Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 684/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 1717/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unterhalt i.S. des § 6 Abs. 2 KfzHV wird jedenfalls dann geleistet, wenn der Unterhaltsbeitrag mindestens 25 v. H. des Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Kosten der Unterkunft beträgt.
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere 388,80 EUR als Kraftfahrzeughilfe für die Zeit vom 22. März 2004 bis 31. Mai 2004 zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Kraftfahrzeughilfe (KfzH).
Die Beklagte bewilligte dem 1958 geborenen Kläger durch Bescheid vom 25. Februar 2004 – bestätigt durch Widerspuchsbescheid vom 24. Juni 2004 – KfzH zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in Form eines Zuschusses zu den Kosten für die Beförderung durch ein Taxiunternehmen von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück in Höhe von 76 v. H. der Kosten vorerst bis zum 30. Juni 2004. Der Vom-Hundert-Satz der KfzH richtet sich gemäß § 6 KfzH-Verordnung (KfzHV) nach der Höhe des Nettoeinkommens und der Zahl der vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen. Die Beklagte legte der Berechnung zugrunde, dass der Kläger nur zwei Familienangehörige, nämlich seine beiden Kinder, unterhalte, nicht aber seine Ehefrau. Zwar errechnete sie bei einem Nettoeinkommen der Ehefrau von 607,99 EUR und einem Unterhaltsbedarfsbetrag von 723,80 EUR eine Bedarfslücke von 115,81 EUR, die in entsprechender Höhe vom Kläger geschlossen werde. Sie ging jedoch davon aus, dass ein Unterhaltsbetrag von wirtschaftlicher Bedeutung vom behinderten Menschen nur dann geleistet werde, wenn er mindestens ein Viertel des Unterhaltsbedarfs – hier 180,95 EUR (= 723,80 EUR geteilt durch 4) des Familienangehörigen betrage. Dem entsprechend setzte sie vom Nettoeinkommen des Klägers von 1.742,94 EUR den in § 6 Abs. 2 KfzHV für unterhaltene Familienangehörige bestimmten pauschalen Unterhaltsbetrag von seinerzeit je 290 EUR (12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch [SGB] IV) nur zweimal (= 580 EUR) ab, so dass sie auf ein maßgebliches Einkommen von 1.162,94 EUR kam. Dieser Betrag lag unter 50 v. H. – aber über 45 v. H. - der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV von seinerzeit 2.380 EUR. Dem entspricht nach der Tabelle des § 6 Abs. 1 KfzHV ein Zuschuss von 76 v. H.
Mit der dagegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam machte der Kläger geltend, die einschränkende Verwaltungspraxis der Beklagten widerspreche dem Gesetz. Nach § 6 Abs. 2 KfzHV sei vom Einkommen für jeden vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abzusetzen, in seinem Falle also auch für seine Ehefrau, an die er ebenfalls Unterhalt leiste. Folglich sei sein Nettoeinkommen nicht nur um zweimal 290 EUR, sondern um dreimal 290 EUR, also um 870 EUR (statt nur um 580 EUR) zu kürzen. Dann verbleibe ein monatliches Nettoein-kommen von 872,94 EUR (= 1.742,94 EUR minus 870 EUR). Dieses liege unter 45 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Nach der Tabelle des § 6 Abs. 1 der KfzHV stehe ihm daher ein Zuschuss in Höhe von 88 v. H. der Beförderungskosten zu. Die Beklagte könne ihre dem widersprechende Verwaltungspraxis nicht – wie sie es nunmehr tue – damit rechtfertigen, dass sie sich mit ihr an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] zu § 42 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG] anlehne. Denn nach dieser Rechtsprechung müsse ein Betrag, um als Unterhalt (im Sinne des § 1265 RVO [= § 42 AVG]) angesehen werden zu können, wenigstens 25 v. H. des zeitlich und örtlich maßgeblichen Regelsatzes der Sozialhilfe – ohne Aufwendungen für Unterkunft – betragen, nicht aber 25 v. H. des Unterhaltsbedarfs. Der seiner Ehefrau aus seinem Einkommen zufließende Unterhalt liege aber über 25 v. H. des Regelsatzes nach § 22 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung habe dieser für einen volljährigen Haushaltsangehörigen im Land Brandenburg 226 EUR betragen (Bekanntmachung des MASG vom 17. Juni 2003, ABl. für Brandenburg Nr. 27 S. 658). 25 v. H. seien demnach 56,50 EUR.
Das SG wies die Klage durch Urteil vom 20. September 2005 ab. Es sah keinen Grund, die Feststellung der Höhe der KfzH durch die Beklagte zu beanstanden.
Mit der vom SG zugelassenen Berufung hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung fest. Der gegenteilige Standpunkt der Beklagten lasse sich mit dem Text der Vorschrift des § 6 Abs. 2 KfzHV nicht in Übereinstimmung bringen. Die Regelung schreibe zwingend vor, dass ein Freibetrag für jede Person anzusetzen sei, die der behinderte Mensch aus seinem Einkommen unterhalte. Wegen einer Änderung der finanziellen Verhältnisse in seiner Familie sei mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 rückwirkend eine gesonderte Entscheidung bezüglich des Zeitraums vom 1. Juni 2004 bis 30. Juni 2004 erfolgt. Diese Entscheidung werde von ihm nicht angegriffen. Streitgegenständlich sei demnach die Höhe des gewährten Zuschusses zu den Beförderungskosten für den Zeitraum vom 22. März 2004 (Leistungsbeginn) bis zum 31. Mai 2004. Für diesen Zeitraum seien ihm 388,80 EUR zu wenig gezahlt worden, weil die Beklagte den Zuschuss nicht auf der Grundlage von 88 v. H. sondern nur von 76 v. H. der Beförderungskosten gezahlt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 25. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 388,80 EUR als Kraftfahrzeughilfe für die Zeit vom 22. März 2004 bis 31. Mai 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der geltend gemachte Mehrbetrag ist zwischen den Beteiligten berechnungsmäßig unstreitig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG – S 17 RJ 684/04 -) und der Rehabilitationsakten der Beklagten () verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Die Beklagte hat dem Kläger für den streitigen Zeitraum KfzH nach § 9 KfzH bewilligt. Danach steht fest, dass ihm für diesen Zeitraum KfzH zusteht. Art und Höhe der Förderung ergeben sich auch im Rahmen des § 9 KfzHV grundsätzlich aus § 6 KfzHV, wonach die Hilfe in der Regel als Zuschuss geleistet wird (Abs. 1 Satz 1) und dieser sich nach näherer Maßgabe der Tabelle seines Abs. 1 Satz 2 einkommensabhängig nach einem Vom-Hundert-Satz des Bemessungsbetrages nach § 5 KfzHV (tatsächliche Kosten, begrenzt auf einen Höchstbetrag von 9.500 EUR) bemisst. Für die Ermittlung des zugrunde zu legenden Nettoeinkommens (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 KfzHV) schreibt § 6 KfzHV vor, dass vom Einkommen des behinderten Menschen für jeden von ihm unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abzusetzen ist. Auch von dieser Vorschrift kann zwar im Rahmen des § 9 KfzHV zur Vermeidung besonderer Härten eine Ausnahme gemacht werden, jedoch nur zugunsten des behinderten Menschen. Von der in § 6 KfzHV vorgesehenen Eigenbeteiligung kann danach aus Härtegründen weitergehend oder ganz abgesehen werden. Die in § 6 KfzHV enthaltenen Regeln für die Bestimmung des Einkommens bzw. die Höhe des Zuschusses dürfen aber nicht unterschritten werden. Wenn § 6 Abs. 2 KfzHV für die Höhe der vom Einkommen abzusetzenden Beträge auf die Zahl der vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen abstellt, also darauf, an wie viele Familienangehörige er Unterhalt leistet, so handelt es sich beim Begriff "Unterhalt" im Sinne dieser Vorschrift um einen bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Gesetzesbegriff, der einer Konkretisierung durch die Leistungsverwaltung im Rahmen eines Beurteilungsspielraums oder gar im Wege der Ermessensausübung entzogen ist.
Von Unterhalt - auch im Sinne des § 6 Abs. 2 KfzHV – wird jedenfalls dann zu sprechen sein, wenn die Zuwendungen des behinderten Menschen wirtschaftlich ins Gewicht fallen, wenn sie mehr als nur einen geringfügigen Teil des Unterhalts des Familienangehörigen ausmachen und wenn sie dessen Lebensführung merklich verbessern. Diese Kriterien erfüllt nach der Rechtsprechung des BSG zu § 1265 RVO (= § 42 AVG) – Urteil vom 12. Mai 1982 – 5 b /5 RJ 30/80 – (= BSGE 53, 256, 259) – grundsätzlich bereits eine Unterhaltsleistung in Höhe von mindestens 25 v. H. des Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Kosten der Unterkunft. Zwar ist diese Rechtsprechung speziell zum Unterhaltsbegriff im Sinne des § 1265 RVO (jetzt § 243 SGB VI) ergangen und im Rahmen dieser Vorschrift besonders die Unterhaltsersatzfunktion der Geschiedenenwitwenrente zu berücksichtigen. Gleichwohl kommt dieser Rechtsprechung über das Geschiedenenwitwenrentenrecht hinaus Bedeutung zu. Es fehlt an jedem Anhalt für die Annahme, eine Unterhaltsleistung im Sinne des § 6 KfzHV läge selbst dann noch nicht vor, wenn die vorgenannten Kriterien erfüllt sind (so auch Niesel in KassKomm SGB VI § 16 Anh 1 Rz 21). Die Auffassung der Beklagten, erst ein Betrag von mindestens 25 v. H. des errechneten Unterhaltsbedarfs – hier 180, 95 EUR - erfülle die Voraussetzungen eines Unterhaltsbeitrages von wirtschaftlicher Bedeutung, steht danach im Widerspruch zur BSG-Rechtsprechung zur Frage, wann eine Unterhaltsleistung wirtschaftlich ins Gewicht fällt und ihr unterhaltswerte Bedeutung zukommt.
Im vorliegenden Fall betrug der von der Beklagten festgestellte Zuschuss des Klägers zum Unterhalt seiner Ehefrau sogar das Doppelte des Betrages, der nach der BSG-Rechtsprechung für einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Unterhalt ausreicht. Diese Feststellung ist unbestritten. Sie unterliegt auch keinen Bedenken.
Danach war der in § 6 Abs. 2 KfzHV vorgesehene Pauschalbetrag vom Einkommen des Klägers dreimal abzusetzen und musste die Berufung Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Kraftfahrzeughilfe (KfzH).
Die Beklagte bewilligte dem 1958 geborenen Kläger durch Bescheid vom 25. Februar 2004 – bestätigt durch Widerspuchsbescheid vom 24. Juni 2004 – KfzH zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in Form eines Zuschusses zu den Kosten für die Beförderung durch ein Taxiunternehmen von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück in Höhe von 76 v. H. der Kosten vorerst bis zum 30. Juni 2004. Der Vom-Hundert-Satz der KfzH richtet sich gemäß § 6 KfzH-Verordnung (KfzHV) nach der Höhe des Nettoeinkommens und der Zahl der vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen. Die Beklagte legte der Berechnung zugrunde, dass der Kläger nur zwei Familienangehörige, nämlich seine beiden Kinder, unterhalte, nicht aber seine Ehefrau. Zwar errechnete sie bei einem Nettoeinkommen der Ehefrau von 607,99 EUR und einem Unterhaltsbedarfsbetrag von 723,80 EUR eine Bedarfslücke von 115,81 EUR, die in entsprechender Höhe vom Kläger geschlossen werde. Sie ging jedoch davon aus, dass ein Unterhaltsbetrag von wirtschaftlicher Bedeutung vom behinderten Menschen nur dann geleistet werde, wenn er mindestens ein Viertel des Unterhaltsbedarfs – hier 180,95 EUR (= 723,80 EUR geteilt durch 4) des Familienangehörigen betrage. Dem entsprechend setzte sie vom Nettoeinkommen des Klägers von 1.742,94 EUR den in § 6 Abs. 2 KfzHV für unterhaltene Familienangehörige bestimmten pauschalen Unterhaltsbetrag von seinerzeit je 290 EUR (12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch [SGB] IV) nur zweimal (= 580 EUR) ab, so dass sie auf ein maßgebliches Einkommen von 1.162,94 EUR kam. Dieser Betrag lag unter 50 v. H. – aber über 45 v. H. - der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV von seinerzeit 2.380 EUR. Dem entspricht nach der Tabelle des § 6 Abs. 1 KfzHV ein Zuschuss von 76 v. H.
Mit der dagegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam machte der Kläger geltend, die einschränkende Verwaltungspraxis der Beklagten widerspreche dem Gesetz. Nach § 6 Abs. 2 KfzHV sei vom Einkommen für jeden vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abzusetzen, in seinem Falle also auch für seine Ehefrau, an die er ebenfalls Unterhalt leiste. Folglich sei sein Nettoeinkommen nicht nur um zweimal 290 EUR, sondern um dreimal 290 EUR, also um 870 EUR (statt nur um 580 EUR) zu kürzen. Dann verbleibe ein monatliches Nettoein-kommen von 872,94 EUR (= 1.742,94 EUR minus 870 EUR). Dieses liege unter 45 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Nach der Tabelle des § 6 Abs. 1 der KfzHV stehe ihm daher ein Zuschuss in Höhe von 88 v. H. der Beförderungskosten zu. Die Beklagte könne ihre dem widersprechende Verwaltungspraxis nicht – wie sie es nunmehr tue – damit rechtfertigen, dass sie sich mit ihr an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] zu § 42 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG] anlehne. Denn nach dieser Rechtsprechung müsse ein Betrag, um als Unterhalt (im Sinne des § 1265 RVO [= § 42 AVG]) angesehen werden zu können, wenigstens 25 v. H. des zeitlich und örtlich maßgeblichen Regelsatzes der Sozialhilfe – ohne Aufwendungen für Unterkunft – betragen, nicht aber 25 v. H. des Unterhaltsbedarfs. Der seiner Ehefrau aus seinem Einkommen zufließende Unterhalt liege aber über 25 v. H. des Regelsatzes nach § 22 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung habe dieser für einen volljährigen Haushaltsangehörigen im Land Brandenburg 226 EUR betragen (Bekanntmachung des MASG vom 17. Juni 2003, ABl. für Brandenburg Nr. 27 S. 658). 25 v. H. seien demnach 56,50 EUR.
Das SG wies die Klage durch Urteil vom 20. September 2005 ab. Es sah keinen Grund, die Feststellung der Höhe der KfzH durch die Beklagte zu beanstanden.
Mit der vom SG zugelassenen Berufung hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung fest. Der gegenteilige Standpunkt der Beklagten lasse sich mit dem Text der Vorschrift des § 6 Abs. 2 KfzHV nicht in Übereinstimmung bringen. Die Regelung schreibe zwingend vor, dass ein Freibetrag für jede Person anzusetzen sei, die der behinderte Mensch aus seinem Einkommen unterhalte. Wegen einer Änderung der finanziellen Verhältnisse in seiner Familie sei mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 rückwirkend eine gesonderte Entscheidung bezüglich des Zeitraums vom 1. Juni 2004 bis 30. Juni 2004 erfolgt. Diese Entscheidung werde von ihm nicht angegriffen. Streitgegenständlich sei demnach die Höhe des gewährten Zuschusses zu den Beförderungskosten für den Zeitraum vom 22. März 2004 (Leistungsbeginn) bis zum 31. Mai 2004. Für diesen Zeitraum seien ihm 388,80 EUR zu wenig gezahlt worden, weil die Beklagte den Zuschuss nicht auf der Grundlage von 88 v. H. sondern nur von 76 v. H. der Beförderungskosten gezahlt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. September 2005 aufzuheben sowie den Bescheid vom 25. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 388,80 EUR als Kraftfahrzeughilfe für die Zeit vom 22. März 2004 bis 31. Mai 2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der geltend gemachte Mehrbetrag ist zwischen den Beteiligten berechnungsmäßig unstreitig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG – S 17 RJ 684/04 -) und der Rehabilitationsakten der Beklagten () verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Die Beklagte hat dem Kläger für den streitigen Zeitraum KfzH nach § 9 KfzH bewilligt. Danach steht fest, dass ihm für diesen Zeitraum KfzH zusteht. Art und Höhe der Förderung ergeben sich auch im Rahmen des § 9 KfzHV grundsätzlich aus § 6 KfzHV, wonach die Hilfe in der Regel als Zuschuss geleistet wird (Abs. 1 Satz 1) und dieser sich nach näherer Maßgabe der Tabelle seines Abs. 1 Satz 2 einkommensabhängig nach einem Vom-Hundert-Satz des Bemessungsbetrages nach § 5 KfzHV (tatsächliche Kosten, begrenzt auf einen Höchstbetrag von 9.500 EUR) bemisst. Für die Ermittlung des zugrunde zu legenden Nettoeinkommens (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 KfzHV) schreibt § 6 KfzHV vor, dass vom Einkommen des behinderten Menschen für jeden von ihm unterhaltenen Familienangehörigen ein Betrag von 12 v. H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abzusetzen ist. Auch von dieser Vorschrift kann zwar im Rahmen des § 9 KfzHV zur Vermeidung besonderer Härten eine Ausnahme gemacht werden, jedoch nur zugunsten des behinderten Menschen. Von der in § 6 KfzHV vorgesehenen Eigenbeteiligung kann danach aus Härtegründen weitergehend oder ganz abgesehen werden. Die in § 6 KfzHV enthaltenen Regeln für die Bestimmung des Einkommens bzw. die Höhe des Zuschusses dürfen aber nicht unterschritten werden. Wenn § 6 Abs. 2 KfzHV für die Höhe der vom Einkommen abzusetzenden Beträge auf die Zahl der vom behinderten Menschen unterhaltenen Familienangehörigen abstellt, also darauf, an wie viele Familienangehörige er Unterhalt leistet, so handelt es sich beim Begriff "Unterhalt" im Sinne dieser Vorschrift um einen bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Gesetzesbegriff, der einer Konkretisierung durch die Leistungsverwaltung im Rahmen eines Beurteilungsspielraums oder gar im Wege der Ermessensausübung entzogen ist.
Von Unterhalt - auch im Sinne des § 6 Abs. 2 KfzHV – wird jedenfalls dann zu sprechen sein, wenn die Zuwendungen des behinderten Menschen wirtschaftlich ins Gewicht fallen, wenn sie mehr als nur einen geringfügigen Teil des Unterhalts des Familienangehörigen ausmachen und wenn sie dessen Lebensführung merklich verbessern. Diese Kriterien erfüllt nach der Rechtsprechung des BSG zu § 1265 RVO (= § 42 AVG) – Urteil vom 12. Mai 1982 – 5 b /5 RJ 30/80 – (= BSGE 53, 256, 259) – grundsätzlich bereits eine Unterhaltsleistung in Höhe von mindestens 25 v. H. des Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Kosten der Unterkunft. Zwar ist diese Rechtsprechung speziell zum Unterhaltsbegriff im Sinne des § 1265 RVO (jetzt § 243 SGB VI) ergangen und im Rahmen dieser Vorschrift besonders die Unterhaltsersatzfunktion der Geschiedenenwitwenrente zu berücksichtigen. Gleichwohl kommt dieser Rechtsprechung über das Geschiedenenwitwenrentenrecht hinaus Bedeutung zu. Es fehlt an jedem Anhalt für die Annahme, eine Unterhaltsleistung im Sinne des § 6 KfzHV läge selbst dann noch nicht vor, wenn die vorgenannten Kriterien erfüllt sind (so auch Niesel in KassKomm SGB VI § 16 Anh 1 Rz 21). Die Auffassung der Beklagten, erst ein Betrag von mindestens 25 v. H. des errechneten Unterhaltsbedarfs – hier 180, 95 EUR - erfülle die Voraussetzungen eines Unterhaltsbeitrages von wirtschaftlicher Bedeutung, steht danach im Widerspruch zur BSG-Rechtsprechung zur Frage, wann eine Unterhaltsleistung wirtschaftlich ins Gewicht fällt und ihr unterhaltswerte Bedeutung zukommt.
Im vorliegenden Fall betrug der von der Beklagten festgestellte Zuschuss des Klägers zum Unterhalt seiner Ehefrau sogar das Doppelte des Betrages, der nach der BSG-Rechtsprechung für einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Unterhalt ausreicht. Diese Feststellung ist unbestritten. Sie unterliegt auch keinen Bedenken.
Danach war der in § 6 Abs. 2 KfzHV vorgesehene Pauschalbetrag vom Einkommen des Klägers dreimal abzusetzen und musste die Berufung Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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