S 10 (2) AS 300/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 (2) AS 300/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1.Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebens- unterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 422,- EUR zu zahlen.
Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab- gelehnt.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 9/10 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
2.Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechts- anwalt U. K., F. 251, 4xxx E. bewilligt.

Gründe:

I.

Im Streit ist die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit einer Schulausbildung.

Der am 03.11.1987 geborene Antragsteller besucht seit dem 01.08.2005 die Unesco-Schule in Essen, ein Städtisches Aufbaugymnasium. Zur Zeit befindet sich der Antragsteller in der 12. Klasse, wobei geplant ist, dass der Antragsteller die Schule im Juni 2008 mit dem Abitur abschließt.

Der Antragsteller erhielt bis zum 30.06.2006 vom Jugendamt der Stadt Düsseldorf Jugendhilfeleistungen. In dem zugrunde liegenden Hilfeplan wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller die beantragte Jugendhilfe noch bis zum Ende des ersten Schuljahres auf dem Gymnasium gewährt werden sollte, um ihm eine Entlastung bei der Haushaltsführung und der Regelung der Alltagsangelegenheiten zu ermöglichen.

Der Antragsteller wohnt seit Dezember 2004 in einer 45 m² großen Wohnung in Essen, wobei die Miete 225,- EUR monatlich zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 70,- EUR monatlich beträgt. Die Miete wurde bis zum 30.06.2006 vom Träger der Jugendhilfe gezahlt, indem der Mietvertrag mit dem Kinderheim St. Josefshaus als Mieter geschlossen worden war. Für die Zeit ab dem 01.07.2006 hat der Antragsteller nach seinen Angaben mit dem Kinderheim St. Josefshaus einen Untermietvertrag geschlossen, in dem sich der Antragsteller verpflichtete, die Kaltmiete und die Betriebskosten in einer Gesamthöhe von 295,- EUR an das St. Josefshaus zu zahlen.

Die Mutter des Antragstellers, Frau B. W., wohnt in einer Wohnung in Düsseldorf, während der Aufenthaltsort des Vaters des Antragstellers zur Zeit nicht bekannt ist. Der Antragsteller erhält zur Zeit Kindergeld in Höhe von 154,- EUR monatlich sowie ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 180,- EUR monatlich.

Der Antragsteller beantragte am 15.05.2006 erstmalig die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen ab dem 01.07.2006. Mit Bescheid des BAFöG-Amtes der Stadt Düsseldorf vom 22.05.2006 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht bei seinen Eltern wohnen würde und vom Wohnsitz der

Mutter eine entsprechende Ausbildungsstätte zu erreichen sei, da es in Düsseldorf entsprechende Gymnasien gebe. Einen weiteren Antrag des Antragstellers vom 18.08. 2006 lehnte das BAFöG-Amt der Stadt Düsseldorf mit Bescheid vom 21.09.2006 ab. Auch insoweit wurde zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 2 Abs. 1 a Nr. 1 - 3 BAFöG nicht vorlägen, weil vom Wohnort der Mutter des Antragstellers entsprechende Schulen zu erreichen seien. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass auch der Umstand, dass die Jugendhilfe beendet worden sei, keine Veränderung der Lebensverhältnisse darstellen würde, die die Gewährung der Ausbildungsförderung rechtfertigen würde. Gegen diesen Bescheid wurde seitens des Antragstellers Widerspruch erhoben, der noch anhängig ist.

Der Antragsteller beantragte am 11.07.2006 bei der Antragsgegnerin erstmalig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Am 13.07.2006 erging ein ablehnender Bescheid mit der Begründung, dass die Schulausbildung des Antragstellers im Rahmen des BAFöG dem Grunde nach förderungsfähig sei, so dass kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestünde.

Der Antragsteller beantragte am 13.10.2006 eine Überprüfung des Ablehnungsbescheides unter Hinweis auf § 7 Abs. 6 SGB II, wonach der Leistungsausschluss dann nicht gelte, wenn ein Auszubildender aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAFöG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung habe. Die Antragsgegnerin lehnte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit Bescheid vom 27.11.2006 erneut ab, weil bei Erlass des früheren Bescheides das Recht richtig angewandt und von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in Fällen, in denen ein Schüler nicht bei seinen Eltern wohnen würde, eine Leistung durch eine BAFöG-Stelle gewährt werden könne, wenn eine notwendige auswärtige Unterbringung anerkannt sei. Eine notwendige auswärtige Unterkunft liege vor, wenn ein Schüler nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) außerhalb des Elternhauses untergebracht sei, weil der Sorgeberechtigte verstorben sei bzw. den Eltern das Sorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 21.12.2006 Widerspruch, der noch nicht beschieden worden ist.

Mit einem am 28.12.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, in deren Rahmen er Leistungen zur Grundsicherung bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrt. Er ist der Auffassung, der in § 7 Abs. 5 SGB II vorgesehene Leistungsausschluss greife nicht ein, weil dieser keine Anwendung auf Auszubildende finde, die aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAFöG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung bestehe vorliegend nach § 2 Abs. 1 a BAFöG nicht, wobei die Antragsgegnerin auch an die entsprechende Entscheidung des BAFöG-Amtes der Stadt Düsseldorf gebunden sei.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vom Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Grundsicherung einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 486,- EUR monatlich zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Ausbildung des Antragstellers im Rahmen des BAFöG dem Grunde nach förderungsfähig sei, so dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sei. Aus § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II ergebe sich nichts anderes, da - trotz der entgegenstehenden, für sie nicht verbindlichen Entscheidung des BAFöG-Amtes - nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller aufgrund des § 2 Abs. 1 a BAFöG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beendigung der Jugendhilfe als eine Veränderung der Lebensverhältnisse des Antragstellers angesehen werden müsse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und überwiegend begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiell-rechtlichen Leistungsanspruches, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und die damit verbundene Unzumutbarkeit, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern dass eine Wechselwirkung derart besteht, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhanges ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG § 86 b Rn 27 u. 29 mwN). Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage bzw. der Widerspruch in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag des Antragstellers zu entsprechen, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Unterkunftskosten in Höhe von 422,- EUR monatlich geltend gemacht worden sind. In diesem Umfang hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus §§ 19, 20 Abs. 2, 22 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §§ 7 - 9 SGB II. Danach erhalten Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, die (1) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2) erwerbsfähig sind, (3) hilfebedürftig sind und (4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 SGB II). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Antragsteller vor.

Der Antragsteller ist nicht nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAFöG dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausbildung des Antragstellers im Rahmen des BAFöG schon dem Grunde nach nicht förderungsfähig ist, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II bereits nicht vorliegen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, es liege eine dem Grunde nach nicht förderungsfähige Ausbildung vor, wenn ein Auszubildender eine weiterführende allgemein bildende Schule ab Klasse 10 besuche, aber die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 1 a BAFöG nicht erfüllt, weil er nicht bei seinen Eltern wohnt und eine notwendige auswärtige Unterbringung im Sinne des § 2 Abs. 1 a Nr. 1 - 3 BAFöG nicht gegeben ist (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss v. 14.02.2006 Az. L 9 AS 19/06 ER; Rothe/Blank Kommentar zum BAFöG § 2 Rn 24; Ramsauer Kommentar zum BAFöG 4. Auflage § 2 Rn 47; Hauck Kommentar zum SGB II § 7 Rn 33; Linnhard Kommentar zum SGB II § 7 Rn 129). Selbst wenn man im Hinblick auf die grundsätzlich in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAFöG vorgesehene Förderungsmöglichkeit des Besuches weiterführender allgemein bildender Schulen von einer dem Grunde nach bestehenden Förderungsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeht, ergibt sich aus § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II ausdrücklich, dass der in § 7 Abs. 5 SGB II geregelte Leistungsausschluss keine Anwendung findet, wenn der Anspruch auf Ausbildungsförderung aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAFöG nicht besteht.

Der Antragsteller hat aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAFöG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung. Nach dieser Vorschrift wird für den Besuch von weiterführenden allgemein bildenden Schulen ab Klasse 10 Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und

1.von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist,
2.einen eigenen Haushalt führt und verheiratet ist oder war,
3.einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammen lebt.

Der nicht bei einem Elternteil lebende Antragsteller erfüllt keine der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 - 3 BAFöG. Er ist nicht verheiratet und lebt nicht mit einem Kind in einem Haushalt zusammen. Voraussetzung für die Förderungsfähigkeit nach § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BAFöG ist, dass zum einen die besuchte Ausbildungsstätte von der Elternwohnung aus nicht in zumutbarer Weise erreichbar ist und zum anderen nicht die Möglichkeit besteht, auf eine entsprechende zumutbare andere Ausbildungsstätte auszuweichen, die von der Elternwohnung aus erreichbar wäre (Ramsauer Kommentar zum BAFöG § 2 Rn 56). Es kann dahingestellt bleiben, ob es dem Antragsteller zumutbar wäre, von der Wohnung der Mutter in Düsseldorf das Aufbaugymnasium in Essen täglich aufzusuchen. Jedenfalls gibt es im Raum Düsseldorf entsprechende Gymnasien, die von der Wohnung der Mutter aus besucht werden könnten.

Somit liegt keine notwendige auswärtige Unterbringung im Sinne des § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 - 3 BAFöG vor. Soweit die Beklagte in einem internen Aktenvermerk vom 27.12.2006 (Bl. 38 Verw.-Akte) die Auffassung vertreten hat, eine notwendige auswärtige Unterbringung sei dadurch belegt, dass auch nach dem Hilfeplan des Jugendamtes Düsseldorf nicht angedacht worden sei, den Antragsteller in den elterlichen Haushalt zurückzuführen, ergibt sich daraus keine Förderungsfähigkeit der Ausbildung. In § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 - 3 BAFöG ist geregelt, dass nur in den ausdrücklich genannten Fallgruppen eine notwendige auswärtige Unterbringung vorliegt, die eine Förderung eines nicht bei den Eltern wohnenden Auszubildenden ermöglicht. Dabei geht das Gesetz von einer typisierenden Betrachtungsweise aus, wonach nur in den ausdrücklich genannten Fällen eine notwendige auswärtige Unterbringung vorliegt. Ob es dem Auszubildenden im Einzelfall tatsächlich möglich und zumutbar wäre, bei seinen Eltern zu wohnen, ist hiernach unerheblich (vgl. Ramsauer § 2 Rn 52, 53 mwN). So rechtfertigt insbesondere das Fehlen einer Eltern-Kind-Beziehung eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden nicht. Auch andere schwerwiegende soziale Gründe rechtfertigen die Notwendigkeit einer auswärtigen Unterbringung nach der derzeitigen Rechtslage nicht, da die Bundesregierung von der in § 2 Abs. 1 a Satz 2 BAFöG vorgesehenen entsprechenden Verordnungsermächtigung bisher keinen Gebrauch gemacht hat (Ramsauer § 2 Rn 67).

Soweit die Antragsgegnerin in dem Überprüfungsbescheid vom 27.11.2006 ausgeführt hat, eine notwendige auswärtige Unterbringung liege vor, wenn ein Schüler nach dem KJHG außerhalb des Elternhauses untergebracht sei, weil die Sorgeberechtigten verstorben sind oder den Eltern bzw. dem bisher sorgeberechtigten Elternteil das Sorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist, kann daraus kein Anspruch des Antragstellers auf Ausbildungsförderung hergeleitet werden. Der Mutter des Antragstellers ist weder das Sorgerecht noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden, so dass es bei dem Grundsatz verbleibt, dass eine Förderungsfähigkeit des Antragstellers ausgeschlossen ist, weil von der Wohnung der Mutter aus eine entsprechende Ausbildungsstätte erreichbar wäre. Dementsprechend sieht auch Ziffer 2.1 a. 7 der VwV zu § 2 BAFöG vor, dass auch bei auswärtiger Unterbringung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz Ausbildungsförderung (nur dann) zu leisten ist, wenn einem Elternteil das Sorgerecht zusteht und die Ausbildungsstätte von dessen Wohnung aus nicht erreichbar ist.

Schließlich ergibt sich - entgegen der von der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertretenen Auffassung - auch aus dem Umstand, dass die Jugendhilfeleistungen zum 30.06.2006 eingestellt worden sind, kein Anspruch des Antragstellers auf Förderung nach dem BAFöG. Insoweit ist insbesondere keine wesentliche Änderung der Lebensverhältnisse des Auszubildenden und seiner Eltern eingetreten, aufgrund derer er auf eine andere Ausbildungsstätte wechseln müsste. Vielmehr hing die Förderungsfähigkeit der Ausbildung des Antragstellers nach den Bestimmungen des BAFöG von Beginn des Schulbesuchs im Jahre 2005 an davon ab, ob eine notwendige auswärtige Unterbringung im Sinne des § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 - 3 BAFöG vorlag. Dies war weder im Jahre 2005 der Fall, als der Antragsteller noch nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz auswärtig untergebracht war (Ziffer 2.1 a 7 VwV zu § 2 BAFöG), noch liegt zum jetzigen Zeitpunkt eine notwendige auswärtige Unterbringung vor, wo keine Leistungen nach dem Jugendhilfegesetz gewährt werden. Eine Veränderung der Lebensverhältnisse, wegen der der Antragsteller auf eine andere Ausbildungsstätte wechseln müsste, ist somit nicht eingetreten.

Der Antragsteller kann seinen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für die Unterkunft und Heizung nicht in vollem Umfang aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern. Er verfügt über ein Einkommen in Höhe von 334,- EUR monatlich, dass sich aus dem Kindergeld in Höhe von 154,- EUR monatlich und Einkünften aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 180,- EUR monatlich zusammensetzt. Von dem Erwerbseinkommen ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II ein Freibetrag von 100,- EUR monatlich sowie nach § 30 Abs. 1 und 2 SGB II hinsichtlich des Einkommens, dass 100,- EUR übersteigt, zusätzlich ein Betrag von 20 vom Hundert als Freibetrag abzusetzen. Somit ergeben sich Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 64,- EUR (180,- EUR abzüglich 100,- EUR abzüglich 16,- EUR), so dass ein Gesamteinkommen in Höhe von 218,- EUR monatlich (Kindergeld 154,- EUR und Erwerbseinkommen 64,- EUR) zu berücksichtigen ist. Somit ist von dem monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 640,- EUR (Regelleistung 345,- EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung 295,- EUR) ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 218,- EUR abzusetzen, so dass der Antragsteller einen monatlichen Leistungsanspruch in Höhe von 422,- EUR hat.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, je offensichtlicher der materiell-rechtliche Anspruch begründet ist (vgl. Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG § 86 b Rn 27 und 29). Aus der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Hinweise, dass der Antragsteller über weitere als die angegebenen Einkünfte verfügt.

Das Gericht hat eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung in Höhe von 422,- EUR monatlich auf die Zeit bis zum 30.06.2007 begrenzt, da es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt und das Schuljahr am 30.06.2007 endet, so dass anschließend der weitere Schulbesuch des Antragstellers und die weiteren Anspruchsvoraussetzungen neu zu prüfen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens der Beteiligten.

Die Prozesskostenhilfe war nach § 73 a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO zu bewilligen.
Rechtskraft
Aus
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