L 12 AL 4848/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 2698/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4848/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Insolvenzgeld.

Der 1967 geborene Kläger war bei der Gussputzerei R. vom 1.7. bis 29.8.2003 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 31.7.2003 aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. Nach einem arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteil vom 1.12.2003 hat der Kläger noch Arbeitsentgeltansprüche für die Monate Juli und August 2003 in Höhe von insgesamt 1050,38 Euro.

Mit Schreiben vom 8.7.2004, eingegangen am 13.7.2004, beantragte der Kläger Insolvenzgeld im Höhe von 1050,38 Euro. Dabei gab er an, er habe erstmals durch ein am 10.5.2004 zugegangenes Schreiben des Insolvenzverwalters vom 3.5.2004 erfahren, dass der Arbeitgeber insolvent sei. Das Insolvenzverfahren ist mit Beschluss vom 13.2.2004 eröffnet worden.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.9.2004 ab, weil das Insolvenzgeld nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis beantragt worden sei. Die Antragsfrist sei nicht unverschuldet versäumt worden, weil der Kläger sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Bei intensiven Bemühungen wäre es dem Kläger möglich gewesen, vor Ablauf der Antragsfrist Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erhalten. Der Kläger hätte bereits im März 2004 beim Insolvenzgericht rückfragen können, spätestens am 10.5.2004. Unter Beachtung einer eventuell zu erteilenden zweimonatigen Nachfrist hätte der Antrag spätestens am 10.7.2004 vorliegen müssen, das Schreiben vom 8.7.2004 sei jedoch erst am 13.7.2004 eingegangen.

Im Widerspruchsverfahren brachte der Kläger vor, das Schreiben vom 8.7.2004 sei am gleichen Tag abgesandt worden und hätte damit das Arbeitsamt S. am 9.7., spätestens jedoch am Montag, dem 12.7.2004 erreichen müssen. Es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass ein am 8.7.2004 abgesandter Brief erst am 13.7.2004 in S. bzw. R. eingehe. Der Kläger habe auch nicht aus der Presse erfahren können, dass der Arbeitgeber in Insolvenz geraten sei. Er habe sich selbstständig um die Beitreibung seiner Forderungen gekümmert und erst im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens Kenntnis von dem Insolvenzereignis erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe die Versäumung der Ausschlussfrist selbst zu vertreten, eine Nachfrist sei nicht einzuräumen, Unkenntnis der Insolvenzregelungen bzw. der Ausschlussfrist rechtfertige nicht das Versäumnis.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Er habe im März 2004 seine Bevollmächtigten beauftragt, aus dem Versäumnisurteil zu vollstrecken. Noch am 10.3.2004 sei im Vollstreckungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden, ohne dass auf das Insolvenzverfahren hingewiesen worden sei. Erst am 10.5.2004 habe er erfahren, dass das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Weshalb sein Brief vom 8.7. erst am 13.7.2004 eingegangen sei, sei unerklärlich. Postverzögerungen habe er nicht zu vertreten. Die S. Adresse der Beklagten habe noch im Telefonbuch gestanden, so dass er habe davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte dort zu erreichen sei.

Das SG hat durch Urteil vom 9.8.2006 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, weil der Antrag nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist nach dem Insolvenzereignis gestellt worden sei. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei am 13.2.2004 erfolgt, Ende der Ausschlussfrist sei somit der 13.4.2004 gewesen, der Antrag auf Insolvenzgeld sei jedoch erst am 13.7.2004 eingegangen. Eine Nachfrist sei nicht einzuräumen, weil der Kläger die Fristversäumung zu vertreten habe, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Da der Kläger nach dem Versäumnisurteil lediglich nach längerem Abwarten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen habe, sich aber nicht bei anderen Stellen (Arbeitsamt, Insolvenzgericht) erkundigt habe, habe er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Der Kläger habe um die Zahlungsschwierigkeiten seines Arbeitgebers gewusst, da ihm aus diesem Grund gekündigt worden sei. Ferner habe er, nachdem er lediglich einen Titel im Wege des Versäumnisurteils erwirkt hatte, vor Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens mehrmals erfolglos versucht, das ausstehende Entgelt von seinem Arbeitgeber zu erhalten. Ihm sei somit klar gewesen, dass möglicherweise eine Insolvenz im Raum stehe. Bei Beachtung der ihm obliegenden Sorgfalt hätte er an eine Nachfrage bei der Beklagten oder beim Insolvenzgericht denken müssen. Auf die Verletzung einer Hinweispflicht der Vollstreckungsorgane, die offen gelassen werde, komme es nicht an. Der Kläger könne sich nicht darauf verlassen, von anderen informiert zu werden, sondern er sei selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen. Da der Kläger die Fristversäumnis zu vertreten habe, komme es auf die Frage, ob die Nachfrist eingehalten worden sei, nicht mehr an. Dennoch werde angemerkt, dass die Nachfrist eingehalten worden sei, weil der Kläger sich auf die üblichen Postlaufzeiten habe verlassen dürfen und nicht damit habe rechnen müssen, dass ein an die nach dem aktuellen Telefonbuch zutreffende Adresse nach Spaichingen übersandter Schriftsatz erst verspätet bei der zuständigen Stelle in R. ankommt.

Gegen dieses am 23.8.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 25.9.2006 Berufung eingelegt. Es sei zwar durchaus richtig, dass der Kläger einen Titel im Wege des Versäumnisurteils erwirkt habe. Ihm mögen auch wirtschaftliche Gründe des Arbeitgebers als Kündigungsgrund angegeben worden sein, von Zahlungsschwierigkeiten sei jedoch nicht gesprochen worden. Vielmehr sei dem Kläger versprochen worden, dass Zahlung erfolgen werde. Der Betrieb sei auch bis April 2004 ständig fortgeführt worden, erst im Rahmen der Vollstreckung sei in Erfahrung gebracht worden, dass der Betrieb eingestellt worden sei. Es sei auch unzutreffend, dass die Zwangsvollstreckung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitet worden sei. Vielmehr sei der Zwangsvollstreckungsauftrag erst im März 2004 gestellt worden (Antrag auf Prozesskostenhilfe "für die beabsichtigte Zwangsvollstreckung" vom 1.3.2004). Deswegen habe schon eine Hinweispflicht der Vollstreckungsorgane bestanden.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 9.8.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld in Höhe von 1050,38 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, entgegen der Auffassung des SG sei auch die Nachfrist nicht eingehalten worden. Ein Nachweis, dass der Kläger erst am 10.5.2004 über das Insolvenzereignis informiert worden sei, liege bislang nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen zutreffend zitiert. Das SG hat auch ausführlich und zutreffend begründet, dass und aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf Insolvenzgeld hat. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück, er nimmt auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Berufungsvorbringen ist lediglich ergänzend anzumerken:

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat. Auch nach der Überzeugung des Senats hat der Kläger nicht das zur Durchsetzung seiner Ansprüche Erforderliche getan. Gerade weil es sich um rückständiges Arbeitsentgelt handelt, das ja zum Bestreiten des laufenden Lebensunterhalts dienen soll, und weil dem Kläger vom Arbeitgeber, ohne irgendeine Lohnzahlung geleistet zu haben, "aus wirtschaftlichen Gründen" gekündigt worden ist, kann es nicht genügen, über drei Monate später ein Versäumnisurteil zu erwirken, um daraus auch wieder fast zwei Monate später die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Der Senat schließt sich der vom SG hierzu zitierten Rechtsprechung des LSG Niedersachsen ausdrücklich an.

Auch nach der Überzeugung des Senats hat eine Hinweispflicht der Vollstreckungsorgane auf das Insolvenzverfahren hier nicht bestanden. Es trifft nämlich nicht zu, dass der Vollstreckungsauftrag erst im März 2004, und damit nach dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 13.2.2004, erteilt worden ist. Der Kläger hat mit der Klageschrift zum SG eine Protokollnotiz des Amtsgerichts S. vom 21.1.2004 vorgelegt, wonach der Kläger persönlich eine vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts F. vom 1.12.2003 übergeben und um Zwangsvollstreckung gebeten hat. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren aber noch nicht eröffnet. Dass der Kläger nach diesem Zwangsvollstreckungsauftrag auch wieder mehr als fünf Wochen hat verstreichen lassen, ohne sich um die Durchsetzung seiner Ansprüche zu kümmern, bestätigt, dass er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung der Arbeitsentgeltansprüche bemüht hat. Deswegen ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, eine Nachfrist nicht einzuräumen.

Der Senat lässt offen, ob eine Nachfrist, wenn sie zu gewähren wäre, hier eingehalten wäre. Die Begründung des SG hierzu erscheint zwar schlüssig, das SG geht aber von der nicht bewiesenen, nicht einmal belegten Voraussetzung aus, dass der Kläger erst durch das am 10.5.2004 zugegangene Schreiben des Insolvenzverwalters vom 3.5.2004 von dem Insolvenzverfahren erfahren hat. Es entspricht nicht üblicher Postlaufzeit und ist auch durch bürointerne Vorgänge nicht plausibel zu erklären, dass ein Anwaltsschreiben erst eine Woche nach dem Erstellungsdatum beim Empfänger eingeht. Hierauf kommt es nach dem oben Gesagten jedoch nicht an.

Die Berufung ist jedenfalls zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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