L 3 R 148/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 153/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 148/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger Erwerbsminderungsrente zu zahlen hat.

Der Kläger ist am XX.XXXXX 1963 in G. bei Danzig geboren. Seit August 1988 lebt er, nunmehr als Inhaber eines Vertriebenenausweises A, in der Bundesrepublik Deutschland. Der Versicherungsverlauf des Klägers weist reguläre Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. August 1991 bis 8. Januar 1992 sowie die Zeit vom 9. März 1992 bis 11. September 1992 aus. Ansonsten sind dort lediglich von der Bundesanstalt für Arbeit gemeldete Zeiten sowie Zeiten des Bezugs von Sozialleistungen erfasst.

Im Mai 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versichertenrente. Die Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch und lehnte mit Bescheid vom 23. Juli 2004 den Antrag gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) ab, da der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei. Seine Erwerbsfähigkeit sei zwar durch belastungsabhängige Kreuz- und Nackenbeschwerden mit endgradig nicht auszuführenden Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Bewegungen ohne neuromuskuläre Ausfälle beeinträchtigt, wobei nur diskrete degenerative Veränderungen nachweisbar seien; des Weiteren bestehe anamnestisch der Verdacht auf eine HLA-B 27 assoziierte Spondarthritis mit peripherer Gelenkbeteiligung. Nach ärztlicher Einschätzung könne der Kläger jedoch noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Der Kläger erhob Widerspruch, der von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2004 zurückgewiesen wurde: Die ärztliche Bewertung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers habe ergeben, dass dieser imstande sei, mittelschwere bis gelegentlich schwere Arbeit mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten.

Der Widerspruchsbescheid wurde am 21. Dezember 2004 zur Post gegeben. Am 21. Januar 2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat den Gesundheitszustand des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. D. begutachten lassen. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2005 ausgeführt, die Durchsicht des Röntgenmaterials habe allenfalls degenerative Veränderungen an den medialen Kompartimenten beider Kniegelenke, an beiden Großzehengrundgelenken, segmental an der Halswirbelsäule bei C 6/7 mit zarter degenerativer Veränderung an den Wirbelkörpern der Lendenwirbelsäule erbracht, die in keinem Falle das Altersmaß überstiegen. Der Kläger habe einen Bewegungsschmerz in beiden Hüftgelenken in alle Richtungen mit muskulärer Gegenspannung demonstriert. Eine Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und den objektivierbaren Befunden könne nicht übersehen werden. Auch sei darauf hinzuweisen, dass bisher außer einem positiven HLA-B-Faktor keine nennenswerten rheumatischen Veränderungen eingetreten seien. Von daher bleibe die vom Kläger betonte Diagnose einer Spondarthritis mit Gelenkbeteiligung eine Arbeitshypothese. Entsprechendes gelte für die von dem behandelnden Augenarzt angegebene Diagnose eines morbus Bechterew. Dem Kläger könnten noch regelmäßig leichte und mittelschwere, gelegentlich kurzfristig auch schwere Tätigkeiten zu ebener Erde, nach Möglichkeit in klimageschützten Räumen, ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten und ohne kniende und hockende Tätigkeiten, ohne Tätigkeiten an gefährdeten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen sowie ohne Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Konzentrationsfähigkeit zugemutet werden. Solche Arbeiten könne er vollschichtig verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. März 2006 hat das Sozialgericht außerdem den Orthopäden Wolfgang P. als Sachverständigen gehört. Dieser hat ausgeführt, mit den festgestellten Befunden sei der Kläger noch in der Lage, körperlich mittelschwere Arbeiten mit durchschnittlich etwa 12 kg, maximal 15 kg Gewichtsbelastung zu verrichten. Die Befunde zeigten, dass durchgehend bei ausreichender Hüftbeugefähigkeit die Auffächerbarkeit der Lendenwirbelsäule noch weitestgehend im alterstypischen Bereich liege. Es sei also genügend Bewegungsspielraum dafür vorhanden, dass der Kläger auch weitaus überwiegend im Sitzen arbeiten könne, mit stündlichen Unterbrechungen von 2 bis 3 Minuten. Wegen der Beteiligung der Fingergelenke könnten ihm keine Arbeiten in kaltem oder nassem Milieu mehr zugemutet werden; ebenso wenig sollten sehr heiße Gegenstände mit den Fingern bewegt werden. Wegen der generellen Kälteempfindlichkeit bei rheumatischer Erkrankung könne der Kläger nur noch in gleichmäßig klimatisierten Räumen, nicht jedoch unter Witterungseinfluss arbeiten, er solle auch nicht im unmittelbaren Einflussbereich von Klimaanlagen eingesetzt werden, da dort ständig Luftzug herrsche. Eine Störung der Feinmotorik der Finger sei nicht gegeben, insbesondere sei die Greiffähigkeit erhalten.

Mit Urteil vom 2. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Folge man den eingeholten medizinischen Gutachten, so sei er noch in der Lage, körperlich mittelschwere Arbeiten mit durchschnittlichen Gewichtsbelastungen in klimageschützten Räumen vollschichtig zu verrichten. Auch ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide aus.

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg ist dem Kläger am 27. Juli 2006 zugestellt worden. Am 22. August 2006 hat er Berufung eingelegt.

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, er sei nicht in der Lage, auch nur leichte Arbeiten auszuführen. Seine Ärztin K. W.- W1 habe ihm bescheinigt, dass sogar der Weg in die Arztpraxis für ihn beschwerlich sei. Nur im Liegen sei er einigermaßen beschwerdefrei. Im Übrigen offenbarten bereits die Ausführungen des Gutachters P., dass er, der Kläger, nicht arbeitsfähig sei. Der Gutachter führe aus, er könne weder im kalten noch im nassen Milieu arbeiten; auch dürfe er wegen seiner erkrankten Finger keine heißen Gegenstände anfassen. Er dürfe nur in gleichmäßig klimatisierten Räumen, nicht jedoch unter Witterungseinfluss eingesetzt werden, auch der Einfluss von Klimaanlagen sei unzuträglich. Derart geschützte Arbeitsbedingungen, wie sie der Gutachter P. für erforderlich halte, gebe es nicht. Ihm seien daher die beantragten Leistungen zuzusprechen.

In dem vom Kläger vorgelegten Attest seiner Ärztin, auf welches er Bezug nimmt, heißt es, bei ihm bestehe eine anamnestisch bekannte HLA-B 27 assoziierte Spondarthritis mit peripherer Gelenkbeteiligung. Seit Dezember 2004 habe er immer öfter rheumaschubartige Beschwerden mit Exazerbation insbesondere an den Händen und Fingern bekommen. Unter solchen Umständen sei der Weg in die Praxis sehr mühsam. Aufgrund der Beschwerden sei er nach wie vor nicht in der Lage, regelmäßig auch nur leichte Arbeit auszuführen. Des Weiteren legt der Kläger zur Begründung seiner Berufung ein Attest des Orthopäden Dr. S. vom 28. November 2006 vor, wonach bei ihm gesichert eine Spondylitis ankylosans, gesichert eine chronische Lumboischialgie beidseits, gesichert eine HLA-B 27 assoziierte Spondarthritis sowie gesichert eine Fingergelenkarthritis beidseits bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2004 zu verpflichten, dem Kläger die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit/Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, in der Berufungsbegründung würden keine neuen medizinischen Tatsachen angeführt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste.

Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Krankenakten des Allgemeinen Krankenhauses E. haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten, auch der beigezogenen Schwerbehindertenakten des Klägers, wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht entschieden, dass dem Kläger Erwerbsminderungsrente gemäß § 43 SGB VI nicht zusteht, da es an den gesundheitlichen Voraussetzungen dafür fehlt. Die darüber eingeholten medizinischen Gutachten sind überzeugend und schlüssig. Aus den vom Kläger zur Begründung seiner Berufung vorgelegten ärztlichen Äußerungen ergibt sich nichts anderes. Die Ärztin W.- W1 benennt in ihrem Attest vom 22. August 2006 keine neuen Befunde oder gesundheitlichen Entwicklungen, die nunmehr eine andere Einschätzung der Erwerbsfähigkeit nach sich ziehen müssten. Nichts anderes gilt für das Attest des Orthopäden Dr. S., auch wenn dort davon die Rede ist, dass von den Gutachtern des Sozialgerichts als Verdachtsdiagnosen bezeichnete Erkrankungen tatsächlich gesichert seien. An den Feststellungen zur Funktionsbeeinträchtigung im sozialmedizinischen Sinne ändert sich dadurch nichts. Dem Antrag des Klägers, seine Ehefrau als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass er nur im Liegen schmerzfrei sei, war nach alledem nicht nachzugehen. Die Behauptung einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes im Verhältnis zu den vorliegenden ärztlichen Feststellungen liegt darin nicht. Überhaupt betrifft der Antrag nicht die für die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im sozialmedizinischen Sinne erheblichen medizinischen Befunde, wie auch Schmerzfreiheit nicht grundsätzlich Voraussetzung von Erwerbsfähigkeit wäre. Schließlich steht der Beweisantrag im Gegensatz zu den mündlichen Ausführungen des Klägers im Verhandlungstermin des Landessozialgerichts, wonach er auch im Liegen Beschwerden habe und diesen durch Wechsel der Körperhaltung entgegenwirke.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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