S 28 AS 97/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 97/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von weitergehenden Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende für den Monat Mai 2005 in Höhe von 450,- Euro.

Die Kläger sind Eheleute und bewohnen zusammen mit dem leiblichen Sohn der Klägerin zu 2) U C (geb. 1992) eine Mietwohnung, für die sie in dem streitbefangenen Kalendermonat einen Mietzins in Höhe von 450,00 Euro (inklusive Neben- und Heizkosten) aufzubringen hatten. Der Kläger zu 1) hatte sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum 11.4.2005 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung - (SGB III) (Arbeitslosengeld I) beantragt. Aufgrund eines Ruhenstatbestandes wegen einer vom Arbeitgeber gezahlten Abfindung in Höhe von 5700,00 Euro wurde dem Kläger zu 1) erst ab dem 12.5.2005 Arbeitslosengeld I in monatlicher Höhe von 1128,60 Euro, für die Zeit vom 12.5.2005 bis 31.5.2005 anteilig in Höhe von 752,40 Euro bewilligt. Der Kläger zu 1) hatte zuvor im Monat April 2005 ausweislich Lohnabrechnung einen Nettoverdienst (Abfindung zuzüglich Restlohn) in Höhe von 6370,32 Euro bezogen, wovon ihm der Betrag von 650,00 Euro als Vorschuss ausgezahlt worden war und später am 7.4.2005 der Restbetrag in Höhe von 5720,32 Euro auf sein Konto bei der VR Bank E angewiesen worden ist.

Die Kläger beantragten bei der Beklagten am 28.4.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) und legten u.a. einen Schuldschein vom 28.11.2004 über eine Geldleihe in Höhe von 5000,- Euro und eine Bescheinigung über die Rückzahlung am 8.4.2005 vor. Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 4.5.2005 für die Zeit vom 12.5.2005 bis 31.5.2005 ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in Höhe von 65,60 Euro monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 4.5.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 1.6.2005 ab. Die Kläger seien nicht hilfebedürftig.

Mit ihrem Widerspruch vom 31.5.2005 –eingegangen am 1.6.2005- machten die Kläger geltend, sie seien im Monat Mai 2005 nicht in der Lage gewesen, die Miete für diesen Monat zu zahlen und die Miete sei weiterhin offen. Soweit Arbeitslosengeld I in Höhe von 752,40 Euro angerechnet worden sei, hätten sie diese Gelder bislang nicht erhalten, außerdem seien diese Gelder zum Lebensunterhalt für den Monat Juni 2005 vorgesehen. Der von der Beklagten errechnete Bedarf in Höhe von 65,50 Euro habe sie erst am 25.5.2005 erreicht. Im Monat Mai 2005 habe das tatsächliche Einkommen 526,60 Euro betragen. Sie seien gezwungen gewesen, sich Gelder zum Lebensunterhalt bei einem Familienmitglied zu leihen.

Mit Änderungsbescheid vom 20.9.2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und bewilligte den Klägern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 12.5.2005 bis 31.5.2005 in Höhe von 95,60 Euro. Es sei lediglich nachträglich die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro zu berücksichtigen. Es ergebe sich eine entsprechende Nachzahlung für die Kläger. Im übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.9.2005 als unbegründet zurück. Der Bescheid vom 4.5.2005 unter Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 20.9.2005 stünden im Einklang mit der Sach- und Rechtslage. Als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft seien das Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro, das Arbeitslosengeld nach dem SGB III und die Unterhaltszahlungen in Höhe von 307,00 Euro zu berücksichtigen. Der Bedarf für den im Haushalt lebenden (Stief-) Sohn U belaufe sich auf 357,00 Euro (207,00 Euro Regelsatz und 150,00 Euro anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung). Das ihm zuzuordnende Einkommen belaufe sich auf 461,00 Euro (307,00 Euro Unterhalt und 154,00 Euro Kindergeld). Damit gehöre der Sohn U C der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht mehr an. Das Kindergeld, das den Bedarf des Kindes übersteige, betrage 104,00 Euro und sei damit der Klägerin zu 2) als Kindergeldberechtigten als Einkommen zuzuordnen. § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) bestimme, dass bei der Berechnung des Einkommens von den Bruttoeinnahmen auszugehen sei. Laufende Einnahmen seien für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V). Im Kalendermonat Mai 2005 sei an Arbeitslosengeld I nach dem SGB III ein Betrag in Höhe von 752,40 Euro zu berücksichtigen, ab Juni 2005 ein Betrag in Höhe von 1128,60 Euro monatlich. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes I für die Zeit vom 12.5.2005 bis 31.5.2005 sei Ende Mai 2005 auf dem Konto der Kläger gutgeschrieben worden. Die Zahlung sei daher nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V für den Kalendermonat Mai 2005 zu berücksichtigen. Nach § 3 Alg II-V sei für Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen seien (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II), ein Pauschbetrag in Höhe von 30,00 Euro monatlich anzusetzen. Um diesen Pauschbetrag sei das Arbeitslosengeld I zu mindern gewesen. Für Mai 2005 sei ein Gesamteinkommen nach § 11 SGB II in Höhe von 826,40 Euro (752,40 Euro Arbeitslosengeld I abzüglich 30,00 Euro Versicherungspauschale zuzüglich 104,00 Euro Kindergeld) einem Gesamtbedarf in Höhe von 922,00 Euro gegenüberzustellen. Da der Sohn U nicht der Bedarfsgemeinschaft angehöre, belaufe sich der Bedarf der Kläger auf 622,00 Euro Regelleistung (2x 311,00 Euro) und 300,00 Euro anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung. Der das Einkommen übersteigende Bedarf betrage 95,60 Euro für den Monat Mai 2005.

Die Kläger haben am 2.11.2005 Klage erhoben. Sie wiederholen im wesentlichen ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und tragen ergänzend vor, am letzten Werktag des Monats Mai 2005 hätten sie das Arbeitslosengeld I in Höhe von 752,40 Euro erhalten. Bereits am nächsten Tag sei die Miete für Juni 2005 fällig gewesen. Bei dieser Sachlage habe die Beklagte in Kauf genommen, dass sie in Zahlungsschwierigkeiten hinsichtlich der ausstehenden Miete geraten würden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4.5.2005 unter Einbeziehung des Bescheides vom 20.9.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2005 zu verpflichten, ihnen für den Monat Mai 2005 weitergehende Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II in Höhe von 450,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Leistungen seien zutreffend berechnet worden. Das Arbeitslosengeld I sei noch im Monat Mai 2005 zugeflossen. Ein Anspruch auf Zahlung der Miete für Mai 2005 in Höhe von 450,00 Euro wegen verzögerter Bearbeitung durch die Beklagte bestehe nicht. Es fehle insoweit an einer Anspruchsgrundlage.

Die Kläger haben erwidert, sie hätten Anfang Juni 2005 über Einkommen in Höhe von 1213,40 Euro verfügt (752,40 Euro Arbeitslosengeld I zuzüglich 307,00 Euro Unterhalt und zuzüglich 154,00 Euro Kindergeld). Davon seien 900,00 Euro für die Mieten Mai 2005 und Juni 2005 zu zahlen gewesen. Für den Monat Juni 2005 sei ein Betrag in Höhe von 313,40 Euro verblieben. Die Beklagte hätte bereits bei Antragstellung berücksichtigen müssen, dass die Miete für den Monat Mai 2005 im Voraus zu zahlen gewesen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte trotz Ausbleibens der Kläger entscheiden, weil sie mit ordnungsgemäßer Ladung vom 8.9.2006 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 126 Sozialgerichtsgesetz –SGG-).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide vom 4.5.2005 und 20.9.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2005 erweisen sich im Hinblick auf die Ablehnung weitergehender Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II als rechtmäßig und beschweren die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Hilfebedürftigkeit bestand bei den Klägern im Kalendermonat Mai 2005 in Höhe von 95,60 Euro. In dieser Höhe konnten die Kläger Leistungen nach dem SGB II beanspruchen. Diesen Anspruch hat die Beklagte bereits erfüllt. Ein darüber hinausgehender Anspruch der Kläger besteht nicht, denn eine weitergehende Hilfsbedürftigkeit der Kläger kann das Gericht nicht feststellen.

Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit ( ) nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Bei der Ermittlung von Hilfebedürftigkeit ist für den entsprechenden Kalendermonat als Bedarfs- bzw. Zahlungszeitraum (vgl. § 41 Abs. 1 SGB II) der Bedarf der Hilfenachsuchenden den im gleichen Kalendermonat zugeflossenen Einnahmen gegenüberzustellen. Zeigt sich eine Bedarfslücke, besteht in entsprechender Höhe ein Leistungsanspruch. Hinsichtlich der Ermittlung des Bedarfes der Kläger, die gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II eine Bedarfsgemeinschaft bilden, für den Monat Mai 2005 und den diesem Bedarf gegenüberzustellenden Einnahmen der Bedarfsgemeinschaft nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 28.9.2005. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Bedarfs und des zu berücksichtigenden Einkommens der Bedarfsgemeinschaft entspricht der Sach- und Rechtslage und ist daher nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Beklagte das dem Kläger zu 1) für den Monat Mai 2005 bewilligte Arbeitslosengeld I in Höhe von 752,40 Euro, welches der Bedarfsgemeinschaft nach eigenen Angaben am letzten Werktag im Mai 2005 zugegangen ist, zu den Einnahmen für den Monat Mai 2005 zählen, denn es handelt sich um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II für diesen Kalendermonat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahmen der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Das vom Kläger zu 1) ab Mai 2005 (fortlaufend) bezogene Arbeitslosengeld I nach dem SGB III ist als Einkommen im Sinne des SGB II zu werten. Nach § 2 Satz 1 Alg II-V sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. D.h. Einnahmen sind zwingend auf den Bedarfs- bzw. Zahlungszeitraum anzurechnen, in dem sie zugeflossen sind, wobei der konkrete Zeitpunkt des Zuflusses innerhalb des Zuflussmonats unerheblich bleibt. Das für Mai 2005 bewilligte Arbeitslosengeld ist der Bedarfsgemeinschaft unstreitig noch im selben Monat zugeflossen und daher für den Bedarfs- bzw. Zahlungszeitraum Mai 2005 zu berücksichtigen. Zu keinem anderen Ergebnis und insbesondere nicht zu einem weitergehenden Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende kann daher der Umstand führen, dass das Arbeitslosengeld I erst am Ende des Kalendermonats Mai 2005 der Bedarfsgemeinschaft zugeflossen ist, auch nicht vor dem Hintergrund möglicher aufgelaufener Zahlungsverpflichtungen am Ende des Monats Mai 2005. Andernfalls würde es mit Blick auf den Zufluss des Arbeitslosengeldes I Ende Mai 2005 und einer Gewährung von zusätzlichem Arbeitslosengeld II für den Monat Mai 2005 zu einer unberechtigten Doppelleistung von öffentlichen Sozialleistungen an die Bedarfsgemeinschaft kommen. Arbeitslosengeld I wird gemäß der Anordnung des § 337 Abs. 2 SGB III monatlich nachträglich gezahlt. Normalerweise ergibt sich bei der ersten Zahlung von Arbeitslosengeld I trotz der nachträglichen Auszahlung am Monatsende deshalb keine Bedarfslücke im laufenden, ersten Monat der Arbeitslosigkeit, weil dieser Monat durch die letzte Lohnzahlung abgedeckt ist, weil diese ebenfalls regelmäßig am Ende des (Vor-)Monats ausgeschüttet wird und deshalb im Folgemonat zur Verfügung steht. Deshalb führt die Berücksichtigung des erst am Ende des Monats ausgezahlten Arbeitslosengeld I im zu prüfenden Kalendermonat als Bedarfszeitraum im Rahmen des SGB II in der Regel zu keinen unbilligen Ergebnissen. Dem Kläger zu 1) ist im Vormonat April 2005 noch Arbeitsentgelt (Abfindung und Restlohn) in Höhe von 5720,32 Euro zugeflossen. Mit diesen Geldern konnte die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt auch im Mai 2005 bis zum Eingang des Arbeitslosengeld I sicherstellen. Soweit die Kläger geltend gemacht haben, diese Gelder (überwiegend) zur Tilgung eines Schuldscheines vom 28.11.2004 eingesetzt zu haben, hat dies unbeachtlich zu bleiben, weil die Tilgung von Schulden grundsätzlich nicht Aufgabe der Sozialhilfe sein kann und verfügbare Gelder zunächst zwingend für die Sicherstellung des eigenen Lebensunterhaltes zu verwenden sind. Soweit die Kläger geltend machen, sie hätten das Ende Mai 2005 erhaltene Arbeitslosengeld I in Höhe von 752,40 Euro zuzüglich der weiteren Einnahmen (Kindergeld und Unterhaltszahlungen) für die rückständige Miete Mai 2005 und die anstehende Miete Juni 2005 verwenden müssen und ihnen sei infolgedessen für den Monat Juni 2005 nur ein Betrag von 313,40 Euro verblieben, lassen sie unberücksichtigt, dass der Kläger zu 1) ab Juni 2005 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I in Höhe von 1128,- Euro monatlich hatte und dieser Betrag Ende Juni 2005 zur Auszahlung gekommen sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Berufung hat das Gericht mangels grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreites keinen Anlass gesehen (§ 144 SGG).
Rechtskraft
Aus
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