L 10 R 1780/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4163/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1780/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für den Aufhebungszeitraum Geltung beanspruch - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt.
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Neufeststellung der Rente des Klägers sowie die Rückforderung einer Überzahlung von 2.190,30 EUR.

Die am 1976 geschlossene Ehe des am 1935 geborenen, bei der Beklagten rentenversicherten Klägers wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 9. Dezember 1994 (5 F 1520/93) geschieden. Das Urteil sah u. a. vor, dass vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten (damals noch Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 690,60 DM bezogen auf das Ehezeit¬ende am 31. August 1993 auf das Versicherungskonto seiner geschiedenen Ehefrau übertragen werden.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Juni 1995. Hierbei wurde ein aus den übertragenen Rentenanwartschaften errechneter Abschlag von 15,5226 Entgeltpunkten (EP) berücksichtigt. Auf den Antrag des Klägers sah die Beklagte unter jeweiliger Neuberechnung der Rente ab 1. Juni bzw. 1. November 1995 mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 bzw. 3. März 1997 für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 31. Mai 1996 auf Grund § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) von einer Kürzung ab, ab dem 1. Juni 1996 nahm sie den Abschlag wieder vor. Auf weiteren Antrag des Klägers vom 8. Oktober 1998 berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 1998 die Rente des Klägers ab 1. April 1998 neu und sah dabei erneut von der Kürzung ab. Gleiches geschah im Bescheid vom 14. November 2002, in welchem die Beklagte die Altersrente des Klägers ab 1. Oktober 2002 "neu berechnete", tatsächlich aber keinen geänderten Zahlungsbetrag auswies. Der Zahlbetrag der Rente betrug im August 2003 (Beginn des streitigen Zeitraums) 1.693,70 EUR.

Die geschiedene Ehefrau beantragte am 13. Mai 2003 bei der damaligen LVA Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte wies deshalb den Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2003 darauf hin, dass die Rente vorläufig weiter gewährt werde, er aber mit einer Rückforderung der auf dem Versorgungsausgleich entfallenden Leistungen (voraussichtlicher Minderungsbetrag monatlich 405,61 EUR) rechnen müsse. Nachdem die LVA Baden-Württemberg den Rentenantrag der geschiedenen Ehefrau abgelehnt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. September 2003 mit, dass eine Kürzung der Rente zurzeit nicht vorgenommen werde.

Die LVA Baden-Württemberg gewährte der geschiedenen Ehefrau des Klägers Altersrente wegen Schwerbehinderung beginnend ab 1. August 2003. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, übersandte sie dem Kläger eine mit dem Schreiben vom 27. Juni 2003 inhaltsgleiche Mitteilung vom 27. Oktober 2003. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 teilte sie ihm mit, dass die Rente dem geschiedenen Ehegatten ab 1. August 2003 gewährt werde und ab diesem Zeitpunkt seine Rente um den Versorgungsausgleichsanteil zu mindern sei. Mit Bescheid vom 6. November 2003 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. Januar 2004 entsprechend neu (Zahlbetrag 1.255,64 EUR).

Nach Anhörung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 und Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004, dem Kläger am 7. September 2004 zugestellt, die Rente für die Zeit ab 1. August 2003 ebenfalls unter Berücksichtigung der aus dem Versorgungsausgleich folgenden Minderung neu und hob - so ausdrücklich - den Bescheid vom 18. Mai 1995 hinsichtlich der Rentenhöhe auf. Zugleich forderte sie den Kläger zur Erstattung überzahlter 2.190,30 EUR für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 auf, wobei (so die Anlage 1 des Bescheids) im Januar 2004 keine Überzahlung erfolgt war.

Der Kläger hat am 7. Oktober 2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er hat seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Die Beklagte müsse eine Ermessensentscheidung über die Rückforderung treffen, schon weil seine finanziellen Verhältnisse beengt seien - er müsse weiterhin an seine geschiedene Ehefrau Unterhalt leisten - und er entreichert sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2006 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 15. Dezember 2003 in der Form des Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 dahingehend abgeändert, dass die für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 entstandene Überzahlung vom Kläger durch einen Ratenzahlungsbetrag in Höhe von monatlich 50 EUR zu erstatten sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung ist im Wesentlichen der Inhalt des Widerspruchsbescheids wiedergegeben worden.

Der Kläger hat gegen den ihm am 8. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. April 2006 (Montag) Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2004 hinsichtlich der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Januar 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, auch im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1. Für den Kläger sei es auch erkennbar gewesen, dass nicht der Bescheid vom 18. Mai 1995, sondern der (tatsächlich einschlägige) Bescheid vom 17. Dezember 1998 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben werden sollte.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Gegenstand des Rechtsstreites ist ausschließlich der Bescheid vom 15. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004, allerdings lediglich insoweit, als darin die (teilweise) Aufhebung des Bescheides "vom 18.05.1995" erfolgt und die Erstattung einer Überzahlung geregelt ist. Nur insoweit ficht der Kläger diesen Bescheid an.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).

Mit der rückwirkenden Bewilligung der Rente an die geschiedene Ehefrau des Klägers zum 1. August 2003 fiel das so genannte "Rentnerprivileg" des § 101 Abs. 3 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weg, d. h. die Rente des Klägers verminderte sich ab diesem Zeitpunkt um den Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (§ 66 Abs. 1 Nr. 4, §§ 76, 264a SGB VI), was eine tatsächliche wesentliche Änderung darstellt. Diese Änderung betraf jedoch nicht die Regelung im Bescheid vom 18. Mai 1995, den die Beklagte nach dem Wortlaut des hier angefochtene Bescheids aufhob. Denn durch den Bescheid vom 18. Mai 1995 wurde nicht von der Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils abgesehen, sondern diese Kürzung gerade vorgenommen. Eine Berechtigung, den Bescheid vom 18. Mai 1995 aufzuheben, bestand damit nicht. Die Beklagte hätte stattdessen den Bescheid vom 14. November 2002 ändern müssen, jenen Bescheid, mit welchem dem Kläger - weiterhin ohne Minderung auf Grund des Versorgungsausgleichsanteils - die Rente zuletzt (ab 1. Oktober 2002) gewährt worden war.

Daran ändert der Umstand nichts, dass - so die Beklagte - sich mit diesem Bescheid an der Rentenhöhe tatsächlich nichts änderte. Auch insoweit muss sich die Beklagte am Verfügungssatz des Bescheides festhalten lassen, wonach die bisherige Rente "neu berechnet" und ab 1. Oktober "monatlich 1673,86 EUR gezahlt" würden. Damit - auch ohne Änderung des bisherigen Zahlbetrages - wurde der zuvor ergangene Rentenbescheid vom 17.12.1998 mit den nachfolgenden Anpassungen für die Zeit ab 1. Oktober 2002 ersetzt.

Hätte nicht der Bescheid vom 14. November 2002, sondern - wie von der Beklagten zuletzt vorgetragen - der Bescheid vom 17. Dezember 1998 geändert werden müssen, ändert sich an der Beurteilung nichts. Denn auch diesen Bescheid hob die Beklagte nicht auf.

Der Bescheid vom 15. Dezember 2003 kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Aufhebung auf den Bescheid vom 14. November 2002 (bzw. 17. Dezember 1998) bezieht. Hiergegen spricht schon der klare Wortlaut des Bescheides. Auch ein während des Widerspruchsverfahrens übermitteltes Aufklärungsschreiben vom 5. April 2004 und der Widerspruchsbescheid enthalten keine Ausführungen, auf welchen anderen Bescheid als den vom 18. Mai 1995 sich die Aufhebung beziehen sollte. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung, dahingehend wie ein Adressat des Verwaltungsaktes diesen unter verständiger Würdigung aller bekannten Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben (entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu deuten hat, ist hier nicht möglich. Zwar hat dies das BSG in dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 26. Oktober 1989 (4 RA 90/88) in einem - allerdings nur teilweise - vergleichbaren Fall getan. Der Senat kann offen lassen, ob dem im Hinblick auf neuere, die Bestimmtheit des Verwaltungsaktes (§ 33 Abs. 1 SGB X) stärker herausstreichende Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R in SozR 4-2600 § 149 Nr. 1) zu folgen ist. Denn anders als im Fall, der der Entscheidung von 1989 zu Grunde lag, erging für den maßgeblichen Zeitraum nicht nur ein Bescheid, sodass für "einen redlichen Erklärungsempfänger, der mit den Umständen dieses Falles vertraut war, offensichtlich" war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1989, a. a. O.), dass nur dieser Bescheid gemeint sein konnte. Die Beklagte hat vielmehr insgesamt sechs Rentenbescheide erlassen, alle mit einer Rentenberechnung für die Zukunft ohne Befristung. Es bedarf schon einigen Aufwands und einiger Rechtskenntnisse, um den Verlauf der Minderung der Rente des Klägers durch den Versorgungsausgleichsanteil und das zeitweise Absehen von dieser Minderung zu verfolgen und darzustellen. Selbst die Beklagte ist im Verfahren nicht in der Lage gewesen, den tatsächlich aufzuhebenden Bescheid - wie dargelegt jener vom 14. November 2002 - zu erkennen. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Aufhebung zum Bescheid vom 14. November 2002 im Sinne einer "Offensichtlichkeit" kann damit vom Kläger - obwohl er damals schon anwaltlich vertreten war - nicht verlangt werden.

Es bedarf keinen Ausführungen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid gar nicht datumsmäßig bezeichnet, sondern die (teilweise) Aufhebung nur für Zeit ab dem 1. August 2003 vorgenommen hätte. Denn jedenfalls dann, wenn die Beklagte den aufzuhebenden Bescheid genau bezeichnet, muss sie sich - von offensichtlichen Unrichtigkeiten, die, wie dargelegt, hier aber nicht vorliegen, abgesehen - an dieser Erklärung festhalten lassen, auch wenn sie sich auf Grund einer falschen Beurteilung der Sachlage - hier darüber, welcher Bescheid für die Zeit ab 1. August 2003 Geltung beansprucht - irrt. Schließlich hat sie es in der Hand, durch klare und richtige Verfügungssätze die Rechtslage zu gestalten. Ergibt sich dann aber durch eine datumsmäßige Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides einerseits und des Aufhebungszeitraumes andererseits ein Widerspruch, ist es nicht Sache des Bescheidadressaten, sich die für die Beklagte günstigste Deutung des Bescheides auszusuchen und die dem widersprechenden Teile des Verfügungssatzes als irrelevant zu betrachten. Denn diese Teile bilden nach dem Willen der Beklagten eine Einheit. Dementsprechend wendet sich der Kläger auch ergebnisorientiert gegen die Aufhebung und Rückforderung insgesamt. Die Behauptung der Beklagten, es sei zwischen den Beteiligten völlig unstrittig, dass es um die Aufhebung des formell zutreffenden Bescheides gehe, entbehrt somit jeder Grundlage. Unabhängig hiervon wäre selbst bei der von der Beklagten behaupteten Übereinstimmung nicht anders zu entscheiden. Denn sie trägt vor, sie und der Kläger stimmten - was tatsächlich nicht der Fall ist - überein, dass der Bescheid vom 17. Dezember 1998 aufgehoben werden sollte. Tatsächlich aber hätte - wie dargelegt - der Bescheid vom 1. November 2002 aufgehoben werden müssen. Damit also würde auch das von der Beklagten behauptete übereinstimmende Verständnis nichts daran ändern, dass der falsche Verwaltungsakt aufgehoben wurde.

Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Auf die Frage, ob die Beklagte bei der Bescheidaufhebung (ausnahmsweise) Ermessen hätte ausüben müssen, kommt es nicht an.

Einer Aufhebung für den Zeitraum ab 1. August bis 30. November 2003 steht - hierauf wird ergänzend hingewiesen - ein weiterer Grund entgegen.

Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll der Verwaltungsakt - soweit hier von Interesse - nur dann aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs in diesem Sinne kann nach der genannten Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003, B 8 KN 6/02 R in SozR 4-2600 § 101 Nr. 1, der der Senat folgt, aber frühestens mit der Mitteilung über die der geschiedenen Ehefrau gewährten Rente entstehen. Weder das Urteil des Familiengerichts, mit dem der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, noch Hinweisschreiben des Rentenversicherungsträgers über die Rentenantragstellung des geschiedenen Ehegatten reichen hierfür aus.

Abzustellen ist daher auf die Mitteilung der Beklagten im Schreiben vom 31. Oktober 2003. Dieses hat der Kläger - wenn man den Rechtsgedanken der Zustellungsfiktion bei Verwaltungsakten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz: Dokument gilt am dritten Tag nach Aufgabe der Post als zugestellt) heranzieht - erst am 3. November 2003 erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass seine Rente ab 1. August 2003 zu mindern ist und erst mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt ist eine Änderung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Am 3. November 2003 war aber die Rente für November 2003 schon fällig und bezahlt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis 29. Februar 2004 geltenden Fassung i. V.m. § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Der Beklagten ist zuzubilligen, dass die Situation der Rentenversicherungsträger durchaus als "unbefriedigend" angesehen werden kann, wenn es ihnen bei rückwirkender Rentengewährung schlichtweg unmöglich ist, die Bösgläubigkeit des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten zum Zeitpunkt des Rentenbeginns herbeizuführen. Die damit regelmäßig anfallenden Doppelleistungen widersprechen der vom Gesetzgeber angestrebten Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, die dem Vertrauensschutz des Ausgleichsberechtigten dienende Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X außer Acht zu lassen oder in anderer Weise auszulegen (BSG, Urteil vom 26. Februar 2003, a. a. O.).

An dieser Beurteilung hat auch die Einfügung der Vorschrift des § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) nichts geändert. Sie hat diese vielmehr bestätigt.

Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 SGB VI ist in den Fällen von § 5 Satz 1 bis 3 VAHRG der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des SGB X sind nicht anzuwenden. Die Vorschrift findet jedoch nach dem gleichfalls durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 268a SGB VI in den Fällen keine Anwendung, in denen vor dem 30. März 2005 die zunächst unterbliebene Kürzung (Rentnerprivileg) und die Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich wirksam geworden ist. Der Gesetzgeber hat hiermit die Konsequenzen aus dem genannten Urteil des BSG vom 26. Februar 2003 gezogen und ist, wie in der Literatur (vgl. Roller, DRV 2003, 541, 545; Fischer, NZS 2004, 523, 524) vorgeschlagen, rechtsändernd tätig geworden. Es mag zutreffen, dass - so die Beklagte - er damit zum Ausdruck gebracht hat, das Urteil des BSG entspreche nicht seinem gesetzgeberischen Willen. Er hat damit aber zugleich deutlich gemacht, dass er das Urteil des BSG akzeptiert und seine Auswirkungen für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/4228, S. 29 zu Art. 5 Nr. 2) hinnimmt.

Die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen ist gleichfalls rechtswidrig. Denn dies ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur möglich, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Da der maßgebliche Bescheid vom 14. November 2002 nicht aufgehoben worden ist (bzw. teilweise hätte auch nicht aufgehoben werden dürfen), kann die Beklagte auch keine hierauf gestützten, bereits erbrachten Leistungen zurückfordern. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die Erstattungsforderung entgegen dem ausdrücklichen Verfügungssatz im Bescheids vom 15. Dezember 2003 nur auf die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2003 bezieht, weil die Berechnung in der Anlage 1 des Bescheids eine Rückforderung für Januar 2004 "0" ausweist. Denn auch in diesem Fall kann der Kläger die Aufhebung des insoweit unkorrekten Verfügungssatzes verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere die Rechtslage durch die genannte Entscheidung des BSG vom 26. Februar 2003 geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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