Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 135/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Der Streitwert wird auf 4.008,18 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Steuerberatungsbüro und beschäftigte jedenfalls bis zum 31.12.2004 die Beigeladenen zu 1) bis 9) als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Sie schloss allerdings nur mit dem Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 6) im Anschluss an deren Ausbildung am 15.01.2004 schriftliche "Anstellungsverträge". Im Übrigen existieren lediglich mündliche Vereinbarungen.
Bis Juli 2002 bzw. August 2002 zahlte die Klägerin ihren Mitarbeitern das jeweils vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt. Ab diesem Zeitpunkt stellte sie den Beigeladenen zu 1) bis 9) monatlich Tankgutscheine im Wert von ...,- bis ...,- EURO bzw. ab dem 01.01.2004 bis ...,- EURO aus. Im Gegenzug verminderte sie die diesen Arbeitnehmern zustehenden monatlichen Bruttobezüge in entsprechender Höhe. Die Tankgutscheine sollten nicht übertragbar sein und an einer bestimmten Tankstelle eingelöst werden.
In dem schriftlichen "Anstellungsvertrag" zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 6) finden die Tankgutscheine allerdings keine Erwähnung. Unter "§ 3 Vergütung" heißt es vielmehr:
Die monatliche Bruttovergütung beträgt EUR ... (erg.: bei der Beigeladenen zu 6) ...) Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers ... "
In der Zeit vom 02.05.2005 bis 06.06.2005 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2004 durch. Mit Bescheid vom 31.08.2005 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt ... EUR nach. Die Nachforderung begründete sie damit, dass eine Gehaltsnachzahlung an zwei Arbeitnehmerinnen nicht in vollem Umfang der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterworfen worden sei, im Monat Januar 2004 aus der Ausbildungsvergütung für zwei Arbeitnehmer keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden seien und auch keine Sozialversicherungsbeiträge für die aus dem laufenden Arbeitsentgelt finanzierten Benzingutscheine entrichtet worden seien. Die Nachforderung betrug allein aufgrund des zuletzt genannten Sachverhaltes ... EUR. Insoweit führte die Beklagte zur Begründung aus, der geldwerte Vorteil aus den gewährten Benzingutscheinen sei dem beitragspflichtigen Entgelt in der Sozialversicherung zuzurechnen. Die aus der Gewährung der Benzingutscheine resultierenden geldwerten Vorteile seien nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt worden. Vielmehr sei hierfür stets das laufende Arbeitsentgelt entsprechend reduziert worden. Der Bruttolohn der Arbeitnehmer sei deshalb durch die Gewährung der Benzingutscheine im Ergebnis unverändert geblieben. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung und auch die Finanzverwaltung habe zwar eine Umwandlung von Barlohn in einen Sachbezug, wie zum Beispiel die Umwandlung von Barlohn in Essensmarken oder Restaurant-Schecks, unter der Voraussetzung, dass der Arbeitsvertrag entsprechend geändert werde, ausdrücklich zugelassen. Die Sozialversicherung folge dem jedoch nicht uneingeschränkt. Denn die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger ließen eine Umwandlung von Barlohn in einen durch den Rabattfreibetrag begünstigten Sachbezug dann nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu, wenn Warengutscheine oder Sachzuwendungen an Stelle des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelts gewährt werden. Nur wenn freiwillige Lohnzahlungen, die über den Tarif- oder Arbeitsvertrag hinausgingen, durch Warengutscheine oder Sachzuwendungen ersetzt würden, trete Beitragsfreiheit in Anwendung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ein.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Beiträge, die auf Grund der anstelle des Barentgeltes ausgegebenen Benzingutscheine nacherhoben wurden. Zur Begründung führte sie aus, diese Sachbezüge seien nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG lohnsteuerfrei, da der Wert der Gutscheine ... EUR bzw ... EUR nicht überstiegen habe. Sie habe diesbezüglich eine Anrufungsauskunft beim zuständigen Finanzamt eingeholt, welches diese Rechtsauffassung bestätigt habe. Die Beklagte verkenne, dass die Vorschriften des § 8 Abs. 3 EStG und des § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) nicht einschlägig seien. § 8 Abs. 3 EStG behandele ausschließlich die Fälle, dass vom Unternehmer selbst hergestellte oder vertriebene Waren an den Arbeitnehmer weitergegeben werden. Da die Klägerin nicht mit Benzin handele, scheide § 8 Abs. 3 EStG als Rechtsgrundlage für die Rechtsfindung gänzlich aus. Es verbleibe daher ausschließlich bei § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG. Die Sozial-versicherung folge der steuerlichen Beurteilung über die Steuerfreiheit mit der Regelung in § 6 der Sachbezugsverordnung (SachBezV), wonach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (Freigrenze von ... EUR bzw ... EUR) entsprechend gelte. Der Wert der Benzingutscheine sei somit nicht der Sozialversicherung zu unterwerfen.
Am 04.10.2005 beantragte die Klägerin bei Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Den Antrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 28.10.2005 (S 6 R 277/05 ER), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, ab. Rechtmittel legte die Klägerin nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Sachbezug in Gestalt der Tankgutscheine gehöre im Sinne der Sozialversicherung als geldwerter Vorteil in voller Höhe zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Bei der von der Klägerin vorgenommenen Barlohnumwandlung handele es sich nicht um eine zusätzliche freiwillige Leistung, sondern um eine Kürzung des dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zustehenden Bruttoentgeltes zugunsten eines Sachbezugs. Beitragsfreiheit nach § 1 ArEV komme nicht in Betracht, da die Tankgutscheine nicht im Sinne dieser Vorschrift zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt würden.
Die Klägerin hat am 23.01.2006 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, hinsichtlich der Lohnsteuerfreiheit der Tankgutscheine habe die Entscheidung des Finanzamtes Tatbestandswirkung. Auf § 1 ArEV komme es nicht an, da es sich nicht um Beträge im Sinne dieser Vorschrift handele. Vielmehr blieben die Tankgutscheine nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz. Für die Sozialversicherungspflicht gelte § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV, wonach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG entsprechend gelte. Damit komme es auf die "Zusätzlichkeit" oder die "Unentgeltlichkeit" der Tankgutscheine nicht an.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2005 aufzuheben, soweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die den Beigeladenen zu 1) bis 9) gewährten Benzingutscheine nacherhoben worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es könne dahinstehen, ob es sich bei den Tankgutscheinen um Sachbezüge handele, die nach § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG lohnsteuerfrei seien. Tatsache sei, dass die Klägerin eine Barlohnumwandlung vorgenommen habe, ohne dass der Verzicht zugunsten des Sachbezugs arbeitsvertraglich festgehalten worden sei. Nur wenn freiwillige Lohnzahlungen, die über den Tarif- oder Arbeitsvertrag hinausgingen, durch Sachzuwendungen ersetzt würden, trete bei Lohnsteuerfreiheit auch Beitragsfreiheit ein. Die vom Arbeitsentgelt abhängigen Beitragsansprüche entstünden bereits mit dem (arbeitsvertraglich vereinbarten) Arbeitsentgeltanspruch. Soweit die Arbeitnehmer auf den sich ggf. aus dem ihnen laut Arbeitsvertrag zustehenden Bruttolohn, der in voller Höhe Beitragspflichtig in der Gesamtsozialversicherung sei, ergebenen Nettolohn zugunsten eines Benzingutscheins verzichtet hätten, bedeute dies nicht, dass der Rentenversicherungsträger nicht berechtigt sei, die Beiträge aus dem vom Arbeitnehmer eigentlich zu beanspruchenden Bruttolohn gemäß § 22 SGB IV zu fordern. Zur Unterstützung ihrer Auffassung hat die Beklagte ein Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 23.02.2004, Az.: S 25 KR 3082/00, zu den Akten gereicht.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 9) haben auf Befragen des Gerichts übereinstimmend angegeben, die Klägerin habe ihnen die Ersetzung des Barlohnes durch die Tankgutscheine angeboten. Sie hätten dieses Angebot freiwillig angenommen, hätten es jedoch auch ablehnen können.
Das Gericht hat die Streitakte aus dem Verfahren S 6 R 277/05 ER beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit-, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Streitakte aus dem Verfahren S 6 R 277/05 ER sowie die darin befindlichen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt, gegenüber der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von ... EUR nachzufordern. Gegen die Beitragsnachforderung im Hinblick auf die Gehaltsnachzahlung an die Beigeladenen zu 2) und 8) und die Ausbildungvergütung für die Beigeladenen zu 1) und 6) (insgesamt ...,- EUR) hat die Klägerin ausdrücklich keine Einwände erhoben. Die Beklagte war darüber hinaus entgegen der Auffassung der Klägerin auch berechtigt, Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf die den Beigeladenen zu 1) bis 9) gewährten Tankgutscheine zu erheben.
Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist die Beklagte befugt, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Im Rahmen dieser Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Aus der Bestimmung des § 28 p SGB IV ergibt sich die generelle Befugnis der Beklagten, Beitragsnachforderungen gegenüber Arbeitgebern, die nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen haben, geltend zu machen.
Bemessungsgrundlage für die Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Tankgutscheine sind beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in diesem Sinne, denn es handelt sich hierbei um Sachbezüge, die zum Arbeitsentgelt gehören, wenn sie – wie hier – im ursächlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl. Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeitnehmer und Angestellten, § 14 SGB IV Anmerkung 2; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.11.2000, Az.: L 14 KR 1441/97 m.w.N.).
Es kann dahinstehen, ob die Benzingutscheine nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG lohnsteuerfrei sind. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, was allerdings deshalb zweifelhaft sein könnte, weil jedenfalls die schriftlichen Arbeitverträge der Beigeladenen zu 1) und 6) nicht geändert wurden (vgl. insoweit Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.07.2004, Az.: 4 K 5742/01 L), führt dies nicht dazu, dass die Benzingutscheine damit zugleich beitragsfrei im Sinne des Sozialversicherungsrechts sind. Eine vollständige Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht gibt es nicht (vgl. Hessisches Landessozialgericht a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Eine Angleichung des Sozialversicherungsrechtes an das Steuerrecht erfolgt lediglich durch die aufgrund von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV erlassene Arbeitsentgeltverordnung (ArEV). Diese regelt, ob und in welchem Umfang einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Für die hier streitgegenständlichen Benzingutscheine enthält die Arbeitsentgeltverordnung jedoch keine Vorschrift, aus der sich ergibt, dass die etwaige Lohnsteuerfreiheit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG auch zur Folge hat, dass die Benzingutscheine nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegen. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 1 ArEV sind nicht erfüllt.
Nach § 1 ArEV sind solche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Die Benzingutscheine wurden den Mitarbeitern der Klägerin jedoch nicht zusätzlich zu dem vertraglich vereinbarten Lohn bzw. Gehalt gewährt. Das Zusätzlichkeitserfordernis ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber die betreffende Zuwendung über das tarifvertraglich oder einzelvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt hinaus entrichtet. Werden die betreffenden Zuwendungen vom Arbeitgeber jedoch an Stelle der von ihm geschuldeten Lohn- und Gehaltsbestandteile gezahlt, fehlt es an der von § 1 ArEV verlangten Zusätzlichkeit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004, L 11 KR 3956/03). Letzteres ist hier der Fall, da die Klägerin die Benzingutscheine nicht über das vereinbarte Arbeitsentgelt hinaus ihren Mitarbeitern zugewendet hat, sondern bei gleichbleibendem Arbeitsentgeltanspruch den vertraglich vereinbarten Barlohn um den Wert der Benzingutscheine gekürzt hat. Dies hat die Klägerin auch selbst eingeräumt.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Grundsätzen des Urteils des Bundessozialgerichts vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht im Hinblick auf vom Arbeitgeber anstelle des Lohnes gezahlte und gemäß § 40 b EStG pauschalversteuerte Direktversicherungsprämien zur betrieblichen Altersversorgung ausgeführt, das Zusätzlichkeitserfordernis (dort: des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) sei auch dann erfüllt, wenn die Direktversicherungsbeiträge aus einer Entgeltumwandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrAVG stammten. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auf andere Fälle außerhalb der betrieblichen Altersversorgung übertragbar ist (vgl. Werner, in: juisPK-SGB IV, § 17 Rn. 10; a.A. offensichtlich Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.11.2004, Az.: L 5 KR 218/03), da die Entscheidung einen gesetzlich ausdrücklich geregelten und sogar legaldefinierten Fall einer Entgeltumwandlung betraf (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG). In jedem Fall liegt hier keine Entgeltumwandlung vor.
Eine Entgeltumwandlung unterscheidet sich von einer bloßen Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes oder Gehaltes dadurch, dass die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft durch Änderung des Arbeitsvertrages allgemein geändert wird. Die Schuld des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt zu zahlen, wird zukunftsgerichtet erneuert (noviert) und, z.B. im Falle von § 1 Abs. 2 BetrAVG, im Umfang einer Zusage zur Aufbringung der Prämien für eine Direktversicherung ersetzt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R).
Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Änderung der Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 1) bis 9) stattgefunden hat. Immerhin enthalten die schriftlichen Anstellungsverträge der Beigeladenen zu 1) und 6) keine Angaben zur teilweisen Ersetzung des Barlohns durch Tankgutscheine. In jedem Fall haben die Klägerin und die Beigeladenen zu 1) bis 9) keine Änderung der Gegenleistungspflicht der Klägerin mit Wirkung für die Zukunft vereinbart. Vielmehr ist die Pflicht der Klägerin zur Zahlung des Arbeitsentgelts unverändert geblieben und ist nicht etwa wie im Falle der teilweisen Ersetzung der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts durch eine Zusage zur Aufbringung der Prämien für eine Direktversicherung in eine andere Verpflichtung, d.h. ein aliud, nämlich die Pflicht zur Verschaffung einer Anwartschaft auf Versorgungsleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, umgewandelt worden. Lediglich die Auszahlungsform des Arbeitsentgelts ist vereinbarungsgemäß geändert worden: Anstelle des Barlohnes erhielten die Beigeladenen zu 1) bis 9) Sachbezüge in Gestalt der Tankgutscheine ausgezahlt. In der Sache handelt es sich damit um eine bloße Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes: Die Klägerin hat im Einvernehmen mit den Beigeladenen zu 1) bis 9) einen Teil des ihnen jeweils geschuldeten Lohnes zur Anschaffung von Tankgutscheinen, die persönlich auf den jeweiligen Mitarbeiter ausgestellt und nicht übertragbar waren, verwendet und diese an die Beigeladenen anstelle des Barlohnes weitergegeben. Eine solche Barlohnersetzung ist keine Entgeltumwandlung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem sogenannten Anspruchsprinzip, wonach die öffentlich-rechtliche Beitragsforderung mit der entgeltlichen Beschäftigung unabhängig davon entsteht, ob und in welcher Höhe der dem Arbeitnehmer einzel- oder tarifvertraglich zustehende Lohn tatsächlich ausgezahlt wird (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 1/04 R). Konsequenterweise kann die auf das geschuldete Arbeitsentgelt zu erhebende Beitragsforderung auch nicht dadurch (teilweise) erlöschen, dass das Arbeitsentgelt in besonderer Form ausgezahlt oder zu bestimmten Zwecken verwendet wird. Hieraus erklärt sich auch der Unterschied zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung, die die Steuervergünstigungsregelungen des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 EStG auch im Falle einer Barlohnersetzung anwendet. Der Bundesfinanzhof stellt in seinem von der Beklagte zitierten Beschluss vom 20.08.1997, Az.: VI B 83/97, entscheidend auf das im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht im Steuerrecht geltende Zuflussprinzip ab und unterscheidet zwischen dem mit dem Nennwert zu versteuernden zufließenden Barlohn und dem zufließenden Sachlohn, der mit den Werten des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 EStG anzusetzen sei. Für die Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen ist hingegen der Nennwert des vertraglich geschuldeten Bruttoarbeitsentgelts maßgeblich.
Die Benzingutscheine müssen auch nicht deshalb bei der Feststellung des beitrags-pflichtigen Arbeitsentgelts außer Betracht bleiben, weil § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für entsprechend anwendbar erklärt. Die SachBezV regelt entsprechend der Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV lediglich die Bestimmung des Wertes der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus für jedes Kalenderjahr. Die vorgelagerte Frage, ob und in welchem Umfang der betreffende Sachbezug zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört, ist hingegen nicht Gegenstand der SachBezV, da § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV zu einer solchen Regelung nicht ermächtigt.
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 SachBezV und damit auch die Verweisung auf § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für die hier streitgegenständlichen Benzingutscheine gar nicht einschlägig. Die Vorschrift gilt insgesamt nur für solche Sachbezüge, die "unentgeltlich zur Verfügung gestellt" werden. Dies folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die Verweisungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV aus der inneren Systematik des § 6 Abs. 1 SachBezV, der in seinen Sätzen 2 bis 4 von der Regelung des Satzes 1 abweichende besondere Bewertungsregeln normiert, sowie aus einer Gegenüberstellung mit § 6 Abs. 2 SachBezV, der im Unterschied zu Abs. 1 die Bewertung von verbilligt zur Verfügung gestellten Sachbezügen regelt. Unentgeltlichkeit liegt hier nicht vor, da es sich bei den Benzingutscheinen nicht um eine freiwillige zusätzliche Leistung der Klägerin handelt. Vielmehr haben die betreffenden Mitarbeiter der Klägerin die Benzingutscheine mit einem Teil ihres vertraglich vereinbarten Barlohnes "bezahlt". Nach den obigen Ausführung ist eine "Bewertung" des nicht zusätzlich im Sinne von § 1 ArEV gewährten Sachbezugs "Benzingutschein" nach den Bestimmungen der SachBezV auch gar nicht erforderlich, da sich die Höhe der zu entrichtenden Beiträge nach dem Nennwert des vertraglich geschuldeten Bruttoarbeitsentgelts richtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a SGG, 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der Klägerin nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht aufzuerlegen, da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 197a Rn. 29 m.w.N.).
Der Streitwert ist nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG (GKG in der ab dem 01.07.2004 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG in Höhe der Geldsumme, auf die der angefochtene Verwaltungsakt gerichtet ist, begrenzt auf den Umfang der Anfechtung, festgesetzt worden.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Steuerberatungsbüro und beschäftigte jedenfalls bis zum 31.12.2004 die Beigeladenen zu 1) bis 9) als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Sie schloss allerdings nur mit dem Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 6) im Anschluss an deren Ausbildung am 15.01.2004 schriftliche "Anstellungsverträge". Im Übrigen existieren lediglich mündliche Vereinbarungen.
Bis Juli 2002 bzw. August 2002 zahlte die Klägerin ihren Mitarbeitern das jeweils vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt. Ab diesem Zeitpunkt stellte sie den Beigeladenen zu 1) bis 9) monatlich Tankgutscheine im Wert von ...,- bis ...,- EURO bzw. ab dem 01.01.2004 bis ...,- EURO aus. Im Gegenzug verminderte sie die diesen Arbeitnehmern zustehenden monatlichen Bruttobezüge in entsprechender Höhe. Die Tankgutscheine sollten nicht übertragbar sein und an einer bestimmten Tankstelle eingelöst werden.
In dem schriftlichen "Anstellungsvertrag" zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 6) finden die Tankgutscheine allerdings keine Erwähnung. Unter "§ 3 Vergütung" heißt es vielmehr:
Die monatliche Bruttovergütung beträgt EUR ... (erg.: bei der Beigeladenen zu 6) ...) Die Vergütung wird jeweils am Letzten eines Monats fällig. Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das der Firma benannte Konto des Arbeitnehmers ... "
In der Zeit vom 02.05.2005 bis 06.06.2005 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2004 durch. Mit Bescheid vom 31.08.2005 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt ... EUR nach. Die Nachforderung begründete sie damit, dass eine Gehaltsnachzahlung an zwei Arbeitnehmerinnen nicht in vollem Umfang der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterworfen worden sei, im Monat Januar 2004 aus der Ausbildungsvergütung für zwei Arbeitnehmer keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden seien und auch keine Sozialversicherungsbeiträge für die aus dem laufenden Arbeitsentgelt finanzierten Benzingutscheine entrichtet worden seien. Die Nachforderung betrug allein aufgrund des zuletzt genannten Sachverhaltes ... EUR. Insoweit führte die Beklagte zur Begründung aus, der geldwerte Vorteil aus den gewährten Benzingutscheinen sei dem beitragspflichtigen Entgelt in der Sozialversicherung zuzurechnen. Die aus der Gewährung der Benzingutscheine resultierenden geldwerten Vorteile seien nicht zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährt worden. Vielmehr sei hierfür stets das laufende Arbeitsentgelt entsprechend reduziert worden. Der Bruttolohn der Arbeitnehmer sei deshalb durch die Gewährung der Benzingutscheine im Ergebnis unverändert geblieben. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung und auch die Finanzverwaltung habe zwar eine Umwandlung von Barlohn in einen Sachbezug, wie zum Beispiel die Umwandlung von Barlohn in Essensmarken oder Restaurant-Schecks, unter der Voraussetzung, dass der Arbeitsvertrag entsprechend geändert werde, ausdrücklich zugelassen. Die Sozialversicherung folge dem jedoch nicht uneingeschränkt. Denn die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger ließen eine Umwandlung von Barlohn in einen durch den Rabattfreibetrag begünstigten Sachbezug dann nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu, wenn Warengutscheine oder Sachzuwendungen an Stelle des vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelts gewährt werden. Nur wenn freiwillige Lohnzahlungen, die über den Tarif- oder Arbeitsvertrag hinausgingen, durch Warengutscheine oder Sachzuwendungen ersetzt würden, trete Beitragsfreiheit in Anwendung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ein.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Beiträge, die auf Grund der anstelle des Barentgeltes ausgegebenen Benzingutscheine nacherhoben wurden. Zur Begründung führte sie aus, diese Sachbezüge seien nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG lohnsteuerfrei, da der Wert der Gutscheine ... EUR bzw ... EUR nicht überstiegen habe. Sie habe diesbezüglich eine Anrufungsauskunft beim zuständigen Finanzamt eingeholt, welches diese Rechtsauffassung bestätigt habe. Die Beklagte verkenne, dass die Vorschriften des § 8 Abs. 3 EStG und des § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) nicht einschlägig seien. § 8 Abs. 3 EStG behandele ausschließlich die Fälle, dass vom Unternehmer selbst hergestellte oder vertriebene Waren an den Arbeitnehmer weitergegeben werden. Da die Klägerin nicht mit Benzin handele, scheide § 8 Abs. 3 EStG als Rechtsgrundlage für die Rechtsfindung gänzlich aus. Es verbleibe daher ausschließlich bei § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG. Die Sozial-versicherung folge der steuerlichen Beurteilung über die Steuerfreiheit mit der Regelung in § 6 der Sachbezugsverordnung (SachBezV), wonach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG (Freigrenze von ... EUR bzw ... EUR) entsprechend gelte. Der Wert der Benzingutscheine sei somit nicht der Sozialversicherung zu unterwerfen.
Am 04.10.2005 beantragte die Klägerin bei Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Den Antrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 28.10.2005 (S 6 R 277/05 ER), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, ab. Rechtmittel legte die Klägerin nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Sachbezug in Gestalt der Tankgutscheine gehöre im Sinne der Sozialversicherung als geldwerter Vorteil in voller Höhe zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Bei der von der Klägerin vorgenommenen Barlohnumwandlung handele es sich nicht um eine zusätzliche freiwillige Leistung, sondern um eine Kürzung des dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zustehenden Bruttoentgeltes zugunsten eines Sachbezugs. Beitragsfreiheit nach § 1 ArEV komme nicht in Betracht, da die Tankgutscheine nicht im Sinne dieser Vorschrift zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt würden.
Die Klägerin hat am 23.01.2006 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, hinsichtlich der Lohnsteuerfreiheit der Tankgutscheine habe die Entscheidung des Finanzamtes Tatbestandswirkung. Auf § 1 ArEV komme es nicht an, da es sich nicht um Beträge im Sinne dieser Vorschrift handele. Vielmehr blieben die Tankgutscheine nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz. Für die Sozialversicherungspflicht gelte § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV, wonach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG entsprechend gelte. Damit komme es auf die "Zusätzlichkeit" oder die "Unentgeltlichkeit" der Tankgutscheine nicht an.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2005 aufzuheben, soweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die den Beigeladenen zu 1) bis 9) gewährten Benzingutscheine nacherhoben worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es könne dahinstehen, ob es sich bei den Tankgutscheinen um Sachbezüge handele, die nach § 8 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG lohnsteuerfrei seien. Tatsache sei, dass die Klägerin eine Barlohnumwandlung vorgenommen habe, ohne dass der Verzicht zugunsten des Sachbezugs arbeitsvertraglich festgehalten worden sei. Nur wenn freiwillige Lohnzahlungen, die über den Tarif- oder Arbeitsvertrag hinausgingen, durch Sachzuwendungen ersetzt würden, trete bei Lohnsteuerfreiheit auch Beitragsfreiheit ein. Die vom Arbeitsentgelt abhängigen Beitragsansprüche entstünden bereits mit dem (arbeitsvertraglich vereinbarten) Arbeitsentgeltanspruch. Soweit die Arbeitnehmer auf den sich ggf. aus dem ihnen laut Arbeitsvertrag zustehenden Bruttolohn, der in voller Höhe Beitragspflichtig in der Gesamtsozialversicherung sei, ergebenen Nettolohn zugunsten eines Benzingutscheins verzichtet hätten, bedeute dies nicht, dass der Rentenversicherungsträger nicht berechtigt sei, die Beiträge aus dem vom Arbeitnehmer eigentlich zu beanspruchenden Bruttolohn gemäß § 22 SGB IV zu fordern. Zur Unterstützung ihrer Auffassung hat die Beklagte ein Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 23.02.2004, Az.: S 25 KR 3082/00, zu den Akten gereicht.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen zu 1) bis 9) haben auf Befragen des Gerichts übereinstimmend angegeben, die Klägerin habe ihnen die Ersetzung des Barlohnes durch die Tankgutscheine angeboten. Sie hätten dieses Angebot freiwillig angenommen, hätten es jedoch auch ablehnen können.
Das Gericht hat die Streitakte aus dem Verfahren S 6 R 277/05 ER beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit-, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Streitakte aus dem Verfahren S 6 R 277/05 ER sowie die darin befindlichen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt, gegenüber der Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von ... EUR nachzufordern. Gegen die Beitragsnachforderung im Hinblick auf die Gehaltsnachzahlung an die Beigeladenen zu 2) und 8) und die Ausbildungvergütung für die Beigeladenen zu 1) und 6) (insgesamt ...,- EUR) hat die Klägerin ausdrücklich keine Einwände erhoben. Die Beklagte war darüber hinaus entgegen der Auffassung der Klägerin auch berechtigt, Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf die den Beigeladenen zu 1) bis 9) gewährten Tankgutscheine zu erheben.
Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist die Beklagte befugt, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Im Rahmen dieser Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Aus der Bestimmung des § 28 p SGB IV ergibt sich die generelle Befugnis der Beklagten, Beitragsnachforderungen gegenüber Arbeitgebern, die nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen haben, geltend zu machen.
Bemessungsgrundlage für die Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III). Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Tankgutscheine sind beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in diesem Sinne, denn es handelt sich hierbei um Sachbezüge, die zum Arbeitsentgelt gehören, wenn sie – wie hier – im ursächlichen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl. Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeitnehmer und Angestellten, § 14 SGB IV Anmerkung 2; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 02.11.2000, Az.: L 14 KR 1441/97 m.w.N.).
Es kann dahinstehen, ob die Benzingutscheine nach Maßgabe von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG lohnsteuerfrei sind. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, was allerdings deshalb zweifelhaft sein könnte, weil jedenfalls die schriftlichen Arbeitverträge der Beigeladenen zu 1) und 6) nicht geändert wurden (vgl. insoweit Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.07.2004, Az.: 4 K 5742/01 L), führt dies nicht dazu, dass die Benzingutscheine damit zugleich beitragsfrei im Sinne des Sozialversicherungsrechts sind. Eine vollständige Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht gibt es nicht (vgl. Hessisches Landessozialgericht a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Eine Angleichung des Sozialversicherungsrechtes an das Steuerrecht erfolgt lediglich durch die aufgrund von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV erlassene Arbeitsentgeltverordnung (ArEV). Diese regelt, ob und in welchem Umfang einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Für die hier streitgegenständlichen Benzingutscheine enthält die Arbeitsentgeltverordnung jedoch keine Vorschrift, aus der sich ergibt, dass die etwaige Lohnsteuerfreiheit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG auch zur Folge hat, dass die Benzingutscheine nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegen. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 1 ArEV sind nicht erfüllt.
Nach § 1 ArEV sind solche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Die Benzingutscheine wurden den Mitarbeitern der Klägerin jedoch nicht zusätzlich zu dem vertraglich vereinbarten Lohn bzw. Gehalt gewährt. Das Zusätzlichkeitserfordernis ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber die betreffende Zuwendung über das tarifvertraglich oder einzelvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt hinaus entrichtet. Werden die betreffenden Zuwendungen vom Arbeitgeber jedoch an Stelle der von ihm geschuldeten Lohn- und Gehaltsbestandteile gezahlt, fehlt es an der von § 1 ArEV verlangten Zusätzlichkeit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2004, L 11 KR 3956/03). Letzteres ist hier der Fall, da die Klägerin die Benzingutscheine nicht über das vereinbarte Arbeitsentgelt hinaus ihren Mitarbeitern zugewendet hat, sondern bei gleichbleibendem Arbeitsentgeltanspruch den vertraglich vereinbarten Barlohn um den Wert der Benzingutscheine gekürzt hat. Dies hat die Klägerin auch selbst eingeräumt.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Grundsätzen des Urteils des Bundessozialgerichts vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht im Hinblick auf vom Arbeitgeber anstelle des Lohnes gezahlte und gemäß § 40 b EStG pauschalversteuerte Direktversicherungsprämien zur betrieblichen Altersversorgung ausgeführt, das Zusätzlichkeitserfordernis (dort: des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ArEV in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) sei auch dann erfüllt, wenn die Direktversicherungsbeiträge aus einer Entgeltumwandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrAVG stammten. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auf andere Fälle außerhalb der betrieblichen Altersversorgung übertragbar ist (vgl. Werner, in: juisPK-SGB IV, § 17 Rn. 10; a.A. offensichtlich Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.11.2004, Az.: L 5 KR 218/03), da die Entscheidung einen gesetzlich ausdrücklich geregelten und sogar legaldefinierten Fall einer Entgeltumwandlung betraf (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG). In jedem Fall liegt hier keine Entgeltumwandlung vor.
Eine Entgeltumwandlung unterscheidet sich von einer bloßen Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes oder Gehaltes dadurch, dass die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft durch Änderung des Arbeitsvertrages allgemein geändert wird. Die Schuld des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt zu zahlen, wird zukunftsgerichtet erneuert (noviert) und, z.B. im Falle von § 1 Abs. 2 BetrAVG, im Umfang einer Zusage zur Aufbringung der Prämien für eine Direktversicherung ersetzt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/02 R).
Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Änderung der Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 1) bis 9) stattgefunden hat. Immerhin enthalten die schriftlichen Anstellungsverträge der Beigeladenen zu 1) und 6) keine Angaben zur teilweisen Ersetzung des Barlohns durch Tankgutscheine. In jedem Fall haben die Klägerin und die Beigeladenen zu 1) bis 9) keine Änderung der Gegenleistungspflicht der Klägerin mit Wirkung für die Zukunft vereinbart. Vielmehr ist die Pflicht der Klägerin zur Zahlung des Arbeitsentgelts unverändert geblieben und ist nicht etwa wie im Falle der teilweisen Ersetzung der Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts durch eine Zusage zur Aufbringung der Prämien für eine Direktversicherung in eine andere Verpflichtung, d.h. ein aliud, nämlich die Pflicht zur Verschaffung einer Anwartschaft auf Versorgungsleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, umgewandelt worden. Lediglich die Auszahlungsform des Arbeitsentgelts ist vereinbarungsgemäß geändert worden: Anstelle des Barlohnes erhielten die Beigeladenen zu 1) bis 9) Sachbezüge in Gestalt der Tankgutscheine ausgezahlt. In der Sache handelt es sich damit um eine bloße Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes: Die Klägerin hat im Einvernehmen mit den Beigeladenen zu 1) bis 9) einen Teil des ihnen jeweils geschuldeten Lohnes zur Anschaffung von Tankgutscheinen, die persönlich auf den jeweiligen Mitarbeiter ausgestellt und nicht übertragbar waren, verwendet und diese an die Beigeladenen anstelle des Barlohnes weitergegeben. Eine solche Barlohnersetzung ist keine Entgeltumwandlung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem sogenannten Anspruchsprinzip, wonach die öffentlich-rechtliche Beitragsforderung mit der entgeltlichen Beschäftigung unabhängig davon entsteht, ob und in welcher Höhe der dem Arbeitnehmer einzel- oder tarifvertraglich zustehende Lohn tatsächlich ausgezahlt wird (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 1/04 R). Konsequenterweise kann die auf das geschuldete Arbeitsentgelt zu erhebende Beitragsforderung auch nicht dadurch (teilweise) erlöschen, dass das Arbeitsentgelt in besonderer Form ausgezahlt oder zu bestimmten Zwecken verwendet wird. Hieraus erklärt sich auch der Unterschied zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung, die die Steuervergünstigungsregelungen des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 EStG auch im Falle einer Barlohnersetzung anwendet. Der Bundesfinanzhof stellt in seinem von der Beklagte zitierten Beschluss vom 20.08.1997, Az.: VI B 83/97, entscheidend auf das im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht im Steuerrecht geltende Zuflussprinzip ab und unterscheidet zwischen dem mit dem Nennwert zu versteuernden zufließenden Barlohn und dem zufließenden Sachlohn, der mit den Werten des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 EStG anzusetzen sei. Für die Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen ist hingegen der Nennwert des vertraglich geschuldeten Bruttoarbeitsentgelts maßgeblich.
Die Benzingutscheine müssen auch nicht deshalb bei der Feststellung des beitrags-pflichtigen Arbeitsentgelts außer Betracht bleiben, weil § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für entsprechend anwendbar erklärt. Die SachBezV regelt entsprechend der Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV lediglich die Bestimmung des Wertes der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus für jedes Kalenderjahr. Die vorgelagerte Frage, ob und in welchem Umfang der betreffende Sachbezug zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört, ist hingegen nicht Gegenstand der SachBezV, da § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB IV zu einer solchen Regelung nicht ermächtigt.
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 6 Abs. 1 SachBezV und damit auch die Verweisung auf § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG für die hier streitgegenständlichen Benzingutscheine gar nicht einschlägig. Die Vorschrift gilt insgesamt nur für solche Sachbezüge, die "unentgeltlich zur Verfügung gestellt" werden. Dies folgt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die Verweisungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 4 SachBezV aus der inneren Systematik des § 6 Abs. 1 SachBezV, der in seinen Sätzen 2 bis 4 von der Regelung des Satzes 1 abweichende besondere Bewertungsregeln normiert, sowie aus einer Gegenüberstellung mit § 6 Abs. 2 SachBezV, der im Unterschied zu Abs. 1 die Bewertung von verbilligt zur Verfügung gestellten Sachbezügen regelt. Unentgeltlichkeit liegt hier nicht vor, da es sich bei den Benzingutscheinen nicht um eine freiwillige zusätzliche Leistung der Klägerin handelt. Vielmehr haben die betreffenden Mitarbeiter der Klägerin die Benzingutscheine mit einem Teil ihres vertraglich vereinbarten Barlohnes "bezahlt". Nach den obigen Ausführung ist eine "Bewertung" des nicht zusätzlich im Sinne von § 1 ArEV gewährten Sachbezugs "Benzingutschein" nach den Bestimmungen der SachBezV auch gar nicht erforderlich, da sich die Höhe der zu entrichtenden Beiträge nach dem Nennwert des vertraglich geschuldeten Bruttoarbeitsentgelts richtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a SGG, 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der Klägerin nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht aufzuerlegen, da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben und das Verfahren auch nicht wesentlich gefördert haben (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 197a Rn. 29 m.w.N.).
Der Streitwert ist nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG (GKG in der ab dem 01.07.2004 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG in Höhe der Geldsumme, auf die der angefochtene Verwaltungsakt gerichtet ist, begrenzt auf den Umfang der Anfechtung, festgesetzt worden.
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