L 15 B 13/07 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 135/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 13/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Dezember 2006 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 13. Dezember 2006, mit dem er im Wege einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet worden ist, dem Antragsteller ein bis zum 28. Februar 2007 zurückzuzahlendes Darlehen in Höhe von 1087,16 EUR zu gewähren, ist unzulässig geworden. Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 8. Februar 2007 mitgeteilt hat, dass die Gewährung des streitigen Darlehens nach dessen Entlassung aus dem offenen Vollzug nicht mehr erforderlich sei, ist der Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluss nicht mehr beschwert, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde entfallen ist.

Der Senat hat deshalb nur noch gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG – über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Verfahrensausganges bei streitiger Entscheidung zu befinden. Danach hat der Antragsgegner dem Antragsteller für den gesamten Rechtsstreit keinerlei außergerichtliche Kosten zu erstatten, weil der für ihn positive Beschluss des Sozialgerichts keinen Bestand hätte haben können, denn der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 920 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht.

Es fehlte von Anfang an schon am Erfordernis einer eiligen Entscheidung des Gerichts, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Senats im Falle von Mietschulden die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Träger der Sozialhilfe nicht erst dann in Betracht, wenn konkret Obdachlosigkeit droht oder jedenfalls die Räumung der Wohnung unmittelbar bevorsteht. Der Antragsteller hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass ihm überhaupt nur die Kündigung des Mietverhältnisses drohte, wobei im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nur die Berechtigung des Vermieters zu einer außerordentlichen Kündigung relevant sein dürfte, die einen Rückstand in Höhe von zwei Monatsmieten voraussetzt (vgl. §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 573 Abs. 2 Nr.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Denn das Mietkonto des Antragstellers war durch unwidersprochene Abbuchungen vom Konto seiner Schwester zumindest bis einschließlich Januar 2007 vollständig ausgeglichen, wie telefonische Auskünfte des Vermieters vom 21. Dezember 2006 gegenüber dem Antragsgegner und vom 30. Januar 2007 gegenüber der Senatvorsitzenden ergeben haben.

Darüber hinaus hat der Antragsteller aber auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht ist zu seiner für den Antragsteller positiven Entscheidung unter Hinweis auf u.a. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. Juli 2001 – 1 BvR 165/01 veröffentlicht in NVwZ-RR 2001, S. 694) als Ergebnis einer Folgenabwägung gelangt, das heißt durch eine Abwägung der Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners. Jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall lediglich ein Darlehen in überschaubarer Höhe zur Behebung einer vorübergehenden Notlage begehrt wird, dürfte eine bloße Abwägung der individuellen und der fiskalischen Interessen regelmäßig zugunsten des Hilfesuchenden ausgehen. Dies ist aber zu kurz gegriffen, denn der Träger der Sozialhilfe ist keine "Bank", die zur Überwindung jedweden finanziellen Engpasses in Anspruch genommen werden kann. Es muss – auch auf der Grundlage des zitierten Beschlusses des BVerfG – zumindest eine Anspruchsgrundlage gegen den angegangenen Leistungsträger in Betracht kommen, gegebenenfalls i.V.m. § 43 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), deren Anspruchsvoraussetzungen aber noch nicht abschließend geklärt werden können. An einer immerhin denkbaren Anspruchsgrundlage fehlt es hier jedoch.

Der Antragsteller hat seine "Notlage" damit begründet, dass er als Freigänger aus einer Erwerbstätigkeit zwar ausreichendes Einkommen erziele, um seine Miete zahlen zu können, über das Arbeitseinkommen aber erst bei seiner Haftentlassung am 12. Februar 2007 verfügen könne. Für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, zu denen die Kosten der Unterkunft gehören, ist im Hinblick auf die unstreitige Erwerbsfähigkeit des Antragstellers grundsätzlich nicht der Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII, sondern der für Leistungen nach dem SGB II zuständige Leistungsträger in Anspruch zu nehmen. Allerdings kann sich aus § 43 SGB I auch eine vorläufige Zuständigkeit des Antragsgegners ergeben. Für alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und dem SGB XII gilt jedoch der Grundsatz des Nachranges, d.h. sie dürfen nur erbracht werden, wenn der Hilfesuchende sich nicht selbst helfen kann oder die Hilfe von Anderen, insbesondere von Angehörigen erhält (vgl. §§ 3 Abs. 3; 9 Abs. 1 SGB II, § 2 Abs. 1 SGB XII). Abgesehen davon, dass nicht recht nachvollziehbar erscheint, weshalb der Antragsteller das begehrte kurzfristige Darlehen in Höhe von 1.087,16 EUR zur Begleichung der Mieten für die Monate November 2006 bis Februar 2007 nicht innerhalb der Familie hätte erhalten können, da seine Schwester jedenfalls ihr Konto für die Abbuchungen der Miete durch den Vermieter zur Verfügung stellt und die erwerbstätige Mutter des Antragstellers äußerst engagiert als seine Verfahrens- und Prozessbevollmächtigte auftritt, ist nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller sich nicht auf andere Weise selbst helfen konnte. Erscheint schon fraglich und durch nichts belegt, dass mit der Haftanstalt oder dem Arbeitgeber keine Regelung zur Sicherung der Mietzahlungen vor Haftentlassung – etwa durch Abtretung vom Arbeitseinkommen – möglich gewesen sein sollte, so hat der Antragsteller offenbar keinerlei Versuch unternommen, mit seinem Vermieter, einem städtischen Wohnungsbauunternehmen, ins Gespräch zu kommen, um mit ihm eine Lösung seiner vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten zu suchen. Dass dies ohne weiteres möglich gewesen wäre, hat die zuständige Sachbearbeiterin der Senatsvorsitzenden auf Anfrage ausdrücklich bestätigt. Wer aber so nahe liegende Selbsthilfemöglichkeiten nicht ausschöpft, hat keinen Anspruch auf staatliche Hilfe, und sei es auch nur im Wege eines Darlehens.

Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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