei vorausgegangener, traumatischer Läsion. Wegen anhaltender Schmerzen wurde am 13.12.2002 eine kernspintomographische Untersuchung des linken Kniegelenks veranlasst. Bei dieser Untersuchung wurde ein Innenmeniskusrestriss links festgestellt. Daraufhin wurde am 23.12.2002 erneut eine arthroskopische Innenmeniskushinterhornresektion durchgeführt. Zur Feststellung der Unfallfolgen hörte die Beklagte T1, der die Auffassung vertrat, bei dem Unfall vom 23.09.2002 sei es lediglich zu einer Distorsion des linken Kniegelenks gekommen. Der Innenmeniskusriss des Klägers sei Folge einer Innenmeniskussdegeneration des linken Kniegelenks und damit eine unfallunabhängige Gesundheitsstörung. Auf dieser medizinischen Grundlage erkannte die Beklagte den Unfall vom 23.09.2002 als Arbeitsunfall an, lehnte aber einen Anspruch auf Verletztengeld und Rente ab (Bescheid vom 25.09.2003). Auf den Widerspruch des Klägers hin holte die Beklagte ein pathologisches Gutachten von B-L1 ein. Der zu den am 20.11.2002 entfernten Meniskusanteilen, die eine Größe zwischen ein bis sieben Millimeter hatten, äußerte, die vorliegenden, histomorphologisch nachweisbaren Veränderungen seien zeitlich mit den zurückliegenden Unfallgeschehen am 23.09.2002 in Einklang zu bringen und könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit als dessen Folge angesehen werden. Ferner holte die Beklagte ein fachchirurgisches Gutachten von den L2 und T2 ein, die zu dem Ergebnis kamen, die Innenmeniskushinterhornruptur des linken Kniegelenks sei auf den Unfall vom 23.09.2002 zurückzuführen. Nach dem der Beratungsarzt der Beklagten diese Zusammenhangsbeurteilung angezweifelt hatte, holte die Beklagte weiteres fachchirurgisches Gutachten, diesmal nach Aktenlage ein. Unter dem 26.04.2004 verneinte der Chirurg N-D einen wesentlichen Zusammenhang des Innenmeniskusschadens mit dem Unfall vom 23.09.2002. Zur Begründung führte er aus, ein isolierter Innenmeniskusschaden scheide als Unfallfolge aus. Darüber hinaus sei die pathologische Zusammenhangsbeurteilung wenig plausibel. Die Widerspruchsstelle bei der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.05.2004). Mit seiner am 23.06.2004 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe sich damals beruflich Ausfallzeiten nicht leisten können und deshalb zunächst auf Arztbesuch und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verzichtet. Er habe versucht sich durch konservative Maßnahme in Form von elastischen Binden, Kühlung und Hochlagern des Beines zu behelfen. Bis zum 23.10.2002, als er erstmalig den Durchgangsarzt aufgesucht habe, habe er versucht irgendwie zurecht zu kommen, indem er zur Erholung Feiertage, Brückentage und Urlaubstage eingesetzt habe und sich von Tochter oder Kollegen zur Arbeit bzw. nach Hause haben fahren lassen. Seine Arbeit habe er im Wesentlichen bei Hochlagern des linken Beines bewältigen können. Zwischenzeitlich seien die Beschwerden allerdings so stark geworden, so dass er nur noch den Ausweg über ärztliche Behandlung gesehen habe. Zur Stützung seines Vorbringens hat der Kläger ein von dem Arzt für Chirurgie H1 für die H2 Versicherungs-AG erstattetes Gutachten vorgelegt. In diesem Gutachten heißt es u. a. zwar hätten beim Kläger degenerative Meniskusveränderungen vorgelegen, so dass eine erhöhte Rissbereitschaft bestanden hätte. Dennoch müsse hier bei nicht unerheblicher Gewalteinwirkung dem Unfall die weitaus größere Bedeutung für die Entstehung des Innenmeniskusrisses zugeordnet werden. Eine gewisse Mitwirkung der degenerativen Veränderung an der Entstehung des Innenmeniskusrisses ließe sich zwar nicht gänzlich verneinen, ein für die Invaliditätsentschädigung relevanter Mitwirkungsfaktor von mindestens 25 % ließe sich hier aber insbesondere unter Berücksichtigung der völlig unauffälligen Vorgeschichte und bei fehlender vorbestehender klinischer Symptomatik bzw. bei fehlendem nachweisbaren Krankheitswert der vorbestehenden degenerativen Veränderungen keinesfalls beweisen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, fest- zustellen, dass der Innenmeniskusriss links sowie die Muskelverschmächtigung rechts Folgen des Unfall vom 23.09.2002 sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Feststellung der Unfallfolgen orthopädischerseits T3 gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 25.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2004 ist rechtswidrig soweit der Innenmeniskusriss des linken Kniegelenks als unfallunabhängig beschrieben wird. Mit dieser Auffassung schließt sich die Kammer den Zusammenhangsbeurteilungen der T3, H1, L2, T2 und B-L1 an. Zwar sind T1 und der Chirurg N-D gegenteiliger Ansicht. Sie haben den Innenmeniskusriss links als degenerativen Schaden aufgefasst. Ihre Auffassung vermag die Kammer jedoch nicht zu überzeugen: Das Unfallgeschehen am 23.09.2002 ist geeignet gewesen einen Riss des Innenmeniskus zu verursachen. T3 hat darauf hingewiesen, dass vom Ablauf her unter Berücksichtigung der Fallrichtung des Klägers bei festgestelltem Fuß von einer Rotation im Kniegelenk auszugehen ist. Darüber hinaus ist bei der durchgangsärztlichen Untersuchung am 23.10.2002 auch eine gelockerte Innenbandführung links festgestellt worden. Von einer isolierten Innenmeniskusschädigung kann deshalb nicht die Rede sein. Darüber hinaus hat die histologische Untersuchung der am 20.11.20002 operativ entfernten Gewebsreste Veränderungen ergeben, wie sie zum Zeitpunkt der Probeentnahme (7 Wochen nach dem Unfall) bei einer frischen Schädigung des Meniskus zu erwarten gewesen sind. Da ferner keine Veränderungen erkennbar gewesen sind, die auf eine gravierende Vorschädigung hingedeutet haben, ist pathologischerseits ein Unfallzusammenhang bejaht worden. Zwar ist im Hinblick auf das Alter des Klägers von einer vorbestehenden Degeneration des Meniskusgewebes auszugehen. Da diese Veränderungen jedoch bis zum Unfallzeitpunkt klinisch stumm geblieben sind, sind sie als leichtgradig zu klassifizieren. Mit dem Sachverständigen geht die Kammer deshalb davon aus, dass das Unfallgeschehen in seiner ursächlichen Bedeutung neben den degenerativen Meniskusveränderungen als wesentlich angesehen werden muss. In dieser Auffassung wird die Kammer auch durch die Darlegungen des Chirurgen H1 bestätigt, der den degenerativen Veränderungen an der Entstehung des Innenmeniskusrisses keine ursächliche Bedeutung von mindestens 25 % beimisst. Auch dieser Auffassung nach ist unter Berücksichtigung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Ursachenbegriffs von einer wesentlichen Bedeutung des Unfallgeschehens für den Meniskusriss auszugehen. Auffällig ist zwar, dass der Kläger erst ca. 1 Monat nach dem Unfallgeschehen einen Arzt aufgesucht hat. Dies hat der Kläger aber plausibel erklärt. Die Kammer hält seine Angaben für glaubhaft, zumal es in dem Durchgangsarztbericht heißt, auf eigenen Wunsch werde der Kläger nicht arbeitsunfähig geschrieben. Vor diesem Hintergrund hat es die Kammer nicht als bewiesen angesehen, dass das Unfallgeschehen in seiner ursächlichen Bedeutung für den Meniskusriss mit einem alltäglichen Ereignis austauschbar ist. Der Innenmeniskusriss und die daraus folgende Muskelschwäche sind daher als Unfallfolgen festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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