L 1 AL 27/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AL 106/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 27/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.02.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Förderung der beruflichen Weiterbildung zum Anwendungsentwickler für mySAP.com (ABAP).

Der 1962 geborene Kläger ist ausgebildeter Datenverarbeitungskaufmann mit langjähriger Berufspraxis und verfügt über Fachkenntnisse der Softwareentwicklung und Systemadministration (Cobol, Java, PHP, C+, DB 2, DL, HDP/DC, OS 390, Windows etc.) Zuletzt war er seit 1994 als Systementwickler bei der Firma H GmbH in C beschäftigt. Am 25.03.2004 meldete er sich anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten arbeitssuchend, nachdem ihm am Vortag mündlich die bevorstehende Kündigung und Freistellung vom Arbeitgeber mitgeteilt worden war. In der Zeit vom 27. - 28.03.2004 nahm der Kläger sodann an einem Wochenendseminar zum Thema "Anwendungsentwickler für mySAP.com" teil. Nachdem er am Folgetag die schriftliche Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2004 unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts erhalten hatte, schloss er am 30.03.2004 mit der WBS Training AG einen entsprechenden Fortbildungsvertrag über ein 8-monatiges Training beginnend mit dem 03.05.2004. Die Fortbildungskosten betrugen 7.800,00 Euro.

Den Antrag des Klägers vom 13.04.2004, ihm einen Bildungsgutschein auszustellen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, die für diese Ermessensleistung zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel ließen unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten des Arbeitsmarktes im Arbeitsamtsbezirk C1 und im Hinblick auf die individuellen Besonderheiten des Einzelfalles eine Förderung des angestrebten Bildungsziels nicht zu. Den hiergegen am 14.05.2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2004 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, das ihr zustehende Ermessen sei unter Berücksichtigung der Geschäftsanweisung vom 27.05.2003 rechtsfehlerfrei angewandt worden. Danach setze eine Förderung in der Regel voraus, dass über einen angemessenen Zeitraum Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes wiederholt erfolglos geblieben und entsprechende Eigenbemühungen des Klägers nachgewiesen worden seien. Im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Auch könne aus dem Bewerberprofil kein Qualifizierungsdefizit festgestellt werden, das sich nur aus der Teilnahme an der Maßnahme ausgleichen lasse.

Der Kläger hat hiergegen am 15.09.2004 beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, dass die Förderungsfähigkeit des Kurses nicht in Frage stehe, da alle anderen Teilnehmer Leistungen erhalten hätten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers vom 06.04.2004 erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend dargelegt, bei der Frage der Förderungsmöglichkeit sei nicht entscheidend, ob eine andere Agentur für Arbeit die vom Kläger besuchte Maßnahme gefördert habe.

Durch Urteil vom 23.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Weiterbildungsmaßnahme sei für den Kläger nicht notwendig im Sinne des § 77 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III). Bei der insoweit zu treffenden Prognoseentscheidung seien Fehler bei der Einschätzung durch die Beklagte nicht zu erkennen gewesen.

Gegen das ihm am 16.03.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.04.2005 Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen, er habe nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme im Januar 2005 u.a. wegen der im Seminar erworbenen Kenntnisse im Bereich SAP-ABAP eine neue Stelle gefunden. Arbeitsvermittelungsbemühungen der Beklagten seien zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Er sei zuvor Spezialist für Programmiersprachen wie z.B. Cobol und andere gewesen, für die es inzwischen keinen Markt mehr gebe, so dass die Fortbildung im SAP-Bereich für ihn zwingend notwendig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.02.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 zu verurteilen, den Antrag des Klägers vom 13.04.2004 auf eine Förderung der beruflichen Weiterbildung zum Anwendungsentwickler für mySAP.com (ABAP) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil an und verweist ergänzend darauf, dass jede Agentur für Arbeit in ihrem Amtsbezirk in eigener Zuständigkeit darüber entscheide, welche Bildungsziele für ihren Bezirk gefördert würden, um einen gleichmäßigen Mittelabfluss über das Haushaltsjahr und die effizienteste Verteilung der Mittel unter Berücksichtigung des regionalen Arbeitsmarktes zu gewähren. Bei dem Bildungsstand und der Berufspraxis des Klägers könne zudem ausgeschlossen werden, dass eine berufliche Eingliederung nur mittels der beruflichen Weiterbildung voraussichtlich hätte realisiert werden können.

Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten ist beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte erneut im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens über seinen Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung entscheidet.

Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die begehrte Kostenübernahme allein unter Berücksichtigung der als Leistung der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 5 SGB III) im Ermessen der Agentur für Arbeit stehenden Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 77 SGB II in Betracht kommt. Nach dieser in der Fassung vom 23.12.2002 (BGBl. I 4607) anwendbaren Vorschrift können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn

1.die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,

2.vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und

3.die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Bei der durchgeführten Maßnahme handelte es sich um eine Weiterbildung im Sinne der Vorschrift, denn der Kläger verfügte aufgrund seiner Ausbildung und Tätigkeit über langjährige berufliche Erfahrungen ( vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr.2 m.w.N.). Der Kläger war zwar wegen der Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht arbeitslos (BSG SozR 2200 § 165 Nr.8). Wohl aber war er im Hinblick auf die mit Wirkung zum 31.12.2004 ausgesprochene Kündigung von der Arbeitslosigkeit bedroht (§ 17 SGB III). Zugunsten des Klägers kann auch unterstellt werden, dass Maßnahme und Träger für die Förderung zugelassen waren (§§ 84, 85 SGB III).

Ungeklärt ist aber, ob eine vorherige Beratung stattgefunden hat. Der Gesetzgeber hat mit dem unverzichtbaren Erfordernis der vorherigen Beratung deutlich gemacht, dass die Teilnahme an einer Maßnahme ohne vorherige Beratung schlechterdings nicht sinnvoll ist. Dies gilt auch dann, wenn die Beratung etwa an Terminschwierigkeiten des zuständigen Sachbearbeiters scheitert (B.Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III - Kommentar - § 77 Rdnr. 51 m.w.N.). Mit der Notwendigkeit der Vorprüfung der Maßnahme vor deren Beginn soll zudem verhindert werden, dass die Beklagte ohne vorherige Kontrollmöglichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt wird (Stratmann in Niesel SGB III, § 77 Rdnr. 20). Diesem Gesichtspunkt kann in Fällen der vorliegenden Art besondere Bedeutung zukommen, wenn der Antragsteller bereits den Vertrag mit der Einrichtung geschlossen hat, bevor er sich mit der Beklagten in Verbindung setzt. Die unterschiedlichen Angaben der Beteiligten zum Inhalt des Telefongesprächs des Klägers am 01.04.2004 mit dem Arbeitsberater der Beklagten lassen einen sicheren Rückschluss auf eine den gesetzlichen Erfordernissen Rechnung tragende Beratung nicht zu. Dies kann aber letztlich dahin stehen. Gleichermaßen kann der Senat offen lassen, ob - worauf das SG wesentlich abgestellt hat - die Maßnahme nicht notwendig im Sinne des § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III war, denn die Versagung der Förderung erweist sich bereits aus anderen Gründen als rechtmäßig.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen als erfüllt ansähe, hätte er nicht schon allein deshalb einen Anspruch auf Förderung der beruflichen Weiterbildung. Denn das Gesetz hat die Gewährung dieser Leistung in das Ermessen der Beklagten gestellt. Der Kläger hat daher einen Rechtsanspruch nur darauf, dass die zuständige Stelle der Agentur für Arbeit ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist, mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§§ 39 Abs. 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil -SGB I, 54 Abs. 2 S.2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Bei dieser eingeschränkten Überprüfung darf das Gericht auch nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen der Beklagten setzen (vgl. Niesel in Niesel a.a.O., § 7 Rdnr. 13 f). Davon ausgehend hat die Beklagte den ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Entscheidungsspielraum fehlerfrei und pflichtgemäß konkretisiert.

Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung wesentlich auf Kriterien der Mittelbewirtschaftung abgestellt hat (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 77 Rdnr. 5). Der Senat kann darin weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensfehlgebrauch sehen. Dabei hat die Beklagte die Ablehnung mit ihren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden insbesondere nicht ermessensfehlerhaft auf die Erschöpfung von Haushaltsmitteln gestützt (Vgl. BSG, SozR 3 - 4100 § 55 a Nr. 1 zum Überbrückungsgeld). Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, Verteilungsspielräume selbst zu bestimmen (Stratmann in Niesel, a.a.O., § 77 Rdnr. 2). Entsprechend ihrer Aufgabenstellung hat sie danach berücksichtigt, dass die Inanspruchnahme der Leistungen durch den begünstigten Personenkreis auch dann ständig möglich sein muss, wenn nicht so viele Mittel zur Verfügung stehen, dass allen Anträgen entsprochen werden kann (BSG SozR 3 -4100 § 55 a Nr.1).

Dass sich die Beklagte auf die ermessenslenkenden Weisungen im Rahmen der Geschäftsanweisung vom 27.05.2003 bezogen hat, ist weder formell noch inhaltlich zu beanstanden. Zwar hat die Geschäftsanweisung keine Rechtsnormqualität und daher keine bindende Wirkung für die Gerichte. Sie bewirkt aber eine Selbstbindung der Beklagten und gibt dem Berechtigten den Anspruch auf Gleichbehandlung (vgl. Niesel in Niesel, a.a.O., § 7 Rdnr. 9 m.w.N.).

Es ist auch sachgerecht, die Förderung u.a. davon abhängig zu machen, dass über einen angemessenen Zeitraum Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit bzw. Eigenbemühungen des Kunden erfolglos waren und ein Qualifikationsdefizit festgestellt werden muss, das sich nur durch die Teilnahme an der Maßnahme ausgleichen lässt. Diese Eingrenzung trägt dem in § 7 SGB III zum Ausdruck kommenden Grundsatz eines zielgerichteten Einsatzes der zur Verfügung stehenden Mittel Rechnung. Gleichzeitig verbleibt aber auch Raum für eine abweichende Beurteilung von Einzelfällen. Die Beklagte hat daher in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger bereits am Tag nach der arbeitgeberseitigen Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2004 den Fortbildungsvertrag zu der von ihm selbst gewählten Fortbildungsmaßnahme abgeschlossen hatte und zu diesem Zeitpunkt weder Eigenbemühungen des Klägers noch Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit erfolgen konnten. Auch ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass die berufliche Qualifikation des Klägers keine Ermessensgesichtspunkte für eine Förderung lieferte.

Eine Verpflichtung zur Förderung kann - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - zudem nicht allein dadurch entstehen, dass andere Agenturen für Arbeit die Weiterbildung zum gleichen Zeitraum gefördert haben. Die Ermessensentscheidungen setzen jeweils eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Vorschrift voraus, so dass sich bereits aus diesem Grund eine Übertragbarkeit auf andere Berechtigte verbietet.

Schließlich kann der Kläger nicht mit dem Vortrag gehört werden, dass er nicht zuletzt aufgrund der Bildungsmaßnahme zeitnah eine neue Stelle gefunden habe und die Beklagte selbst offensichtlich von der Geeignetheit ausgegangen sei. Abgesehen davon, dass der Erfolg der Teilnahme schon aus zeitlichen Gründen im Rahmen der Bescheidung über den Widerspruch am 26.08.2004 keine Berücksichtigung finden konnte, sind derartige eigene Ermessenserwägungen nicht von der eingeschränkten Prüfungskompetenz des Gerichts erfasst. Entscheidend ist vielmehr, dass die dargelegten Ermessenserwägungen der Beklagten - wie geschehen - den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG) besteht nicht. Der Fall wirft keine höchstrichterlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf.
Rechtskraft
Aus
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