Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 1 J 1/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 J 897/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen der § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO kann ein Facharbeiter außerhalb seines Berufsfeldes auf Tätigkeiten von Heimarbeitern als lediglich arbeitnehmerähnliche Personen nicht zumutbar verwiesen werden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. August 1982 geändert und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1979 verurteilt worden ist. Die Beklagte bleibt unter Abänderung ihres Bescheides vom 31. August 1979 verurteilt, dem Kläger Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juni 1980 zu gewähren. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu 2/3 zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit streitig.
Der 1924 geborene Kläger erlernte von 1940 bis 1943 den Beruf eines Schneiders und legte die Gesellenprüfung ab. In der Folgezeit arbeitete der Kläger als Schneider. Seit Oktober 1951 war der Kläger bei der Fa. R. K. – Herrenausstattung – in F. als Schneider versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Betriebsübernahme arbeitete der Kläger vom 1. Oktober 1963 bis zum 26. Februar 1979 bei der Fa. G. W. – Maß-Atelier – als Maßschneider für Großstücke. Seit 1964 war der Kläger für diesen Betrieb als Heimarbeiter tätig. Nach Arbeitslosmeldung und dem Bezug von Arbeitslosengeld war er für diese Firma vom 1. November 1979 bis zum 31. Dezember 1979 erneut als Maßschneider für Großstücke im Rahmen von Heimarbeit versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen Betriebsschließung zum 31. Dezember 1979 gelöst. Nach erneuter Arbeitslosmeldung und dem Bezug von Arbeitslosengeld bezog der Kläger ab dem 22. April 1980 Anschluß-Arbeitslosenhilfe bis zum 14. September 1983.
Am 6. Juli 1979 beantragte der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und legte einen Befundbericht von Dr. W. sowie einen Bescheid des Versorgungsamts Wiesbaden vom 21. März 1975 nach dem Schwerbehindertengesetz über eine MdE von 100 v.H. vor.
Nach der Einholung eines Röntgenbefundes des Thorax und der Halswirbelsäule sowie der Durchführung einer elektrokardiographischen und fahrradergometrischen Untersuchung durch Dr. P. erstattete Dr. H. (SäD) auf Veranlassung der Beklagten ein Gutachten vom 14. August 1979, in dem eine angeborene Taubstummheit, eine mäßiggradige Fehlstellung der Wirbelsäule mit geringer Funktionseinschränkung der HWS bei leichten degenerativen Veränderungen, ein schnellender 5. Finger links und 4. Finger rechts, eine Kurzsichtigkeit mit Brillenkorrektur und ein zahnloser Kiefer mit Vollprothese diagnostiziert wurden. Dr. H. hielt den Kläger als Schneider weiterhin für einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurden regelmäßig vollschichtig leichte Tätigkeiten ohne Anforderungen an das Gehör zugemutet.
Durch Bescheid vom 31. August 1979 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne bei angeborener Taubstummheit und Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißveränderungen noch leichte Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig verrichten, so daß Berufsunfähigkeit nicht vorliege.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, aus gesundheitlichen und familiären Gründen nicht in der Lage zu sein, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Der Widerspruch des Klägers wurde dem Sozialgericht gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Klage zugeleitet.
Während des Klageverfahrens brachte der Kläger vor, infolge der Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen könne er den Beruf des Schneiders nur noch unter vollschichtig ausüben. Hierfür sei der Arbeitsmarkt nicht offen. Wegen seines Alters und der Taubstummheit könne er sich nicht mehr in einen anderen Beruf einarbeiten.
Die Beklagte war demgegenüber der Auffassung, der Kläger könne noch vollschichtig im Rahmen des in Betracht kommenden Berufsfeldes arbeiten, wenn ihm der sog. Facharbeiterstatus zuzuerkennen wäre.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachchirurgischen Sachverständigengutachtens bei Dr. K. der im Gutachten vom 8. Mai 1980 eine leichte Fehlstellung der Rumpfwirbelsäule im Sinne der Rundrückenbildung im Bereich der Brustwirbelsäule, dem Alter entsprechende degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, leichte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei der Streckung, eine Funktionsstörung des Endgliedes des linken 5. Fingers im Sinne des schnellenden Fingers, einen schmerzhaften Sehnenknoten im Bereich des 4. Strahls der rechten Hand mit Einschränkung der Beugefähigkeit dieses Fingers und einem Hohlhandabstand von einem Querfinger auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet diagnostizierte. Dr. K. mutete dem Kläger ab Juli 1979 eine Tätigkeit als Schneider bis höchstens sechs Stunden täglich zu. Auf dem allgemeinen Arbeitsfeld sei der Kläger noch in der Lage, leichte bis höchstens mittelschwere Arbeiten, im ständigen Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben oder Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständige Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig zu verrichten. Nach der Einholung einer Auskunft des Arbeitsamts Wiesbaden vom 25. September 1980 ist weiter eine Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 30. Juni 1981 eingeholt worden.
Durch Urteil vom 10. August 1982 verurteilte das Sozialgericht Wiesbaden die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1979. In den Entscheidungsgründen führte es aus, unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens von Dr. K. könne der Kläger als Schneider nicht mehr vollschichtig arbeiten. Nach den eingeholten Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen und des Arbeitsamts Wiesbaden gebe es für den Kläger infolge seines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens keine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen. Darüber hinaus sei aber auch Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, da für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsfeld Arbeitsplätze nicht mehr erhältlich seien. Bei Taubstummen sei davon auszugehen, daß diese Schädigung sich so gravierend leistungsmindernd auswirke, daß ihm der Arbeitsmarkt nicht mehr offenstehe. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Versicherte bereits 57 Jahre alt sei, keiner Beschäftigung mehr nachgehe und neben seiner Taubstummheit an orthopädischen Gesundheitsstörungen leide.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 5. Oktober 1982 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 24. August 1982 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 26. August 1982 – eingelegte Berufung, mit der sie Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei als Schneider und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld noch vollschichtig einsatzfähig. Bei eine vollschichtigen Einsatzfähigkeit für leichte Arbeiten ohne außergewöhnliche Einschränkungen könne von der konkreten Prüfung abgesehen werden, ob Arbeitsplätze in hinreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden seien. Insbesondere bei Ausführung von Heimarbeit, aber auch in Betrieben könnten bei der Arbeit selbst die Bedingungen eingehalten werden, die nach Auffassung von Dr. K. bei vollschichtigem Arbeiten einzuhalten sein sollen. Im übrigen könne sich der Kläger im Ausbildungsberuf Bügler im Färber- und Chemischreinigungshandwerk betätigen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. August 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen könne er als Schneider nur noch unter vollschichtig arbeiten. Wegen seiner Gehörlosigkeit könne er eine andere Berufstätigkeit als die von ihm erlernte Schneidertätigkeit nicht ausüben. Der Kläger legt Schreiben der Fa. G. W. Maß-Atelier vom 9. Februar 1979, 19. November 1979 und 14. Dezember 1979 sowie ein Zeugnis dieses Betriebes vom 20. August 1980 vor.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. E. und Dr. W., die im Gutachten vom 17. Oktober 1984 degenerative Wirbelsäulenveränderungen vornehmlich der Brustwirbelsäule, geringgradig der Hals- und Lendenwirbelsäule mit daraus resultierenden Muskelverspannungen und rezidivierenden Schmerzzuständen (lokal und fortgeleitet: Pseudoradikuläres Syndrom C5/C6 rechts, L5/S1 links), einen Morbus Baastrup (Übergröße der Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule mit daraus resultierender Reizung des Bindegewebes zwischen den Dornfortsätzen), eine ausgeprägte Krampfaderbildung beiderseits vom Unterschenkeltypus, eine beiderseits ausgeprägte Verminderung der Großzehengrundbeweglichkeit (Hallux rigidus), eine ausgeprägte Fußpilzerkrankung und eine beginnende Hüftarthrose auf dem Boden einer Dysplasiehüfte diagnostizieren. Prof. Dr. E. und Dr. W. muten dem Kläger Arbeiten als Schneider halbtägig zu. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werden leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung) ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig zugemutet. Arbeiten im Kommunikationsbereich seien nicht möglich. Ebenso seien Arbeiten ausgeschlossen, bei denen Anforderungen an das Gehör gestellt würden. Die Beurteilung gelte seit ca. Anfang des Jahres 1984. Infolge Fehlens entsprechender ärztlicher Befunde sei für den Zeitraum davor die Leistungsfähigkeit entsprechend dem Gutachten von Dr. K. zu beurteilen. Nach der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 ist weiter eine Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 eingeholt worden, derzufolge der Kläger auf Grund seines Leistungsvermögens und der angeborenen Taubstummheit nicht in der Lage sei, Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie auszuüben. Nach einer Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 kommen berufsnahe oder bisher ausgeübte Tätigkeiten nicht mehr in Betracht. In der Bekleidungsindustrie gäbe es auch keine berufsfremden Tätigkeiten, die der Kläger ausführen könnte. In einer weiter eingeholten berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 werden Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Warensortierer oder als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie genannt. Die Verweisungstätigkeiten stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Für die Verweisungstätigkeiten seien im allgemeinen und auch für den Kläger unter Berücksichtigung der Taubstummheit Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Heimarbeiter sei nicht möglich, da es sich hierbei um eine nur arbeitnehmerähnliche Tätigkeit handele.
Des weiteren sind Auskünfte der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980 und des Landesarbeitsamts Hessen vom 18. März 1980 (L-6/J-1386/78) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten sowie auf den der Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil sachlich begründet. Das angefochtene Urteil konnte nach der vom Senat durchgeführten weiteren Sachaufklärung nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juni 1980. Ein Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht hingegen nicht.
Nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfaßt nach § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Die Voraussetzungen für eine Versichertenrente, wegen Berufsunfähigkeit sind seit dem 5. Mai 1980 erfüllt. Der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit ist zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Auf Grund des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger ab Anfang 1984 als Schneider halbtags arbeiten und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung), ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig verrichten kann. Wegen der angeborenen Taubstummheit sind Arbeiten im Kommunikationsbereich und solche mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Bei der Untersuchung zum fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 konnten auf orthopädischem Fachgebiet im wesentlichen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Morbus Baastrup, eine beginnende Dysplasiecoxarthrose und eine Krampfaderbildung beiderseits vom Unterschenkeltyp festgestellt werden. Die für die Tätigkeit als Schneider angenommene quantitative Leistungseinschränkung wird überzeugend damit begründet, daß infolge der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit den daraus sich entwickelnden myalgischen Beschwerden in Form von Muskelverspannungen und Krämpfen rezidivierende Verschlechterungen zu erwarten seien. Im Hinblick auf die Körperposition bei der Arbeit als Schneider und das Erfordernis zusätzlicher Haltearbeiten bei der Zuleitung der zu verarbeitenden Stoffe wird von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. unter Berücksichtigung der festgestellten Wirbelsäulenfehlform und der arbeitsbedingten Muskelverspannungen eine Erschöpfung der Leistungsbreite nach Ablauf eines halben Arbeitstages angenommen. Dabei wird noch auf die Notwendigkeit ausreichender Pausen innerhalb der halbtätigen Arbeitszeit hingewiesen. Angesichts der Belastungen der oberen Extremitäten, der Wirbelsäule und der Rücken- und Nackenmuskulatur bei der Tätigkeit als Schneider (vgl. dazu Scholz/Wittgens, Arbeitsmedizinische Berufskunde, S. 627) ist die Annahme einer quanitativen Leistungseinschränkung nach dem Schweregrad der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen vornehmlich der Brustwirbelsäule und geringgradig der Hals- und Lendenwirbelsäule mit daraus resultierenden Muskelverspannungen und rezidivierenden Schmerzzuständen von dem Sachverständigen einleuchtend und nachvollziehbar begründet. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann der Kläger unter Berücksichtigung der im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 festgestellten Gesundheitsstörungen noch leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung), ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig verrichten. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. H. vom 14. August 1979 sind wegen der angeborenen Taubstummheit Arbeiten mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Dies gilt wegen der Taubstummheit auch für Arbeiten im Kommunikationsbereich.
Durch das fachorthopädische Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 ist das fachchirurgische Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 im wesentlichen bestätigt worden. Auf Grund dieses Sachverständigengutachtens in Verbindung mit dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 sowie der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger bis Ende 1983 als Schneider höchstens sechs Stunden tätig sein konnte und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld leichte bis mittelschwere Arbeiten in ständigem Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben und Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständiges Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig zu verrichten in der Lage war. Bei der Untersuchung zum fachchirurgischen Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 konnten im wesentlichen eine leichte Fehlstellung der Rumpfwirbelsäule im Sinne der Rundrückenbildung im Bereich der Brustwirbelsäule, dem Alter entsprechende degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und leichte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei der Streckung festgestellt werden. In Übereinstimmung mit dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 begründet Dr. K. die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung für die Tätigkeit als Schneider mit den festgestellten degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und den bestehenden Verspannungen im Bereich des Schultergürtels. Der sozialmedizinischen Beurteilung im Gutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 wird im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 ausdrücklich zugestimmt und auf eine Verschlechterung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit der Folge hingewiesen, daß die Tätigkeit als Schneider nur noch halbschichtig verrichtet werden könne. Bei im wesentlichen übereinstimmender sozialmedizinischer Beurteilung in bezug auf die Tätigkeit als Schneider zwischen dem fachchirurgischen Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 und dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 trug der Senat keine Bedenken, insoweit ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. K. am 5. Mai 1980 eine quantitative Leistungseinschränkung als nachgewiesen anzusehen. Für den davorliegenden Zeitraum ist ein solcher Nachweis im Hinblick auf das Gutachten von Dr. H. vom 14. August 1979 und die darin wiedergegebenen Befunde nicht erbracht. Der Sachverständige Dr. K. gibt im Gutachten vom 8. Mai 1980 keine Begründung für die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung bereits ab Juli 1979. Im übrigen kann nicht außer acht gelassen werden, daß der Kläger vom 1. November 1979 bis zum 31. Dezember 1979 unter Berücksichtigung der Arbeitsbescheinigung vom 2. Januar 1980 ersichtlich noch in vollem Umfang als Schneider in Heimarbeit tätig gewesen ist. Die Lösung des Arbeitsverhältnisses erfolgte wegen Schließung der Maßschneiderei zum 31. Dezember 1979, mithin nicht aus gesundheitlichen Gründen. Demzufolge steht der Beweiswert dieser tatsächlichen Arbeitsleistung erkennbar in dem bis Ende Februar 1979 bestehenden Umfang der Annahme, einer quantitativen Leistungseinschränkung bereits ab Antragstellung entgegen.
Auf dem allgemeinen Arbeitsfeld konnte der Kläger bis Ende 1983 unter Berücksichtigung des fachchirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 8. Mai 1980 noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in ständigem Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben und Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständiges Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig verrichten. Wegen der angeborenen Taubstummheit waren Arbeiten im Kommunikationsbereich sowie solche mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld hat der Sachverständige Prof. Dr. E. im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 1985 für den maßgeblichen Zeitraum bis Ende 1983 ausdrücklich zugestimmt. Insoweit hat auch Dr. H. im Gutachten vom 14. August 1979 noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit angenommen. Wesentliche Befunde auf internistischem Fachgebiet werden in diesem Gutachten, das den Arztbrief von Dr. P. vom 10. August 1979 nach ambulanter Untersuchung ausgewertet hat, nicht mitgeteilt. Unter diesen Umständen war die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf internistischem Fachgebiet nicht erforderlich, zumal im Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 auch von Prof. Dr. E. die Notwendigkeit der Einholung von Zusatzgutachten nicht angenommen worden ist. Die angeborene Taubstummheit schließt als qualitative Leistungseinschränkungen Arbeiten im Kommunikationsbereich und solche mit Anforderungen an das Gehör aus. Demgemäß konnte der Kläger bis Ende 1983 auf dem allgemeinen Arbeitsfeld noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen und ab Anfang 1984 nur noch leichte Arbeiten mit weitergehenden Einschränkungen der objektiven Leistungsfähigkeit vollschichtig verrichten.
Bei der festgestellten Leistungsfähigkeit ist der Kläger seit Mai 1980 berufsunfähig. Bei der Frage der Berufsunfähigkeit eines Versicherten ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen. Dabei ist unter der Voraussetzung, daß sie nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt worden ist, grundsätzlich die zuletzt ausgeübte pflichtversicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zugrunde zu legen. Kann der Versicherte die bisherige Berufstätigkeit auch nach Eintritt der angeblich Berufsunfähigkeit bedingenden Umstände ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben, so schließt allein dies das Vorliegen von Berufsunfähigkeit aus. Aber auch bei einer in Betracht kommenden Verweisung bedarf es der Feststellung des bisherigen Berufs. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Facharbeiter im Rahmen des entwickelten Mehrstufenschemas sozial zumutbar außer auf eine andere Facharbeitertätigkeit auch auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zur Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe (Anlernberufe) gehören. Ein Facharbeiter kann ferner auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Merkmale aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls dann verwiesen werden, wenn sie wegen ihrer Qualität – nicht wegen der damit verbundenen Nachteile oder Erschwernisse – tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind (vgl. BSG in SozR Nr. 45 zu 2200 § 1246 RVO). Eine Verweisungstätigkeit muß entweder bereits den Kenntnissen und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen oder nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten ausgeübt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1980 – 1 RJ 24/79; Urteil vom 15. Januar 1981 – 4 RJ 5/80; Urteil vom 12. November 1980 – 5 RJ 98/78).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen der erkennende Senat folgt, muß hier als bisheriger Beruf im Sinne des § 1246 ADS. 2 Satz 2 RVO derjenige eines Schneiders zugrunde gelegt werden. Der Kläger hat diesen Beruf erlernt und die Lehre nach seinen glaubhaften Angaben mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. In der Folgezeit war der Kläger im erlernten Beruf versicherungspflichtig beschäftigt. Von Oktober 1951 bis September 1963 arbeitete er als Schneider bei der Fa. R. K. – Herrenausstattung – in F ... Nach Betriebsübernahme war der Kläger ab 1. Oktober 1963 für die Fa. G. W. – Maß-Atelier – ausweislich des Zeugnisses vom 20. August 1980 als Maßschneider für Großstücke tätig. Nach diesem Zeugnis hat der Kläger als Heimarbeiter alle ihm anvertrauten Arbeiten sehr gewissenhaft und zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers durchgeführt. Dieser bestätigte im Schreiben vom 9. Februar 1979, es bestünden überhaupt keine Zweifel an den fachlichen Fähigkeiten als Maßschneider "der guten alten Schule”. Angesichts dieser eindeutigen Aussage des früheren Arbeitgebers unabhängig von dem späteren Rentenverfahren bestehen auch unter Berücksichtigung des Zeugnisses vom 20. August 1980 keinerlei Bedenken, den Kläger nach seinem erlernten Beruf und seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Maßschneider für Großstücke in die Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzuordnen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger als Maßschneider für Großstücke ausschließlich als Herrenschneider (vgl. dazu Blätter zur Berufskunde 1–IIID 101a: Herrenschneider/Herrenschneiderin) gearbeitet oder gelegentlich Damenoberbekleidung angefertigt hat (vgl. dazu Blätter zur Berufskunde 1–IIID 101b: Damenschneider/Damenschneiderin). Die Einordnung des Klägers als Maßschneider "der guten alten Schule” durch den früheren Arbeitgeber läßt keinerlei Zweifel an seinen fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Demzufolge trug der Senat keine Bedenken, den Kläger nach seinem bisherigen Beruf in die Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzuordnen.
Unter Berücksichtigung der festgestellten Leistungsfähigkeit kann der Kläger seit Mai 1980 aus gesundheitlichen Gründen seinen bisherigen Beruf als Schneider nicht mehr vollschichtig ausüben. Bis Ende 1983 konnte er im bisherigen Beruf nur höchstens sechs Stunden, danach lediglich vier Stunden täglich arbeiten. Eine Verwertung der verbliebenen Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf als Schneider war dem Kläger aber nicht möglich, da es insoweit an Teilzeitarbeitsplätzen in nennenswertem Umfang fehlt. Nach der Auskunft des Arbeitsamts Wiesbaden vom 25. September 1980 sind für den Beruf eines Schneiders Teilzeitarbeitsplätze für sechs Stunden täglich auf dem erreichbaren Arbeitsmarkt nicht in nennenswertem Umfang vorhanden. Dies wird durch die Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 30. Juni 1981 und durch die vom Senat eingeholte Auskunft des Landesarbeitsamts vom 19. Februar 1986 nach erneuter Prüfung des maßgeblichen örtlichen Arbeitsmarkts durch die zuständige Dienststelle bestätigt. Auch die Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 bestätigt das Fehlen von Teilzeitarbeitsplätzen sowohl im Schneiderhandwerk als auch in der Bekleidungsindustrie. Auf eine Verwertung der verbliebenen Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf kann der Kläger danach wegen fehlender Teilzeitarbeitsplätze in nennenswertem Umfang zur Verneinung von Berufsunfähigkeit nicht verwiesen werden.
Zumutbare Verweisungstätigkeiten sind bei dem verbliebenen körperlichen Leistungsvermögen des Klägers nicht ersichtlich. Der Senat kann ihm keine Tätigkeiten konkret bezeichnen, die er nach seinem Leistungsvermögen noch zumutbar verrichten könnte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29. Juni 1978 – 5 RJ 88/77). Dabei war zunächst von dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie auszugehen. Diesem Tarifvertrag sind keine Tätigkeiten zu entnehmen, die den Kläger nicht entweder gesundheitlich überforderten oder einen unzumutbaren sozialen Abstieg bewirkten. Auch dem Tarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen, dem Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden, dem Lohn- und Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen und dem Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe sind nach der verbliebenen objektiven Leistungsfähigkeit keine für den Kläger zumutbaren Verweisungstätigkeiten zu entnehmen. Dabei wirkt sich die Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf leichte bis mittelschwere bzw. nur leichte Arbeiten und auf solche "im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen” besonders aus. Nach den vom Senat eingeholten Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 und der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 sowie der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 und den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten berufskundlichen Auskünften können keine Tätigkeiten festgestellt werden, die nach einer betrieblichen Einweisungs- und Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten verrichtet werden könnten und jedenfalls tariflich wie angelernte Tätigkeiten eingestuft sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 5 RJ 96/76).
Tätigkeiten als Schalttafelwärter, Apparatewärter und Maschinenwärter, als Maschinist in Drucklufterneuerungsanlagen oder Einsteller von Serienfertigungsmaschinen kommen nach den Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 und der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 für den Kläger nach seinem verbliebenen Leistungsvermögen nicht mehr in Betracht. Solche Tätigkeiten bedingen hohe psychische Belastungen mit dauernder Aufmerksamkeit und Anspannung der Sinnesorgane und setzen Reaktionsvermögen und die Fähigkeit voraus, bei Störungen rasch einzuschreiten und kleinere Reparaturen oder Auswechselungen vorzunehmen (vgl. Urteile des HLSG vom 22. Oktober 1981 – L-6/J-1200/78 und 21. Oktober 1983 – L-1/6/J-845/79). Dies ergibt sich insbesondere aus der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980. Danach scheidet auch eine Tätigkeit als Materialverwalter für den Kläger aus. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um einen Angestelltenberuf, der eingehende Kenntnisse der betrieblichen Besonderheiten und kaufmännische Fähigkeiten erfordert (vgl. Urteil des HLSG vom 22. Oktober 1981 – L-6/J-1200/78 unter Hinweis auf die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken sowie das Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen). Das Landesarbeitsamt Hessen verweist in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 zudem auf die Notwendigkeit häufigen Bückens und zum Teil auch von Heben und Tragen von schweren Gegenständen.
Sonstige berufsnahe oder berufsfremde Tätigkeiten kommen nach den vom Senat eingeholten berufskundlichen Auskünften nicht in Betracht. Nach der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 werden unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der angeborenen Taubstummheit Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie ausgeschlossen. Nach der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 kommen berufsnahe oder bisher ausgeübte Tätigkeiten nicht mehr in Betracht. Nach dieser Auskunft gibt es in der Bekleidungsindustrie auch keine berufsfremden Tätigkeiten, die der Kläger noch ausführen könnte. Zwar wird ein Einsatz des Klägers in einer Änderungswerkstatt für möglich gehalten, ein Stellenangebot wird jedoch verneint, so daß für den Kläger insoweit keine Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt besteht.
Allerdings nennt das Landesarbeitsamt Hessen in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Warensortierer oder als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie, die von dem Kläger nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten verrichtet werden könnten. Die genannten Verweisungstätigkeiten sind indessen dem Kläger als Facharbeiter entweder objektiv oder subjektiv unzumutbar. Die in der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 genannten Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder Warensortierer können dem Kläger als Facharbeiter unter Berücksichtigung des beschriebenen Arbeitsinhalts subjektiv nicht zugemutet werden, da es sich allesamt um bloße Hilfstätigkeiten handelt, die tariflich nicht entsprechend den sonstigen Ausbildungsberufen eingestuft sind (vgl. dazu BSG in SozR Nr. 45 zu 2200 § 1246 RVO). Beispielhaft sei hier der Lohntarifvertrag für den hessischen Einzelhandel vom 1. Mai 1979 angeführt, dessen Lohngruppe 1 Arbeitskräfte für Tätigkeiten erfaßt, die ohne besondere Ausbildung oder nach kurzer Einweisung ausgeführt werden und in der Lohnstaffel b) dieser Lohngruppe Tätigkeiten als Abpacker, Abwieger oder Etikettierer aufführt. Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bekleidungsindustrie erfaßt in der Berufsgruppe K 1 Angestellte mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit und nennt beispielhaft Postabfertiger. Ähnliche Tätigkeitsmerkmale und Beispiele enthält auch das Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen in der Gehaltsgruppe K 1 und der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in der Tarifgruppe 2, in denen Sortierarbeiten tariflich erfaßt sind. Auf derartige einfache Hilfstätigkeiten, die keinerlei Ausbildung erfordern und tariflich in die untersten Lohn- oder Gehaltsgruppen eingestuft sind, kann ein Facharbeiter subjektiv zumutbar nicht verwiesen werden (vgl. dazu Urteil des HLSG vom 21. Oktober 1983 – L-1/6/J-845/79). Dies gilt nach dem Arbeitsinhalt und der Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten auch für die Tätigkeit eines Warenaufmachers, die lediglich als Hilfstätigkeit einzustufen ist.
Zwar soll nach der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 für den Kläger noch eine Tätigkeit als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie verrichtet werden können. In der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 werden hingegen Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie generell ausgeschlossen. In der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 18. März 1980 war zudem die Auffassung vertreten worden, daß Bohr-, Stanz- und Montagearbeiten üblicherweise im Akkord ausgeübt werden, so daß derartige Tätigkeiten nicht als leicht eingeordnet werden könnten. Im übrigen wird in der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980 überzeugend darauf hingewiesen, daß solche Arbeiten üblicherweise einen Wechsel der Körperhaltung nicht ermöglichen. Auch in dieser Auskunft wird betont, daß derartige Arbeiten im Normalfall im Leistungslohn verrichtet werden und deshalb nicht als leicht zu bezeichnen seien. Unter diesen Umständen muß die Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 in bezug auf die Tätigkeit als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie als widerlegt angesehen werden. Da dem Kläger nur leichte bzw. leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen zugemutet werden können, kommt für ihn nach seiner objektiven Leistungsfähigkeit eine solche Arbeit nicht in Betracht.
Sonstige berufsfremde Tätigkeiten werden vom Landesarbeitsamt Hessen nicht genannt. Die von der Beklagten vorgebrachte Tätigkeit als Bügler im Färber- und Chemischreinigungshandwerk ist vom Landesarbeitsamt Hessen und auch von der Gewerkschaft Textil-Bekleidung nicht als zumutbar genannt worden, da sie ersichtlich nicht in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden muß (vgl. dazu Scholz/Wittgens, Arbeitsmedizinische Berufskunde, S. 627). Soweit von der Beklagten Tätigkeiten als Mützennäher, Bekleidungsschneider, Bekleidungsnäher oder Bekleidungsfertiger sowie als Wäscheschneider erwähnt werden, kommen solche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 und der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 ersichtlich wegen der stark eingeschränkten objektiven Leistungsfähigkeit nicht in Betracht. In beiden Auskünften wird ausgeführt, berufsnahe Tätigkeiten kämen für den Kläger nicht mehr in Frage. Weitere Tätigkeiten, die als objektiv und subjektiv zumutbar in Erwägung zu ziehen sein könnten, sind weder in der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 noch in den weiter vom Senat eingeholten berufskundlichen Auskünften aufgeführt. Solche Tätigkeiten sind auch unter Berücksichtigung der stark eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsamt hat in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 keine weiteren berufsfremden Tätigkeiten genannt. Nach der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 gibt er für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers im Sektor Heimarbeit im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie keine Arbeitsmöglichkeiten. Danach kann der Kläger, der seit 1964 als Schneider in Heimarbeit tätig gewesen ist, seine verbliebene Leistungsfähigkeit bei nach dem beruflichen Werdegang anzunehmender subjektiver Zumutbarkeit in diesem Bereich objektiv zumutbar nicht mehr verwerten. Das Landesarbeitsamt Hessen hält in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Heimarbeiter nicht für möglich, da es sich hierbei um eine nur arbeitnehmerähnliche (nicht-übliche) Tätigkeit handele. Dem ist beizupflichten, so daß eine Verweisung des Klägers auf Heimarbeit außerhalb des Bereichs der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht in Betracht kommt. Bei Heimarbeitern handelt es sich um arbeitnehmerähnliche Personen, auf die das Arbeitsrecht wegen des strukturellen Unterschiedes zu Arbeitnehmern grundsätzlich nicht anwendbar ist (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 9 Anm. II 1; Cepke, Begünstigter Personenkreis bei Betriebsübergang in: Betriebsberater 1979, S. 526 (529)). Die allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen sind auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. Schaub, a.a.O., § 9 Anm. II 2). Zwar sind zugunsten der Heimarbeiter im Heimarbeitsgesetz Vorschriften über den Arbeitsschutz, allgemeinen Verfahrensschutz, Entgeltschutz und Kündigungsschutz enthalten (vgl. dazu Schaub a.a.O.). In einzelnen Bestimmungen des Arbeitsrechts sind sie den Arbeitnehmern ausdrücklich gleichgestellt. Auch gelten Heimarbeiter nach § 12 Abs. 2 2. Halbsatz SGB IV als Beschäftigte und sind regelmäßig nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der Arbeiterrentenversicherung versicherungspflichtig. Die wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und in Heimarbeit Beschäftigten (vgl. dazu Cepke, a.a.O.) als lediglich arbeitnehmerähnliche Personen, ihre gegenüber Arbeitnehmern oftmals größere wirtschaftliche Abhängigkeit, die Einschränkungen im Arbeitsrecht und im Kündigungsschutz schließen jedoch eine Verweisung eines Facharbeiters im Rahmen des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO auf Tätigkeiten als Heimarbeiter außerhalb seines Berufsfeldes zur Verneinung von Berufsunfähigkeit aus. Demgemäß kann auch insoweit die Zumutbarkeit eines beruflichen Einsatzes des Klägers nicht festgestellt werden. Danach ist er seit Mai 1980 berufsunfähig.
Hingegen kann Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 RVO noch nicht als nachgewiesen angesehen werden. Gemäß § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO ist erwerbsunfähig der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger noch nicht erfüllt. Zwar ist seine Leistungsfähigkeit nicht unerheblich eingeschränkt. Bis Ende 1983 konnte er noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen ausüben. Seit Januar 1984 kann er noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten. Unter Berücksichtigung der festgestellten Leistungsfähigkeit, die durch die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet und die angeborene Taubstummheit bedingt ist, nennt das Landesarbeitsamt Hessen als sachkundige Stelle in seiner berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft vom 19. Februar 1986 noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer, die für den Kläger noch als objektiv zumutbar in Betracht kommen. Derartige Tätigkeiten könnten im allgemeinen und auch von dem Kläger unter Berücksichtigung der Taubstummheit innerhalb einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal drei Monaten Dauer ausgeübt werden. Da es sich nach der Beschreibung des Arbeitsinhalts um einfache Hilfstätigkeiten handelt, begegnet die Aussage des Landesarbeitsamts, derartige Arbeiten könnten auch von dem Kläger nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten verrichtet werden, keinen durchgreifenden Bedenken. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers lassen sich den eingeholten Gutachten nicht entnehmen. Nach dem Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 und dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. vom 17. Oktober 1984 war eine schriftliche Verständigung ohne weiteres möglich. Im Gutachten vom 14. August 1979 wird der Kläger von Dr. H.psychisch als zugewandt, aufgeschlossen und reaktionsschnell geschildert. Der Kläger habe sofort den Inhalt eines Textes verstanden und keine Umstellungserschwernis gezeigt. Unter diesen Umständen trug der Senat keine Bedenken, dem Kläger Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten zuzumuten. Die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung der verbliebenen Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers war angesichts des geschilderten Arbeitsinhalts der zumutbaren Tätigkeiten und des von Dr. H. dargelegten psychischen Befundes unter Berücksichtigung einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten nicht erforderlich. Demgemäß kann der Kläger noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitungszeit zumutbar verrichten, so daß Erwerbsunfähigkeit ausscheidet.
Anhaltspunkte für eine praktische Verschlossenheit des Arbeitsmarkts sind vorliegend nicht ersichtlich. Bei Versicherten, die noch vollschichtig einsatzfähig sind, besteht im Grundsatz keine Veranlassung zur Prüfung, ob der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist. Die insoweit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts statuierten Ausnahmen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. September 1980 – 5 RJ 98/78 mit weiteren Nachweisen) sind im vorliegenden Fall nach den eingeholten Sachverständigengutachten nicht gegeben. Hier sind dem Kläger unter Berücksichtigung der berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 unter Verneinung von Erwerbsunfähigkeit noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von bis zu drei Monaten vollschichtig zuzumuten. Da solche Tätigkeiten von Tarifverträgen erfaßt sind, ist von einer hinreichenden Zahl von Arbeitsplätzen auszugehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Februar 1978 – 4/5 RJ 50/77 mit weiteren Nachweisen). Demgemäß scheidet das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit aus.
Danach war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern und insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1979 auf Dauer und damit auch zur Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Mai 1980 verurteilt worden ist. Insoweit war die Klage abzuweisen. Im übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Rechtszüge zu 2/3 zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit streitig.
Der 1924 geborene Kläger erlernte von 1940 bis 1943 den Beruf eines Schneiders und legte die Gesellenprüfung ab. In der Folgezeit arbeitete der Kläger als Schneider. Seit Oktober 1951 war der Kläger bei der Fa. R. K. – Herrenausstattung – in F. als Schneider versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Betriebsübernahme arbeitete der Kläger vom 1. Oktober 1963 bis zum 26. Februar 1979 bei der Fa. G. W. – Maß-Atelier – als Maßschneider für Großstücke. Seit 1964 war der Kläger für diesen Betrieb als Heimarbeiter tätig. Nach Arbeitslosmeldung und dem Bezug von Arbeitslosengeld war er für diese Firma vom 1. November 1979 bis zum 31. Dezember 1979 erneut als Maßschneider für Großstücke im Rahmen von Heimarbeit versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen Betriebsschließung zum 31. Dezember 1979 gelöst. Nach erneuter Arbeitslosmeldung und dem Bezug von Arbeitslosengeld bezog der Kläger ab dem 22. April 1980 Anschluß-Arbeitslosenhilfe bis zum 14. September 1983.
Am 6. Juli 1979 beantragte der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und legte einen Befundbericht von Dr. W. sowie einen Bescheid des Versorgungsamts Wiesbaden vom 21. März 1975 nach dem Schwerbehindertengesetz über eine MdE von 100 v.H. vor.
Nach der Einholung eines Röntgenbefundes des Thorax und der Halswirbelsäule sowie der Durchführung einer elektrokardiographischen und fahrradergometrischen Untersuchung durch Dr. P. erstattete Dr. H. (SäD) auf Veranlassung der Beklagten ein Gutachten vom 14. August 1979, in dem eine angeborene Taubstummheit, eine mäßiggradige Fehlstellung der Wirbelsäule mit geringer Funktionseinschränkung der HWS bei leichten degenerativen Veränderungen, ein schnellender 5. Finger links und 4. Finger rechts, eine Kurzsichtigkeit mit Brillenkorrektur und ein zahnloser Kiefer mit Vollprothese diagnostiziert wurden. Dr. H. hielt den Kläger als Schneider weiterhin für einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurden regelmäßig vollschichtig leichte Tätigkeiten ohne Anforderungen an das Gehör zugemutet.
Durch Bescheid vom 31. August 1979 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne bei angeborener Taubstummheit und Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißveränderungen noch leichte Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig verrichten, so daß Berufsunfähigkeit nicht vorliege.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, aus gesundheitlichen und familiären Gründen nicht in der Lage zu sein, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Der Widerspruch des Klägers wurde dem Sozialgericht gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Klage zugeleitet.
Während des Klageverfahrens brachte der Kläger vor, infolge der Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen könne er den Beruf des Schneiders nur noch unter vollschichtig ausüben. Hierfür sei der Arbeitsmarkt nicht offen. Wegen seines Alters und der Taubstummheit könne er sich nicht mehr in einen anderen Beruf einarbeiten.
Die Beklagte war demgegenüber der Auffassung, der Kläger könne noch vollschichtig im Rahmen des in Betracht kommenden Berufsfeldes arbeiten, wenn ihm der sog. Facharbeiterstatus zuzuerkennen wäre.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachchirurgischen Sachverständigengutachtens bei Dr. K. der im Gutachten vom 8. Mai 1980 eine leichte Fehlstellung der Rumpfwirbelsäule im Sinne der Rundrückenbildung im Bereich der Brustwirbelsäule, dem Alter entsprechende degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, leichte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei der Streckung, eine Funktionsstörung des Endgliedes des linken 5. Fingers im Sinne des schnellenden Fingers, einen schmerzhaften Sehnenknoten im Bereich des 4. Strahls der rechten Hand mit Einschränkung der Beugefähigkeit dieses Fingers und einem Hohlhandabstand von einem Querfinger auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet diagnostizierte. Dr. K. mutete dem Kläger ab Juli 1979 eine Tätigkeit als Schneider bis höchstens sechs Stunden täglich zu. Auf dem allgemeinen Arbeitsfeld sei der Kläger noch in der Lage, leichte bis höchstens mittelschwere Arbeiten, im ständigen Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben oder Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständige Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig zu verrichten. Nach der Einholung einer Auskunft des Arbeitsamts Wiesbaden vom 25. September 1980 ist weiter eine Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 30. Juni 1981 eingeholt worden.
Durch Urteil vom 10. August 1982 verurteilte das Sozialgericht Wiesbaden die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1979. In den Entscheidungsgründen führte es aus, unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens von Dr. K. könne der Kläger als Schneider nicht mehr vollschichtig arbeiten. Nach den eingeholten Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen und des Arbeitsamts Wiesbaden gebe es für den Kläger infolge seines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens keine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen. Darüber hinaus sei aber auch Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, da für ihn auf dem allgemeinen Arbeitsfeld Arbeitsplätze nicht mehr erhältlich seien. Bei Taubstummen sei davon auszugehen, daß diese Schädigung sich so gravierend leistungsmindernd auswirke, daß ihm der Arbeitsmarkt nicht mehr offenstehe. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Versicherte bereits 57 Jahre alt sei, keiner Beschäftigung mehr nachgehe und neben seiner Taubstummheit an orthopädischen Gesundheitsstörungen leide.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 5. Oktober 1982 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 24. August 1982 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 26. August 1982 – eingelegte Berufung, mit der sie Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verfolgt.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei als Schneider und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld noch vollschichtig einsatzfähig. Bei eine vollschichtigen Einsatzfähigkeit für leichte Arbeiten ohne außergewöhnliche Einschränkungen könne von der konkreten Prüfung abgesehen werden, ob Arbeitsplätze in hinreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden seien. Insbesondere bei Ausführung von Heimarbeit, aber auch in Betrieben könnten bei der Arbeit selbst die Bedingungen eingehalten werden, die nach Auffassung von Dr. K. bei vollschichtigem Arbeiten einzuhalten sein sollen. Im übrigen könne sich der Kläger im Ausbildungsberuf Bügler im Färber- und Chemischreinigungshandwerk betätigen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. August 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Wegen der Fehlstellung der Wirbelsäule mit Verschleißerscheinungen könne er als Schneider nur noch unter vollschichtig arbeiten. Wegen seiner Gehörlosigkeit könne er eine andere Berufstätigkeit als die von ihm erlernte Schneidertätigkeit nicht ausüben. Der Kläger legt Schreiben der Fa. G. W. Maß-Atelier vom 9. Februar 1979, 19. November 1979 und 14. Dezember 1979 sowie ein Zeugnis dieses Betriebes vom 20. August 1980 vor.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. E. und Dr. W., die im Gutachten vom 17. Oktober 1984 degenerative Wirbelsäulenveränderungen vornehmlich der Brustwirbelsäule, geringgradig der Hals- und Lendenwirbelsäule mit daraus resultierenden Muskelverspannungen und rezidivierenden Schmerzzuständen (lokal und fortgeleitet: Pseudoradikuläres Syndrom C5/C6 rechts, L5/S1 links), einen Morbus Baastrup (Übergröße der Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule mit daraus resultierender Reizung des Bindegewebes zwischen den Dornfortsätzen), eine ausgeprägte Krampfaderbildung beiderseits vom Unterschenkeltypus, eine beiderseits ausgeprägte Verminderung der Großzehengrundbeweglichkeit (Hallux rigidus), eine ausgeprägte Fußpilzerkrankung und eine beginnende Hüftarthrose auf dem Boden einer Dysplasiehüfte diagnostizieren. Prof. Dr. E. und Dr. W. muten dem Kläger Arbeiten als Schneider halbtägig zu. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werden leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung) ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig zugemutet. Arbeiten im Kommunikationsbereich seien nicht möglich. Ebenso seien Arbeiten ausgeschlossen, bei denen Anforderungen an das Gehör gestellt würden. Die Beurteilung gelte seit ca. Anfang des Jahres 1984. Infolge Fehlens entsprechender ärztlicher Befunde sei für den Zeitraum davor die Leistungsfähigkeit entsprechend dem Gutachten von Dr. K. zu beurteilen. Nach der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 ist weiter eine Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 eingeholt worden, derzufolge der Kläger auf Grund seines Leistungsvermögens und der angeborenen Taubstummheit nicht in der Lage sei, Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie auszuüben. Nach einer Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 kommen berufsnahe oder bisher ausgeübte Tätigkeiten nicht mehr in Betracht. In der Bekleidungsindustrie gäbe es auch keine berufsfremden Tätigkeiten, die der Kläger ausführen könnte. In einer weiter eingeholten berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 werden Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Warensortierer oder als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie genannt. Die Verweisungstätigkeiten stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Für die Verweisungstätigkeiten seien im allgemeinen und auch für den Kläger unter Berücksichtigung der Taubstummheit Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Heimarbeiter sei nicht möglich, da es sich hierbei um eine nur arbeitnehmerähnliche Tätigkeit handele.
Des weiteren sind Auskünfte der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980 und des Landesarbeitsamts Hessen vom 18. März 1980 (L-6/J-1386/78) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakten sowie auf den der Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil sachlich begründet. Das angefochtene Urteil konnte nach der vom Senat durchgeführten weiteren Sachaufklärung nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Juni 1980. Ein Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht hingegen nicht.
Nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfaßt nach § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Die Voraussetzungen für eine Versichertenrente, wegen Berufsunfähigkeit sind seit dem 5. Mai 1980 erfüllt. Der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit ist zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Auf Grund des fachorthopädischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger ab Anfang 1984 als Schneider halbtags arbeiten und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung), ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig verrichten kann. Wegen der angeborenen Taubstummheit sind Arbeiten im Kommunikationsbereich und solche mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Bei der Untersuchung zum fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 konnten auf orthopädischem Fachgebiet im wesentlichen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Morbus Baastrup, eine beginnende Dysplasiecoxarthrose und eine Krampfaderbildung beiderseits vom Unterschenkeltyp festgestellt werden. Die für die Tätigkeit als Schneider angenommene quantitative Leistungseinschränkung wird überzeugend damit begründet, daß infolge der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit den daraus sich entwickelnden myalgischen Beschwerden in Form von Muskelverspannungen und Krämpfen rezidivierende Verschlechterungen zu erwarten seien. Im Hinblick auf die Körperposition bei der Arbeit als Schneider und das Erfordernis zusätzlicher Haltearbeiten bei der Zuleitung der zu verarbeitenden Stoffe wird von dem Sachverständigen Prof. Dr. E. unter Berücksichtigung der festgestellten Wirbelsäulenfehlform und der arbeitsbedingten Muskelverspannungen eine Erschöpfung der Leistungsbreite nach Ablauf eines halben Arbeitstages angenommen. Dabei wird noch auf die Notwendigkeit ausreichender Pausen innerhalb der halbtätigen Arbeitszeit hingewiesen. Angesichts der Belastungen der oberen Extremitäten, der Wirbelsäule und der Rücken- und Nackenmuskulatur bei der Tätigkeit als Schneider (vgl. dazu Scholz/Wittgens, Arbeitsmedizinische Berufskunde, S. 627) ist die Annahme einer quanitativen Leistungseinschränkung nach dem Schweregrad der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen vornehmlich der Brustwirbelsäule und geringgradig der Hals- und Lendenwirbelsäule mit daraus resultierenden Muskelverspannungen und rezidivierenden Schmerzzuständen von dem Sachverständigen einleuchtend und nachvollziehbar begründet. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann der Kläger unter Berücksichtigung der im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 festgestellten Gesundheitsstörungen noch leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, in trockenen, heizbaren Räumen, unter Vermeidung von feuchtkalter und kalttrockener Zugluft, ohne Zwangshaltungen (Hockstellung, Kniestellung), ohne Über-Kopf-Arbeiten vollschichtig verrichten. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. H. vom 14. August 1979 sind wegen der angeborenen Taubstummheit Arbeiten mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Dies gilt wegen der Taubstummheit auch für Arbeiten im Kommunikationsbereich.
Durch das fachorthopädische Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 ist das fachchirurgische Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 im wesentlichen bestätigt worden. Auf Grund dieses Sachverständigengutachtens in Verbindung mit dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 sowie der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E. vom 23. April 1985 steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger bis Ende 1983 als Schneider höchstens sechs Stunden tätig sein konnte und auf dem allgemeinen Arbeitsfeld leichte bis mittelschwere Arbeiten in ständigem Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben und Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständiges Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig zu verrichten in der Lage war. Bei der Untersuchung zum fachchirurgischen Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 konnten im wesentlichen eine leichte Fehlstellung der Rumpfwirbelsäule im Sinne der Rundrückenbildung im Bereich der Brustwirbelsäule, dem Alter entsprechende degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und leichte degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei der Streckung festgestellt werden. In Übereinstimmung mit dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 begründet Dr. K. die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung für die Tätigkeit als Schneider mit den festgestellten degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und den bestehenden Verspannungen im Bereich des Schultergürtels. Der sozialmedizinischen Beurteilung im Gutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 wird im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 ausdrücklich zugestimmt und auf eine Verschlechterung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit der Folge hingewiesen, daß die Tätigkeit als Schneider nur noch halbschichtig verrichtet werden könne. Bei im wesentlichen übereinstimmender sozialmedizinischer Beurteilung in bezug auf die Tätigkeit als Schneider zwischen dem fachchirurgischen Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 und dem fachorthopädischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. und Dr. W. vom 17. Oktober 1984 trug der Senat keine Bedenken, insoweit ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. K. am 5. Mai 1980 eine quantitative Leistungseinschränkung als nachgewiesen anzusehen. Für den davorliegenden Zeitraum ist ein solcher Nachweis im Hinblick auf das Gutachten von Dr. H. vom 14. August 1979 und die darin wiedergegebenen Befunde nicht erbracht. Der Sachverständige Dr. K. gibt im Gutachten vom 8. Mai 1980 keine Begründung für die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung bereits ab Juli 1979. Im übrigen kann nicht außer acht gelassen werden, daß der Kläger vom 1. November 1979 bis zum 31. Dezember 1979 unter Berücksichtigung der Arbeitsbescheinigung vom 2. Januar 1980 ersichtlich noch in vollem Umfang als Schneider in Heimarbeit tätig gewesen ist. Die Lösung des Arbeitsverhältnisses erfolgte wegen Schließung der Maßschneiderei zum 31. Dezember 1979, mithin nicht aus gesundheitlichen Gründen. Demzufolge steht der Beweiswert dieser tatsächlichen Arbeitsleistung erkennbar in dem bis Ende Februar 1979 bestehenden Umfang der Annahme, einer quantitativen Leistungseinschränkung bereits ab Antragstellung entgegen.
Auf dem allgemeinen Arbeitsfeld konnte der Kläger bis Ende 1983 unter Berücksichtigung des fachchirurgischen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 8. Mai 1980 noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in ständigem Wechsel von Gehen, Stehen und Umhergehen, ohne Heben und Tragen schwerer bis mittelschwerer Lasten, ohne ständiges Arbeiten in gebückter Stellung, ohne längere Zwangshaltung vollschichtig verrichten. Wegen der angeborenen Taubstummheit waren Arbeiten im Kommunikationsbereich sowie solche mit Anforderungen an das Gehör ausgeschlossen. Der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld hat der Sachverständige Prof. Dr. E. im fachorthopädischen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 23. April 1985 für den maßgeblichen Zeitraum bis Ende 1983 ausdrücklich zugestimmt. Insoweit hat auch Dr. H. im Gutachten vom 14. August 1979 noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit angenommen. Wesentliche Befunde auf internistischem Fachgebiet werden in diesem Gutachten, das den Arztbrief von Dr. P. vom 10. August 1979 nach ambulanter Untersuchung ausgewertet hat, nicht mitgeteilt. Unter diesen Umständen war die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf internistischem Fachgebiet nicht erforderlich, zumal im Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 1984 auch von Prof. Dr. E. die Notwendigkeit der Einholung von Zusatzgutachten nicht angenommen worden ist. Die angeborene Taubstummheit schließt als qualitative Leistungseinschränkungen Arbeiten im Kommunikationsbereich und solche mit Anforderungen an das Gehör aus. Demgemäß konnte der Kläger bis Ende 1983 auf dem allgemeinen Arbeitsfeld noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen und ab Anfang 1984 nur noch leichte Arbeiten mit weitergehenden Einschränkungen der objektiven Leistungsfähigkeit vollschichtig verrichten.
Bei der festgestellten Leistungsfähigkeit ist der Kläger seit Mai 1980 berufsunfähig. Bei der Frage der Berufsunfähigkeit eines Versicherten ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen. Dabei ist unter der Voraussetzung, daß sie nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt worden ist, grundsätzlich die zuletzt ausgeübte pflichtversicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zugrunde zu legen. Kann der Versicherte die bisherige Berufstätigkeit auch nach Eintritt der angeblich Berufsunfähigkeit bedingenden Umstände ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben, so schließt allein dies das Vorliegen von Berufsunfähigkeit aus. Aber auch bei einer in Betracht kommenden Verweisung bedarf es der Feststellung des bisherigen Berufs. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Facharbeiter im Rahmen des entwickelten Mehrstufenschemas sozial zumutbar außer auf eine andere Facharbeitertätigkeit auch auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zur Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe (Anlernberufe) gehören. Ein Facharbeiter kann ferner auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Merkmale aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls dann verwiesen werden, wenn sie wegen ihrer Qualität – nicht wegen der damit verbundenen Nachteile oder Erschwernisse – tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind (vgl. BSG in SozR Nr. 45 zu 2200 § 1246 RVO). Eine Verweisungstätigkeit muß entweder bereits den Kenntnissen und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen oder nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten ausgeübt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1980 – 1 RJ 24/79; Urteil vom 15. Januar 1981 – 4 RJ 5/80; Urteil vom 12. November 1980 – 5 RJ 98/78).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen der erkennende Senat folgt, muß hier als bisheriger Beruf im Sinne des § 1246 ADS. 2 Satz 2 RVO derjenige eines Schneiders zugrunde gelegt werden. Der Kläger hat diesen Beruf erlernt und die Lehre nach seinen glaubhaften Angaben mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. In der Folgezeit war der Kläger im erlernten Beruf versicherungspflichtig beschäftigt. Von Oktober 1951 bis September 1963 arbeitete er als Schneider bei der Fa. R. K. – Herrenausstattung – in F ... Nach Betriebsübernahme war der Kläger ab 1. Oktober 1963 für die Fa. G. W. – Maß-Atelier – ausweislich des Zeugnisses vom 20. August 1980 als Maßschneider für Großstücke tätig. Nach diesem Zeugnis hat der Kläger als Heimarbeiter alle ihm anvertrauten Arbeiten sehr gewissenhaft und zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers durchgeführt. Dieser bestätigte im Schreiben vom 9. Februar 1979, es bestünden überhaupt keine Zweifel an den fachlichen Fähigkeiten als Maßschneider "der guten alten Schule”. Angesichts dieser eindeutigen Aussage des früheren Arbeitgebers unabhängig von dem späteren Rentenverfahren bestehen auch unter Berücksichtigung des Zeugnisses vom 20. August 1980 keinerlei Bedenken, den Kläger nach seinem erlernten Beruf und seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Maßschneider für Großstücke in die Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzuordnen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger als Maßschneider für Großstücke ausschließlich als Herrenschneider (vgl. dazu Blätter zur Berufskunde 1–IIID 101a: Herrenschneider/Herrenschneiderin) gearbeitet oder gelegentlich Damenoberbekleidung angefertigt hat (vgl. dazu Blätter zur Berufskunde 1–IIID 101b: Damenschneider/Damenschneiderin). Die Einordnung des Klägers als Maßschneider "der guten alten Schule” durch den früheren Arbeitgeber läßt keinerlei Zweifel an seinen fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Demzufolge trug der Senat keine Bedenken, den Kläger nach seinem bisherigen Beruf in die Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzuordnen.
Unter Berücksichtigung der festgestellten Leistungsfähigkeit kann der Kläger seit Mai 1980 aus gesundheitlichen Gründen seinen bisherigen Beruf als Schneider nicht mehr vollschichtig ausüben. Bis Ende 1983 konnte er im bisherigen Beruf nur höchstens sechs Stunden, danach lediglich vier Stunden täglich arbeiten. Eine Verwertung der verbliebenen Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf als Schneider war dem Kläger aber nicht möglich, da es insoweit an Teilzeitarbeitsplätzen in nennenswertem Umfang fehlt. Nach der Auskunft des Arbeitsamts Wiesbaden vom 25. September 1980 sind für den Beruf eines Schneiders Teilzeitarbeitsplätze für sechs Stunden täglich auf dem erreichbaren Arbeitsmarkt nicht in nennenswertem Umfang vorhanden. Dies wird durch die Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 30. Juni 1981 und durch die vom Senat eingeholte Auskunft des Landesarbeitsamts vom 19. Februar 1986 nach erneuter Prüfung des maßgeblichen örtlichen Arbeitsmarkts durch die zuständige Dienststelle bestätigt. Auch die Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 bestätigt das Fehlen von Teilzeitarbeitsplätzen sowohl im Schneiderhandwerk als auch in der Bekleidungsindustrie. Auf eine Verwertung der verbliebenen Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf kann der Kläger danach wegen fehlender Teilzeitarbeitsplätze in nennenswertem Umfang zur Verneinung von Berufsunfähigkeit nicht verwiesen werden.
Zumutbare Verweisungstätigkeiten sind bei dem verbliebenen körperlichen Leistungsvermögen des Klägers nicht ersichtlich. Der Senat kann ihm keine Tätigkeiten konkret bezeichnen, die er nach seinem Leistungsvermögen noch zumutbar verrichten könnte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29. Juni 1978 – 5 RJ 88/77). Dabei war zunächst von dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie auszugehen. Diesem Tarifvertrag sind keine Tätigkeiten zu entnehmen, die den Kläger nicht entweder gesundheitlich überforderten oder einen unzumutbaren sozialen Abstieg bewirkten. Auch dem Tarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen, dem Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden, dem Lohn- und Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen und dem Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe sind nach der verbliebenen objektiven Leistungsfähigkeit keine für den Kläger zumutbaren Verweisungstätigkeiten zu entnehmen. Dabei wirkt sich die Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf leichte bis mittelschwere bzw. nur leichte Arbeiten und auf solche "im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen” besonders aus. Nach den vom Senat eingeholten Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 und der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 sowie der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 und den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten berufskundlichen Auskünften können keine Tätigkeiten festgestellt werden, die nach einer betrieblichen Einweisungs- und Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten verrichtet werden könnten und jedenfalls tariflich wie angelernte Tätigkeiten eingestuft sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 5 RJ 96/76).
Tätigkeiten als Schalttafelwärter, Apparatewärter und Maschinenwärter, als Maschinist in Drucklufterneuerungsanlagen oder Einsteller von Serienfertigungsmaschinen kommen nach den Auskünften des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 und der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 für den Kläger nach seinem verbliebenen Leistungsvermögen nicht mehr in Betracht. Solche Tätigkeiten bedingen hohe psychische Belastungen mit dauernder Aufmerksamkeit und Anspannung der Sinnesorgane und setzen Reaktionsvermögen und die Fähigkeit voraus, bei Störungen rasch einzuschreiten und kleinere Reparaturen oder Auswechselungen vorzunehmen (vgl. Urteile des HLSG vom 22. Oktober 1981 – L-6/J-1200/78 und 21. Oktober 1983 – L-1/6/J-845/79). Dies ergibt sich insbesondere aus der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980. Danach scheidet auch eine Tätigkeit als Materialverwalter für den Kläger aus. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um einen Angestelltenberuf, der eingehende Kenntnisse der betrieblichen Besonderheiten und kaufmännische Fähigkeiten erfordert (vgl. Urteil des HLSG vom 22. Oktober 1981 – L-6/J-1200/78 unter Hinweis auf die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken sowie das Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen). Das Landesarbeitsamt Hessen verweist in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 zudem auf die Notwendigkeit häufigen Bückens und zum Teil auch von Heben und Tragen von schweren Gegenständen.
Sonstige berufsnahe oder berufsfremde Tätigkeiten kommen nach den vom Senat eingeholten berufskundlichen Auskünften nicht in Betracht. Nach der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 werden unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und der angeborenen Taubstummheit Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie ausgeschlossen. Nach der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 kommen berufsnahe oder bisher ausgeübte Tätigkeiten nicht mehr in Betracht. Nach dieser Auskunft gibt es in der Bekleidungsindustrie auch keine berufsfremden Tätigkeiten, die der Kläger noch ausführen könnte. Zwar wird ein Einsatz des Klägers in einer Änderungswerkstatt für möglich gehalten, ein Stellenangebot wird jedoch verneint, so daß für den Kläger insoweit keine Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt besteht.
Allerdings nennt das Landesarbeitsamt Hessen in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, als Warensortierer oder als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie, die von dem Kläger nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten verrichtet werden könnten. Die genannten Verweisungstätigkeiten sind indessen dem Kläger als Facharbeiter entweder objektiv oder subjektiv unzumutbar. Die in der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 genannten Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder Warensortierer können dem Kläger als Facharbeiter unter Berücksichtigung des beschriebenen Arbeitsinhalts subjektiv nicht zugemutet werden, da es sich allesamt um bloße Hilfstätigkeiten handelt, die tariflich nicht entsprechend den sonstigen Ausbildungsberufen eingestuft sind (vgl. dazu BSG in SozR Nr. 45 zu 2200 § 1246 RVO). Beispielhaft sei hier der Lohntarifvertrag für den hessischen Einzelhandel vom 1. Mai 1979 angeführt, dessen Lohngruppe 1 Arbeitskräfte für Tätigkeiten erfaßt, die ohne besondere Ausbildung oder nach kurzer Einweisung ausgeführt werden und in der Lohnstaffel b) dieser Lohngruppe Tätigkeiten als Abpacker, Abwieger oder Etikettierer aufführt. Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bekleidungsindustrie erfaßt in der Berufsgruppe K 1 Angestellte mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit und nennt beispielhaft Postabfertiger. Ähnliche Tätigkeitsmerkmale und Beispiele enthält auch das Gehaltsrahmenabkommen für die chemische Industrie des Landes Hessen in der Gehaltsgruppe K 1 und der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken in der Tarifgruppe 2, in denen Sortierarbeiten tariflich erfaßt sind. Auf derartige einfache Hilfstätigkeiten, die keinerlei Ausbildung erfordern und tariflich in die untersten Lohn- oder Gehaltsgruppen eingestuft sind, kann ein Facharbeiter subjektiv zumutbar nicht verwiesen werden (vgl. dazu Urteil des HLSG vom 21. Oktober 1983 – L-1/6/J-845/79). Dies gilt nach dem Arbeitsinhalt und der Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten auch für die Tätigkeit eines Warenaufmachers, die lediglich als Hilfstätigkeit einzustufen ist.
Zwar soll nach der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 für den Kläger noch eine Tätigkeit als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie verrichtet werden können. In der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 3. Dezember 1985 werden hingegen Tätigkeiten im Bereich der Metall- und Elektroindustrie generell ausgeschlossen. In der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 18. März 1980 war zudem die Auffassung vertreten worden, daß Bohr-, Stanz- und Montagearbeiten üblicherweise im Akkord ausgeübt werden, so daß derartige Tätigkeiten nicht als leicht eingeordnet werden könnten. Im übrigen wird in der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 11. März 1980 überzeugend darauf hingewiesen, daß solche Arbeiten üblicherweise einen Wechsel der Körperhaltung nicht ermöglichen. Auch in dieser Auskunft wird betont, daß derartige Arbeiten im Normalfall im Leistungslohn verrichtet werden und deshalb nicht als leicht zu bezeichnen seien. Unter diesen Umständen muß die Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 in bezug auf die Tätigkeit als Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie als widerlegt angesehen werden. Da dem Kläger nur leichte bzw. leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen zugemutet werden können, kommt für ihn nach seiner objektiven Leistungsfähigkeit eine solche Arbeit nicht in Betracht.
Sonstige berufsfremde Tätigkeiten werden vom Landesarbeitsamt Hessen nicht genannt. Die von der Beklagten vorgebrachte Tätigkeit als Bügler im Färber- und Chemischreinigungshandwerk ist vom Landesarbeitsamt Hessen und auch von der Gewerkschaft Textil-Bekleidung nicht als zumutbar genannt worden, da sie ersichtlich nicht in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden muß (vgl. dazu Scholz/Wittgens, Arbeitsmedizinische Berufskunde, S. 627). Soweit von der Beklagten Tätigkeiten als Mützennäher, Bekleidungsschneider, Bekleidungsnäher oder Bekleidungsfertiger sowie als Wäscheschneider erwähnt werden, kommen solche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 und der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 ersichtlich wegen der stark eingeschränkten objektiven Leistungsfähigkeit nicht in Betracht. In beiden Auskünften wird ausgeführt, berufsnahe Tätigkeiten kämen für den Kläger nicht mehr in Frage. Weitere Tätigkeiten, die als objektiv und subjektiv zumutbar in Erwägung zu ziehen sein könnten, sind weder in der Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 noch in den weiter vom Senat eingeholten berufskundlichen Auskünften aufgeführt. Solche Tätigkeiten sind auch unter Berücksichtigung der stark eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsamt hat in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 keine weiteren berufsfremden Tätigkeiten genannt. Nach der Auskunft der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 19. Dezember 1985 gibt er für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers im Sektor Heimarbeit im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie keine Arbeitsmöglichkeiten. Danach kann der Kläger, der seit 1964 als Schneider in Heimarbeit tätig gewesen ist, seine verbliebene Leistungsfähigkeit bei nach dem beruflichen Werdegang anzunehmender subjektiver Zumutbarkeit in diesem Bereich objektiv zumutbar nicht mehr verwerten. Das Landesarbeitsamt Hessen hält in seiner Auskunft vom 19. Februar 1986 eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Heimarbeiter nicht für möglich, da es sich hierbei um eine nur arbeitnehmerähnliche (nicht-übliche) Tätigkeit handele. Dem ist beizupflichten, so daß eine Verweisung des Klägers auf Heimarbeit außerhalb des Bereichs der Textil- und Bekleidungsindustrie nicht in Betracht kommt. Bei Heimarbeitern handelt es sich um arbeitnehmerähnliche Personen, auf die das Arbeitsrecht wegen des strukturellen Unterschiedes zu Arbeitnehmern grundsätzlich nicht anwendbar ist (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 9 Anm. II 1; Cepke, Begünstigter Personenkreis bei Betriebsübergang in: Betriebsberater 1979, S. 526 (529)). Die allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen sind auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. Schaub, a.a.O., § 9 Anm. II 2). Zwar sind zugunsten der Heimarbeiter im Heimarbeitsgesetz Vorschriften über den Arbeitsschutz, allgemeinen Verfahrensschutz, Entgeltschutz und Kündigungsschutz enthalten (vgl. dazu Schaub a.a.O.). In einzelnen Bestimmungen des Arbeitsrechts sind sie den Arbeitnehmern ausdrücklich gleichgestellt. Auch gelten Heimarbeiter nach § 12 Abs. 2 2. Halbsatz SGB IV als Beschäftigte und sind regelmäßig nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der Arbeiterrentenversicherung versicherungspflichtig. Die wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und in Heimarbeit Beschäftigten (vgl. dazu Cepke, a.a.O.) als lediglich arbeitnehmerähnliche Personen, ihre gegenüber Arbeitnehmern oftmals größere wirtschaftliche Abhängigkeit, die Einschränkungen im Arbeitsrecht und im Kündigungsschutz schließen jedoch eine Verweisung eines Facharbeiters im Rahmen des § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO auf Tätigkeiten als Heimarbeiter außerhalb seines Berufsfeldes zur Verneinung von Berufsunfähigkeit aus. Demgemäß kann auch insoweit die Zumutbarkeit eines beruflichen Einsatzes des Klägers nicht festgestellt werden. Danach ist er seit Mai 1980 berufsunfähig.
Hingegen kann Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 1247 RVO noch nicht als nachgewiesen angesehen werden. Gemäß § 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO ist erwerbsunfähig der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger noch nicht erfüllt. Zwar ist seine Leistungsfähigkeit nicht unerheblich eingeschränkt. Bis Ende 1983 konnte er noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen ausüben. Seit Januar 1984 kann er noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten. Unter Berücksichtigung der festgestellten Leistungsfähigkeit, die durch die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet und die angeborene Taubstummheit bedingt ist, nennt das Landesarbeitsamt Hessen als sachkundige Stelle in seiner berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft vom 19. Februar 1986 noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer, die für den Kläger noch als objektiv zumutbar in Betracht kommen. Derartige Tätigkeiten könnten im allgemeinen und auch von dem Kläger unter Berücksichtigung der Taubstummheit innerhalb einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal drei Monaten Dauer ausgeübt werden. Da es sich nach der Beschreibung des Arbeitsinhalts um einfache Hilfstätigkeiten handelt, begegnet die Aussage des Landesarbeitsamts, derartige Arbeiten könnten auch von dem Kläger nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten verrichtet werden, keinen durchgreifenden Bedenken. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers lassen sich den eingeholten Gutachten nicht entnehmen. Nach dem Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 8. Mai 1980 und dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. E. vom 17. Oktober 1984 war eine schriftliche Verständigung ohne weiteres möglich. Im Gutachten vom 14. August 1979 wird der Kläger von Dr. H.psychisch als zugewandt, aufgeschlossen und reaktionsschnell geschildert. Der Kläger habe sofort den Inhalt eines Textes verstanden und keine Umstellungserschwernis gezeigt. Unter diesen Umständen trug der Senat keine Bedenken, dem Kläger Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten zuzumuten. Die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung der verbliebenen Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers war angesichts des geschilderten Arbeitsinhalts der zumutbaren Tätigkeiten und des von Dr. H. dargelegten psychischen Befundes unter Berücksichtigung einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten nicht erforderlich. Demgemäß kann der Kläger noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitungszeit zumutbar verrichten, so daß Erwerbsunfähigkeit ausscheidet.
Anhaltspunkte für eine praktische Verschlossenheit des Arbeitsmarkts sind vorliegend nicht ersichtlich. Bei Versicherten, die noch vollschichtig einsatzfähig sind, besteht im Grundsatz keine Veranlassung zur Prüfung, ob der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist. Die insoweit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts statuierten Ausnahmen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. September 1980 – 5 RJ 98/78 mit weiteren Nachweisen) sind im vorliegenden Fall nach den eingeholten Sachverständigengutachten nicht gegeben. Hier sind dem Kläger unter Berücksichtigung der berufs- und wirtschaftskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamts Hessen vom 19. Februar 1986 unter Verneinung von Erwerbsunfähigkeit noch Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder als Warensortierer nach einer Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von bis zu drei Monaten vollschichtig zuzumuten. Da solche Tätigkeiten von Tarifverträgen erfaßt sind, ist von einer hinreichenden Zahl von Arbeitsplätzen auszugehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Februar 1978 – 4/5 RJ 50/77 mit weiteren Nachweisen). Demgemäß scheidet das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit aus.
Danach war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten abzuändern und insoweit aufzuheben, als die Beklagte zur Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1979 auf Dauer und damit auch zur Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Mai 1980 verurteilt worden ist. Insoweit war die Klage abzuweisen. Im übrigen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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